Bis(s) in alle Ewigkeit
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Bis(s) in alle Ewigkeit
Huhu!
So, ich traue mich auch mal ganz vorsichtig meine FF hier rein zu stellen.
Ein herzliches Danke übrigens an meine Betaleserin Rose_fan 4 ever
Kommis bitte dann hier abgeben.
Name: Bis(s) in alle Ewigkeit
Charaktere: Marion, Tobi, Matze und Maja (erfundene Charaktere) und so ziemlich alle Charaktere aus der Biss-Reihe
Handlung: Marion und Tobi, sowie ein befreundetes Pärchen werden durch einen Autounfall aus ihrem normalen Leben gerissen und versuchen sich nun in die Welt der Vampire einzuleben.
..............................
Eins – der letzte Herzschlag
Ich spürte, wie mein Herzschlag langsamer und mein Atem flacher wurde. Keine Schmerzen. Taubheit am ganzen Körper. Ich fror auch nicht mehr. Hätte da nicht die Liebe meines Lebens neben mir, auf dem Fahrersitz eingeklemmt, gesessen, sich vor Schmerzen gekrümmt und panisch versucht, mich bei Bewusstsein zu halten, dann hätte ich einfach aufgegeben. Sterben wäre so leicht, so friedlich gewesen.
„Schatz, bleib bei mir! Mach die Augen auf! Sieh mich an! Bitte!“ Meine Augen waren offen, mein Blick jedoch verschwommen. Außerdem war es dunkel. Mittlerweile war die Nacht hereingebrochen und noch immer hatte uns keiner gefunden.
„Bitte!“ Er schluchzte. Noch nie hatte ich ihn weinen sehen. Es machte mich traurig, denn ich wusste, dass ich nicht mehr allzu lange durchhalten würde.
„Tobi“, zwang ich mir über die Lippen, „bist du verletzt? Sei ehrlich. Mach dir um mich keine Sorgen, ich habe keine Schmerzen.“ In der Dunkelheit konnte ich sein blutverschmiertes Gesicht erkennen. Sein weißes T-Shirt war am Bauch dunkelrot verfärbt und der Fleck wurde zusehends größer. Er presste eine Hand gegen seine linke Seite.
„Ja“, gab er zu. „Aber ich schaff das schon irgendwie. Diese Nacht werde ich noch durchhalten! Aber nur, wenn du bei mir bleibst. Du darfst nicht aufgeben! Hast du mich gehört?“ Jetzt sah ich ihn nicht mehr. Vor meinen Augen wurde alles schwarz.
„Es tut mir leid. Sei nicht traurig, mein Schatz! Vergib mir, aber ich bin so müde“, flüsterte ich. Meine Augenlider waren schwer wie Blei. Ich fühlte mich wie in Watte gebettet. Verzerrt und dumpf hörte ich noch Tobis Flehen und Weinen. Und dann war da nichts mehr außer Stille und Dunkelheit.
Doch ganz plötzlich wurde ich aus meinem Frieden gerissen. Schmerz! Unerträglicher Schmerz! Wie ein Feuer brannte er an meinen Handgelenken, Fesseln und meinem Hals. Ich schrie auf, so weh tat es. War ich in der Hölle? Wo war der friedliche Tod? Wo war die Stille? Wo war die Dunkelheit? Jetzt konnte ich alles leider nur allzu deutlich spüren. So furchtbar klar. Da war keine Stille, kein Frieden, keine Dunkelheit mehr. Ich hörte eine Stimme, die mir jedoch fremd war.
„Was passiert mit mir? Wer bist du? Was hast du mit mir gemacht?“, presste ich hervor und bäumte mich auf. Ich verbrannte bei lebendigem Leib, ohne ein Feuer.
Zwei starke Hände drückten mich sanft, aber bestimmt an den Schultern herunter. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich auf einem moosigen Waldboden lag.
„Hör zu. Mein Name ist Bella Cullen“, antwortete eine wunderschöne melodische Stimme.
„Ihr hattet einen schweren Autounfall und wart beide schwer verletzt. Es ist ein Wunder, dass ihr so lange durchgehalten habt. Der Wagen, mit dem ihr zusammengestoßen seid, liegt auf der anderen Seite der Straße, am Ende einer Böschung. Mein Mann, Edward, kümmert sich gerade um die Insassen.“ Ich versuchte, Bella aufmerksam zuzuhören, um mich von meinen Schmerzen abzulenken.
„Was geschieht mit mir? Ich war doch schon so gut wie tot. Und wo ist mein Freund?“ Ich heftete meinen Blick auf Bellas wunderschönes Gesicht. Sie war sehr blass, hatte fließendes schönes braunes Haar, einen perfekt geschwungenen roten Mund und merkwürdig goldene Augen. Hätte ich nicht solche Schmerzen gehabt, hätte ich mich für meine Gafferei geschämt.
„Marion…so ist doch dein Name?“ Ich nickte. „Das, was ich dir jetzt erzählen werde, habe ich auch Tobias erzählt. Es ist schwer zu begreifen, aber dein Freund hat diesen Weg für euch gewählt. Ihr werdet nicht die einzigen sein, mit denen das jetzt geschieht. Auch eure Unfallgegner haben sich für das Weiterleben entschieden, wenn man es noch so nennen kann. Sei Tobias nicht böse, er könnte nicht ohne dich leben! Alles wird gut, du wirst schon sehen.“
Und so erfuhr ich alles über das, was ich werden sollte, sobald dieses Brennen, dieser Schmerz vorbei sein würden. Bald wäre ich so wunderschön wie Bella, mein Herz würde aufhören zu schlagen, ich wäre unglaublich schnell und stark und ich wäre unsterblich. Bald würden Tobias, die, die im anderen Wagen saßen, und ich sehr durstig sein. Bald wären wir alle Vampire.
So schrecklich das auch alles im ersten Moment in meinen Ohren klang, gab es mir doch Hoffnung. Das Brennen wäre bald vorbei und Tobias hätte auch überlebt. Ein Leben für die Ewigkeit in Einsamkeit wäre schlimmer gewesen.
Nach Stunden, die mir wie Jahre vorkamen, spürte ich, dass das Feuer in meinem Körper (es war in Wahrheit Vampirgift, das wusste ich jetzt) sich verlagert hatte. Jedoch brannte es intensiver als vorher. Es wanderte in Richtung meines wie wild schlagenden Herzens und ich fragte mich, ob mein operiertes Herz das aushalten würde.
„Wo ist mein Freund?“, fragte ich Bella, die nicht von meiner Seite wich.
„Edward hat ihn mit zu dem anderen Auto genommen. Er hat stark geblutet. Ich wollte ihn nicht selbst verwandeln, aus Angst, ihn zu töten. Weißt du, ich bin auch noch nicht so lange unsterblich. Gerade mal zwei Jahre! Ich bin mehr oder weniger noch eine Neugeborene. Du bist die Erste, die ich verwandelt habe! Du bist der erste und einzige Mensch, den ich je gebissen habe! Da du keine äußeren blutenden Verletzungen hast, ist es mir leicht gefallen nicht von dir zu trinken. Ich weiß nicht, ob ich es bei den anderen geschafft hätte. Edward ist erheblich älter und erfahrener. Er wird sie also nicht töten.“
Ich würde später darüber nachdenken müssen, was sie mir da gerade erzählt hatte. Jetzt wurden die Schmerzen unerträglich und raubten mir fast den Verstand. Meine Brust stand quasi in Flammen. Mein Herz hämmerte wie ein Presslufthammer. Ich konnte gar nicht zählen, wie schnell es in einer Sekunde schlug und der Druck raubte mir den Atem. Mein inneres Feuer brannte lichterloh und würde bald nur noch die verkohlten Überreste meines Herzens übrig lassen. Es fühlte sich an, als ob mich jemand an meinem Herzen vom Boden heben würde. Und tatsächlich erhob sich mein Brustkorb vom feuchten moosigen Boden. Das letzte Bisschen Luft zischte aus meinen zusammengepressten Lippen. Der Schmerz ließ mir keine Ruhe, ich schrie ihn einmal laut heraus, für mehr hatte ich keinen Sauerstoff mehr. Und als das Echo des Schreies im Wald verebbte, hörte mein Herz für immer auf zu schlagen.
So, ich traue mich auch mal ganz vorsichtig meine FF hier rein zu stellen.
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Charaktere: Marion, Tobi, Matze und Maja (erfundene Charaktere) und so ziemlich alle Charaktere aus der Biss-Reihe
Handlung: Marion und Tobi, sowie ein befreundetes Pärchen werden durch einen Autounfall aus ihrem normalen Leben gerissen und versuchen sich nun in die Welt der Vampire einzuleben.
..............................
Eins – der letzte Herzschlag
Ich spürte, wie mein Herzschlag langsamer und mein Atem flacher wurde. Keine Schmerzen. Taubheit am ganzen Körper. Ich fror auch nicht mehr. Hätte da nicht die Liebe meines Lebens neben mir, auf dem Fahrersitz eingeklemmt, gesessen, sich vor Schmerzen gekrümmt und panisch versucht, mich bei Bewusstsein zu halten, dann hätte ich einfach aufgegeben. Sterben wäre so leicht, so friedlich gewesen.
„Schatz, bleib bei mir! Mach die Augen auf! Sieh mich an! Bitte!“ Meine Augen waren offen, mein Blick jedoch verschwommen. Außerdem war es dunkel. Mittlerweile war die Nacht hereingebrochen und noch immer hatte uns keiner gefunden.
„Bitte!“ Er schluchzte. Noch nie hatte ich ihn weinen sehen. Es machte mich traurig, denn ich wusste, dass ich nicht mehr allzu lange durchhalten würde.
„Tobi“, zwang ich mir über die Lippen, „bist du verletzt? Sei ehrlich. Mach dir um mich keine Sorgen, ich habe keine Schmerzen.“ In der Dunkelheit konnte ich sein blutverschmiertes Gesicht erkennen. Sein weißes T-Shirt war am Bauch dunkelrot verfärbt und der Fleck wurde zusehends größer. Er presste eine Hand gegen seine linke Seite.
„Ja“, gab er zu. „Aber ich schaff das schon irgendwie. Diese Nacht werde ich noch durchhalten! Aber nur, wenn du bei mir bleibst. Du darfst nicht aufgeben! Hast du mich gehört?“ Jetzt sah ich ihn nicht mehr. Vor meinen Augen wurde alles schwarz.
„Es tut mir leid. Sei nicht traurig, mein Schatz! Vergib mir, aber ich bin so müde“, flüsterte ich. Meine Augenlider waren schwer wie Blei. Ich fühlte mich wie in Watte gebettet. Verzerrt und dumpf hörte ich noch Tobis Flehen und Weinen. Und dann war da nichts mehr außer Stille und Dunkelheit.
Doch ganz plötzlich wurde ich aus meinem Frieden gerissen. Schmerz! Unerträglicher Schmerz! Wie ein Feuer brannte er an meinen Handgelenken, Fesseln und meinem Hals. Ich schrie auf, so weh tat es. War ich in der Hölle? Wo war der friedliche Tod? Wo war die Stille? Wo war die Dunkelheit? Jetzt konnte ich alles leider nur allzu deutlich spüren. So furchtbar klar. Da war keine Stille, kein Frieden, keine Dunkelheit mehr. Ich hörte eine Stimme, die mir jedoch fremd war.
„Was passiert mit mir? Wer bist du? Was hast du mit mir gemacht?“, presste ich hervor und bäumte mich auf. Ich verbrannte bei lebendigem Leib, ohne ein Feuer.
Zwei starke Hände drückten mich sanft, aber bestimmt an den Schultern herunter. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich auf einem moosigen Waldboden lag.
„Hör zu. Mein Name ist Bella Cullen“, antwortete eine wunderschöne melodische Stimme.
„Ihr hattet einen schweren Autounfall und wart beide schwer verletzt. Es ist ein Wunder, dass ihr so lange durchgehalten habt. Der Wagen, mit dem ihr zusammengestoßen seid, liegt auf der anderen Seite der Straße, am Ende einer Böschung. Mein Mann, Edward, kümmert sich gerade um die Insassen.“ Ich versuchte, Bella aufmerksam zuzuhören, um mich von meinen Schmerzen abzulenken.
„Was geschieht mit mir? Ich war doch schon so gut wie tot. Und wo ist mein Freund?“ Ich heftete meinen Blick auf Bellas wunderschönes Gesicht. Sie war sehr blass, hatte fließendes schönes braunes Haar, einen perfekt geschwungenen roten Mund und merkwürdig goldene Augen. Hätte ich nicht solche Schmerzen gehabt, hätte ich mich für meine Gafferei geschämt.
„Marion…so ist doch dein Name?“ Ich nickte. „Das, was ich dir jetzt erzählen werde, habe ich auch Tobias erzählt. Es ist schwer zu begreifen, aber dein Freund hat diesen Weg für euch gewählt. Ihr werdet nicht die einzigen sein, mit denen das jetzt geschieht. Auch eure Unfallgegner haben sich für das Weiterleben entschieden, wenn man es noch so nennen kann. Sei Tobias nicht böse, er könnte nicht ohne dich leben! Alles wird gut, du wirst schon sehen.“
Und so erfuhr ich alles über das, was ich werden sollte, sobald dieses Brennen, dieser Schmerz vorbei sein würden. Bald wäre ich so wunderschön wie Bella, mein Herz würde aufhören zu schlagen, ich wäre unglaublich schnell und stark und ich wäre unsterblich. Bald würden Tobias, die, die im anderen Wagen saßen, und ich sehr durstig sein. Bald wären wir alle Vampire.
So schrecklich das auch alles im ersten Moment in meinen Ohren klang, gab es mir doch Hoffnung. Das Brennen wäre bald vorbei und Tobias hätte auch überlebt. Ein Leben für die Ewigkeit in Einsamkeit wäre schlimmer gewesen.
Nach Stunden, die mir wie Jahre vorkamen, spürte ich, dass das Feuer in meinem Körper (es war in Wahrheit Vampirgift, das wusste ich jetzt) sich verlagert hatte. Jedoch brannte es intensiver als vorher. Es wanderte in Richtung meines wie wild schlagenden Herzens und ich fragte mich, ob mein operiertes Herz das aushalten würde.
„Wo ist mein Freund?“, fragte ich Bella, die nicht von meiner Seite wich.
„Edward hat ihn mit zu dem anderen Auto genommen. Er hat stark geblutet. Ich wollte ihn nicht selbst verwandeln, aus Angst, ihn zu töten. Weißt du, ich bin auch noch nicht so lange unsterblich. Gerade mal zwei Jahre! Ich bin mehr oder weniger noch eine Neugeborene. Du bist die Erste, die ich verwandelt habe! Du bist der erste und einzige Mensch, den ich je gebissen habe! Da du keine äußeren blutenden Verletzungen hast, ist es mir leicht gefallen nicht von dir zu trinken. Ich weiß nicht, ob ich es bei den anderen geschafft hätte. Edward ist erheblich älter und erfahrener. Er wird sie also nicht töten.“
Ich würde später darüber nachdenken müssen, was sie mir da gerade erzählt hatte. Jetzt wurden die Schmerzen unerträglich und raubten mir fast den Verstand. Meine Brust stand quasi in Flammen. Mein Herz hämmerte wie ein Presslufthammer. Ich konnte gar nicht zählen, wie schnell es in einer Sekunde schlug und der Druck raubte mir den Atem. Mein inneres Feuer brannte lichterloh und würde bald nur noch die verkohlten Überreste meines Herzens übrig lassen. Es fühlte sich an, als ob mich jemand an meinem Herzen vom Boden heben würde. Und tatsächlich erhob sich mein Brustkorb vom feuchten moosigen Boden. Das letzte Bisschen Luft zischte aus meinen zusammengepressten Lippen. Der Schmerz ließ mir keine Ruhe, ich schrie ihn einmal laut heraus, für mehr hatte ich keinen Sauerstoff mehr. Und als das Echo des Schreies im Wald verebbte, hörte mein Herz für immer auf zu schlagen.
Ischämie- ~Meadow Visitor~
- Anzahl der Beiträge : 1438
Alter : 38
Anmeldedatum : 05.01.11
Re: Bis(s) in alle Ewigkeit
Zwei – neu
Ich atmete tief ein, meine Lunge schrie nach Sauerstoff. In diesem Atemzug schmeckte und roch ich zum ersten Mal mit meinen neuen Sinnen die Luft. Tausende Gerüche und Geschmäcker prasselten auf mich ein. Es roch nach Moos, alter Erde und... Blut. Ich riss die Augen auf. Mit einem Satz sprang ich auf meine Füße und ging sofort in Jagdhaltung. Die Welt durch meine neuen Augen war wunderschön und auch was meine Schnelligkeit anging, hatte Bella nicht gelogen. Doch in diesem Moment interessierte mich nur eins: Mein Durst. In meiner Kehle brannte es wie zuvor in meinem ganzen Körper. Rasend blickte ich mich um. Lauschte nach einem schlagenden Herzen. Aber da war nichts.
„Marion. Eines nach dem anderen. Gewöhne dich erst einmal an deine neuen Sinne. Ich weiß, es ist verwirrend. Ich hätte dich woanders hinbringen sollen, als ich dich gebissen habe. Es war dumm von mir, hier bei dem Wrack eures Autos zu bleiben. Das Blut, das du riechst, ist alt und in die Sitzpolster eingetrocknet. Es wäre ungenießbar!“
Langsam gab ich die Jagdhaltung auf. In meinem Kopf war jetzt wieder Platz für neue Fragen.
„Wird das immer so sein? Werde ich immer so durstig sein? Werden wir Menschen töten müssen, um diesen Durst zu lindern?“ Ich erschrak, als ich meine neue Stimme hörte. Sie klang wie ein Windspiel, fremd und doch irgendwie vertraut.
„Beängstigend, nicht wahr?“ Bella kam lächelnd auf mich zugetänzelt. „Du schlägst dich recht gut bisher. Ich habe meine Familie angeknurrt, als ich ‚erwachte‘! Willst du was richtig Cooles sehen?“ Ohne auf meine Antwort zu warten, ging sie zu dem Schrotthaufen, der einmal unser Auto gewesen war, riss ohne große Anstrengung den linken Außenspiegel ab und drückte ihn mir in die Hand.
Mein Spiegelbild war etwas verstörend, da es so fremd war, aber es brachte mich zum Lächeln. Meine Haut war nicht ganz so blass wie Bellas, da ich philippinische Wurzeln hatte. Es war mehr ein verblichener Milchkaffee-Ton. Ich hatte plötzlich Volumen in den Haaren, die vorher einfach nur glatt an meinem Kopf heruntergehangen hatten, meine Augenbrauen waren schön geschwungen, alle meine Pickelchen und Narben waren einem glatten Teint gewichen. Und ein dunkelroter Schmollmund mit perlweißen Zähnen lächelte mir entgegen. Jedes Gramm Fett, das zu viel gewesen war, war unter dem Feuer geschmolzen. Nur meine Augen, die von langen schwarzen Wimpern umrahmt waren, machten mir Angst. Von dem weichen Braun war jetzt nichts mehr zu sehen. Sie leuchteten magentarot.
„Keine Angst! Je älter du wirst, desto weniger auffällig werden sie sein. Das Rot lässt nach oder wird dunkler, kommt nur darauf an, wie du dich in deinem neuen Leben ernähren willst.“ Bevor ich fragen konnte, klingelte Bellas Handy. Ohne drauf schauen zu müssen nahm sie ab.
„Edward, Schatz? Ja, sie ist auch wach. Wir kommen rüber!“ Sie klappte ihr Handy zu und steckte es in die Tasche ihrer ausgewaschenen Jeans. Für einen so wunderschönen Vampir, trug sie Kleidung, die eher zu meinem alten Ich gepasst hätte. Bella war mir auf Anhieb sympathisch.
„Willst du deinen ‚neuen‘ Freund sehen? Ich wette, er vermisst dich!“ Bella grinste mich an. „Und ich wette, du bist schneller als ich! Aber lass uns im gleichen Tempo laufen. Du bist mir noch etwas zu jung, um alleine durch den Wald zu spazieren!“ Haha. Sie sprach mit mir wie mit einem Kleinkind, ich wusste jedoch, wie es gemeint war, und ging auf ihr Spiel ein.
„Nun gut, Mama! Lehre mich, mich angemessen zu verhalten!“ Und dann sausten wir los, in einem Tempo, in dem selbst der Wind neidisch geworden wäre.
Keine zehn Sekunden später befanden wir uns auch schon an dem Wrack unserer Unfallgegner. Erschrocken blieb ich stehen. Da standen drei Vampire vor mir. Auf den einen lief Bella zu, schlang seine Arme um seine Taille und lächelte zufrieden. Er war eine echte Augenweide. Rotblonde zerzauste Haare, topasfarbene Augen und ein schiefes Lächeln, das Frauenherzen zum Schmelzen brachte. Das war also Edward. Außerdem war da ein Pärchen, das ich trotz der starken Veränderungen durch die Unsterblichkeit sofort erkannte.
„Maja. Matzek. Es tut mir so leid! Wir haben euch nicht kommen sehen! Die Straße war so eng, wir konnten euch nicht mehr ausweichen!“ Ich nahm beide in die Arme.
„Ach Ischämie, ist schon okay. Wir waren genauso unachtsam. Ihr tragt keine Schuld! Außerdem guck mal wie cool wir jetzt aussehen!“ Matzek strahlte über beide Wangen. „80 Kilo in einer Nacht muss man erst mal schaffen!“
„Es ist echt okay, Ischämie. Wir werden wenigstens nicht einsam sein müssen. Vorausgesetzt, du und Matello seid einverstanden, wenn wir erst mal zusammen bleiben“, meinte Maja. Sie hatte den gleichen Hautton wie ich und ihre dunkle Mähne umspielte ihr nun schlankes Gesicht.
„Ischämie und Matello?“ Bella sah mich stirnrunzelnd an.
„Wenn du wüsstest, auf was für eine interessante Gruppe wir gestoßen sind, Liebste“, säuselte Edward seiner Frau ins Ohr.
„Das war ja klar! Du weißt natürlich schon wieder alles. Gedankenlesen kann so praktisch sein.“ Bella verpasste ihm einen neckischen Klaps.
„Wo ist er? Wo ist Tobias?“, fragte ich nervös.
„Nur ein kleines Experiment“, antwortete Edward. „Er sagte, ihr seid Seelenverwandte. Ich will testen, inwiefern das eure Unsterblichkeit beeinflusst.“ Verwirrt starrte ich ihn an.
„Schließ die Augen, Marion. Schließ die Augen und versuche, seinen Geruch zu wittern.“
Also tat ich wie befohlen. Es war gar nicht mal so leicht, die vielen anderen Gerüche auszublenden. Da war ein leichter blumiger Geruch, den ich bereits kannte: Bella. Edward roch süßlich, wie dunkle Schokolade. Matze erkannte ich fast auf Anhieb und musste lachen, denn er und Maja rochen fast gleich und zwar nach Lakritz-Met. An den moosigen, schweren satten Geruch des Waldes hatte ich mich langsam gewöhnt und der Geruch des getrockneten Blutes in Majas Auto ließ meine Kehle unangenehm kratzen, doch ich konnte beide ausblenden. Und da war er. Der einzigartige vertraute Geruch meiner großen Liebe, nur tausendfach stärker als zuvor. Ich folgte einer Spur, einem Geruch, der schon als Mensch mein Blut in Wallung gebracht hatte, und nun war er so intensiv, dass ich ihm ohne Probleme mit geschlossenen Augen folgen konnte. Schnurstracks ging ich nach Osten, lauschte dabei selbst dem kleinsten Geräusch. Jetzt wurde ich ungeduldig. Ich riss die Augen auf und rannte los. Die anderen folgten mir. In meinem neuen Leben zu laufen war ein Kinderspiel. Die Bäume rauschten an mir vorbei und mit nur wenigen Sätzen konnte ich hunderte von Metern überwinden. Und dann endete die Spur plötzlich vor einer alten, morschen Hütte, die auf einer großen Lichtung stand.
Das Mondlicht erhellte diesen wunderschönen Ort und auf der Lichtung stand jemand. Das Mondlicht brach auf seiner Haut und ließ ihn in allen Farben glitzern. Da stand er nun. Groß, muskulös. Seine Augen ebenso wie meine in einem satten magentarot, die trotzdem eine Wärme und Vertrautheit ausstrahlten. Seine dunkelblonden Haare waren nicht mehr blutverschmiert. Nur eine Sekunde zögerte ich.
„Toby“, flüsterte ich und fiel ihm in die Arme. Wir küssten uns leidenschaftlich und auch das fühlte sich anders an. Seine Lippen schmiegten sich sanft um die meinen und seine Hände streichelten mein Gesicht. Jede Berührung fühlte sich wie kleine Stromschläge auf meiner Haut an.
„Alter Falter!“ Matzes Stimme holte mich aus der Trance. „Ihr habt jetzt die Ewigkeit vor euch.“ Schelmisch grinste er uns an. Maja stieß ihn in die Rippen.
„Du bist ja so was von unromantisch!“ Wir alle lachten im Chor auf und es klang wie ein sechsstimmiges Glockenspiel, das durch den dunklen Wald hallte
Ich atmete tief ein, meine Lunge schrie nach Sauerstoff. In diesem Atemzug schmeckte und roch ich zum ersten Mal mit meinen neuen Sinnen die Luft. Tausende Gerüche und Geschmäcker prasselten auf mich ein. Es roch nach Moos, alter Erde und... Blut. Ich riss die Augen auf. Mit einem Satz sprang ich auf meine Füße und ging sofort in Jagdhaltung. Die Welt durch meine neuen Augen war wunderschön und auch was meine Schnelligkeit anging, hatte Bella nicht gelogen. Doch in diesem Moment interessierte mich nur eins: Mein Durst. In meiner Kehle brannte es wie zuvor in meinem ganzen Körper. Rasend blickte ich mich um. Lauschte nach einem schlagenden Herzen. Aber da war nichts.
„Marion. Eines nach dem anderen. Gewöhne dich erst einmal an deine neuen Sinne. Ich weiß, es ist verwirrend. Ich hätte dich woanders hinbringen sollen, als ich dich gebissen habe. Es war dumm von mir, hier bei dem Wrack eures Autos zu bleiben. Das Blut, das du riechst, ist alt und in die Sitzpolster eingetrocknet. Es wäre ungenießbar!“
Langsam gab ich die Jagdhaltung auf. In meinem Kopf war jetzt wieder Platz für neue Fragen.
„Wird das immer so sein? Werde ich immer so durstig sein? Werden wir Menschen töten müssen, um diesen Durst zu lindern?“ Ich erschrak, als ich meine neue Stimme hörte. Sie klang wie ein Windspiel, fremd und doch irgendwie vertraut.
„Beängstigend, nicht wahr?“ Bella kam lächelnd auf mich zugetänzelt. „Du schlägst dich recht gut bisher. Ich habe meine Familie angeknurrt, als ich ‚erwachte‘! Willst du was richtig Cooles sehen?“ Ohne auf meine Antwort zu warten, ging sie zu dem Schrotthaufen, der einmal unser Auto gewesen war, riss ohne große Anstrengung den linken Außenspiegel ab und drückte ihn mir in die Hand.
Mein Spiegelbild war etwas verstörend, da es so fremd war, aber es brachte mich zum Lächeln. Meine Haut war nicht ganz so blass wie Bellas, da ich philippinische Wurzeln hatte. Es war mehr ein verblichener Milchkaffee-Ton. Ich hatte plötzlich Volumen in den Haaren, die vorher einfach nur glatt an meinem Kopf heruntergehangen hatten, meine Augenbrauen waren schön geschwungen, alle meine Pickelchen und Narben waren einem glatten Teint gewichen. Und ein dunkelroter Schmollmund mit perlweißen Zähnen lächelte mir entgegen. Jedes Gramm Fett, das zu viel gewesen war, war unter dem Feuer geschmolzen. Nur meine Augen, die von langen schwarzen Wimpern umrahmt waren, machten mir Angst. Von dem weichen Braun war jetzt nichts mehr zu sehen. Sie leuchteten magentarot.
„Keine Angst! Je älter du wirst, desto weniger auffällig werden sie sein. Das Rot lässt nach oder wird dunkler, kommt nur darauf an, wie du dich in deinem neuen Leben ernähren willst.“ Bevor ich fragen konnte, klingelte Bellas Handy. Ohne drauf schauen zu müssen nahm sie ab.
„Edward, Schatz? Ja, sie ist auch wach. Wir kommen rüber!“ Sie klappte ihr Handy zu und steckte es in die Tasche ihrer ausgewaschenen Jeans. Für einen so wunderschönen Vampir, trug sie Kleidung, die eher zu meinem alten Ich gepasst hätte. Bella war mir auf Anhieb sympathisch.
„Willst du deinen ‚neuen‘ Freund sehen? Ich wette, er vermisst dich!“ Bella grinste mich an. „Und ich wette, du bist schneller als ich! Aber lass uns im gleichen Tempo laufen. Du bist mir noch etwas zu jung, um alleine durch den Wald zu spazieren!“ Haha. Sie sprach mit mir wie mit einem Kleinkind, ich wusste jedoch, wie es gemeint war, und ging auf ihr Spiel ein.
„Nun gut, Mama! Lehre mich, mich angemessen zu verhalten!“ Und dann sausten wir los, in einem Tempo, in dem selbst der Wind neidisch geworden wäre.
Keine zehn Sekunden später befanden wir uns auch schon an dem Wrack unserer Unfallgegner. Erschrocken blieb ich stehen. Da standen drei Vampire vor mir. Auf den einen lief Bella zu, schlang seine Arme um seine Taille und lächelte zufrieden. Er war eine echte Augenweide. Rotblonde zerzauste Haare, topasfarbene Augen und ein schiefes Lächeln, das Frauenherzen zum Schmelzen brachte. Das war also Edward. Außerdem war da ein Pärchen, das ich trotz der starken Veränderungen durch die Unsterblichkeit sofort erkannte.
„Maja. Matzek. Es tut mir so leid! Wir haben euch nicht kommen sehen! Die Straße war so eng, wir konnten euch nicht mehr ausweichen!“ Ich nahm beide in die Arme.
„Ach Ischämie, ist schon okay. Wir waren genauso unachtsam. Ihr tragt keine Schuld! Außerdem guck mal wie cool wir jetzt aussehen!“ Matzek strahlte über beide Wangen. „80 Kilo in einer Nacht muss man erst mal schaffen!“
„Es ist echt okay, Ischämie. Wir werden wenigstens nicht einsam sein müssen. Vorausgesetzt, du und Matello seid einverstanden, wenn wir erst mal zusammen bleiben“, meinte Maja. Sie hatte den gleichen Hautton wie ich und ihre dunkle Mähne umspielte ihr nun schlankes Gesicht.
„Ischämie und Matello?“ Bella sah mich stirnrunzelnd an.
„Wenn du wüsstest, auf was für eine interessante Gruppe wir gestoßen sind, Liebste“, säuselte Edward seiner Frau ins Ohr.
„Das war ja klar! Du weißt natürlich schon wieder alles. Gedankenlesen kann so praktisch sein.“ Bella verpasste ihm einen neckischen Klaps.
„Wo ist er? Wo ist Tobias?“, fragte ich nervös.
„Nur ein kleines Experiment“, antwortete Edward. „Er sagte, ihr seid Seelenverwandte. Ich will testen, inwiefern das eure Unsterblichkeit beeinflusst.“ Verwirrt starrte ich ihn an.
„Schließ die Augen, Marion. Schließ die Augen und versuche, seinen Geruch zu wittern.“
Also tat ich wie befohlen. Es war gar nicht mal so leicht, die vielen anderen Gerüche auszublenden. Da war ein leichter blumiger Geruch, den ich bereits kannte: Bella. Edward roch süßlich, wie dunkle Schokolade. Matze erkannte ich fast auf Anhieb und musste lachen, denn er und Maja rochen fast gleich und zwar nach Lakritz-Met. An den moosigen, schweren satten Geruch des Waldes hatte ich mich langsam gewöhnt und der Geruch des getrockneten Blutes in Majas Auto ließ meine Kehle unangenehm kratzen, doch ich konnte beide ausblenden. Und da war er. Der einzigartige vertraute Geruch meiner großen Liebe, nur tausendfach stärker als zuvor. Ich folgte einer Spur, einem Geruch, der schon als Mensch mein Blut in Wallung gebracht hatte, und nun war er so intensiv, dass ich ihm ohne Probleme mit geschlossenen Augen folgen konnte. Schnurstracks ging ich nach Osten, lauschte dabei selbst dem kleinsten Geräusch. Jetzt wurde ich ungeduldig. Ich riss die Augen auf und rannte los. Die anderen folgten mir. In meinem neuen Leben zu laufen war ein Kinderspiel. Die Bäume rauschten an mir vorbei und mit nur wenigen Sätzen konnte ich hunderte von Metern überwinden. Und dann endete die Spur plötzlich vor einer alten, morschen Hütte, die auf einer großen Lichtung stand.
Das Mondlicht erhellte diesen wunderschönen Ort und auf der Lichtung stand jemand. Das Mondlicht brach auf seiner Haut und ließ ihn in allen Farben glitzern. Da stand er nun. Groß, muskulös. Seine Augen ebenso wie meine in einem satten magentarot, die trotzdem eine Wärme und Vertrautheit ausstrahlten. Seine dunkelblonden Haare waren nicht mehr blutverschmiert. Nur eine Sekunde zögerte ich.
„Toby“, flüsterte ich und fiel ihm in die Arme. Wir küssten uns leidenschaftlich und auch das fühlte sich anders an. Seine Lippen schmiegten sich sanft um die meinen und seine Hände streichelten mein Gesicht. Jede Berührung fühlte sich wie kleine Stromschläge auf meiner Haut an.
„Alter Falter!“ Matzes Stimme holte mich aus der Trance. „Ihr habt jetzt die Ewigkeit vor euch.“ Schelmisch grinste er uns an. Maja stieß ihn in die Rippen.
„Du bist ja so was von unromantisch!“ Wir alle lachten im Chor auf und es klang wie ein sechsstimmiges Glockenspiel, das durch den dunklen Wald hallte
Ischämie- ~Meadow Visitor~
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Re: Bis(s) in alle Ewigkeit
Drei – Die erste Jagd
Jetzt, wo wir alle so dastanden, wurde uns langsam bewusst, was geschehen war. Bella und Edward hatten uns vor dem Tod bewahrt und uns ein Leben in Unsterblichkeit geschenkt. Ob wir es nun wollten oder nicht: Wir waren alle Vampire. Junge Vampire. Durstige ‚Neugeborene‘, wie die beiden uns nannten. Und eben dieser Durst meldete sich langsam, nach all der Aufregung war er etwas in den Hintergrund getreten, jedoch nie gänzlich verschwunden. Meine Kehle brannte, als ob mir jemand ein glühendes Eisen in den Rachen gestoßen hätte. Und auch Maja, Matze und Tobias wurden unruhig.
„Oh entschuldigt. Ihr seid sicher durstig“, meinte Edward und blickte in die Runde. „Wir sollten jagen gehen. Habt bitte Verständnis dafür, dass wir nur Wild mit euch jagen werden. Bella und ich kommen aus einem Clan, der auf Menschen keine Jagd macht. Wir bezeichnen uns als ‚Vegetarier‘. So lange wir euch begleiten, werdet ihr also kein Menschenblut zu trinken bekommen. Für welchen Weg ihr euch dann später entscheidet, wenn Bella und ich wieder bei unserer Familie sind, das bleibt euch überlassen.“ Der Gedanke daran, einen Menschen zu töten, um meinen Durst zu stillen, widerstrebte mir.
„Ich glaube, ich weiß bereits, dass ich ebenso ein Vegetarier bleiben werde!“, meinte Maja ernst. Auch Matze und Toby nickten zustimmend.
„Edward, meinst du nicht, wir sollten mit jedem einzeln losziehen? Zumindest in den ersten Tagen? Nicht, dass sie sich im Blutrausch noch gegenseitig verletzen?“ Bella sah ihren bildschönen Gefährten fragend an.
„Du hast Recht, Liebste. Neugeborene können ganz schön zornig werden, wenn ihnen jemand die Beute streitig machen will. Jedoch wird es genügen, mit je einem Paar loszuziehen. “ Erst jetzt dämmerte mir wirklich, in was für ein Raubtier ich mich verwandelt haben musste.
Tobias und ich waren die Ersten, die jagen gehen sollten. Edward begleitete uns. Es war merkwürdig, in der Dunkelheit fast geräuschlos durch den Wald zu laufen. Als Mensch hatte ich mich davor gefürchtet, nachts im Wald zu sein. Nun schimmerte die Welt in dunklen, satten Farben. Ich hatte keinerlei Schwierigkeiten damit, mich zu orientieren und ich konnte alles erkennen. Edward ließ uns unsere neuen Kräfte etwas austesten. Tobias nutzte das gleich aus. Er schlug mit einer Handkante gegen einen zehn Meter hohen Baum, der dann unter ächzen und krachen umfiel. Er grinste übers ganze Gesicht
„Cool! Wenn ich jetzt gegen dich Armdrücken würde, Edward…“
„...Dann würdest du ihn mir wahrscheinlich abreißen, Tobias! Neugeborene sind in den ersten Monaten noch unglaublich stark, da das eigene menschliche Blut noch im Gewebe ist“, ergänzte Edward. Ich stemmte einen riesigen Felsen über meinen Kopf und zerbröselte ihn dann zu feinem Sand.
„Siehst du mal, mein Schatz, jetzt kannst du nicht mehr über meine schwachen Ärmchen, oder?“ Trotz dem ganzen Rumblödeln hatten wir unseren Durst nicht vergessen.
„Was werden wir jagen?“, fragte Tobias. „Ich vermute mal, hier in Deutschland gibt es viele Wildschweine und Rotwild.“ Edward schmollte ein wenig.
„Ich fürchte, auf meine Leibspeise werde ich wohl verzichten müssen.“
„Die da wäre?“ Ich sah ihn neugierig an.
„Pumas oder zur Not auch Bären! Fleischfresser schmecken am besten.“
Der Durst übermannte uns allmählich doch. Also erklärte uns Edward schnell den wichtigsten Punkt des Jagens: Hör auf deinen Instinkt.
„Marion hat schon ein wenig Übung. Schließlich hat sie dich ja gefunden.“ Edward lächelte zufrieden. „Es dürfte ein Kinderspiel für sie sein, ihre Beute ausfindig zu machen. Aber versuch du es zuerst, Tobias.“
Tobias schloss die Augen und reckte die Nase in die Luft. Seine Nüstern blähten sich. Man sah ihm seine Konzentration an.
„Gehen wir ein paar Schritte. Versuch dabei weiter, Witterung aufzunehmen.“ Also liefen wir etwas tiefer in den Wald hinein. Und ganz plötzlich war da eine Spur. Ich roch sie auch und tat es meinem Gefährten gleich. Ich lauschte in die Ferne und da war dann etwas. In der Nähe befand sich ein kleines Rinnsal, ich konnte das Wasser plätschern hören. Außerdem waren da Hufe, die über den Waldboden scharrten. Ein Grunzen und … das Schlagen eines starken Herzens. Ein Herz, das köstliches warmes Blut durch einen warmen Körper jagte. Tobias und ich rannten beide zeitgleich los. In meinem Mund sammelte sich Gift und meine Sinne waren alle auf dieses schlagende Herz fixiert. Edward lief rechts neben mir.
„Marion, überlass das Vieh ihm. Wir finden noch etwas anderes für dich“, rief er mir zu. Ich fletschte die Zähne. Das war meine Beute! Sollte er doch warten. Auch Tobias knurrte mich an. Und dann waren wir da. Das Wildschwein quiekte entsetzt, als wir plötzlich aus dem Gebüsch gesprungen kamen. Ich wollte mir das Tier gerade schnappen, als sich zwei Arme von hinten wie Stahlträger um meinen Rumpf klammerten.
„Stopp! Lass ihn vor! Er ist stärker als du. Er hat bei eurem Unfall nicht so viel Blut verloren. Er würde dich umbringen in seinem Rausch, wenn du ihm jetzt die Beute nehmen würdest.“ Ich fauchte und knurrte, wollte mich aus dem störenden Griff befreien, doch Edward umklammerte mich fest. Tobias stürzte sich inzwischen auf seine Beute. Er hatte den riesigen Eber gepackt und grub nun seine Zähne in den borstigen Hals. Das Tier wehrte sich nicht lange. Im Blutrausch hatte Tobias es sehr schnell ausgetrunken. Das Blut lief ihm aus einem Mundwinkel über das Kinn. Als er fertig war, ließ er den toten Körper einfach fallen und verzog das Gesicht.
„Na ja, wirklich lecker war es ja nicht.“ Edward löste seinen Griff und ich beruhigte mich ein wenig, war jedoch immer noch sehr wütend.
„Dann hättest du es ja mir überlassen können“, fauchte ich. Tobias kam auf mich zu und nahm mich in die Arme.
„Futterneid, mein Schatz?“, fragte er und küsste mich mit seinen blutverschmierten Lippen.
„Igitt!“ Jetzt verzog auch ich das Gesicht. „Das schmeckt ja total erdig“, sagte ich.
„Nun ja, wie gesagt: Pflanzenfresser schmecken nicht allzu gut. Ihr werdet euch daran gewöhnen müssen oder zwangsweise umziehen.“
Wir jagten weiter. Tobias war jetzt etwas gesättigt und überließ mir die nächste Beute. Es war ein Reh und schmeckte mir etwas besser als das Wildschwein. Als auch ich mit dem Blut meinen Durst etwas gestillt hatte, fingen wir an, als Team zu jagen und konnten so eine ganze Herde Rotwild erlegen. Edward war begeistert. Noch nie hatte er zwei so junge Vampire so gut miteinander jagen sehen.
„Ihr seid wahre Seelenverwandte!“
Bevor wir wieder in Richtung Lichtung aufbrachen, wollte auch Edward etwas essen. An ihm sahen wir, wie viel wir noch lernen mussten. Bei ihm sah es eher so aus, als würde er seinen Hirsch am Hals küssen. Kein Tropfen Blut war auf seinem weißen Hemd zu sehen. Nachdem wir fast die Hälfte der Nacht mit der Jagd verbracht hatten, fühlte ich mich erheblich besser. Als würde ich bald überschwappen. Nicht einmal das Blut eines Kitzes hätte noch in mich reingepasst. Jedoch war da immer noch ein Kratzen in meiner Kehle. Und ich hatte die Befürchtung, dass es noch eine ganze Weile mein stetiger Begleiter sein sollte.
Zurück auf der Lichtung trafen wir auf Bella, Maja und Matze, die auch gerade erst von der Jagd kamen. Maja saß auf einem umgefallenen Baum, der, als wir aufgebrochen waren, eigentlich noch gestanden hatte. Sie schmollte vor sich hin, während Matze sie bekniete.
„Mein Schatz, es tut mir echt leid! Ich war halt in Rage. Es war echt keine Absicht. Ich muss halt noch lernen, mein neues Temperament im Zaum zu halten!“ Edward gluckste, verstummte jedoch, als er Majas wütendem Blick begegnete.
„Was ist passiert?“, fragte ich verdutzt.
„Nun ja“, begann Bella.
„Der Idiot hat mir meinen Arm ausgerissen!“, fauchte Maja plötzlich, ihre Augen wirkten noch ein Stück roter als vor der Jagd. Entsetzt starrte ich Matze an.
„Sie wollte mir meinen Hirsch klauen! Und da bin ich ausgerastet und hab zu fest an ihrem Arm gezogen, als ich sie festhalten wollte. Aber sie hat mich gebissen!“, verteidigte er sich.
„Sie war einfach zu stark. Ich konnte sie nicht festhalten. Außerdem hat Maja ein ganz schönes Temperament! Mir wird wohl auch die ein‘ oder andere Narbe bleiben“, sagte Bella lässig. „Jetzt stellt euch nicht so an! Der Arm ist schließlich wieder dran! Etwas vom eigenen Vampirgift und zack: Wie neu! Das wird euch wohl in nächster Zeit etwas häufiger passieren!“ Edward konnte sich sein Grinsen nicht verkneifen.
„Ihr schlagt euch trotzdem recht gut für Neugeborene! Dass ihr euch am Leben lasst ist doch schon mal etwas. Wenn ihr etwas älter seid, werdet ihr ein tolles Team sein. Ihr wart eben beide schon als Menschen recht launisch, das wird jetzt etwas verstärkt.“ Majas Blick wurde sanfter, als Matze neben ihr Platz nahm.
„Siehst du, mein Schatz! Es war ja nur der Arm.“ Er lächelte und Maja fiel ihm dann um den Hals.
„Das ist alles so neu für uns.“.
Langsam ging die Sonne am Horizont auf. Der Sonnenaufgang war eine wahre Augenweide. Mit meinen neuen scharfen Sinnen konnte ich noch ein paar Farben mehr wahrnehmen, für die ich keine treffende Bezeichnung fand. Das Licht schien auf unsere Haut und wir glitzerten wie Diamanten. Ich konnte meinen Blick nicht mehr von Tobias wenden. Er war noch viel attraktiver als zu Lebzeiten. Sein T-Shirt hatte er nach der Verwandlung verbrennen müssen, da ihn der Geruch seines eigenen Blutes ganz verrückt gemacht hatte. Er hatte plötzlich einen Waschbrettbauch, wo früher ein kleines Bäuchlein gewesen war. Ich nahm seine glitzernde Hand in die meine und legte sie an meine Wange.
„Ich liebe dich“, flüsterte er.
„Ich dich auch. Für immer!“ Und dann küssten wir uns innig. Seine Lippen waren genauso weich wie früher und sein Atem roch einfach himmlisch. Sein Gift ließ meine Zunge etwas kribbeln. Am liebsten wäre ich so für immer verharrt. Schließlich rissen wir uns dann doch seufzend voneinander los. Wir waren nun mal nicht alleine, obwohl ein wenig Privatsphäre sehr gut getan hätte.
„Was machen wir jetzt?“, fragte Maja, die noch immer auf dem Baumstamm saß. Matze hielt sie in seinen neuen, schlanken und muskulösen Armen.
„Heute wird es leider nicht bewölkt sein. Wenn die Sonne so stark scheint, können wir nicht so viel unternehmen. Bis heute Abend müssen wir wohl im Wald verharren. Dann gehen wir zu unserem Ferienhaus. Wir dürfen auf keinen Fall riskieren, einem Menschen zu begegnen! Das wäre jetzt noch zu gefährlich!“.
Ich legte mich auf den moosigen Boden und betrachtete weiter fasziniert meine Haut und wie das Licht sich daran brach. Also noch ein Mythos widerlegt, Vampire verbrannten nicht im Sonnenlicht. Auch Bella, Edward und Tobias setzten sich, nicht dass das Stehen unbequem gewesen wäre, aber so befanden wir uns in derselben Augenhöhe. Uns Neugeborene machte es etwas nervös, wenn jemand hinter uns stand oder so, dass es von Vorteil sein könnte, im Falle eines Kampfes. Es war ein simpler Verteidigungsinstinkt.
„Wollt ihr unsere Geschichten hören?“, fragte Edward. „Wir haben jetzt ein wenig Zeit und ihr seid fürs erste satt. Da dachte ich, ihr wollt vielleicht wissen, wie wir unsere Unsterblichkeit erlangt haben. Und wie wir uns kennen gelernt haben.“ Natürlich waren wir neugierig. Wir wollten alles über die unseres Gleichen erfahren.
Und so verbrachten wir den Tag auf der Lichtung. Bella und Edward erzählten uns alles. Der Cullen-Clan kam aus dem kleinen Forks in Washington. Dort schien so gut wie nie die Sonne, also ein idealer Aufenthaltsort für Vampire. Edward sowie vier andere Vampire, die zum Zeitpunkt ihrer Schöpfung etwa in unserem Alter waren, waren von ihrem Schöpfer Carlisle und einer älteren Vampirfrau namens Esme ‚adoptiert‘ worden. Sie gaben sich als Familie aus. Auch von seinen Geschwistern erzählte er und Bella reichte dabei Fotos herum. Doch nichts war so unglaublich wie die Geschichte von Bella und Edward. Denn Bella war noch ein Mensch gewesen, als sie Edward kennengelernt und sich in ihn verliebt hatte. Edward hatte sie nur verwandelt, weil sie bei der Geburt ihrer Tochter im Sterben gelegen hatte. Die Kleine war zur einen Hälfte Vampir und zur anderen Hälfte Mensch. Esme und Carlisle passten im Moment auf die kleine Renesmee auf, während Bella und Edward hier in Deutschland ihre zweiten Flitterwochen verbringen wollten. Die nun ja durch uns ein rasches Ende gefunden hatten.
Auch wir erzählten den beiden alles, was wir aus unserem menschlichen Leben noch wussten. Denn schon jetzt verblassten die Erinnerungen. Bella und Edward erklärten uns, wie wichtig es war, uns regelmäßig an die Sachen erinnerten, die uns am wichtigsten waren. Wir erzählten ihnen, dass wir vier uns aus einem Online-Rollenspiel kannten. Deshalb nannten uns die beiden auch ‚Ischämie‘ und ‚Matello‘. Dies waren die Namen unserer Charaktere. Wir waren gestern unterwegs gewesen zu einem Treffen der ganzen Gilde, doch waren wir dort wegen des Unfalls nie angekommen. Sicherlich würden sich die anderen Sorgen machen. Wir mussten uns überlegen, wie wir unser plötzliches Verschwinden erklären sollten. Wie sollten wir das unseren Familien und Freunden beibringen? Durften wir sie niemals wieder sehen?
Jetzt, wo wir alle so dastanden, wurde uns langsam bewusst, was geschehen war. Bella und Edward hatten uns vor dem Tod bewahrt und uns ein Leben in Unsterblichkeit geschenkt. Ob wir es nun wollten oder nicht: Wir waren alle Vampire. Junge Vampire. Durstige ‚Neugeborene‘, wie die beiden uns nannten. Und eben dieser Durst meldete sich langsam, nach all der Aufregung war er etwas in den Hintergrund getreten, jedoch nie gänzlich verschwunden. Meine Kehle brannte, als ob mir jemand ein glühendes Eisen in den Rachen gestoßen hätte. Und auch Maja, Matze und Tobias wurden unruhig.
„Oh entschuldigt. Ihr seid sicher durstig“, meinte Edward und blickte in die Runde. „Wir sollten jagen gehen. Habt bitte Verständnis dafür, dass wir nur Wild mit euch jagen werden. Bella und ich kommen aus einem Clan, der auf Menschen keine Jagd macht. Wir bezeichnen uns als ‚Vegetarier‘. So lange wir euch begleiten, werdet ihr also kein Menschenblut zu trinken bekommen. Für welchen Weg ihr euch dann später entscheidet, wenn Bella und ich wieder bei unserer Familie sind, das bleibt euch überlassen.“ Der Gedanke daran, einen Menschen zu töten, um meinen Durst zu stillen, widerstrebte mir.
„Ich glaube, ich weiß bereits, dass ich ebenso ein Vegetarier bleiben werde!“, meinte Maja ernst. Auch Matze und Toby nickten zustimmend.
„Edward, meinst du nicht, wir sollten mit jedem einzeln losziehen? Zumindest in den ersten Tagen? Nicht, dass sie sich im Blutrausch noch gegenseitig verletzen?“ Bella sah ihren bildschönen Gefährten fragend an.
„Du hast Recht, Liebste. Neugeborene können ganz schön zornig werden, wenn ihnen jemand die Beute streitig machen will. Jedoch wird es genügen, mit je einem Paar loszuziehen. “ Erst jetzt dämmerte mir wirklich, in was für ein Raubtier ich mich verwandelt haben musste.
Tobias und ich waren die Ersten, die jagen gehen sollten. Edward begleitete uns. Es war merkwürdig, in der Dunkelheit fast geräuschlos durch den Wald zu laufen. Als Mensch hatte ich mich davor gefürchtet, nachts im Wald zu sein. Nun schimmerte die Welt in dunklen, satten Farben. Ich hatte keinerlei Schwierigkeiten damit, mich zu orientieren und ich konnte alles erkennen. Edward ließ uns unsere neuen Kräfte etwas austesten. Tobias nutzte das gleich aus. Er schlug mit einer Handkante gegen einen zehn Meter hohen Baum, der dann unter ächzen und krachen umfiel. Er grinste übers ganze Gesicht
„Cool! Wenn ich jetzt gegen dich Armdrücken würde, Edward…“
„...Dann würdest du ihn mir wahrscheinlich abreißen, Tobias! Neugeborene sind in den ersten Monaten noch unglaublich stark, da das eigene menschliche Blut noch im Gewebe ist“, ergänzte Edward. Ich stemmte einen riesigen Felsen über meinen Kopf und zerbröselte ihn dann zu feinem Sand.
„Siehst du mal, mein Schatz, jetzt kannst du nicht mehr über meine schwachen Ärmchen, oder?“ Trotz dem ganzen Rumblödeln hatten wir unseren Durst nicht vergessen.
„Was werden wir jagen?“, fragte Tobias. „Ich vermute mal, hier in Deutschland gibt es viele Wildschweine und Rotwild.“ Edward schmollte ein wenig.
„Ich fürchte, auf meine Leibspeise werde ich wohl verzichten müssen.“
„Die da wäre?“ Ich sah ihn neugierig an.
„Pumas oder zur Not auch Bären! Fleischfresser schmecken am besten.“
Der Durst übermannte uns allmählich doch. Also erklärte uns Edward schnell den wichtigsten Punkt des Jagens: Hör auf deinen Instinkt.
„Marion hat schon ein wenig Übung. Schließlich hat sie dich ja gefunden.“ Edward lächelte zufrieden. „Es dürfte ein Kinderspiel für sie sein, ihre Beute ausfindig zu machen. Aber versuch du es zuerst, Tobias.“
Tobias schloss die Augen und reckte die Nase in die Luft. Seine Nüstern blähten sich. Man sah ihm seine Konzentration an.
„Gehen wir ein paar Schritte. Versuch dabei weiter, Witterung aufzunehmen.“ Also liefen wir etwas tiefer in den Wald hinein. Und ganz plötzlich war da eine Spur. Ich roch sie auch und tat es meinem Gefährten gleich. Ich lauschte in die Ferne und da war dann etwas. In der Nähe befand sich ein kleines Rinnsal, ich konnte das Wasser plätschern hören. Außerdem waren da Hufe, die über den Waldboden scharrten. Ein Grunzen und … das Schlagen eines starken Herzens. Ein Herz, das köstliches warmes Blut durch einen warmen Körper jagte. Tobias und ich rannten beide zeitgleich los. In meinem Mund sammelte sich Gift und meine Sinne waren alle auf dieses schlagende Herz fixiert. Edward lief rechts neben mir.
„Marion, überlass das Vieh ihm. Wir finden noch etwas anderes für dich“, rief er mir zu. Ich fletschte die Zähne. Das war meine Beute! Sollte er doch warten. Auch Tobias knurrte mich an. Und dann waren wir da. Das Wildschwein quiekte entsetzt, als wir plötzlich aus dem Gebüsch gesprungen kamen. Ich wollte mir das Tier gerade schnappen, als sich zwei Arme von hinten wie Stahlträger um meinen Rumpf klammerten.
„Stopp! Lass ihn vor! Er ist stärker als du. Er hat bei eurem Unfall nicht so viel Blut verloren. Er würde dich umbringen in seinem Rausch, wenn du ihm jetzt die Beute nehmen würdest.“ Ich fauchte und knurrte, wollte mich aus dem störenden Griff befreien, doch Edward umklammerte mich fest. Tobias stürzte sich inzwischen auf seine Beute. Er hatte den riesigen Eber gepackt und grub nun seine Zähne in den borstigen Hals. Das Tier wehrte sich nicht lange. Im Blutrausch hatte Tobias es sehr schnell ausgetrunken. Das Blut lief ihm aus einem Mundwinkel über das Kinn. Als er fertig war, ließ er den toten Körper einfach fallen und verzog das Gesicht.
„Na ja, wirklich lecker war es ja nicht.“ Edward löste seinen Griff und ich beruhigte mich ein wenig, war jedoch immer noch sehr wütend.
„Dann hättest du es ja mir überlassen können“, fauchte ich. Tobias kam auf mich zu und nahm mich in die Arme.
„Futterneid, mein Schatz?“, fragte er und küsste mich mit seinen blutverschmierten Lippen.
„Igitt!“ Jetzt verzog auch ich das Gesicht. „Das schmeckt ja total erdig“, sagte ich.
„Nun ja, wie gesagt: Pflanzenfresser schmecken nicht allzu gut. Ihr werdet euch daran gewöhnen müssen oder zwangsweise umziehen.“
Wir jagten weiter. Tobias war jetzt etwas gesättigt und überließ mir die nächste Beute. Es war ein Reh und schmeckte mir etwas besser als das Wildschwein. Als auch ich mit dem Blut meinen Durst etwas gestillt hatte, fingen wir an, als Team zu jagen und konnten so eine ganze Herde Rotwild erlegen. Edward war begeistert. Noch nie hatte er zwei so junge Vampire so gut miteinander jagen sehen.
„Ihr seid wahre Seelenverwandte!“
Bevor wir wieder in Richtung Lichtung aufbrachen, wollte auch Edward etwas essen. An ihm sahen wir, wie viel wir noch lernen mussten. Bei ihm sah es eher so aus, als würde er seinen Hirsch am Hals küssen. Kein Tropfen Blut war auf seinem weißen Hemd zu sehen. Nachdem wir fast die Hälfte der Nacht mit der Jagd verbracht hatten, fühlte ich mich erheblich besser. Als würde ich bald überschwappen. Nicht einmal das Blut eines Kitzes hätte noch in mich reingepasst. Jedoch war da immer noch ein Kratzen in meiner Kehle. Und ich hatte die Befürchtung, dass es noch eine ganze Weile mein stetiger Begleiter sein sollte.
Zurück auf der Lichtung trafen wir auf Bella, Maja und Matze, die auch gerade erst von der Jagd kamen. Maja saß auf einem umgefallenen Baum, der, als wir aufgebrochen waren, eigentlich noch gestanden hatte. Sie schmollte vor sich hin, während Matze sie bekniete.
„Mein Schatz, es tut mir echt leid! Ich war halt in Rage. Es war echt keine Absicht. Ich muss halt noch lernen, mein neues Temperament im Zaum zu halten!“ Edward gluckste, verstummte jedoch, als er Majas wütendem Blick begegnete.
„Was ist passiert?“, fragte ich verdutzt.
„Nun ja“, begann Bella.
„Der Idiot hat mir meinen Arm ausgerissen!“, fauchte Maja plötzlich, ihre Augen wirkten noch ein Stück roter als vor der Jagd. Entsetzt starrte ich Matze an.
„Sie wollte mir meinen Hirsch klauen! Und da bin ich ausgerastet und hab zu fest an ihrem Arm gezogen, als ich sie festhalten wollte. Aber sie hat mich gebissen!“, verteidigte er sich.
„Sie war einfach zu stark. Ich konnte sie nicht festhalten. Außerdem hat Maja ein ganz schönes Temperament! Mir wird wohl auch die ein‘ oder andere Narbe bleiben“, sagte Bella lässig. „Jetzt stellt euch nicht so an! Der Arm ist schließlich wieder dran! Etwas vom eigenen Vampirgift und zack: Wie neu! Das wird euch wohl in nächster Zeit etwas häufiger passieren!“ Edward konnte sich sein Grinsen nicht verkneifen.
„Ihr schlagt euch trotzdem recht gut für Neugeborene! Dass ihr euch am Leben lasst ist doch schon mal etwas. Wenn ihr etwas älter seid, werdet ihr ein tolles Team sein. Ihr wart eben beide schon als Menschen recht launisch, das wird jetzt etwas verstärkt.“ Majas Blick wurde sanfter, als Matze neben ihr Platz nahm.
„Siehst du, mein Schatz! Es war ja nur der Arm.“ Er lächelte und Maja fiel ihm dann um den Hals.
„Das ist alles so neu für uns.“.
Langsam ging die Sonne am Horizont auf. Der Sonnenaufgang war eine wahre Augenweide. Mit meinen neuen scharfen Sinnen konnte ich noch ein paar Farben mehr wahrnehmen, für die ich keine treffende Bezeichnung fand. Das Licht schien auf unsere Haut und wir glitzerten wie Diamanten. Ich konnte meinen Blick nicht mehr von Tobias wenden. Er war noch viel attraktiver als zu Lebzeiten. Sein T-Shirt hatte er nach der Verwandlung verbrennen müssen, da ihn der Geruch seines eigenen Blutes ganz verrückt gemacht hatte. Er hatte plötzlich einen Waschbrettbauch, wo früher ein kleines Bäuchlein gewesen war. Ich nahm seine glitzernde Hand in die meine und legte sie an meine Wange.
„Ich liebe dich“, flüsterte er.
„Ich dich auch. Für immer!“ Und dann küssten wir uns innig. Seine Lippen waren genauso weich wie früher und sein Atem roch einfach himmlisch. Sein Gift ließ meine Zunge etwas kribbeln. Am liebsten wäre ich so für immer verharrt. Schließlich rissen wir uns dann doch seufzend voneinander los. Wir waren nun mal nicht alleine, obwohl ein wenig Privatsphäre sehr gut getan hätte.
„Was machen wir jetzt?“, fragte Maja, die noch immer auf dem Baumstamm saß. Matze hielt sie in seinen neuen, schlanken und muskulösen Armen.
„Heute wird es leider nicht bewölkt sein. Wenn die Sonne so stark scheint, können wir nicht so viel unternehmen. Bis heute Abend müssen wir wohl im Wald verharren. Dann gehen wir zu unserem Ferienhaus. Wir dürfen auf keinen Fall riskieren, einem Menschen zu begegnen! Das wäre jetzt noch zu gefährlich!“.
Ich legte mich auf den moosigen Boden und betrachtete weiter fasziniert meine Haut und wie das Licht sich daran brach. Also noch ein Mythos widerlegt, Vampire verbrannten nicht im Sonnenlicht. Auch Bella, Edward und Tobias setzten sich, nicht dass das Stehen unbequem gewesen wäre, aber so befanden wir uns in derselben Augenhöhe. Uns Neugeborene machte es etwas nervös, wenn jemand hinter uns stand oder so, dass es von Vorteil sein könnte, im Falle eines Kampfes. Es war ein simpler Verteidigungsinstinkt.
„Wollt ihr unsere Geschichten hören?“, fragte Edward. „Wir haben jetzt ein wenig Zeit und ihr seid fürs erste satt. Da dachte ich, ihr wollt vielleicht wissen, wie wir unsere Unsterblichkeit erlangt haben. Und wie wir uns kennen gelernt haben.“ Natürlich waren wir neugierig. Wir wollten alles über die unseres Gleichen erfahren.
Und so verbrachten wir den Tag auf der Lichtung. Bella und Edward erzählten uns alles. Der Cullen-Clan kam aus dem kleinen Forks in Washington. Dort schien so gut wie nie die Sonne, also ein idealer Aufenthaltsort für Vampire. Edward sowie vier andere Vampire, die zum Zeitpunkt ihrer Schöpfung etwa in unserem Alter waren, waren von ihrem Schöpfer Carlisle und einer älteren Vampirfrau namens Esme ‚adoptiert‘ worden. Sie gaben sich als Familie aus. Auch von seinen Geschwistern erzählte er und Bella reichte dabei Fotos herum. Doch nichts war so unglaublich wie die Geschichte von Bella und Edward. Denn Bella war noch ein Mensch gewesen, als sie Edward kennengelernt und sich in ihn verliebt hatte. Edward hatte sie nur verwandelt, weil sie bei der Geburt ihrer Tochter im Sterben gelegen hatte. Die Kleine war zur einen Hälfte Vampir und zur anderen Hälfte Mensch. Esme und Carlisle passten im Moment auf die kleine Renesmee auf, während Bella und Edward hier in Deutschland ihre zweiten Flitterwochen verbringen wollten. Die nun ja durch uns ein rasches Ende gefunden hatten.
Auch wir erzählten den beiden alles, was wir aus unserem menschlichen Leben noch wussten. Denn schon jetzt verblassten die Erinnerungen. Bella und Edward erklärten uns, wie wichtig es war, uns regelmäßig an die Sachen erinnerten, die uns am wichtigsten waren. Wir erzählten ihnen, dass wir vier uns aus einem Online-Rollenspiel kannten. Deshalb nannten uns die beiden auch ‚Ischämie‘ und ‚Matello‘. Dies waren die Namen unserer Charaktere. Wir waren gestern unterwegs gewesen zu einem Treffen der ganzen Gilde, doch waren wir dort wegen des Unfalls nie angekommen. Sicherlich würden sich die anderen Sorgen machen. Wir mussten uns überlegen, wie wir unser plötzliches Verschwinden erklären sollten. Wie sollten wir das unseren Familien und Freunden beibringen? Durften wir sie niemals wieder sehen?
Ischämie- ~Meadow Visitor~
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Re: Bis(s) in alle Ewigkeit
Vier – Entscheidungen
Die Zeit verging schneller als ich gedacht hatte. Durch die interessanten Gespräche verging sie wie im Flug. Schon bald setzte die Dämmerung ein. Endlich. Mein Durst wurde im Laufe des Tages doch wieder stärker. Auf dem Weg in Richtung der Ferienwohnung von Bella und Edward trennten wir uns noch mal zum Jagen. Diesmal lief es in beiden Gruppen harmonischer ab. Tobias und ich jagten wie in der Nacht davor im Team und hatten schon bald unseren Durst an einer kleinen Herde Rotwild gestillt. Und auch Matze und Maja rissen sich diesmal keine Gliedmaßen aus, obwohl sie noch nicht ganz so ruhig mit dem Blutrausch umgehen konnten wie wir.
Nach nur einer Stunde trafen wir uns wieder, nur um uns kurze Zeit später wieder zu trennen. Edward meinte, es wäre sicherer uns einzeln zur Wohnung zu bringen, für den Fall dass wir doch einem Menschen über den Weg laufen sollten. Doch zuerst wollte er alleine vorgehen und nachsehen, ob die Luft rein war. Wir wollten auf keinen Fall riskieren, zu nahe an einen Menschen zu kommen, denn wenn wir erst einmal den Duft aufgenommen hätten, gäbe es wahrscheinlich kein Halten mehr. Wir wären als so junge Neugeborene zu stark. Edward und Bella hätten uns nie aufhalten können.
Bella wartete mit uns. Matze und Toby unterhielten sich über ‚World of Warcraft‘, als ob nichts gewesen wäre, während Bella, Maja und ich angespannt auf Edwards Rückkehr warteten. Bella erklärte uns, dass die Wohnung zwar etwas außerhalb der Stadt läge, in der Nähe zum Wald, jedoch eine stark befahrene Straße an dem Gebäude vorbeiführte. Nach etwa fünf Minuten löste sich die Anspannung aus Bellas Mimik und kurz darauf tauchte Edward aus den Baumwipfeln auf.
„Okay. Keine Menschen im Umkreis von zwei Kilometern. Wir sollten uns trotzdem beeilen. Wer kommt als erstes mit?“ Edward blickte in die Runde.
„Ladies first!“, grinste Maja und trat einen Schritt voran.
„Okay. Dann bleib dicht an meiner Seite!“ Und schon waren die beiden verschwunden. Es dauerte nicht lange, bis Edward alleine wieder zurückkam.
„Hat ja gut geklappt. Hoffen wir, dass es so bleibt“, murmelte Bella mehr zu sich selbst. So ging es dann noch dreimal. Bella und ich sollten als letztes folgen. Edward klingelte sie auf ihrem Handy an, als Zeichen, dass sie in der Wohnung angekommen waren.
„Na dann los.“ Wir sausten los, immer hinter der frischen Spur der anderen hinterher. Keine 300 Meter vom Haus entfernt, ich konnte die Lichter schon sehen, blieb Bella plötzlich ruckartig stehen.
„Stopp! Halt die Luft an Marion und atme erst weiter, wenn ich es dir sage!“ Jetzt wurde ich nervös! Da war ein Mensch in der Nähe. Bella zerrte mich ein Stück zurück. Ich sog schnell die Luft ein und hielt wie befohlen den Atem an. Ich brauchte zwar keinen Sauerstoff, jedoch war es unangenehm, nicht zu atmen. Verzweifelt schloss ich die Augen, presste meine Handflächen gegen meine Ohren. Dumpf hörte ich, wie Bella ihr Handy aufklappte, um Edward anzurufen. Fünf Sekunden später stand er neben uns.
„Bleib ganz ruhig, Marion! Du schaffst das!“ Er blickte mir in die Augen. Jetzt packten mich beide an meinen Oberarmen.
„Das ist nur zur Sicherheit! Halt schön den Atem an. Und komm mit!“ Wir sprangen auf eine große Eiche und von dort aus vorsichtig von Baum zu Baum, immer weiter in Richtung der Lichter. Ich konnte die anderen an den Fenstern stehen sehen, hinter verschlossener Scheibe. Ängstlich und angespannt starrten sie nach draußen. Wir kamen an die Straße. Ich hörte drei Stimmen, die sich jedoch Schritt für Schritt in unerträglich langsamer menschlicher Geschwindigkeit von uns entfernten. Und dann hörte ich den Herzschlag. Da waren drei starke Herzen, die köstliches nasses Blut durch warme Körper pumpten. Mein Jagdinstinkt versuchte nach und nach meinen Verstand zu verdrängen. In meinem Kopf fand ein wahrer Kampf statt. Ich wollte keine Menschen töten, aber mein Körper sehnte sich nach deren Blut. In meiner Kehle brannte es furchtbar und in meiner Brust erhob sich ganz langsam ein Knurren, obwohl ich noch immer den Atem anhielt. Ich wurde langsam panisch. Edward stellte sich hinter mich und zog mir die Arme auf dem Rücken zusammen, wie bei meiner ersten Jagd. Diesmal ließ ich es zu. Bella nahm meinen Kopf in ihre Hände und sah mir fest in die Augen.
„Marion. Ich weiß, du kannst es schaffen. Mir ist dasselbe bei meiner ersten Jagd passiert. Du bist stark! Wehr dich dagegen. Hör mal, diese drei sind wahrscheinlich Freunde von euch. Die tragen alle das gleiche T-Shirt, das auch Maja und Matze anhaben! Sie sind auf dem Weg zur Polizei, um eine Vermisstenanzeige aufzugeben. Du willst sie nicht töten! Das würdest du dir niemals verzeihen!“ Sie redete eindringlich auf mich ein. Und ganz langsam übernahm mein Verstand in meinem Kopf wieder die Führung. Die Menschen waren nun so weit weg, dass ich ihre Herzen nicht mehr schlagen hören konnte. Zwar entspannte ich mich etwas, jedoch traute ich mich noch nicht wieder zu atmen.
„Halt‘ sie fest! Ich werde noch mal nachsehen, ob sie weg sind!“ Bella blickte kurz zu ihrem Mann, der den Griff zwar etwas lockerte, aber dennoch nicht losließ. Dann verschwand sie in der Dunkelheit. Nach einer Minute war sie wieder da.
„Jetzt aber schnell! Sie sind zwar weit genug weg, ich weiß aber nicht, ob sie noch mal umkehren!“ Sie packten mich wieder an den Armen, dann sprangen wir mit einem Satz über die Straße auf das Dach des prachtvollen Hauses und von dort aus auf die Terrasse. Maja schob uns hastig die Tür auf und schloss sie genauso schnell, als wir dann drin waren. Ich fiel Toby um den Hals und atmete tief ein.
„Alter Falter. Das war aber knapp!“ Matze stand fassungslos gegen eine Wand gelehnt.
„Mein Gott! Was wäre gewesen, wenn ich mich nicht hätte beherrschen können? Ich meine, das waren Druckis! Das waren Freunde von uns! Ich hätte sie einfach getötet.“ Der Gedanke war unerträglich.
„Jetzt mal ganz ruhig, Ischämie! Es ist ja nichts passiert.“ Maja nahm mich in die Arme. Bella und Edward setzten sich auf die Couch. Die beiden wirkten lange nicht so entsetzt wie wir vier.
„Für eine Neugeborene hast du das sehr gut gemacht. Ein Wunder. Denn bei deiner feinen Nase hättest du dich, wenn du auch nur einmal eingeatmet hättest, nicht mehr halten können.“
Das waren wir nun also: unberechenbare Raubtiere, Killer.
Nach einer Weile des betretenen Schweigens übernahm Bella das Wort.
„Ihr wollt euch doch sicher frisch machen? Unser Kleiderschrank ist gut bestückt! Alice, meine ‚Schwester‘, hat ihn eingerichtet. Wir werden sicherlich etwas Passendes finden.“ Edward grinste und meinte nur:
„Ja, ihr werdet ganz bestimmt etwas finden.“ Bella zeigte uns die Badezimmer. Scheinbar waren die Cullens des Öfteren hier im Urlaub. Die ganze Wohnung war stilvoll eingerichtet. Die Räume wurden alle in hellen modernen Farben gehalten und riesige Fenster ließen das Mondlicht durch. Das große Badezimmer war ein wahrer Augenöffner. In der Mitte des großen Raumes stand eine riesige freistehende Wanne. An der Wand war eine gigantische Dusche mit riesigen Brausen, die sicherlich einen wahren Regenguss herabprasseln ließen. Die Wand gegenüber der Tür bestand vollkommen aus Glas und lieferte uns einen atemberaubenden Ausblick auf die Stadt, deren Lichter in der Dunkelheit funkelten. Bella tänzelte durch den Raum und bewegte sich auf eine Tür zu, die sich in der linken Wand neben einem Doppelwaschtisch befand.
„So und jetzt bitte nicht erschrecken! Alice, nun ja, sagen wir mal, hat einen kleinen Tick.“ Mit einer großen Geste öffnete sie dir Flügeltür und ging einen Schritt zur Seite. Hinter der Tür befand sich ein Raum, der mindestens genauso groß war wie dieses Badezimmer. Am gegenüberliegenden Ende befand sich ein gigantischer Spiegel in einem massiven goldenen Rahmen. Auf der linken und rechten Seite verliefen lange Regale mit vielen Fächern und Kleiderstangen, die erst unter der Decke endeten. Und jedes Fach war prall mir Klamotten gefüllt. Auf der linken Seite befand sich offensichtlich die Herrengarderobe, was man an den Smokings und Anzügen erkennen konnte, die an der ersten Kleiderstange hingen. Staunend gingen wir bis zum Ende des Raumes, wo eine kleine Abzweigung nach rechts führte und wir ein Separee betraten, das abermals unzählige Regale enthielt. Nur standen hier in den Aussparungen diesmal Schuhe. Maja stand mit offenem Mund neben mir und sah ungläubig durch den Kleiderschrank.
„Okay! Wir werden definitiv etwas zum Anziehen finden. Die Frage ist nur, wie lange wir brauchen werden!“ Wieder einmal brachen wir alle in schallendes Gelächter aus, denn Majas Gesichtsausdruck war einfach zu komisch.
Bella zeigte Matze und Maja das zweite Badezimmer. Nun waren Tobias und ich endlich mal allein. Zum ersten Mal seit unserer Verwandlung hatten wir Zeit für uns. Während ich mich entkleidete, hörte ich, wie er Badewasser einließ. Als ich dann aus der Ankleide trat, stieg er gerade fast lautlos ins Wasser. Ich ging auf die Wanne zu und abermals brach sich das Mondlicht auf meiner bleichen Haut.
„Nie hätte ich gedacht, dass du noch viel schöner werden könntest“, flüsterte Tobias. Wäre ich noch ein Mensch gewesen, in diesem Moment wäre mir mit absoluter Sicherheit die Schamesröte ins Gesicht getreten. Nun glitt auch ich ins Wasser und lehnte mich mit dem Rücken gegen Tobias Brustkorb. Das Wasser war angenehm, obwohl es sich irgendwie anders anfühlte als ich es bis dahin gewohnt war. Tobias strich mir mit seinen langen alabasterfarbenen Fingern eine Haarsträhne über die Schulter und zeichnete mein Schlüsselbein nach.
„Es ist noch immer alles so neu“, flüsterte ich so leise, dass ein Mensch es nicht gehört hätte.
„Ich weiß. Tut mir leid. Aber ich wollte dich unbedingt retten. Ich hatte eine solche Angst vor dem Tod, wollte aber nicht ohne dich weiterleben.“ In seiner Stimme war ein Anflug von Schmerz und Kummer. Er fühlte sich offensichtlich schuldig für mein neues Leben. Ich drehte mich im Wasser, so dass ich ihm gegenübersaß und nahm sein wunderschönes Gesicht in meine Hände. Seine roten Augen waren trotz des alarmierenden Farbtons ganz weich und voller Liebe.
„Ich bin dir nicht böse! Wahrscheinlich hätte ich genauso gehandelt. Ein Leben für die Ewigkeit ohne dich kann und will ich mir nicht vorstellen.“ In seinem Blick flammte plötzlich etwas anderes auf. Tobias beugte sich vor, zog mich in seine Arme und küsste mich voller Leidenschaft. Ich sog den köstlichen Duft seines kühlen Atems und seiner Haut ein und als seine Hände langsam über meinen Körper glitten, bebten meine Lippen vor Lust.
Trotzdem stiegen wir dann irgendwann aus der Wanne. Wir wussten, dass wir noch eine Ewigkeit in Zweisamkeit vor uns hatten, aber jetzt mussten wir uns um wichtigere Dinge kümmern. Das aktuellste Problem befand sich nur einen Raum nebenan. Wie sollten wir in dieser gigantischen Anhäufung an Klamotten nur etwas Passendes zum Anziehen finden? Tobias war wie früher schon schnell versorgt. Er flitzte an der linken Wand entlang und hatte schnell ein paar weite Bluejeans und ein nachtblaues Hemd gefunden. Dazu holte er ein paar bequeme Sneakers aus dem Schuhschrank. Ich hingegen hatte die Suche nach bequemen Jeans und einem stinknormalen T-Shirt bald aufgegeben. Später musste ich Bella danach fragen. Ich zog mir einen knielangen schwarzen Rock, ein paar schwarze High Heels und eine weiße eng anliegende Bluse mit leichten Puffärmeln an. Die Unsterblichkeit hatte zu meiner Freude alle meine Narben, einschließlich der langen auf dem Brustkorb von meiner Herz OP, verschwinden lassen. Und auch Tobias war froh, dass er weder die Wunden an den Händen durch seine Arbeit, noch die Narben von der Morbus Hodgkin und Schilddrüsen Operation behalten hatte.
Wir gingen zurück ins Wohnzimmer. Bella saß auf der weißen Couch und ließ Edward, der telefonierend durch den Raum ging, nicht aus den Augen.
„Ja Carlisle, sie hat das wunderbar gemacht.“ Edward lächelte Bella an, die verlegen weg sah.
„Natürlich schmeckt ihnen das Tierblut nicht besonders, aber sie kommen erstaunlich gut damit zurecht. Was meinst du, wann du den nächsten Flug hierher bekommen könntest? Du hast die meiste Erfahrung, was Neugeborene angeht. Es wäre besser, wenn du sie trainieren könntest, meinst du nicht?“ Dann war da ein kurzer Moment der Stille.
„Prima. Ich freue mich. Ja, ich komme dich dann am Flughafen abholen. Gib mir doch bitte kurz Renesmee. Oh, schade. Sie kann ja zurückrufen. Grüß alle schön von uns. Ja, bis dann.“ Edward klappte sein silbernes Handy zu und setzte sich zu Bella.
„War Nessie auf der Jagd?“, fragte sie ihn etwas traurig. Er nickte. Dann standen Maja und Matze in der Tür. Matze hatte ein T-Shirt gefunden, das seine neue muskulöse Figur perfekt betonte. Er freute sich sichtlich über den enormen Gewichtsverlust und die neuen Muskeln. Maja sah traumhaft aus. Ihre langen schwarzen Locken fielen locker über die Schultern. Sie trug ein silbernes Spaghettiträgerkleid und dazu Pumps der gleichen Farbe. Jedoch fühlte sie sich darin etwas unwohl.
„Bella. Ich glaube, du musst uns unbedingt mal zeigen, wo in diesem Monstrum von Schrank auch ein paar bequeme Sachen zu finden sind!“, meinte ich und Maja nickte zustimmend. Bella lachte.
„Tja. Genauso ging es mir auch. Alice hat versucht, mir einen neuen Stil aufzudrängen, was nicht so gut geklappt hat, wie sie es sich erhofft hat.“
Während Bella uns also dabei half, bequeme Kleidung zu finden, und Toby und Matze im Wohnzimmer gegeneinander an der Playstation spielten, verließ Edward das Haus, um auf dem Gildentreffen unserer Freunde etwas zu lauschen. Wir mussten uns unbedingt eine Ausrede für unser Verschwinden ausdenken. Nicht nur unsere Freunde mussten wir belügen, sondern auch unsere Familien. Wir würden sie vielleicht nie wieder sehen. Sollte auch nur einer unserer Lieben erfahren, was wir nun waren, hätten auch sie nur noch eine Wahl zwischen dem Tod oder der Unsterblichkeit. Das Geheimnis musste gewahrt bleiben. Wieso genau wussten wir zwar nicht, jedoch verstanden wir, dass es von enormer Wichtigkeit war.
Als wir Mädels uns ins Wohnzimmer gesellten, um unsere Jungs anzufeuern, klingelte Bellas Handy. Sie teilte uns mit, dass Yamagata, einer unserer Freunde, vorhatte, uns anzurufen. Uns musste einfach etwas einfallen.
„Okay! Hier meine Idee: Etwas anderes fällt mir auf die Schnelle nicht ein. Ihr wart zusammen im Urlaub und wolltet direkt im Anschluss gemeinsam zu eurem Treffen fahren. Leider ist in eurem Hotel eine Krankheit ausgebrochen und ihr musstet unter Quarantäne bleiben. Ihr habt euch angesteckt und befindet euch deshalb noch in einem italienischen Krankenhaus. Es tut euch wahnsinnig leid, dass ihr nicht angerufen habt, aber selbst für einen Anruf ging es euch zu schlecht. Heute ist der erste Tag, an dem es langsam bergauf geht. Sie sollen sich aber keine Sorgen machen, denn es ist nichts Tödliches“, sagte Bella schnell. Wir alle nickten, denn uns fiel nichts Besseres ein. Und dann klingelte Matzes Handy. Scharf sog er die Luft ein.
„Denk daran, dass du krank sein sollst! Rede etwas leiser, dann fällt ihm die Veränderung in deiner Stimme noch nicht direkt auf!“, mahnte Maja ihn. Und dann hob er ab.
„Yama?“, krächzte Matze wenig überzeugend ins Telefon.
„Matze Alter! Du hörst dich aber gar nicht gut an! Wo bist du denn?“, hörten wir ihn noch dumpf durch den Hörer. Matze begann, ihm die Geschichte zu erzählen und marschierte dabei im Wohnzimmer auf und ab. Nach zehn Minuten, in denen er die eine oder andere Notlüge erzählen musste, verabschiedeten sie sich schließlich!
„Ja, mach es gut, Yama. Grüß die anderen ganz lieb von uns. Auch von Ischämie und Matello. Wir werden irgendwann nächste Woche eventuell entlassen, bis dahin bekommen wir sogar Computer gestellt. Cool was? Ja, ciao!“ Er legte auf und atmete einmal tief durch.
„Oh Mann. Jetzt sind wir ihnen so nah und doch so fern“, murmelte er schließlich traurig. Maja nahm ihn in die Arme.
Auch ich war betreten. Bei dem Gedanken, dass wir unsere Familie auch noch anlügen mussten, brach mir fast das Herz. Edward hatte natürlich meine Gedanken bereits aufgeschnappt und sagte dann ernst:
„Nun, das ist das Grausame an der Unsterblichkeit. Nach ein paar Jahrzehnten wird keiner eurer Familie und Freunde mehr am Leben sein. Ein sehr hoher Preis für das ewige Leben. Ihr werdet regelmäßig umziehen müssen. Es fällt den Menschen auf, dass ihr nicht altert.“ Auch Bella blickte traurig auf ihre Füße und kaute an ihrer Unterlippe. Sie musste noch keine dieser Erfahrungen machen. Denn auch sie war noch jung.
Nach ein paar ewig langen Sekunden des Schweigens brach Edward erneut die Stille.
„Was werdet ihr euren Eltern erzählen? Sie werden euch die Geschichte mit dem Krankenhaus am wenigsten abkaufen. Die Wahrheit könnt ihr ihnen nicht sagen.“ Mir kam eine schreckliche Idee. Jedoch wusste ich keinen anderen Ausweg. Meine Mutter kannte mich so gut, dass sie sofort spüren würde, dass etwas nicht stimmte. Also sprach ich vorsichtig meinen Gedanken aus, den Edward bereits kannte.
„Es klingt mehr als hart. Aber vielleicht ist es unsere einzige Möglichkeit. Ich kann nur für mich sprechen, wenn ich sage, dass meine Familie den Betrug sofort spürt. Meine Mutter ist auf den Philippinen mit Legenden aufgewachsen, in denen auch Vamp… Unsterbliche auftauchten. Vielleicht wäre es nur eine Frage der Zeit, aber sie würde es herausbekommen! Und das wäre ihr Tod.“ Ich machte eine Pause. Keiner außer Edward wusste, was ich versuchen wollte zu erklären. Wie sollte ich ihnen nur mitteilen, was ich dachte?
>>Nein Edward, das muss ich alleine machen!<<, dachte ich. Er nickte ganz leicht. Je mehr die Worte in meinem Kopf Gestalt annahm, desto schmerzhafter wurde es für mich. Es bedeutete Abschied. Abschied für immer. In meinen Augen brannte es. Zu Beginn war es unangenehm, dann fing es an, richtig weh zu tun. Es fühlte sich an, wie das Feuer während meiner Verwandlung. Und dann begriff ich, dass mich jetzt, wenn ich noch ein Mensch gewesen wäre, ein unglaublicher Weinkrampf geschüttelt hätte. So weinten also Vampire? Ich musste schluchzen. Tobias nahm mich in die Arme und streichelte mir über den Rücken.
„Was ist denn los? Hey, was wolltest du uns sagen?“ Ich schüttelte einfach nur den Kopf. Noch konnte ich nicht sprechen. Ich spürte die Blicke der anderen in meinem Rücken. Sie machten sich Sorgen. Und da kam mir ein kleiner Hoffnungsschimmer. Was, wenn das jetzt meine Familie wäre? Was, wenn ich nicht allein sein musste? Würden die Cullens uns akzeptieren? Vier weitere junge Vampire in deren zu Hause? Verstohlen warf ich Edward erneut einen Blick zu. Er nickte wieder und lächelte sanft. Mir fiel ein Stein von meinem toten Herzen und ich löste mich vorsichtig aus Tobias Umarmung.
„Ich glaube, es wäre besser, wenn unsere Eltern denken, dass wir tot sind!“
Die Zeit verging schneller als ich gedacht hatte. Durch die interessanten Gespräche verging sie wie im Flug. Schon bald setzte die Dämmerung ein. Endlich. Mein Durst wurde im Laufe des Tages doch wieder stärker. Auf dem Weg in Richtung der Ferienwohnung von Bella und Edward trennten wir uns noch mal zum Jagen. Diesmal lief es in beiden Gruppen harmonischer ab. Tobias und ich jagten wie in der Nacht davor im Team und hatten schon bald unseren Durst an einer kleinen Herde Rotwild gestillt. Und auch Matze und Maja rissen sich diesmal keine Gliedmaßen aus, obwohl sie noch nicht ganz so ruhig mit dem Blutrausch umgehen konnten wie wir.
Nach nur einer Stunde trafen wir uns wieder, nur um uns kurze Zeit später wieder zu trennen. Edward meinte, es wäre sicherer uns einzeln zur Wohnung zu bringen, für den Fall dass wir doch einem Menschen über den Weg laufen sollten. Doch zuerst wollte er alleine vorgehen und nachsehen, ob die Luft rein war. Wir wollten auf keinen Fall riskieren, zu nahe an einen Menschen zu kommen, denn wenn wir erst einmal den Duft aufgenommen hätten, gäbe es wahrscheinlich kein Halten mehr. Wir wären als so junge Neugeborene zu stark. Edward und Bella hätten uns nie aufhalten können.
Bella wartete mit uns. Matze und Toby unterhielten sich über ‚World of Warcraft‘, als ob nichts gewesen wäre, während Bella, Maja und ich angespannt auf Edwards Rückkehr warteten. Bella erklärte uns, dass die Wohnung zwar etwas außerhalb der Stadt läge, in der Nähe zum Wald, jedoch eine stark befahrene Straße an dem Gebäude vorbeiführte. Nach etwa fünf Minuten löste sich die Anspannung aus Bellas Mimik und kurz darauf tauchte Edward aus den Baumwipfeln auf.
„Okay. Keine Menschen im Umkreis von zwei Kilometern. Wir sollten uns trotzdem beeilen. Wer kommt als erstes mit?“ Edward blickte in die Runde.
„Ladies first!“, grinste Maja und trat einen Schritt voran.
„Okay. Dann bleib dicht an meiner Seite!“ Und schon waren die beiden verschwunden. Es dauerte nicht lange, bis Edward alleine wieder zurückkam.
„Hat ja gut geklappt. Hoffen wir, dass es so bleibt“, murmelte Bella mehr zu sich selbst. So ging es dann noch dreimal. Bella und ich sollten als letztes folgen. Edward klingelte sie auf ihrem Handy an, als Zeichen, dass sie in der Wohnung angekommen waren.
„Na dann los.“ Wir sausten los, immer hinter der frischen Spur der anderen hinterher. Keine 300 Meter vom Haus entfernt, ich konnte die Lichter schon sehen, blieb Bella plötzlich ruckartig stehen.
„Stopp! Halt die Luft an Marion und atme erst weiter, wenn ich es dir sage!“ Jetzt wurde ich nervös! Da war ein Mensch in der Nähe. Bella zerrte mich ein Stück zurück. Ich sog schnell die Luft ein und hielt wie befohlen den Atem an. Ich brauchte zwar keinen Sauerstoff, jedoch war es unangenehm, nicht zu atmen. Verzweifelt schloss ich die Augen, presste meine Handflächen gegen meine Ohren. Dumpf hörte ich, wie Bella ihr Handy aufklappte, um Edward anzurufen. Fünf Sekunden später stand er neben uns.
„Bleib ganz ruhig, Marion! Du schaffst das!“ Er blickte mir in die Augen. Jetzt packten mich beide an meinen Oberarmen.
„Das ist nur zur Sicherheit! Halt schön den Atem an. Und komm mit!“ Wir sprangen auf eine große Eiche und von dort aus vorsichtig von Baum zu Baum, immer weiter in Richtung der Lichter. Ich konnte die anderen an den Fenstern stehen sehen, hinter verschlossener Scheibe. Ängstlich und angespannt starrten sie nach draußen. Wir kamen an die Straße. Ich hörte drei Stimmen, die sich jedoch Schritt für Schritt in unerträglich langsamer menschlicher Geschwindigkeit von uns entfernten. Und dann hörte ich den Herzschlag. Da waren drei starke Herzen, die köstliches nasses Blut durch warme Körper pumpten. Mein Jagdinstinkt versuchte nach und nach meinen Verstand zu verdrängen. In meinem Kopf fand ein wahrer Kampf statt. Ich wollte keine Menschen töten, aber mein Körper sehnte sich nach deren Blut. In meiner Kehle brannte es furchtbar und in meiner Brust erhob sich ganz langsam ein Knurren, obwohl ich noch immer den Atem anhielt. Ich wurde langsam panisch. Edward stellte sich hinter mich und zog mir die Arme auf dem Rücken zusammen, wie bei meiner ersten Jagd. Diesmal ließ ich es zu. Bella nahm meinen Kopf in ihre Hände und sah mir fest in die Augen.
„Marion. Ich weiß, du kannst es schaffen. Mir ist dasselbe bei meiner ersten Jagd passiert. Du bist stark! Wehr dich dagegen. Hör mal, diese drei sind wahrscheinlich Freunde von euch. Die tragen alle das gleiche T-Shirt, das auch Maja und Matze anhaben! Sie sind auf dem Weg zur Polizei, um eine Vermisstenanzeige aufzugeben. Du willst sie nicht töten! Das würdest du dir niemals verzeihen!“ Sie redete eindringlich auf mich ein. Und ganz langsam übernahm mein Verstand in meinem Kopf wieder die Führung. Die Menschen waren nun so weit weg, dass ich ihre Herzen nicht mehr schlagen hören konnte. Zwar entspannte ich mich etwas, jedoch traute ich mich noch nicht wieder zu atmen.
„Halt‘ sie fest! Ich werde noch mal nachsehen, ob sie weg sind!“ Bella blickte kurz zu ihrem Mann, der den Griff zwar etwas lockerte, aber dennoch nicht losließ. Dann verschwand sie in der Dunkelheit. Nach einer Minute war sie wieder da.
„Jetzt aber schnell! Sie sind zwar weit genug weg, ich weiß aber nicht, ob sie noch mal umkehren!“ Sie packten mich wieder an den Armen, dann sprangen wir mit einem Satz über die Straße auf das Dach des prachtvollen Hauses und von dort aus auf die Terrasse. Maja schob uns hastig die Tür auf und schloss sie genauso schnell, als wir dann drin waren. Ich fiel Toby um den Hals und atmete tief ein.
„Alter Falter. Das war aber knapp!“ Matze stand fassungslos gegen eine Wand gelehnt.
„Mein Gott! Was wäre gewesen, wenn ich mich nicht hätte beherrschen können? Ich meine, das waren Druckis! Das waren Freunde von uns! Ich hätte sie einfach getötet.“ Der Gedanke war unerträglich.
„Jetzt mal ganz ruhig, Ischämie! Es ist ja nichts passiert.“ Maja nahm mich in die Arme. Bella und Edward setzten sich auf die Couch. Die beiden wirkten lange nicht so entsetzt wie wir vier.
„Für eine Neugeborene hast du das sehr gut gemacht. Ein Wunder. Denn bei deiner feinen Nase hättest du dich, wenn du auch nur einmal eingeatmet hättest, nicht mehr halten können.“
Das waren wir nun also: unberechenbare Raubtiere, Killer.
Nach einer Weile des betretenen Schweigens übernahm Bella das Wort.
„Ihr wollt euch doch sicher frisch machen? Unser Kleiderschrank ist gut bestückt! Alice, meine ‚Schwester‘, hat ihn eingerichtet. Wir werden sicherlich etwas Passendes finden.“ Edward grinste und meinte nur:
„Ja, ihr werdet ganz bestimmt etwas finden.“ Bella zeigte uns die Badezimmer. Scheinbar waren die Cullens des Öfteren hier im Urlaub. Die ganze Wohnung war stilvoll eingerichtet. Die Räume wurden alle in hellen modernen Farben gehalten und riesige Fenster ließen das Mondlicht durch. Das große Badezimmer war ein wahrer Augenöffner. In der Mitte des großen Raumes stand eine riesige freistehende Wanne. An der Wand war eine gigantische Dusche mit riesigen Brausen, die sicherlich einen wahren Regenguss herabprasseln ließen. Die Wand gegenüber der Tür bestand vollkommen aus Glas und lieferte uns einen atemberaubenden Ausblick auf die Stadt, deren Lichter in der Dunkelheit funkelten. Bella tänzelte durch den Raum und bewegte sich auf eine Tür zu, die sich in der linken Wand neben einem Doppelwaschtisch befand.
„So und jetzt bitte nicht erschrecken! Alice, nun ja, sagen wir mal, hat einen kleinen Tick.“ Mit einer großen Geste öffnete sie dir Flügeltür und ging einen Schritt zur Seite. Hinter der Tür befand sich ein Raum, der mindestens genauso groß war wie dieses Badezimmer. Am gegenüberliegenden Ende befand sich ein gigantischer Spiegel in einem massiven goldenen Rahmen. Auf der linken und rechten Seite verliefen lange Regale mit vielen Fächern und Kleiderstangen, die erst unter der Decke endeten. Und jedes Fach war prall mir Klamotten gefüllt. Auf der linken Seite befand sich offensichtlich die Herrengarderobe, was man an den Smokings und Anzügen erkennen konnte, die an der ersten Kleiderstange hingen. Staunend gingen wir bis zum Ende des Raumes, wo eine kleine Abzweigung nach rechts führte und wir ein Separee betraten, das abermals unzählige Regale enthielt. Nur standen hier in den Aussparungen diesmal Schuhe. Maja stand mit offenem Mund neben mir und sah ungläubig durch den Kleiderschrank.
„Okay! Wir werden definitiv etwas zum Anziehen finden. Die Frage ist nur, wie lange wir brauchen werden!“ Wieder einmal brachen wir alle in schallendes Gelächter aus, denn Majas Gesichtsausdruck war einfach zu komisch.
Bella zeigte Matze und Maja das zweite Badezimmer. Nun waren Tobias und ich endlich mal allein. Zum ersten Mal seit unserer Verwandlung hatten wir Zeit für uns. Während ich mich entkleidete, hörte ich, wie er Badewasser einließ. Als ich dann aus der Ankleide trat, stieg er gerade fast lautlos ins Wasser. Ich ging auf die Wanne zu und abermals brach sich das Mondlicht auf meiner bleichen Haut.
„Nie hätte ich gedacht, dass du noch viel schöner werden könntest“, flüsterte Tobias. Wäre ich noch ein Mensch gewesen, in diesem Moment wäre mir mit absoluter Sicherheit die Schamesröte ins Gesicht getreten. Nun glitt auch ich ins Wasser und lehnte mich mit dem Rücken gegen Tobias Brustkorb. Das Wasser war angenehm, obwohl es sich irgendwie anders anfühlte als ich es bis dahin gewohnt war. Tobias strich mir mit seinen langen alabasterfarbenen Fingern eine Haarsträhne über die Schulter und zeichnete mein Schlüsselbein nach.
„Es ist noch immer alles so neu“, flüsterte ich so leise, dass ein Mensch es nicht gehört hätte.
„Ich weiß. Tut mir leid. Aber ich wollte dich unbedingt retten. Ich hatte eine solche Angst vor dem Tod, wollte aber nicht ohne dich weiterleben.“ In seiner Stimme war ein Anflug von Schmerz und Kummer. Er fühlte sich offensichtlich schuldig für mein neues Leben. Ich drehte mich im Wasser, so dass ich ihm gegenübersaß und nahm sein wunderschönes Gesicht in meine Hände. Seine roten Augen waren trotz des alarmierenden Farbtons ganz weich und voller Liebe.
„Ich bin dir nicht böse! Wahrscheinlich hätte ich genauso gehandelt. Ein Leben für die Ewigkeit ohne dich kann und will ich mir nicht vorstellen.“ In seinem Blick flammte plötzlich etwas anderes auf. Tobias beugte sich vor, zog mich in seine Arme und küsste mich voller Leidenschaft. Ich sog den köstlichen Duft seines kühlen Atems und seiner Haut ein und als seine Hände langsam über meinen Körper glitten, bebten meine Lippen vor Lust.
Trotzdem stiegen wir dann irgendwann aus der Wanne. Wir wussten, dass wir noch eine Ewigkeit in Zweisamkeit vor uns hatten, aber jetzt mussten wir uns um wichtigere Dinge kümmern. Das aktuellste Problem befand sich nur einen Raum nebenan. Wie sollten wir in dieser gigantischen Anhäufung an Klamotten nur etwas Passendes zum Anziehen finden? Tobias war wie früher schon schnell versorgt. Er flitzte an der linken Wand entlang und hatte schnell ein paar weite Bluejeans und ein nachtblaues Hemd gefunden. Dazu holte er ein paar bequeme Sneakers aus dem Schuhschrank. Ich hingegen hatte die Suche nach bequemen Jeans und einem stinknormalen T-Shirt bald aufgegeben. Später musste ich Bella danach fragen. Ich zog mir einen knielangen schwarzen Rock, ein paar schwarze High Heels und eine weiße eng anliegende Bluse mit leichten Puffärmeln an. Die Unsterblichkeit hatte zu meiner Freude alle meine Narben, einschließlich der langen auf dem Brustkorb von meiner Herz OP, verschwinden lassen. Und auch Tobias war froh, dass er weder die Wunden an den Händen durch seine Arbeit, noch die Narben von der Morbus Hodgkin und Schilddrüsen Operation behalten hatte.
Wir gingen zurück ins Wohnzimmer. Bella saß auf der weißen Couch und ließ Edward, der telefonierend durch den Raum ging, nicht aus den Augen.
„Ja Carlisle, sie hat das wunderbar gemacht.“ Edward lächelte Bella an, die verlegen weg sah.
„Natürlich schmeckt ihnen das Tierblut nicht besonders, aber sie kommen erstaunlich gut damit zurecht. Was meinst du, wann du den nächsten Flug hierher bekommen könntest? Du hast die meiste Erfahrung, was Neugeborene angeht. Es wäre besser, wenn du sie trainieren könntest, meinst du nicht?“ Dann war da ein kurzer Moment der Stille.
„Prima. Ich freue mich. Ja, ich komme dich dann am Flughafen abholen. Gib mir doch bitte kurz Renesmee. Oh, schade. Sie kann ja zurückrufen. Grüß alle schön von uns. Ja, bis dann.“ Edward klappte sein silbernes Handy zu und setzte sich zu Bella.
„War Nessie auf der Jagd?“, fragte sie ihn etwas traurig. Er nickte. Dann standen Maja und Matze in der Tür. Matze hatte ein T-Shirt gefunden, das seine neue muskulöse Figur perfekt betonte. Er freute sich sichtlich über den enormen Gewichtsverlust und die neuen Muskeln. Maja sah traumhaft aus. Ihre langen schwarzen Locken fielen locker über die Schultern. Sie trug ein silbernes Spaghettiträgerkleid und dazu Pumps der gleichen Farbe. Jedoch fühlte sie sich darin etwas unwohl.
„Bella. Ich glaube, du musst uns unbedingt mal zeigen, wo in diesem Monstrum von Schrank auch ein paar bequeme Sachen zu finden sind!“, meinte ich und Maja nickte zustimmend. Bella lachte.
„Tja. Genauso ging es mir auch. Alice hat versucht, mir einen neuen Stil aufzudrängen, was nicht so gut geklappt hat, wie sie es sich erhofft hat.“
Während Bella uns also dabei half, bequeme Kleidung zu finden, und Toby und Matze im Wohnzimmer gegeneinander an der Playstation spielten, verließ Edward das Haus, um auf dem Gildentreffen unserer Freunde etwas zu lauschen. Wir mussten uns unbedingt eine Ausrede für unser Verschwinden ausdenken. Nicht nur unsere Freunde mussten wir belügen, sondern auch unsere Familien. Wir würden sie vielleicht nie wieder sehen. Sollte auch nur einer unserer Lieben erfahren, was wir nun waren, hätten auch sie nur noch eine Wahl zwischen dem Tod oder der Unsterblichkeit. Das Geheimnis musste gewahrt bleiben. Wieso genau wussten wir zwar nicht, jedoch verstanden wir, dass es von enormer Wichtigkeit war.
Als wir Mädels uns ins Wohnzimmer gesellten, um unsere Jungs anzufeuern, klingelte Bellas Handy. Sie teilte uns mit, dass Yamagata, einer unserer Freunde, vorhatte, uns anzurufen. Uns musste einfach etwas einfallen.
„Okay! Hier meine Idee: Etwas anderes fällt mir auf die Schnelle nicht ein. Ihr wart zusammen im Urlaub und wolltet direkt im Anschluss gemeinsam zu eurem Treffen fahren. Leider ist in eurem Hotel eine Krankheit ausgebrochen und ihr musstet unter Quarantäne bleiben. Ihr habt euch angesteckt und befindet euch deshalb noch in einem italienischen Krankenhaus. Es tut euch wahnsinnig leid, dass ihr nicht angerufen habt, aber selbst für einen Anruf ging es euch zu schlecht. Heute ist der erste Tag, an dem es langsam bergauf geht. Sie sollen sich aber keine Sorgen machen, denn es ist nichts Tödliches“, sagte Bella schnell. Wir alle nickten, denn uns fiel nichts Besseres ein. Und dann klingelte Matzes Handy. Scharf sog er die Luft ein.
„Denk daran, dass du krank sein sollst! Rede etwas leiser, dann fällt ihm die Veränderung in deiner Stimme noch nicht direkt auf!“, mahnte Maja ihn. Und dann hob er ab.
„Yama?“, krächzte Matze wenig überzeugend ins Telefon.
„Matze Alter! Du hörst dich aber gar nicht gut an! Wo bist du denn?“, hörten wir ihn noch dumpf durch den Hörer. Matze begann, ihm die Geschichte zu erzählen und marschierte dabei im Wohnzimmer auf und ab. Nach zehn Minuten, in denen er die eine oder andere Notlüge erzählen musste, verabschiedeten sie sich schließlich!
„Ja, mach es gut, Yama. Grüß die anderen ganz lieb von uns. Auch von Ischämie und Matello. Wir werden irgendwann nächste Woche eventuell entlassen, bis dahin bekommen wir sogar Computer gestellt. Cool was? Ja, ciao!“ Er legte auf und atmete einmal tief durch.
„Oh Mann. Jetzt sind wir ihnen so nah und doch so fern“, murmelte er schließlich traurig. Maja nahm ihn in die Arme.
Auch ich war betreten. Bei dem Gedanken, dass wir unsere Familie auch noch anlügen mussten, brach mir fast das Herz. Edward hatte natürlich meine Gedanken bereits aufgeschnappt und sagte dann ernst:
„Nun, das ist das Grausame an der Unsterblichkeit. Nach ein paar Jahrzehnten wird keiner eurer Familie und Freunde mehr am Leben sein. Ein sehr hoher Preis für das ewige Leben. Ihr werdet regelmäßig umziehen müssen. Es fällt den Menschen auf, dass ihr nicht altert.“ Auch Bella blickte traurig auf ihre Füße und kaute an ihrer Unterlippe. Sie musste noch keine dieser Erfahrungen machen. Denn auch sie war noch jung.
Nach ein paar ewig langen Sekunden des Schweigens brach Edward erneut die Stille.
„Was werdet ihr euren Eltern erzählen? Sie werden euch die Geschichte mit dem Krankenhaus am wenigsten abkaufen. Die Wahrheit könnt ihr ihnen nicht sagen.“ Mir kam eine schreckliche Idee. Jedoch wusste ich keinen anderen Ausweg. Meine Mutter kannte mich so gut, dass sie sofort spüren würde, dass etwas nicht stimmte. Also sprach ich vorsichtig meinen Gedanken aus, den Edward bereits kannte.
„Es klingt mehr als hart. Aber vielleicht ist es unsere einzige Möglichkeit. Ich kann nur für mich sprechen, wenn ich sage, dass meine Familie den Betrug sofort spürt. Meine Mutter ist auf den Philippinen mit Legenden aufgewachsen, in denen auch Vamp… Unsterbliche auftauchten. Vielleicht wäre es nur eine Frage der Zeit, aber sie würde es herausbekommen! Und das wäre ihr Tod.“ Ich machte eine Pause. Keiner außer Edward wusste, was ich versuchen wollte zu erklären. Wie sollte ich ihnen nur mitteilen, was ich dachte?
>>Nein Edward, das muss ich alleine machen!<<, dachte ich. Er nickte ganz leicht. Je mehr die Worte in meinem Kopf Gestalt annahm, desto schmerzhafter wurde es für mich. Es bedeutete Abschied. Abschied für immer. In meinen Augen brannte es. Zu Beginn war es unangenehm, dann fing es an, richtig weh zu tun. Es fühlte sich an, wie das Feuer während meiner Verwandlung. Und dann begriff ich, dass mich jetzt, wenn ich noch ein Mensch gewesen wäre, ein unglaublicher Weinkrampf geschüttelt hätte. So weinten also Vampire? Ich musste schluchzen. Tobias nahm mich in die Arme und streichelte mir über den Rücken.
„Was ist denn los? Hey, was wolltest du uns sagen?“ Ich schüttelte einfach nur den Kopf. Noch konnte ich nicht sprechen. Ich spürte die Blicke der anderen in meinem Rücken. Sie machten sich Sorgen. Und da kam mir ein kleiner Hoffnungsschimmer. Was, wenn das jetzt meine Familie wäre? Was, wenn ich nicht allein sein musste? Würden die Cullens uns akzeptieren? Vier weitere junge Vampire in deren zu Hause? Verstohlen warf ich Edward erneut einen Blick zu. Er nickte wieder und lächelte sanft. Mir fiel ein Stein von meinem toten Herzen und ich löste mich vorsichtig aus Tobias Umarmung.
„Ich glaube, es wäre besser, wenn unsere Eltern denken, dass wir tot sind!“
Ischämie- ~Meadow Visitor~
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Re: Bis(s) in alle Ewigkeit
Fünf – Das Training
Es herrschte eine mehr als unangenehme Stimmung. In den Gesichtern meiner Freunde spiegelten sich die Emotionen so stark, dass man nicht Edward sein musste, um zu erraten, was in ihren Köpfen vor sich ging. Majas Augen wurden schwarz und in ihnen sah man den Schmerz lodern, bevor auch sie anfing laut zu schluchzen.
„Wir lassen euch einen Moment allein“, sagte Bella leise und verließ mit Edward still das Zimmer.
Als sich Maja etwas beruhigt hatte und ihre Augen auch wieder den normalen Rotton hatten, begannen wir noch einmal damit, alles auszudiskutieren. Wir suchten nach einer anderen Lösung, waren uns am Ende jedoch einig, dass es keine andere vernünftige Lösung gab. Es musste ein glatter Schnitt sein. Alles andere würden unsere Familien nicht verstehen oder aber es wäre zu gefährlich für sie und auch für uns.
Matze holte Bella und Edward wieder rein.
„Wir tun es!“, teilte er ihnen entschlossen mit. „Es ist das Beste für uns alle.“
„Gut. Ich werde aufbrechen und eure Autos so drapieren, als wäre es ein noch schlimmerer Unfall gewesen. Außerdem werden sie so sehr ausbrennen, dass es keine menschlichen Überreste mehr geben könnte. Spätestens morgen früh werden eure Familien von eurem Tod erfahren.“ Und schon verschwand er durch das Fenster.
Wir setzten uns wieder auf die Couch.
„Mit allen anderen Unternehmungen sollten wir warten, bis Carlisle hier ist. Er wird wissen, was zu tun ist“, sagte Bella. Und da hörten wir auch schon die Feuerwehrsirenen. Matze lachte düster.
„Also sind wir für unsere Eltern jetzt gestorben.“ Keiner sagte etwas. Wir lauschten nur den lauten Sirenen in der sonst so stillen Nacht.
Nach etwa fünf Minuten kam auch Edward wieder.
„Sobald die Feuer gelöscht sind, sollten wir noch mal zur Jagd aufbrechen. Die letzten Stunden haben scheinbar an euch gezehrt. Ihr seht durstig aus!“, meinte er. Hätte er doch nichts gesagt. Meine Kehle brannte sofort wieder lichterloh.
Um die Zeit ein wenig zu überbrücken, sahen wir uns auf dem riesigen Fernseher ein paar DVDs an. Jedoch konnte ich der Handlung der Filme nur mit halbem Ohr folgen, denn der Rest meines Gehirns spielte immer wieder die Erinnerung an meine Eltern und meinen Bruder ab. Nie wollte ich vergessen, was für Menschen sie waren und wie sie mich bedingungslos liebten. Und auch die anderen schienen sich nicht wirklich für den Fernseher zu interessieren. Tobias streichelte mir motorisch über den Rücken. Maja und Matze starrten mit leerem Blick auf den Bildschirm. Bella schien uns zu beobachten; ihr Blick war voller Sorge. Nur Edward verfolgte aufmerksam die Handlung des Filmes. Wie oft er das wohl in seinen 112 Jahren erlebt haben musste? Abschied nehmen.
Ich musste einfach versuchen, mich abzulenken. Noch immer hörte man die Sirenen und in der Ferne stieg Rauch aus dem Wald auf. Edward hatte scheinbar gute Arbeit geleistet. Langsam wurde ich unruhig, denn das Brennen in meiner Kehle wurde stetig unangenehmer.
„Was meint ihr, wie lange es noch dauert, bis wir raus können? Ich bin so durstig“, fragte Maja auf einmal, fast so, als würde auch sie wissen, was ich dachte. Sofort wurden auch Tobias und Matze unruhiger. Tobias entwich sogar ein leises Knurren.
„Nun, ein wenig gedulden müsstet ihr euch noch. Ich kann allerdings mal nachsehen, ob wir noch ein paar Konserven im Kühlschrank haben. Das ist zwar nicht so befriedigend, wie eine Jagd und es wird euren Durst nicht wirklich stillen, aber es hilft ein wenig“, sagte Bella. Und schon war sie in die Küche verschwunden.
Auch die zweite DVD war nun zu Ende.
„Oh Mann, noch so eine Schnulze halte ich nicht aus!“, meinte Matze und stand auf.
„Alter, habt ihr nicht ein paar funktionstüchtige Rechner hier? Vielleicht lenkt mich ein wenig zocken ja ab.“ Begeistert blickten wir uns an. So könnten wir wenigstens mit ein paar unserer Freunde quatschen. Denn über unser Voice-Tool hörten wir uns sowieso verzerrt an.
„Na klar, schreibt mir auf, was ihr benötigt und ich fahre morgen bei einem Geschäft vorbei, wenn ich Carlisle vom Flughafen abhole“, antwortete Edward breit grinsend.
„Vielleicht könnt ihr mich ja auch überzeugen.“ Und schon hatten wir ablenkenden Gesprächsstoff. Während unserer Unterhaltung tranken wir gierig die Konserven, die Bella uns gab. Sie hatte Recht. Es milderte ein wenig den Durst. Sonst nichts.
Wir waren so in unseren Diskussionen über unser gemeinsames Hobby vertieft, dass wir fast nicht bemerkten, wie sich die Sonne abermals über den Baumwipfeln erhob. Das schrille Klingeln von Edwards Handy unterbrach unser Gespräch dann schließlich doch. Carlisle würde in etwa zwei Stunden am Flughafen Frankfurt sein. Er sagte, er habe Jasper mitgebracht, der uns ein wenig helfen konnte, falls unsere Emotionen während des Trainings zu stark werden sollten. Noch konnte ich mir darunter nichts vorstellen, das würde sich bald ändern. Edward machte sich direkt auf den Weg, denn bis nach Frankfurt würde er etwa anderthalb Stunden fahren, in unauffälligem Tempo. Er ließ uns Neugeborene nicht gerne allein mit Bella auf die Jagd gehen, doch sie konnte ihn überzeugen. Schließlich schlugen wir uns ja laut seinen eigenen Worten super.
Zu unserem Glück, war es mal wieder ein verregneter Tag. Die Menschen blieben an diesem Sonntag alle bei einem solchen Wetter zu Hause und die Sonne kam nur ganz selten einmal durch die dicke Wolkendecke. Somit konnten wir ungestört jagen. Tobias und ich jagten wie die letzten Male auch im Team. Maja und Matze fanden das sehr beeindruckend, denn sie hatten ihren Blutrausch noch immer nicht ganz im Griff.
„Macht euch nichts draus. Ihr seid noch jung. Kaum ein Vampir schafft es überhaupt im ersten Jahr mit einem anderen gemeinsam zu jagen“, machte Bella ihnen Mut. Nach etwa zwei Stunden und einer großen Herde Wildschweinen kehrten wir in die Wohnung zurück.
Schon an der Tür witterte ich die Anwesenheit zweier anderer Vampire. Bellas Lächeln wurde breiter.
„Das sind Carlisle und Jasper! Ihr werdet sie sicher mögen!“ Und schon stürmte sie ins Wohnzimmer. Wir waren zwar neugierig, jedoch folgten wir ihr nicht mal annähernd so überschwänglich. Unsere Instinkte schlugen Alarm. Die Witterung fremder Vampire in unserem Territorium schreckte uns zurück. Edward kam uns entgegen. Auch seine Augen leuchteten vor Glück und sein schiefes Lächeln ließ seine makellosen weißen Zähne hervorblitzen.
„Sie tun euch nichts! Vertraut mir. Ich weiß, es ist schwierig, aber solange ihr Vampire mit goldenen Augen seht, braucht ihr euch nicht zu fürchten!“
„Na super“, murmelte Matze. „Sie werden uns fürchten, wir sind die rotäugigen.“ Plötzlich spürte ich, wie sich meine Anspannung langsam löste und ich motiviert und mutig an Edward vorbei ging und das Wohnzimmer betrat. Auch die anderen entspannten sich und folgten mir.
Da saßen sie. Zwei makellose atemberaubend schöne Vampire. Beide blond mit goldenen Augen. Der ältere war sicherlich Carlisle. Er lächelte uns freundlich an, stand auf und kam uns langsam entgegen. Der andere, der dann Jasper sein musste, lächelte zwar freundlich und tat es Carlisle gleich, indem er uns entgegen kam, wirkte allerdings ein wenig verspannt. Er schien einfach nur etwas vorsichtiger zu sein, denn er blieb auf Abstand. Das kam uns nur entgegen, denn er hatte etwas sehr Bedrohliches an sich. Seine Haut war mit vielen sichelförmigen Narben überzogen, die offensichtlich von Kämpfen stammen mussten. Während Carlisle mit uns sprach, ließ ich ihn nicht aus den Augen.
„Matthias, Manuela, Marion und Tobias?” Carlisle schüttelte uns begeistert die Hände und wir nickten nur scheu.
„Ihr braucht euch nicht zu fürchten.“ Matze linste an ihm vorbei und starrte Jasper an.
„Oh. Keine Sorge. Jasper ist was Neugeborene angeht nur etwas vorsichtiger. Es ist nichts Persönliches.“ Und diesmal lächelte Jasper aufrichtig.
Wir setzten uns und Carlisle berichtete, wieso sein narbenübersäter Sohn so war und warum Neugeborene als so gefährlich und unberechenbar galten.
„Nun, das Verlangen nach menschlichem Blut habt ihr ja bereits selbst erleben können. Es ist erstaunlich, dass du das so gut hinbekommen hast, Marion. Du bist erst der dritte Neugeborene Vampir, bei dem wir einen solchen Willen feststellen konnten. Und diese drei Vampire befinden sich allesamt in diesem Raum.“ Carlisle lächelte Bella zu.
„Carlisle ist sozusagen der Pionier der vegetarischen Ernährung müsst ihr wissen“, sagte Edward nun mit unterschwelligem Stolz.
„Ach, pack den alten Schinken nicht noch mal aus, mein Sohn! Es war nur eine Frage der Zeit, bis es gewagt wurde. Aber sicherlich haben euch Bella und Edward all die Geschichten unserer Familie bereits erzählt.“ Er sah seinen Adoptivsohn an, der ihm nur schelmisch zuzwinkerte.
„Wir sind hier, um euch durch die ersten Wochen der Unsterblichkeit zu helfen“, sagte Carlisle nun ernst und wir hörten ihm aufmerksam zu.
„Es wird nicht leicht. Ich gehe davon aus, dass ihr euch ebenso wie wir von Tierblut ernähren wollt, jedenfalls hat Edward dies erwähnt. Und ihr wollt euch sicherlich irgendwann einmal unter Menschen bewegen. Also ist es wichtig, dass wir euch an den Geruch menschlichen Blutes gewöhnen. Außerdem müsst ihr lernen, eure neuen Kräfte unter Kontrolle zu kriegen und euch menschlicher zu verhalten. Bella sagte, dass ihr es in Erwägung zieht, mit uns nach Forks zu kommen. Dafür müsst ihr in ein Flugzeug steigen und einen langen Flug unter hunderten Menschen aushalten. Oder ihr schwimmt.“ Tobias starrte ihn verdutzt an und murmelte dann:
„Okay. Ich vermute, das mit dem Schwimmen war ernst gemeint? Klar, es wird keine Erschöpfung mehr eintreten. Daran muss ich mich wohl erst gewöhnen!“ Und so führten wir noch ein wenig Smalltalk. Das Training sollte am nächsten Tag beginnen. Carlisle war es wichtig, dass wir uns erst mal kennenlernten und uns vertrauten.
Jasper half Edward dabei, die Computer aus seinem silbernen Volvo auszuladen. Man spürte, dass Geld für ihn keine Rolle spielte. Edward hatte uns die neuesten High-End-Rechner besorgt, von denen jeder Gamer nur träumen würde. Dazu kamen die nötigen Spiele, Profi Mäuse, Tastaturen und Headsets, sowie riesige Flachbildmonitore. Tobias und Matze starrten erst die Pakete, dann Edward und dann sich selbst an.
„Alter!“ Matze umarmte Edward stürmisch. Tobias klopfte ihm feste gegen die Schulter.
„Das ist ja mal voll krass! Danke!“ Edward verzog das Gesicht und rieb sich die Schulter.
„Kein Problem. Ihr müsst mich allerdings nicht verprügeln vor lauter Freude! Na los! Packt schon aus, baut auf. Ich will ja schließlich sehen, was genau so toll an diesem Spiel sein soll.“ Gesagt getan. Wir machten uns frisch ans Werk und bauten die Rechner in einem ungenutzten Raum auf, der sich als Esmes Hobbyraum herausstellte. Carlisle und Jasper gingen zwischenzeitlich auf die Jagd. Bella und Edward telefonierten mit ihrer Tochter und berichteten ihrer Familie von allen Erlebnissen, die Alice allerdings wohl bereits vorhergesehen hatte.
Alles war aufgebaut und wir warteten nur noch darauf, dass das Spiel fertig installiert und updatet war. Die Zeit nutzten wir, indem wir mit einer kleinen Trainingseinheit menschlichen Verhaltens begannen. Wir alle hatten schon gemerkt, dass Vampire so banale Dinge wie blinzeln oder sich setzen eigentlich nicht brauchten. Genauso wie das Atmen. Im Grunde brauchten wir das alles nicht, aber es fühlte sich gut an. Stundenlang hätte ich regnungslos stehen können, ohne mich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Solche Sachen würden den Menschen sofort auffallen. Also mussten wir uns angewöhnen, spätestens alle zwanzig Sekunden zu blinzeln, sich gelegentlich durch die Haare zu fahren, kratzen, die Beine übereinander zu schlagen, die Hände zu falten. Es war einfach zu komisch, solche Sachen, die noch vor ein paar Tagen so natürlich für uns waren, jetzt wieder zu erlernen. Auf jeden Fall hatten wir jede Menge Spaß. Wir vier wirkten so verkrampft, während die anderen total natürlich wirkten. Fast schon menschlich.
„Das ist jahrelange Übung. Wenn ihr euch Bella ganz genau betrachtet, werdet ihr sehr bald spüren, dass auch sie noch ab und an vergisst zu blinzeln oder ein paar Minuten regungslos da sitzt. Zum Glück denken die Menschen dann einfach nur, dass sie Tagträumen würde.“ Edward nahm liebevoll Bellas Hand in seine und lächelte sie mit einem bezaubernden schiefen Lächeln an.
„Versucht einfach, ständig in Übung zu bleiben. Egal was ihr macht, wendet diese kleinen Übungen den ganzen Tag an. Ihr werdet sehen, irgendwann müsst ihr euch noch nicht einmal daran erinnern“, sagte sie uns nun.
Auch Jasper lächelte. Er spürte, mit wie viel Spaß und Freude wir an diese Trainingseinheit gingen. Doch schon bald schwand dieses Lächeln.
„Nun ja, Jasper, da hast du recht.“ Edward drehte sich zu seinem Bruder.
„Das war der einfachste und spaßigste Teil des Trainings. Ich kann euch sagen, die anderen Übungen werden keinesfalls so lustig sein.“ Er meinte es ernst. Wir alle spürten, wie sich die Stimmung für einen Moment änderte und wussten, dass Edward Recht behalten würde.
„Aber damit beschäftigen wir uns morgen. Ihr wollt sicherlich heute mal ein wenig mit euren Freunden sprechen. Sieht so aus, als wären eure Computer so weit.“ Carlisle lächelte uns aufmunternd an.
Natürlich ließen wir uns nicht zweimal bitten. Also loggten wir uns zuerst in das Voicetool und dann in das Spiel ein. Es war schön, einer ganz normalen gewohnten Aktivität nachzugehen. So verloren wir nicht den Bezug zur Realität. Ich hatte ein wenig Schwierigkeiten damit, das richtige Maß an Druck auszuüben, um weder die Tastatur, noch die Maus zu zerdrücken, schaffte es dann doch irgendwie. Wir hatten so eine Freude daran, uns mit unseren Freunden zu unterhalten. Natürlich mussten wir ihnen vorlügen, krank zu sein und sie alle waren unglaublich lieb zu uns. Die Cullens beobachteten uns neugierig. Edward schaute uns konzentriert zu und fragte ständig nach, wie was funktionierte. So verbrachten wir den restlichen Tag und auch die Nacht, wobei wir nicht vergaßen, zwischendrin das Menschsein zu üben. Im Hinterkopf arbeitete der Gedanke an die nächste Trainingseinheit.
Und so ging auch schon bald die Sonne wieder auf. Pflichtbewusst loggten wir uns aus, mehr oder weniger bereit für die nächste Übung. Wäre da nicht der quälende Durst gewesen, den wir durch die Ablenkung des Spielens so gut verdrängt hatten, hätten wir sofort loslegen können.
Maja war gerade mit Bella im Kleiderschrank verschwunden, um sich die Gerüche der einzelnen Stoffe einzuprägen. Dies sollte ihr dabei helfen, möglichst schnell die bequemen Klamotten zu finden. Ich kannte sie bereits. Wie sich herausgestellt hatte, war ich wohl ein Naturtalent, was das Aufspüren von Fährten und Einprägen von Gerüchen betraf. Bella hatte das mit Carlisle diskutiert und er vermutete, dass dies meine Gabe war. Sie nannten mich einen ‚Tracker‘.
Ich saß mit Toby in unserem ‚Schlafzimmer‘ und sprach gerade mit ihm darüber, als Matze anklopfte.
„Hey ihr zwei. Bella fragt, ob wir ein wenig jagen gehen wollen. Sie meinte, es wäre eine gute Übung für Marion, um ihre Gabe ein wenig zu erforschen. Und Carlisle würde dich dabei gerne etwas beobachten. Außerdem wird es uns vielleicht bei der Trainingseinheit für heute Nachmittag helfen.“ Toby sprang auf.
„Klar, Mann! Ich bin so durstig, ich könnte ein ganzes Rudel Rehe abpumpen.“ Und so machten wir uns alle gemeinsam auf den Weg zur erneuten Jagd. Und ich stand mal wieder im Mittelpunkt.
Carlisle wollte, dass ich mich auf einen Geruch konzentrierte. Ich sollte versuchen, Wildschweine aufzuspüren und das andere Wild zu ignorieren. Das fiel mir bei meinem Durst gar nicht leicht. Ich schloss die Augen und versuchte, alles andere auszublenden, mich auf die Suche nach diesem einen vertrauten Geruch zu machen. Die anderen knurrten leise, so ungeduldig waren sie. Ich spürte, wie Jasper unsere Ungeduld zügelte. Langsam ging ich immer tiefer in den Wald hinein. Ich konnte riechen, dass sich ein paar Tiere in der Nacht an den Bäumen gerieben haben mussten, doch das war schon Stunden her. Also folgte ich dieser kleinen Spur und zog mein Tempo ein wenig an. Das erdige Aroma wurde immer stärker und nun flammte mein Kehle auf.
„Hat sie etwas gefunden? Ich rieche nichts“, fragte Bella aufgeregt.
„Ja“, antwortete Edward kurz und sicher. Nun rannte ich los. Die Hoffnung auf eine Milderung meines Blutdurstes trieb mich an, der Spur noch schneller zu folgen. Wir liefen eine ganze Weile und legten eine Strecke über etwa zehn Kilometer zurück, als ich schließlich mein Tempo drosselte. Die anderen waren mir natürlich gefolgt. Heute führte ich die Jagdgesellschaft an. Der wilde Geruch der Wildschweinherde durchtränkte nun die Luft. Auf der nächsten Lichtung, keine zehn Meter von uns entfernt, hörte man die Hufe über den Waldboden scharren. Maja knurrte leise auf. Mit einer Handbewegung ermahnte ich sie zum Schweigen. Ich hätte nicht erwartet, dass sie auf mich hören würde, doch sie verstummte augenblicklich.
„Wir sollten sie umzingeln“, flüsterte ich. „Es ist eine große Gruppe. Mindestens zehn Tiere. Wenn wir nicht aufpassen, wittern sie uns. Maja, nimm doch bitte die westliche Position ein. Matze, geh du nach Süden, Tobias nach Osten. Ich werde von Süden aus kommen. Pfeift, sobald ihr auf Position seid, fünf Sekunden nach dem letzten Pfiff greifen wir an. Versucht euch unter Kontrolle zu halten, es ist genug für uns alle da.“ Ich drehte mich zu Carlisle und den anderen um, ich hatte sie fast vergessen. Carlisle starrte mich ehrfürchtig an.
„Habe ich zu viel versprochen?“ Edward grinste. Jasper wirkte mehr als überrascht, nur Bella schien unbeeindruckt.
Wir teilten uns auf. Die anderen blieben auf Abstand, um uns zu beobachten. Ich pfiff und lauschte. In Sekundenabständen erreichten auch die anderen ihre Positionen. Da ertönte der letzte Pfiff aus Richtung Osten. Sofort und pfeilschnell fielen wir über die aufgeschreckten Tiere her. Unser Jagdinstinkt ließ uns ein wenig mit ihnen spielen und somit trieben wir sie eine Weile hin und her. Sie waren eingekesselt und hatten natürlich keine Chance. Maja begann als Erste zu trinken, während wir die Wildschweine in Schach hielten. Einer nach dem anderen durfte sich satt trinken. Keiner verfiel in einen Blutrausch, wir hatten uns zum ersten Mal alle richtig unter Kontrolle und jagten als eingespieltes Team. Bald war auch das letzte Tier verendet und ich ließ den schlaffen Körper zu Boden sinken.
Da klatschte plötzlich jemand in die Hände. Carlisle, Jasper, Bella und Edward betraten die Lichtung.
„Das sah doch schon ein wenig zivilisierter aus“, sagte Bella. Und tatsächlich, nicht einer von uns hatte wohl gekleckert.
„Marion. Das war einfach beeindruckend. Für einen so jungen Vampir mit einer solch markanten Gabe hast du dich unglaublich gut verhalten. Man könnte fast meinen, dass du schon mehrere Jahre alt wärst. Außerdem bist du noch eine gute Anführerin. Eine Meute junger Vampire im Griff zu halten, während das Essen direkt vor ihrer Nase steht… Bravo!“ Und wieder klatschte Carlisle in die Hände. Das war mir mehr als nur unangenehm.
„Hey, das liegt doch nicht nur an mir. Die anderen haben sich doch genauso super im Griff“, rechtfertigte ich mich. Jasper trat ein Stückchen näher.
„Du hast Recht. Ihr seid eine wirklich beeindruckende Gruppe junger Vampire. Doch ich will keine voreiligen Schlüsse ziehen. Erst will ich sehen, wie ihr damit umgeht, wenn ihr menschliches Blut riecht oder ihr euch zum ersten Mal den Menschen nähert.“ Natürlich. Jasper war einfach ein skeptischer Typ.
Wir machten uns auf den Rückweg. Unterwegs unterhielt ich mich angeregt mit Jasper über seine Vergangenheit. Natürlich kannte ich die Geschichte seiner Schöpfung und die der Ausbildung einer Armee Neugeborener. Ich wollte mehr darüber erfahren, wie es für ihn war, sich an die vegetarische Ernährung zu gewöhnen und ob er irgendwann einmal rückfällig gewesen war.
Von Edward wusste ich, dass er sich zwei Jahre lang mal von Carlisle und Esme distanziert hatte. Er nannte diese Zeit seine ‚rebellische Phase‘. Damals hatte er sich von dem Blut ‚schlechter‘ Menschen ernährt: Mörder, Vergewaltiger, Ehebrecher. Er war schon immer recht gläubig gewesen, dachte aber, er würde durch seine Verwandlung in einen Vampir in der Hölle landen und versuchte, mit der Ausmerzung der Sünder seine Chance der ewigen Verdammnis zu entgehen ein wenig zu vergrößern.
„Bella hat dir noch nicht von diesem Vorfall erzählt oder?“, fragte Jasper traurig und wir drosselten unser Tempo, ließen den anderen einen kleinen Vorsprung. „An Bellas achtzehntem Geburtstag, da hat sie sich beim Öffnen eines Geschenkes am Papier geschnitten. Dieser winzige Tropfen Blut machte all meine Bemühungen zunichte. Wären meine Brüder nicht gewesen und hätten sofort reagiert, indem sie mich festhielten und von ihr wegstießen, wäre sie heute wahrscheinlich nicht mehr am Leben.“ Er hielt kurz inne, um meine Reaktion ein wenig zu erspüren. Doch ich zeigte nicht mehr, als aufrichtiges Interesse.
„Ein Wunder, dass ich dich nicht anekle.“ Er lächelte mich verhalten an.
„Wieso sollte ich? Verurteilen werde ich dich sicherlich nicht. Ich glaube nicht, dass es mir leicht fallen wird, mich zu beherrschen.“
Und ich hatte Recht behalten. Am Nachmittag begannen wir mit den ersten Übungen uns an den Geruch menschlichen Blutes zu gewöhnen. Carlisle war Arzt in einem Krankenhaus in Forks und saß somit quasi an der Quelle. Wir sollten in kleinen Schritten anfangen. Matze, Maja, Toby und ich blieben vor dem Haus stehen. Vorsichtshalber hielt ich bereits die Luft an, denn wenn ich wirklich eine so feine Nase hatte, wie sie alle behaupteten, wollte ich nicht schon vor Beginn der Übung ausrasten. Edward wollte uns einen nach dem anderen herein lassen. Als ersten holte er Tobias. Eine Minute war es still, bis man plötzlich wildes Knurren und merkwürdig reißende Geräusche wahrnehmen konnte.
„Ganz ruhig, Tobias. Sieh mich an.“ Carlisle versuchte wohl, ihn zu beruhigen.
„Jasper, würdest du bitte versuchen, ihn ein wenig zu beruhigen?“ Und tatsächlich. Das Knurren wurde allmählich leiser.
„Versuch, an etwas anderes zu denken. Du kannst eigentlich gar nicht mehr durstig sein. Erinnerst du dich an die Jagd? Wie viel du da getrunken hast?“ Ich sah Maja ins Gesicht, die sich scheinbar genauso wie ich vor der Übung fürchtete.
„Was meinst du? Werden wir uns besser anstellen?“ Sie zuckte nur mit den Schultern und presste dann wieder ihr Ohr gegen die massive Stahltür.
„Stell dir vor, dass das Blut, welches du jetzt riechst, deinem besten Freund gehören würde. Würdest du ihn töten wollen? Stell dir diese Situation vor. Was würdest du tun, wenn er hier jetzt stehen würde?“ Man hörte ein Poltern. Toby schien in großen Schritten in unsere Richtung zu kommen. Und tatsächlich, im nächsten Moment riss er die Tür auf und schlug sie laut hinter sich zu. Er fiel auf die Knie, atmete tief durch. Sein Knurren wurde allmählich zu einem Wimmern. Es hörte sich an, wie ein gequältes Tier.
Edward kam heraus und ging neben Tobias in die Hocke.
„Geißel dich nicht selbst. Das war ausgesprochen gut.“
„Gut?“, presste mein Freund durch aufeinander gedrückte Kiefer hervor. „Ich hätte Jasper fast die Arme ausgerissen! Wie kann mich so ein kleiner Tropfen Blut nur so in Rage versetzen? Ein Tropfen!“ Sein Gesicht war zu einer Maske voller Selbsthass verzerrt.
Edward stand auf.
„Das ist unsere Natur. Du kannst deinem Instinkt nachgeben oder versuchen, ihm mit aller Macht zu widerstehen. Niemand hat gesagt, dass es einfach wird.“ Ernst blickte er uns alle an. Schweigend starrten wir zu Tobias.
„Ich werde nicht aufgeben!“ Er stand auf und machte Anstalten, an Edward vorbei zu marschieren und die Wohnung wieder zu betreten.
„Für heute ist es genug. Ruh dich aus. Morgen kannst du beweisen, ob du etwas gelernt hast.“ Edward legte eine Hand auf Tobias Schulter. Er nickte und wirkte doch ein wenig erleichtert.
Als nächstes kam Maja dran. Bei ihr lief es ähnlich ab. Nur, dass Jasper sie fast nicht hätte halten können. Ihr Temperament machte es ihr noch etwas schwerer als uns, den Blutrausch unter Kontrolle zu halten.
Matze hielt sich recht gut, zumindest am Anfang.
„Lass mich los! Ich will hier raus. Lass los!“, hörte man ihn wütend knurren.
„Nein, Matthias! Du wirst jetzt einatmen. Es ist eine Übung. Du kannst nicht immer, wenn ein Mensch in der Nähe ist, einfach nicht atmen. Nun komm. Wir lassen dich so lange nicht gehen, bis du es gerochen hast!“ Carlisle war wirklich streng. Wir wussten alle, dass es nur gut gemeint war. Keiner von uns wollte freiwillig aufgeben. Schließlich hörte man, wie Matze vorsichtig die Luft einsog. Erst passierte nichts. Es war totenstill. Und dann… Erst winselte er, dann knurrte er leise und winselte wieder. Langsam, furchtbar langsam erhob sich erneut ein Knurren. Man konnte spüren, wie er versuchte, seine Instinkte niederzuringen.
„Lass ihn raus. Du hast das wirklich sehr, sehr gut gemacht Matthias!“ Und dann öffnete sich erneut die Tür. Matze schnappte nach der frischen Luft, wie ein Ertrinkender. Aber auf seinem Gesicht zeichnete sich ein zufriedenes Lächeln ab.
Nun war ich also an der Reihe. Bella öffnete mir die Tür und wir betraten das Wohnzimmer. Ich hielt weiter die Luft an. Sie hatten alle Möbel zur Seite gerückt und somit viel Platz in der Mitte des Raumes geschaffen.
„Bleib stehen“, sagte Bella knapp und ich gehorchte. Edward und Bella stellten sich an meine Seiten, während Jasper eine Position hinter meinem Rücken einnahm. Carlisle stand etwa zwei Meter von mir entfernt, die Hände hinter seinem Rücken verschränkt. Ängstlich starrte ich ihn an.
„Komm schon, Marion. Atme“, sagte er sanft. Langsam ließ ich die Luft aus meinen Lungen entweichen. Jetzt war kein Sauerstoff mehr da. Früher oder später musste ich atmen, ich wusste, wie unangenehm es werden konnte. Carlisle nahm die Hände nach vorne. In ihnen hielt er ein winzig kleines Glasröhrchen mit einem Stopfen. In dem Gefäß schimmerte es rot. Es schien tatsächlich nur ein Tropfen zu sein. Ich atmete ein. Carlisle löste den Stopfen. Zuerst roch ich nichts. Und dann, langsam, ganz langsam wehte mir ein gleichzeitig salziger und metallischer, nasser, satter Duft, wie ich ihn noch nie gerochen hatte, entgegen. Ich zuckte zurück, wollte mir die Hände auf das Gesicht pressen, als meine Kehle anfing, zu brennen, doch Bella und Edward hielten meine Handgelenke in eisernem Griff.
„Weiteratmen, Marion. Ich weiß, es ist schwierig, aber du willst doch lernen. Du kannst dich nicht auf ewig vor den Menschen verstecken.“ Jasper hatte Recht. Also atmete ich. Es war zum wahnsinnig werden. Meine Kehle brannte lichterloh. Das war kein Durst mehr, es war ein Verlangen. Mein Blick verschleierte langsam, bekam einen Rotstich. Das war also der Blutrausch. Dann schaltete mein Gehirn allmählich aus. Das Letzte, das ich bewusst wahrnahm, war ein nerviger Ruck an meinen Armen. Zu richtigem Bewusstsein kam ich erst, als ich auf dem Boden lag und mir die Stelle an der mein Unterarm eigentlich sein musste, unglaublich schmerzte.
„Tut mir leid, Marion!“ Verwirrt starrte ich zur Seite. Mein Unterarm war weg.
„Oh Gott!“, stieß ich hervor und wollte mich aufsetzen, doch Carlisle drückte mich nach unten.
„Keine Panik! Gleich bist du wieder so gut, wie neu!“ Jasper hielt meinen Unterarm an die Bruchstelle. Es sah aus, wie ein Puzzle aus Marmor. Bella leckte über die Verbindungsstelle und versiegelte so mit ihrem Gift die Wunde. Nach ein paar Sekunden konnte ich meine Finger auch schon wieder bewegen. Ich suchte Jaspers Blick.
„Ich habe doch gesagt, dass ich dich nicht verurteile. Jetzt verstehe ich dich“, murmelte ich, voller Ekel vor mir selbst.
Es herrschte eine mehr als unangenehme Stimmung. In den Gesichtern meiner Freunde spiegelten sich die Emotionen so stark, dass man nicht Edward sein musste, um zu erraten, was in ihren Köpfen vor sich ging. Majas Augen wurden schwarz und in ihnen sah man den Schmerz lodern, bevor auch sie anfing laut zu schluchzen.
„Wir lassen euch einen Moment allein“, sagte Bella leise und verließ mit Edward still das Zimmer.
Als sich Maja etwas beruhigt hatte und ihre Augen auch wieder den normalen Rotton hatten, begannen wir noch einmal damit, alles auszudiskutieren. Wir suchten nach einer anderen Lösung, waren uns am Ende jedoch einig, dass es keine andere vernünftige Lösung gab. Es musste ein glatter Schnitt sein. Alles andere würden unsere Familien nicht verstehen oder aber es wäre zu gefährlich für sie und auch für uns.
Matze holte Bella und Edward wieder rein.
„Wir tun es!“, teilte er ihnen entschlossen mit. „Es ist das Beste für uns alle.“
„Gut. Ich werde aufbrechen und eure Autos so drapieren, als wäre es ein noch schlimmerer Unfall gewesen. Außerdem werden sie so sehr ausbrennen, dass es keine menschlichen Überreste mehr geben könnte. Spätestens morgen früh werden eure Familien von eurem Tod erfahren.“ Und schon verschwand er durch das Fenster.
Wir setzten uns wieder auf die Couch.
„Mit allen anderen Unternehmungen sollten wir warten, bis Carlisle hier ist. Er wird wissen, was zu tun ist“, sagte Bella. Und da hörten wir auch schon die Feuerwehrsirenen. Matze lachte düster.
„Also sind wir für unsere Eltern jetzt gestorben.“ Keiner sagte etwas. Wir lauschten nur den lauten Sirenen in der sonst so stillen Nacht.
Nach etwa fünf Minuten kam auch Edward wieder.
„Sobald die Feuer gelöscht sind, sollten wir noch mal zur Jagd aufbrechen. Die letzten Stunden haben scheinbar an euch gezehrt. Ihr seht durstig aus!“, meinte er. Hätte er doch nichts gesagt. Meine Kehle brannte sofort wieder lichterloh.
Um die Zeit ein wenig zu überbrücken, sahen wir uns auf dem riesigen Fernseher ein paar DVDs an. Jedoch konnte ich der Handlung der Filme nur mit halbem Ohr folgen, denn der Rest meines Gehirns spielte immer wieder die Erinnerung an meine Eltern und meinen Bruder ab. Nie wollte ich vergessen, was für Menschen sie waren und wie sie mich bedingungslos liebten. Und auch die anderen schienen sich nicht wirklich für den Fernseher zu interessieren. Tobias streichelte mir motorisch über den Rücken. Maja und Matze starrten mit leerem Blick auf den Bildschirm. Bella schien uns zu beobachten; ihr Blick war voller Sorge. Nur Edward verfolgte aufmerksam die Handlung des Filmes. Wie oft er das wohl in seinen 112 Jahren erlebt haben musste? Abschied nehmen.
Ich musste einfach versuchen, mich abzulenken. Noch immer hörte man die Sirenen und in der Ferne stieg Rauch aus dem Wald auf. Edward hatte scheinbar gute Arbeit geleistet. Langsam wurde ich unruhig, denn das Brennen in meiner Kehle wurde stetig unangenehmer.
„Was meint ihr, wie lange es noch dauert, bis wir raus können? Ich bin so durstig“, fragte Maja auf einmal, fast so, als würde auch sie wissen, was ich dachte. Sofort wurden auch Tobias und Matze unruhiger. Tobias entwich sogar ein leises Knurren.
„Nun, ein wenig gedulden müsstet ihr euch noch. Ich kann allerdings mal nachsehen, ob wir noch ein paar Konserven im Kühlschrank haben. Das ist zwar nicht so befriedigend, wie eine Jagd und es wird euren Durst nicht wirklich stillen, aber es hilft ein wenig“, sagte Bella. Und schon war sie in die Küche verschwunden.
Auch die zweite DVD war nun zu Ende.
„Oh Mann, noch so eine Schnulze halte ich nicht aus!“, meinte Matze und stand auf.
„Alter, habt ihr nicht ein paar funktionstüchtige Rechner hier? Vielleicht lenkt mich ein wenig zocken ja ab.“ Begeistert blickten wir uns an. So könnten wir wenigstens mit ein paar unserer Freunde quatschen. Denn über unser Voice-Tool hörten wir uns sowieso verzerrt an.
„Na klar, schreibt mir auf, was ihr benötigt und ich fahre morgen bei einem Geschäft vorbei, wenn ich Carlisle vom Flughafen abhole“, antwortete Edward breit grinsend.
„Vielleicht könnt ihr mich ja auch überzeugen.“ Und schon hatten wir ablenkenden Gesprächsstoff. Während unserer Unterhaltung tranken wir gierig die Konserven, die Bella uns gab. Sie hatte Recht. Es milderte ein wenig den Durst. Sonst nichts.
Wir waren so in unseren Diskussionen über unser gemeinsames Hobby vertieft, dass wir fast nicht bemerkten, wie sich die Sonne abermals über den Baumwipfeln erhob. Das schrille Klingeln von Edwards Handy unterbrach unser Gespräch dann schließlich doch. Carlisle würde in etwa zwei Stunden am Flughafen Frankfurt sein. Er sagte, er habe Jasper mitgebracht, der uns ein wenig helfen konnte, falls unsere Emotionen während des Trainings zu stark werden sollten. Noch konnte ich mir darunter nichts vorstellen, das würde sich bald ändern. Edward machte sich direkt auf den Weg, denn bis nach Frankfurt würde er etwa anderthalb Stunden fahren, in unauffälligem Tempo. Er ließ uns Neugeborene nicht gerne allein mit Bella auf die Jagd gehen, doch sie konnte ihn überzeugen. Schließlich schlugen wir uns ja laut seinen eigenen Worten super.
Zu unserem Glück, war es mal wieder ein verregneter Tag. Die Menschen blieben an diesem Sonntag alle bei einem solchen Wetter zu Hause und die Sonne kam nur ganz selten einmal durch die dicke Wolkendecke. Somit konnten wir ungestört jagen. Tobias und ich jagten wie die letzten Male auch im Team. Maja und Matze fanden das sehr beeindruckend, denn sie hatten ihren Blutrausch noch immer nicht ganz im Griff.
„Macht euch nichts draus. Ihr seid noch jung. Kaum ein Vampir schafft es überhaupt im ersten Jahr mit einem anderen gemeinsam zu jagen“, machte Bella ihnen Mut. Nach etwa zwei Stunden und einer großen Herde Wildschweinen kehrten wir in die Wohnung zurück.
Schon an der Tür witterte ich die Anwesenheit zweier anderer Vampire. Bellas Lächeln wurde breiter.
„Das sind Carlisle und Jasper! Ihr werdet sie sicher mögen!“ Und schon stürmte sie ins Wohnzimmer. Wir waren zwar neugierig, jedoch folgten wir ihr nicht mal annähernd so überschwänglich. Unsere Instinkte schlugen Alarm. Die Witterung fremder Vampire in unserem Territorium schreckte uns zurück. Edward kam uns entgegen. Auch seine Augen leuchteten vor Glück und sein schiefes Lächeln ließ seine makellosen weißen Zähne hervorblitzen.
„Sie tun euch nichts! Vertraut mir. Ich weiß, es ist schwierig, aber solange ihr Vampire mit goldenen Augen seht, braucht ihr euch nicht zu fürchten!“
„Na super“, murmelte Matze. „Sie werden uns fürchten, wir sind die rotäugigen.“ Plötzlich spürte ich, wie sich meine Anspannung langsam löste und ich motiviert und mutig an Edward vorbei ging und das Wohnzimmer betrat. Auch die anderen entspannten sich und folgten mir.
Da saßen sie. Zwei makellose atemberaubend schöne Vampire. Beide blond mit goldenen Augen. Der ältere war sicherlich Carlisle. Er lächelte uns freundlich an, stand auf und kam uns langsam entgegen. Der andere, der dann Jasper sein musste, lächelte zwar freundlich und tat es Carlisle gleich, indem er uns entgegen kam, wirkte allerdings ein wenig verspannt. Er schien einfach nur etwas vorsichtiger zu sein, denn er blieb auf Abstand. Das kam uns nur entgegen, denn er hatte etwas sehr Bedrohliches an sich. Seine Haut war mit vielen sichelförmigen Narben überzogen, die offensichtlich von Kämpfen stammen mussten. Während Carlisle mit uns sprach, ließ ich ihn nicht aus den Augen.
„Matthias, Manuela, Marion und Tobias?” Carlisle schüttelte uns begeistert die Hände und wir nickten nur scheu.
„Ihr braucht euch nicht zu fürchten.“ Matze linste an ihm vorbei und starrte Jasper an.
„Oh. Keine Sorge. Jasper ist was Neugeborene angeht nur etwas vorsichtiger. Es ist nichts Persönliches.“ Und diesmal lächelte Jasper aufrichtig.
Wir setzten uns und Carlisle berichtete, wieso sein narbenübersäter Sohn so war und warum Neugeborene als so gefährlich und unberechenbar galten.
„Nun, das Verlangen nach menschlichem Blut habt ihr ja bereits selbst erleben können. Es ist erstaunlich, dass du das so gut hinbekommen hast, Marion. Du bist erst der dritte Neugeborene Vampir, bei dem wir einen solchen Willen feststellen konnten. Und diese drei Vampire befinden sich allesamt in diesem Raum.“ Carlisle lächelte Bella zu.
„Carlisle ist sozusagen der Pionier der vegetarischen Ernährung müsst ihr wissen“, sagte Edward nun mit unterschwelligem Stolz.
„Ach, pack den alten Schinken nicht noch mal aus, mein Sohn! Es war nur eine Frage der Zeit, bis es gewagt wurde. Aber sicherlich haben euch Bella und Edward all die Geschichten unserer Familie bereits erzählt.“ Er sah seinen Adoptivsohn an, der ihm nur schelmisch zuzwinkerte.
„Wir sind hier, um euch durch die ersten Wochen der Unsterblichkeit zu helfen“, sagte Carlisle nun ernst und wir hörten ihm aufmerksam zu.
„Es wird nicht leicht. Ich gehe davon aus, dass ihr euch ebenso wie wir von Tierblut ernähren wollt, jedenfalls hat Edward dies erwähnt. Und ihr wollt euch sicherlich irgendwann einmal unter Menschen bewegen. Also ist es wichtig, dass wir euch an den Geruch menschlichen Blutes gewöhnen. Außerdem müsst ihr lernen, eure neuen Kräfte unter Kontrolle zu kriegen und euch menschlicher zu verhalten. Bella sagte, dass ihr es in Erwägung zieht, mit uns nach Forks zu kommen. Dafür müsst ihr in ein Flugzeug steigen und einen langen Flug unter hunderten Menschen aushalten. Oder ihr schwimmt.“ Tobias starrte ihn verdutzt an und murmelte dann:
„Okay. Ich vermute, das mit dem Schwimmen war ernst gemeint? Klar, es wird keine Erschöpfung mehr eintreten. Daran muss ich mich wohl erst gewöhnen!“ Und so führten wir noch ein wenig Smalltalk. Das Training sollte am nächsten Tag beginnen. Carlisle war es wichtig, dass wir uns erst mal kennenlernten und uns vertrauten.
Jasper half Edward dabei, die Computer aus seinem silbernen Volvo auszuladen. Man spürte, dass Geld für ihn keine Rolle spielte. Edward hatte uns die neuesten High-End-Rechner besorgt, von denen jeder Gamer nur träumen würde. Dazu kamen die nötigen Spiele, Profi Mäuse, Tastaturen und Headsets, sowie riesige Flachbildmonitore. Tobias und Matze starrten erst die Pakete, dann Edward und dann sich selbst an.
„Alter!“ Matze umarmte Edward stürmisch. Tobias klopfte ihm feste gegen die Schulter.
„Das ist ja mal voll krass! Danke!“ Edward verzog das Gesicht und rieb sich die Schulter.
„Kein Problem. Ihr müsst mich allerdings nicht verprügeln vor lauter Freude! Na los! Packt schon aus, baut auf. Ich will ja schließlich sehen, was genau so toll an diesem Spiel sein soll.“ Gesagt getan. Wir machten uns frisch ans Werk und bauten die Rechner in einem ungenutzten Raum auf, der sich als Esmes Hobbyraum herausstellte. Carlisle und Jasper gingen zwischenzeitlich auf die Jagd. Bella und Edward telefonierten mit ihrer Tochter und berichteten ihrer Familie von allen Erlebnissen, die Alice allerdings wohl bereits vorhergesehen hatte.
Alles war aufgebaut und wir warteten nur noch darauf, dass das Spiel fertig installiert und updatet war. Die Zeit nutzten wir, indem wir mit einer kleinen Trainingseinheit menschlichen Verhaltens begannen. Wir alle hatten schon gemerkt, dass Vampire so banale Dinge wie blinzeln oder sich setzen eigentlich nicht brauchten. Genauso wie das Atmen. Im Grunde brauchten wir das alles nicht, aber es fühlte sich gut an. Stundenlang hätte ich regnungslos stehen können, ohne mich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Solche Sachen würden den Menschen sofort auffallen. Also mussten wir uns angewöhnen, spätestens alle zwanzig Sekunden zu blinzeln, sich gelegentlich durch die Haare zu fahren, kratzen, die Beine übereinander zu schlagen, die Hände zu falten. Es war einfach zu komisch, solche Sachen, die noch vor ein paar Tagen so natürlich für uns waren, jetzt wieder zu erlernen. Auf jeden Fall hatten wir jede Menge Spaß. Wir vier wirkten so verkrampft, während die anderen total natürlich wirkten. Fast schon menschlich.
„Das ist jahrelange Übung. Wenn ihr euch Bella ganz genau betrachtet, werdet ihr sehr bald spüren, dass auch sie noch ab und an vergisst zu blinzeln oder ein paar Minuten regungslos da sitzt. Zum Glück denken die Menschen dann einfach nur, dass sie Tagträumen würde.“ Edward nahm liebevoll Bellas Hand in seine und lächelte sie mit einem bezaubernden schiefen Lächeln an.
„Versucht einfach, ständig in Übung zu bleiben. Egal was ihr macht, wendet diese kleinen Übungen den ganzen Tag an. Ihr werdet sehen, irgendwann müsst ihr euch noch nicht einmal daran erinnern“, sagte sie uns nun.
Auch Jasper lächelte. Er spürte, mit wie viel Spaß und Freude wir an diese Trainingseinheit gingen. Doch schon bald schwand dieses Lächeln.
„Nun ja, Jasper, da hast du recht.“ Edward drehte sich zu seinem Bruder.
„Das war der einfachste und spaßigste Teil des Trainings. Ich kann euch sagen, die anderen Übungen werden keinesfalls so lustig sein.“ Er meinte es ernst. Wir alle spürten, wie sich die Stimmung für einen Moment änderte und wussten, dass Edward Recht behalten würde.
„Aber damit beschäftigen wir uns morgen. Ihr wollt sicherlich heute mal ein wenig mit euren Freunden sprechen. Sieht so aus, als wären eure Computer so weit.“ Carlisle lächelte uns aufmunternd an.
Natürlich ließen wir uns nicht zweimal bitten. Also loggten wir uns zuerst in das Voicetool und dann in das Spiel ein. Es war schön, einer ganz normalen gewohnten Aktivität nachzugehen. So verloren wir nicht den Bezug zur Realität. Ich hatte ein wenig Schwierigkeiten damit, das richtige Maß an Druck auszuüben, um weder die Tastatur, noch die Maus zu zerdrücken, schaffte es dann doch irgendwie. Wir hatten so eine Freude daran, uns mit unseren Freunden zu unterhalten. Natürlich mussten wir ihnen vorlügen, krank zu sein und sie alle waren unglaublich lieb zu uns. Die Cullens beobachteten uns neugierig. Edward schaute uns konzentriert zu und fragte ständig nach, wie was funktionierte. So verbrachten wir den restlichen Tag und auch die Nacht, wobei wir nicht vergaßen, zwischendrin das Menschsein zu üben. Im Hinterkopf arbeitete der Gedanke an die nächste Trainingseinheit.
Und so ging auch schon bald die Sonne wieder auf. Pflichtbewusst loggten wir uns aus, mehr oder weniger bereit für die nächste Übung. Wäre da nicht der quälende Durst gewesen, den wir durch die Ablenkung des Spielens so gut verdrängt hatten, hätten wir sofort loslegen können.
Maja war gerade mit Bella im Kleiderschrank verschwunden, um sich die Gerüche der einzelnen Stoffe einzuprägen. Dies sollte ihr dabei helfen, möglichst schnell die bequemen Klamotten zu finden. Ich kannte sie bereits. Wie sich herausgestellt hatte, war ich wohl ein Naturtalent, was das Aufspüren von Fährten und Einprägen von Gerüchen betraf. Bella hatte das mit Carlisle diskutiert und er vermutete, dass dies meine Gabe war. Sie nannten mich einen ‚Tracker‘.
Ich saß mit Toby in unserem ‚Schlafzimmer‘ und sprach gerade mit ihm darüber, als Matze anklopfte.
„Hey ihr zwei. Bella fragt, ob wir ein wenig jagen gehen wollen. Sie meinte, es wäre eine gute Übung für Marion, um ihre Gabe ein wenig zu erforschen. Und Carlisle würde dich dabei gerne etwas beobachten. Außerdem wird es uns vielleicht bei der Trainingseinheit für heute Nachmittag helfen.“ Toby sprang auf.
„Klar, Mann! Ich bin so durstig, ich könnte ein ganzes Rudel Rehe abpumpen.“ Und so machten wir uns alle gemeinsam auf den Weg zur erneuten Jagd. Und ich stand mal wieder im Mittelpunkt.
Carlisle wollte, dass ich mich auf einen Geruch konzentrierte. Ich sollte versuchen, Wildschweine aufzuspüren und das andere Wild zu ignorieren. Das fiel mir bei meinem Durst gar nicht leicht. Ich schloss die Augen und versuchte, alles andere auszublenden, mich auf die Suche nach diesem einen vertrauten Geruch zu machen. Die anderen knurrten leise, so ungeduldig waren sie. Ich spürte, wie Jasper unsere Ungeduld zügelte. Langsam ging ich immer tiefer in den Wald hinein. Ich konnte riechen, dass sich ein paar Tiere in der Nacht an den Bäumen gerieben haben mussten, doch das war schon Stunden her. Also folgte ich dieser kleinen Spur und zog mein Tempo ein wenig an. Das erdige Aroma wurde immer stärker und nun flammte mein Kehle auf.
„Hat sie etwas gefunden? Ich rieche nichts“, fragte Bella aufgeregt.
„Ja“, antwortete Edward kurz und sicher. Nun rannte ich los. Die Hoffnung auf eine Milderung meines Blutdurstes trieb mich an, der Spur noch schneller zu folgen. Wir liefen eine ganze Weile und legten eine Strecke über etwa zehn Kilometer zurück, als ich schließlich mein Tempo drosselte. Die anderen waren mir natürlich gefolgt. Heute führte ich die Jagdgesellschaft an. Der wilde Geruch der Wildschweinherde durchtränkte nun die Luft. Auf der nächsten Lichtung, keine zehn Meter von uns entfernt, hörte man die Hufe über den Waldboden scharren. Maja knurrte leise auf. Mit einer Handbewegung ermahnte ich sie zum Schweigen. Ich hätte nicht erwartet, dass sie auf mich hören würde, doch sie verstummte augenblicklich.
„Wir sollten sie umzingeln“, flüsterte ich. „Es ist eine große Gruppe. Mindestens zehn Tiere. Wenn wir nicht aufpassen, wittern sie uns. Maja, nimm doch bitte die westliche Position ein. Matze, geh du nach Süden, Tobias nach Osten. Ich werde von Süden aus kommen. Pfeift, sobald ihr auf Position seid, fünf Sekunden nach dem letzten Pfiff greifen wir an. Versucht euch unter Kontrolle zu halten, es ist genug für uns alle da.“ Ich drehte mich zu Carlisle und den anderen um, ich hatte sie fast vergessen. Carlisle starrte mich ehrfürchtig an.
„Habe ich zu viel versprochen?“ Edward grinste. Jasper wirkte mehr als überrascht, nur Bella schien unbeeindruckt.
Wir teilten uns auf. Die anderen blieben auf Abstand, um uns zu beobachten. Ich pfiff und lauschte. In Sekundenabständen erreichten auch die anderen ihre Positionen. Da ertönte der letzte Pfiff aus Richtung Osten. Sofort und pfeilschnell fielen wir über die aufgeschreckten Tiere her. Unser Jagdinstinkt ließ uns ein wenig mit ihnen spielen und somit trieben wir sie eine Weile hin und her. Sie waren eingekesselt und hatten natürlich keine Chance. Maja begann als Erste zu trinken, während wir die Wildschweine in Schach hielten. Einer nach dem anderen durfte sich satt trinken. Keiner verfiel in einen Blutrausch, wir hatten uns zum ersten Mal alle richtig unter Kontrolle und jagten als eingespieltes Team. Bald war auch das letzte Tier verendet und ich ließ den schlaffen Körper zu Boden sinken.
Da klatschte plötzlich jemand in die Hände. Carlisle, Jasper, Bella und Edward betraten die Lichtung.
„Das sah doch schon ein wenig zivilisierter aus“, sagte Bella. Und tatsächlich, nicht einer von uns hatte wohl gekleckert.
„Marion. Das war einfach beeindruckend. Für einen so jungen Vampir mit einer solch markanten Gabe hast du dich unglaublich gut verhalten. Man könnte fast meinen, dass du schon mehrere Jahre alt wärst. Außerdem bist du noch eine gute Anführerin. Eine Meute junger Vampire im Griff zu halten, während das Essen direkt vor ihrer Nase steht… Bravo!“ Und wieder klatschte Carlisle in die Hände. Das war mir mehr als nur unangenehm.
„Hey, das liegt doch nicht nur an mir. Die anderen haben sich doch genauso super im Griff“, rechtfertigte ich mich. Jasper trat ein Stückchen näher.
„Du hast Recht. Ihr seid eine wirklich beeindruckende Gruppe junger Vampire. Doch ich will keine voreiligen Schlüsse ziehen. Erst will ich sehen, wie ihr damit umgeht, wenn ihr menschliches Blut riecht oder ihr euch zum ersten Mal den Menschen nähert.“ Natürlich. Jasper war einfach ein skeptischer Typ.
Wir machten uns auf den Rückweg. Unterwegs unterhielt ich mich angeregt mit Jasper über seine Vergangenheit. Natürlich kannte ich die Geschichte seiner Schöpfung und die der Ausbildung einer Armee Neugeborener. Ich wollte mehr darüber erfahren, wie es für ihn war, sich an die vegetarische Ernährung zu gewöhnen und ob er irgendwann einmal rückfällig gewesen war.
Von Edward wusste ich, dass er sich zwei Jahre lang mal von Carlisle und Esme distanziert hatte. Er nannte diese Zeit seine ‚rebellische Phase‘. Damals hatte er sich von dem Blut ‚schlechter‘ Menschen ernährt: Mörder, Vergewaltiger, Ehebrecher. Er war schon immer recht gläubig gewesen, dachte aber, er würde durch seine Verwandlung in einen Vampir in der Hölle landen und versuchte, mit der Ausmerzung der Sünder seine Chance der ewigen Verdammnis zu entgehen ein wenig zu vergrößern.
„Bella hat dir noch nicht von diesem Vorfall erzählt oder?“, fragte Jasper traurig und wir drosselten unser Tempo, ließen den anderen einen kleinen Vorsprung. „An Bellas achtzehntem Geburtstag, da hat sie sich beim Öffnen eines Geschenkes am Papier geschnitten. Dieser winzige Tropfen Blut machte all meine Bemühungen zunichte. Wären meine Brüder nicht gewesen und hätten sofort reagiert, indem sie mich festhielten und von ihr wegstießen, wäre sie heute wahrscheinlich nicht mehr am Leben.“ Er hielt kurz inne, um meine Reaktion ein wenig zu erspüren. Doch ich zeigte nicht mehr, als aufrichtiges Interesse.
„Ein Wunder, dass ich dich nicht anekle.“ Er lächelte mich verhalten an.
„Wieso sollte ich? Verurteilen werde ich dich sicherlich nicht. Ich glaube nicht, dass es mir leicht fallen wird, mich zu beherrschen.“
Und ich hatte Recht behalten. Am Nachmittag begannen wir mit den ersten Übungen uns an den Geruch menschlichen Blutes zu gewöhnen. Carlisle war Arzt in einem Krankenhaus in Forks und saß somit quasi an der Quelle. Wir sollten in kleinen Schritten anfangen. Matze, Maja, Toby und ich blieben vor dem Haus stehen. Vorsichtshalber hielt ich bereits die Luft an, denn wenn ich wirklich eine so feine Nase hatte, wie sie alle behaupteten, wollte ich nicht schon vor Beginn der Übung ausrasten. Edward wollte uns einen nach dem anderen herein lassen. Als ersten holte er Tobias. Eine Minute war es still, bis man plötzlich wildes Knurren und merkwürdig reißende Geräusche wahrnehmen konnte.
„Ganz ruhig, Tobias. Sieh mich an.“ Carlisle versuchte wohl, ihn zu beruhigen.
„Jasper, würdest du bitte versuchen, ihn ein wenig zu beruhigen?“ Und tatsächlich. Das Knurren wurde allmählich leiser.
„Versuch, an etwas anderes zu denken. Du kannst eigentlich gar nicht mehr durstig sein. Erinnerst du dich an die Jagd? Wie viel du da getrunken hast?“ Ich sah Maja ins Gesicht, die sich scheinbar genauso wie ich vor der Übung fürchtete.
„Was meinst du? Werden wir uns besser anstellen?“ Sie zuckte nur mit den Schultern und presste dann wieder ihr Ohr gegen die massive Stahltür.
„Stell dir vor, dass das Blut, welches du jetzt riechst, deinem besten Freund gehören würde. Würdest du ihn töten wollen? Stell dir diese Situation vor. Was würdest du tun, wenn er hier jetzt stehen würde?“ Man hörte ein Poltern. Toby schien in großen Schritten in unsere Richtung zu kommen. Und tatsächlich, im nächsten Moment riss er die Tür auf und schlug sie laut hinter sich zu. Er fiel auf die Knie, atmete tief durch. Sein Knurren wurde allmählich zu einem Wimmern. Es hörte sich an, wie ein gequältes Tier.
Edward kam heraus und ging neben Tobias in die Hocke.
„Geißel dich nicht selbst. Das war ausgesprochen gut.“
„Gut?“, presste mein Freund durch aufeinander gedrückte Kiefer hervor. „Ich hätte Jasper fast die Arme ausgerissen! Wie kann mich so ein kleiner Tropfen Blut nur so in Rage versetzen? Ein Tropfen!“ Sein Gesicht war zu einer Maske voller Selbsthass verzerrt.
Edward stand auf.
„Das ist unsere Natur. Du kannst deinem Instinkt nachgeben oder versuchen, ihm mit aller Macht zu widerstehen. Niemand hat gesagt, dass es einfach wird.“ Ernst blickte er uns alle an. Schweigend starrten wir zu Tobias.
„Ich werde nicht aufgeben!“ Er stand auf und machte Anstalten, an Edward vorbei zu marschieren und die Wohnung wieder zu betreten.
„Für heute ist es genug. Ruh dich aus. Morgen kannst du beweisen, ob du etwas gelernt hast.“ Edward legte eine Hand auf Tobias Schulter. Er nickte und wirkte doch ein wenig erleichtert.
Als nächstes kam Maja dran. Bei ihr lief es ähnlich ab. Nur, dass Jasper sie fast nicht hätte halten können. Ihr Temperament machte es ihr noch etwas schwerer als uns, den Blutrausch unter Kontrolle zu halten.
Matze hielt sich recht gut, zumindest am Anfang.
„Lass mich los! Ich will hier raus. Lass los!“, hörte man ihn wütend knurren.
„Nein, Matthias! Du wirst jetzt einatmen. Es ist eine Übung. Du kannst nicht immer, wenn ein Mensch in der Nähe ist, einfach nicht atmen. Nun komm. Wir lassen dich so lange nicht gehen, bis du es gerochen hast!“ Carlisle war wirklich streng. Wir wussten alle, dass es nur gut gemeint war. Keiner von uns wollte freiwillig aufgeben. Schließlich hörte man, wie Matze vorsichtig die Luft einsog. Erst passierte nichts. Es war totenstill. Und dann… Erst winselte er, dann knurrte er leise und winselte wieder. Langsam, furchtbar langsam erhob sich erneut ein Knurren. Man konnte spüren, wie er versuchte, seine Instinkte niederzuringen.
„Lass ihn raus. Du hast das wirklich sehr, sehr gut gemacht Matthias!“ Und dann öffnete sich erneut die Tür. Matze schnappte nach der frischen Luft, wie ein Ertrinkender. Aber auf seinem Gesicht zeichnete sich ein zufriedenes Lächeln ab.
Nun war ich also an der Reihe. Bella öffnete mir die Tür und wir betraten das Wohnzimmer. Ich hielt weiter die Luft an. Sie hatten alle Möbel zur Seite gerückt und somit viel Platz in der Mitte des Raumes geschaffen.
„Bleib stehen“, sagte Bella knapp und ich gehorchte. Edward und Bella stellten sich an meine Seiten, während Jasper eine Position hinter meinem Rücken einnahm. Carlisle stand etwa zwei Meter von mir entfernt, die Hände hinter seinem Rücken verschränkt. Ängstlich starrte ich ihn an.
„Komm schon, Marion. Atme“, sagte er sanft. Langsam ließ ich die Luft aus meinen Lungen entweichen. Jetzt war kein Sauerstoff mehr da. Früher oder später musste ich atmen, ich wusste, wie unangenehm es werden konnte. Carlisle nahm die Hände nach vorne. In ihnen hielt er ein winzig kleines Glasröhrchen mit einem Stopfen. In dem Gefäß schimmerte es rot. Es schien tatsächlich nur ein Tropfen zu sein. Ich atmete ein. Carlisle löste den Stopfen. Zuerst roch ich nichts. Und dann, langsam, ganz langsam wehte mir ein gleichzeitig salziger und metallischer, nasser, satter Duft, wie ich ihn noch nie gerochen hatte, entgegen. Ich zuckte zurück, wollte mir die Hände auf das Gesicht pressen, als meine Kehle anfing, zu brennen, doch Bella und Edward hielten meine Handgelenke in eisernem Griff.
„Weiteratmen, Marion. Ich weiß, es ist schwierig, aber du willst doch lernen. Du kannst dich nicht auf ewig vor den Menschen verstecken.“ Jasper hatte Recht. Also atmete ich. Es war zum wahnsinnig werden. Meine Kehle brannte lichterloh. Das war kein Durst mehr, es war ein Verlangen. Mein Blick verschleierte langsam, bekam einen Rotstich. Das war also der Blutrausch. Dann schaltete mein Gehirn allmählich aus. Das Letzte, das ich bewusst wahrnahm, war ein nerviger Ruck an meinen Armen. Zu richtigem Bewusstsein kam ich erst, als ich auf dem Boden lag und mir die Stelle an der mein Unterarm eigentlich sein musste, unglaublich schmerzte.
„Tut mir leid, Marion!“ Verwirrt starrte ich zur Seite. Mein Unterarm war weg.
„Oh Gott!“, stieß ich hervor und wollte mich aufsetzen, doch Carlisle drückte mich nach unten.
„Keine Panik! Gleich bist du wieder so gut, wie neu!“ Jasper hielt meinen Unterarm an die Bruchstelle. Es sah aus, wie ein Puzzle aus Marmor. Bella leckte über die Verbindungsstelle und versiegelte so mit ihrem Gift die Wunde. Nach ein paar Sekunden konnte ich meine Finger auch schon wieder bewegen. Ich suchte Jaspers Blick.
„Ich habe doch gesagt, dass ich dich nicht verurteile. Jetzt verstehe ich dich“, murmelte ich, voller Ekel vor mir selbst.
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Sechs – die Beerdigung
Die Tage vergingen und wir trainierten jeden Tag. Carlisle meinte, wir würden wirklich beeindruckende Fortschritte machen. Und auch Jasper war recht zufrieden mit uns. Nur wir vier hatten das Gefühl, nicht schnell genug zu lernen. Wir alle konnten uns nun bis auf zehn Meter einem Menschen näher, ohne gleich auszuflippen. Alles, was näher dran war, ging nur mit angehaltenem Atem und enormer Konzentration.
Unsere eigenen Beerdigungen rückten immer näher. Natürlich gab es keine Leichen, die unsere Familien zu Grabe tragen konnten. Stattdessen würde es eine Urnenbeisetzung geben. Wir wollten alle ein letztes Mal aus der Ferne unsere Familien sehen, auch wenn es uns das tote Herz brechen würde. Die anderen rieten uns davon ab. Sie meinten, dass es doch viel schöner wäre, wenn wir sie so in Erinnerung behalten würden, wie wir sie kannten. Unsere Erinnerungen aus der Zeit als Menschen verblassten langsam und so mussten wir immer wieder versuchen an das zu denken, was wir nicht vergessen wollten.
Ich saß gerade am Rechner und gönnte mir mit Maja eine Pause vom Training, als Matze und Tobias ganz aufgeregt von der Jagd kamen. Die anderen trauten es uns mittlerweile zu, selbstständig jagen zu gehen. Edward wurde unruhig, als er die ersten Gedanken der beiden hörte, doch Jasper brachte ihn mit nur einem Blick zum Schweigen.
„Was ist los?“, wollte Bella wissen. Matze begann schnell zu erzählen:
„Wir waren gerade hinter zwei Wildschweinebern her, als wir einen Wanderweg kreuzten. Aus der Jagd hatten wir einen Wettbewerb gemacht und so waren wir so auf die Fährte unserer Beute konzentriert, dass uns so einiges anderes entgangen ist. Wir stolpern also über den Wanderweg, als Tobias auf einmal stehen bleibt.“ Matze sprach so schnell und gestikulierte dabei wild herum, dass er fast wie eine Comicfigur wirkte. Tobias übernahm mit einem breiten Grinsen.
„Ich blieb stehen, weil da plötzlich eine andere Fährte war. Nur wenige hundert Meter von uns entfernt stand eine Gruppe Menschen.“ Wir alle sogen scharf die Luft ein. Nur Edward fixierte die beiden ruhig mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck.
„Es war eine Schulklasse. Ein wahres Festessen für alle nicht vegetarischen Vampire.“
„Er hat sie nicht angerührt!“, platzte es aus Matzek heraus.
„Danke, Mann! Jetzt hast du mir die ganze Spannung geklaut“, grummelte Tobias.
„Eine ganze Schulklasse? Und ihr habt sie nicht gejagt?“ Carlisle sah die beiden misstrauisch an.
„Tobias ist einfach auf dem Weg stehen geblieben, während ich mich in die Baumwipfel verzogen und versteckt habe. Er hat sich einfach nicht gerührt, während die Klassenlehrerin immer weiter auf ihn zukam. Und dann…“ Tobias zuckte mit den Achseln.
„…hat sie mich auf einer Wanderkarte nach den besten Routen gefragt und ich habe ihr in aller Ausführlichkeit alles erklärt. Das war alles. Sie war echt nett, hat mich aber die ganze Zeit mit so einem nervigen schmachtenden Blick angesehen.“ Während Tobias das so locker sagte, schlenderte er zum Kühlschrank und holte eine Konserve Tierblut heraus.
„Mann, Matze war so nervös, dass er die Jagd abgebrochen hat. So ein kleines Reh hilft mir nicht mal über zwei Tage. Danke noch mal!“ Er sah Matze trotzig an, während wir ihn alle fassungslos anstarrten. Er schlenderte in Esmes Arbeitszimmer, schaltete den Rechner an und ließ sich mit seiner Konserve in den Lederdrehstuhl fallen. Jasper und Edward wechselten einen kurzen Blick. Carlisle und Bella beobachteten sie aufmerksam.
Schließlich sagte Carlisle dann:
„Nun gut, das war erst mal genug Aufregung für heute. Ihr habt den Rest des Tages trainingsfrei. Vielleicht solltet ihr die Nacht nutzen, um noch mal auf die Jagd zu gehen?“ Er drehte sich um und ging. Jasper und Edward folgten ihm, während Bella im Türrahmen stehen blieb.
„Tobias, ich bin echt stolz auf dich. Eigentlich bin ich es auf euch alle. Ihr nehmt das alles wirklich sehr gut auf und seid für neugeborene Vampire wirklich ausgesprochen ruhig. Ich glaube, ihr seid bald soweit. Noch ein bis zwei Trainingseinheiten bis zur Beerdigung und danach kommt die Bewährungsprobe im Flugzeug.“ Sie nickte uns allen noch mal freundlich zu und verließ dann ebenfalls das Zimmer.
So konnten wir meinen Freund in Ruhe ausquetschen. Er war total gelassen und tat gelangweilt. Ich wusste jedoch, dass dies alles nur Fassade war und er sich mir erst anvertrauen würde, wenn wir endlich mal wieder Zeit für uns alleine hatten. Auch Maja war skeptisch und traute Tobias Coolness nicht so wirklich.
„Hey, wir wissen, wie gut die Menschen riechen. Wir alle haben uns im Training gebessert. Allerdings kamen wir noch nicht mal ansatzweise in die Nähe von einem lebenden Menschen. Wenn wir schon bei Blutkonserven ausrasten, wie hast du es geschafft, so still zu bleiben?“ Ihr Blick durchbohrte ihn. Lange starrten sie sich an bis Tobias dann irgendwann doch aufgab.
„Okay…okay. Ich habe die Luft angehalten. Soweit es ging“, gab er schließlich zu. „Jedoch war es gar nicht so schwer, mich zu beherrschen. Ich meine, ihr Herz hat in meinen Ohren gedröhnt und ihr Körper hat so eine feuchte Wärme ausgestrahlt. Das habe ich schon gemerkt. Aber mein Verstand hat mir gesagt, dass ich sie gar nicht töten will. Sie ist ja schließlich ein Mensch mit Gefühlen und hat wahrscheinlich Familie. Ich glaube, wenn man sich das immer wieder sagt, dann kann man dem Durst auch widerstehen.“ Eine Zeit lang diskutierten wir noch darüber und tauschten Meinungen aus, welche Methode am besten sei, um standhaft zu bleiben. Wir kamen zu dem Entschluss, dass jeder das selbst für sich herausfinden musste.
Die Tage und Nächte zogen nur so an uns vorbei. Heute war der Tag, der entscheiden sollte, ob wir wirklich stark genug waren, um zu unserer Beerdigung zu gehen. Wir fuhren im Auto in eine kleine Ortschaft, auf einer Landkarte wäre sie nicht groß aufgefallen. Es waren sicherlich nicht mehr als zweihundert Einwohner. Einer nach dem anderen sollte aus dem Wagen steigen und sich als Tourist ausgeben, um nach einer Wegebeschreibung oder einer Gaststätte zu fragen. Wir hielten an einer Tankstelle an.
„Matze, gehst du bitte mit Edward in den Shop und zahlst die Rechnung? Vielleicht könntest du nach dem Weg zur Autobahn in Richtung Frankfurt fragen? Jasper wird euch gleich folgen und vorgeben, eine Zeitung zu kaufen, nur für alle Fälle.“ Matze nickte knapp. Ich könnte schwören, er wurde noch eine Spur weißer. Edward öffnete die Beifahrertür und stieg aus. Maja gab Matze einen Kuss.
„Das schaffst du schon“, flüsterte sie ihm zu. Er grinste merkwürdig verzerrt und antwortete dann bitter:
„Und wenn nicht, das Kaff ist so klein, dass es wohl erst in ein paar Tagen auffällt, falls ich sie alle töte.“ Er schlug die Tür zu und folgte Edward.
Nach etwa einer Minute stieg auch Jasper im Auto hinter uns aus und ging in Richtung Shop. Man konnte durch die Fenster sehen, wie Edward sich über eine Karte über dem Tresen beugte. Matze stützte seinen Kopf auf eine Hand und tat es Edward gleich. Er blinzelte regelmäßig, lächelte bei ein paar Bemerkungen, kratzte sich im Nacken und gestikulierte wild mit den Händen rum, so wie er es immer tat, wenn er etwas versuchte zu beschreiben. Für einen Fremden wirkte er total normal. Schließlich hoben beide die Hand zum Gruß und kamen mit raschen Schritten zurück. Die Türen schlugen zu und Matze fing direkt an zu jubeln. Edward drehte sich auf dem Sitz um und sah ihn mit funkelndem Blick an. „
Ich bin sehr stolz auf dich, Matthias. Das war wirklich mehr als beeindruckend. Selbst als du einatmen musstest, hast du dich unter Kontrolle gehabt. Auch Jasper ist beeindruckt.“ Der kam gerade mit einer Computerzeitung aus dem Shop, nickte breit grinsend in unsere Richtung und stieg dann ein. Wir fuhren weiter.
Nach wenigen Minuten Fahrt hielt Carlisle erneut an einer Kreuzung an. In nur wenigen Metern Entfernung war der Marktplatz, wo gerade der Wochenmarkt abgehalten wurde. Hier tummelte sich eine Menschenmenge. Edward drehte sich um und fixierte mich mit ernstem Blick.
„So, Marion, wenn du hier nicht ausrastest, dann wird die Beerdigung und auch der Flug ein Klacks!“ Nervös starrte ich aus dem Fenster. All die Menschen, die sich unterhielten und lachten. Sie waren so Ahnungslos, welch einer Gefahr sie gleich ausgesetzt werden würden. Ich schaffe das schon. Ich kann doch gut mit Menschen. Immer schön lächeln und freundlich bleiben, das hab ich früher schon in der Praxis getan, also sollte es hier jetzt schwerer werden?
„Du darfst improvisieren. Denke dir etwas aus, was du tun willst.“ Ich schmunzelte.
„Ich hätte gerne einen Strauß Blumen. In der Wohnung ist es so grau.“ Ich gab Tobias noch einen Kuss und stieg dann aus. Bella folgte mir. Entschlossen ging ich mit großen Schritten auf die Menschenmenge zu. Der Wind wehte mir den süßen Duft menschlichen Blutes entgegen und ließ meine Kehle in Flammen stehen. Doch ich riss mich zusammen. Ich hörte, wie hinter uns eine weitere Tür zugeschlagen wurde. Jasper war dicht hinter uns. Trotz des Duftes, der mir das Gift einschießen ließ, atmete ich tapfer weiter. Ich konnte doch nicht den Rest meines Daseins ohne zu atmen verbringen, wenn ich unter Menschen gehen wollte.
Wir betraten den Marktplatz. Bella legte ein bezauberndes Lächeln auf. Ich verlangsamte mein Tempo und schlenderte an den Ständen vorbei, tat so, als würde ich mich für die Ware interessieren. Tapfer atmete ich weiter. Passanten drängten sich dicht an mir vorbei. Ich hörte die Herzen so vieler Menschen schlagen, spürte, wie das warme Blut durch ihre Körper gepumpt wurde. Halte durch, es sind Menschen. Manche haben Familie. Halte durch! Meine Kehle brannte lichterloh, doch ich ignorierte es hartnäckig. Die Händler sahen Bella und mich mit weit aufgerissenen Augen an. Wir waren sicherlich die schönsten Wesen, die je über ihren Markt spaziert waren. Den Männern trieb es das Blut in die Wangen und in etwas heiklere Regionen. Ich schmunzelte. Bella war total gelassen.
„Du wirst dich daran gewöhnen müssen, Marion. So reagieren fast alle.“ Schließlich kamen wir am Blumenstand an. Der Geruch der vielen Blüten war berauschend und erleichterte mir das Atmen. Freesien, Rosen, Nelken, Tulpen. So stark hatte ich ihren Duft noch nie wahrgenommen.
„Guten Tag, die jungen Damen.“ Ein Verkäufer ungefähr in unserem Alter lächelte uns freundlich an.
„Zum Gruße, für solch hübsche Ladies gibt es erst mal eine kleine Geste von mir.“ Er reichte uns zwei langstielige blutrote Rosen.
„Vielen lieben Dank.“ Vorsichtig nahm ich die Blume entgegen, sehr darauf bedacht, seine Hand nicht zu berühren. Ich hielt mir den Rosenkopf an die Nase, sog ihren vollen wunderbaren Duft ein.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte er freundlich und kam zu uns.
„Wären Sie so freundlich und würden mir ein schönes Gesteck für unseren Esstisch zusammenstellen?“ Ich lächelte ihn entspannt an. Die Blumen halfen mir sehr, den Geruch seines warmen Blutes zu ignorieren. Geschäftig fing er an, Blumen aus den Eimern zu nehmen und zu einem schönen Strauß zu binden. Am Ende wickelte er ihn in weißes Krepppapier und gab ihn Bella. Sie zahlte und wir verabschiedeten uns lächelnd von dem netten jungen Mann. Auf dem Weg zu Auto stieß Jasper zu uns.
„Das war wirklich sehr beeindruckend, Marion. Du warst so gut wie gar nicht angespannt und konntest deinen Durst sehr gut zügeln. Ein wenig erinnerst du mich an Bella“, sagte er mit einem leichten Lächeln. Solch lobende Worte aus seinem Mund zu hören bedeutete mir sehr viel.
„Ich danke dir, Jasper. Ich hatte allerdings auch sehr gute Lehrer.“ Wir kamen zu den Autos. Bella und ich schwangen uns lässig auf unsere Sitze, während Jasper kurz mit Carlisle am offenen Fahrerfenster sprach.
„Das hast du toll gemacht, mein Schatz.“ Tobias gab mir einen wohlverdienten Kuss.
„Wir haben ausgeknobelt und ich werde als nächste gehen“, meinte Maja nervös. „Ihr habt dass beide so gut gemacht. Wie stehe ich denn dar, wenn ich jetzt versage?“ Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum. Jasper sah sie durch das Fenster hinweg an.
„Ihr glaubt nicht wirklich, dass wir es zulassen, dass ihr hier ein Schlachtfest veranstaltet, oder?“ Er lächelte. „Wir greifen ein, sobald ich spüren sollte, dass ihr euch nicht beherrschen könnt. Keine Sorge.“ Er entfernte sich ein wenig vom Wagen, damit Carlisle aussteigen konnte.
„Nun komm, Manuela. Wir könnten ein paar Lebensmittel einkaufen!“, scherzte er. Und auch sie stieg schweren Herzens aus.
Während Maja und Carlisle weg waren, unterhielten Matze und ich uns aufgeregt über unsere ersten Schritte unter den Menschen. Ich hatte das Gefühl, dass der Blumenduft mich vor größerem Unglück bewahrt hätte, doch Edward war anderer Meinung. Er meinte, dass der Geruch menschlichen Blutes so stark war, gerade für uns Neugeborene, dass kein anderer Geruch unseren Durst verdrängen konnte. Trotzdem war ich nicht überzeugt.
Nach etwa zehn Minuten, kamen die drei zurück. Auch Maja lächelte glückselig. In den Händen hielt sie je eine Tüte mit Lebensmitteln, die wir ja leider doch wegwerfen oder spenden mussten. So wie ich Carlisle kennen gelernt hatte, würde er es spenden. Sie stiegen ins Auto und ich konnte im Spiegel sehen, wie auch Jasper zufrieden lächelnd in seinen Wagen stieg.
„Ich habe es geschafft!“, jubelte Maja und fiel uns um den Hals. „Es hat Jasper bestimmt einiges an Nerven gekostet, aber ich habe es geschafft. Ich will morgen direkt weiter trainieren, bestimmt werde ich noch besser und dann können wir nach Amerika fliegen, aber für die Beerdigung wird es reichen.“ Sie plapperte drauf los und wollte gar nicht mehr aufhören, so aufgekratzt war sie. Wir fuhren bereits weiter.
Tobias starrte aus dem Fenster und beteiligte sich nicht an dem Gespräch. Natürlich war auch er jetzt angespannt.
„Hey“, flüsterte ich und streichelte seinen Handrücken. „Du schaffst das. Denk an die Lehrerin und die Schulklasse im Wald. Jetzt bist du sogar vorbereitet. Ich weiß du kannst es.“ Er lächelte zaghaft. Dann sagte Edward plötzlich:
„Da vorne sind zwei Fußgänger.“ Er reichte Tobias eine Landkarte. „Frag die beiden doch einfach nach der Tankstelle.“ Wir wurden langsamer und hielten schließlich an. Edward und Tobi stiegen aus.
„Entschuldigung!“, rief Tobias und das etwas in die Jahre gekommene Paar blieb stehen.
„Wir sind Touristen auf der Durchreise und müssten unbedingt mal tanken, wären sie so freundlich und würden mir den Weg beschreiben?“ Er lächelte verblüffend gelassen, doch ich konnte seine Anspannung sehen. Seine Hände hatte er zu Fäusten geballt, unter seiner weißen Haut konnte man die Fingerknöchel hervortreten sehen und seine Augen waren dunkel, fast schwarz. Trotzdem atmete er tapfer weiter und lächelte freundlich, während ihm der Weg beschrieben wurde. Das Ehepaar schien nichts zu merken. Auch Edward blieb gelassen. Schließlich bedankten sie sich freundlich und schenkten den beiden ihr schönstes Lächeln. Der alten Dame schoss das Blut in die Wangen und Tobias musste herzlich grinsen. Die Anspannung fiel von ihm, als er diese Reaktion wahrnahm. Edward und Tobias stiegen wieder ein und Toby fing an laut zu lachen.
„Herrje, jetzt bring ich schon alte Damen zum Erröten“, gluckste er. Edward schmunzelte.
„Oh, glaub mir, du willst nicht wissen, woran sie so gedacht hat.“ Wir alle lachten so sehr, dass das Auto ein wenig bebte. Dann machten wir uns endlich auf den Weg zurück zur Wohnung.
Zwei Tage später war er da. Der wahrscheinlich schwärzeste Tag unseres Daseins. Wir würden unsere Familie zum letzten Mal sehen und das in einem Zustand, der uns wohl sehr berühren würde. Eltern sollten ihre Kinder nicht zu Grabe tragen. Doch was blieb uns anderes übrig? Wie sonst hätte man ihnen erklären sollen, warum wir nicht mehr nach Hause kommen konnten, warum sie uns nie wieder sehen durften? Es wäre zu gefährlich für sie geworden. Auch, wenn wir uns im Griff hatten, wird durften ihnen nicht sagen, was wir waren. Das Geheimnis musste bewahrt bleiben, sonst drohte ihnen der Tod.
Ich stand vor dem Spiegel des begehbaren Kleiderschrankes und zog mir einen Lidstrich. Bella saß hinter mir auf der Kommode und beobachtete mich.
„Und ihr seid euch sicher, dass ihr dahin wollt? Ich meine, ihr werdet sehen, wie sehr sie unter dem Verlust leiden. Du weißt, ihr habt jetzt ein unfehlbares Gedächtnis. Das wird sich in euer Gehirn einbrennen.“ Ich schloss den Kajalstift und drehte mich um.
„Bella, es ist ja lieb, dass ihr euch um uns sorgt. Aber ich sage dir das zum letzten Mal. Wir sind uns sicher. Wir hatten keinerlei Chance, Abschied zu nehmen. Unsere Erinnerungen aus Menschenzeiten sind verschwommen, egal wie oft wir uns versuchen zu erinnern. Wir wollen uns still verabschieden. Wir müssen sie noch einmal sehen, bevor wir irgendwann vergessen, wie sie aussehen. Außerdem werden wir mindestens genauso leiden, wie sie auch, wir wissen das.“ Sie hüpfte leichtfüßig von der Kommode und umarmte mich.
„Wenn das eure Entscheidung ist, dann akzeptieren wir das. Wir sind für euch da, Marion. Wir sind eure neue Familie.“
„Danke“, flüsterte ich, gab ihr einen Kuss auf die Stirn, zupfte mein nachtschwarzes Kleid zurecht und ging mit ihr zusammen ins Wohnzimmer, wo die anderen schon auf uns warteten.
Edward spielte gerade auf dem Klavier. Ich erkannte Claire de Lune. Irgendwie stimmte es mich in dieser Situation traurig, es ging mir richtig an mein totes Herz. Jasper sah betrübt in die Runde.
„Lasst uns aufbrechen.“
Maja und Matthias fuhren mit Jasper und Carlisle. Ihre Beisetzung sollte in Karlsruhe stattfinden, der Heimatstadt von Matze. Tobias und ich fuhren mit Bella und Edward. Am Abend wollten wir uns wieder in der Wohnung treffen, um unsere Sachen zu packen, denn am nächsten Morgen würde der Flieger nach Seattle gehen. Nach der Beerdigung gäbe es in Deutschland für uns keinen Grund mehr zu bleiben. Die Druckwelle Leute wären wie immer über Internet zu erreichen und einmal im Jahr könnten wir zum Treffen kommen. Aber sonst gab es dann nichts mehr, das uns hier halten konnte.
Die ganze Fahrt über schwiegen wir. Es war mehr als skurril zur eigenen Beerdigung zu fahren. Edwards Volvo erreichte nun das Ortsschild von Oestrich-Winkel. Langsam fuhren wir durch die Straßen, an unseren Elternhäusern und unserer Wohnung vorbei. In den Fenstern brannten schwarze und weiße Kerzen. Schließlich hielt der Wagen am Friedhof an. Zum Glück waren die Scheiben verdunkelt. Eine riesige Menschenmasse quetschte sich durch die gusseisernen Tore auf das Grundstück. Ich sog scharf die Luft ein, als ich so viele Gesichter wieder erkannte. Tobias drückte meine Hand ein wenig fester. Edward und Bella schwiegen.
Ganz langsam leerte sich die Straße. Die Menschen verschwanden in der kleinen Friedhofskapelle oder sammelten sich aus Platzmangel davor. Ich konnte hören, wie der Pfarrer, der mich einst zur Kommunion und Firmung begleitet hatte und mich eigentlich auch irgendwann einmal verheiraten sollte, zu sprechen begann:
„Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes … Amen!“ Vorsichtig stiegen wir aus dem Wagen.
„Da drüben ist eine dichte Tanne. Wir sollten schleunigst darauf verschwinden, so lange sie in die andere Richtung schauen“, flüsterte Edward. Also flitzten wir zur anderen Seite des Friedhofs, sprangen mit einem Satz über die Mauer und kletterten in das Geäst der blickdichten Tanne. Von hier aus konnten wir das ganze Grundstück überblicken und den Trauergottesdienst verfolgen.
„Zwei junge Menschen. Es war noch viel zu früh für sie zu gehen. Manchmal sind die Wege des Herrn unbegreiflich. Wir haben uns heute versammelt, um von Tobias Bachmann und Marion Weinheimer Abschied zu nehmen.“ Ein klagender Laut hallte über den so stillen Friedhof, es war Tobias Mutter, die laut aufschluchzte. In meinen Augen riss es unangenehm. Ich versuchte, es wegzublinzeln, jedoch wurde es immer schlimmer statt besser. Mir brannten die Augen, wie sonst nur meine Kehle. Und als ich in Tobias Gesicht blickte, da sah ich mein Gesicht in seinen schwarzen Augen spiegeln. Ich sah aus, als würde ich weinen. So fühlte es sich also an, in diesem Körper zu weinen.
Der Gottesdienst zog sich. Einige unserer Freunde hielten Abschiedsreden. Nicht alle waren so traurig formuliert. Einige erinnerten sich daran, was wir alles angestellt hatten und daran, was wir alles Witziges gemeinsam erlebt hatten. Meine Cousins und Cousinen sangen gemeinsam mit meinem Bruder ‘Nothing else matters‘, ich hatte damals immer gesagt, dass ich es gerne an meiner Beerdigung haben wollte. Sie hatten es sich also gemerkt.
Nach über einer Stunde endete schließlich der Gottesdienst und der Trauermarsch in Richtung der Urnen begann. Unsere Eltern gingen voran. Die Urnen fest in die Arme geschlossen. Noch nie hatte ich meine Eltern so sehr leiden gesehen. Der Schmerz über den Verlust in die Gesichter gebrannt. Sie wirkten so erschöpft, als hätten sie seit Jahren nicht geschlafen. Mein Bruder stützte meine Mutter. Auch er wirkte, als wäre etwas in ihm zerbrochen. Wie gerne wäre ich zu ihnen gegangen. Wie gerne hätte ich sie in die Arme geschlossen und getröstet. Edward legte eine Hand auf meinen Arm. Natürlich. Er wusste, was in mir vorging. Tobias dunkle Augen loderten vor Schmerz. Auch er beobachtete seine Eltern, seine Schwester und seinen kleinen Neffen, der noch nicht verstehen konnte, dass er uns nie mehr sehen würde.
Der Trauerzug endete an der Urnenwand, keine zehn Meter von uns entfernt. Der süße Geruch menschlichen Blutes ließ meine Kehle brennen, doch es interessierte mich nicht. Da unten stand meine Mutter, zitternd am ganzen Leib mit einer Urne in der Hand in der sie meine Überreste vermutete. Sie sank auf die Knie und fing bitterlich an zu weinen. Ich musste mich wegdrehen und mir die Hände auf den Mund pressen, sonst wäre mir ein heftiges lautes Schluchzen entweicht. Als ich mich wieder gefangen hatte, sah ich, wie meine Mutter einen Kuss auf die Urne drückte.
„Mach es gut, mein liebes Kind. Meine Tochter. Dort, wo du jetzt bist, wird dir kein Unheil mehr geschehen. Du bist für immer bei mir. Ich liebe dich“, flüsterte sie so leise, dass es kein menschliches Ohr vernommen hätte. Doch ich hatte es gehört.
„Ich liebe dich auch, Mama“, flüsterte ich. Mein Vater nahm ihr die Urne aus der Hand, küsste sie zum Abschied, ein Weinkrampf schüttelte ihn heftig. Dann stellte er sie in das Fach mit der Glastür. Mein Bruder legte eine schwarze Rose und ein Familienfoto mit hinein.
„Ich hab dich lieb, Schwesterchen. Ich vermisse dich so sehr“, flüsterte er und drehte sich um.
Tobias Eltern kamen nach vorne. Beide hielten sie gemeinsam die Urne fest. Sie weinten beide bitterlich. Beatrix küsste ebenfalls die Urne, bevor Reinhold sie in das Fach neben der meinen stellte. Simone und Sascha kamen vor. Sascha legte eine Tafel dunkler Schokolade bei, Simone ein Familienfoto und Alexander ein selbst gemaltes Bild.
„Tschüss, Onkel Toby.“ Er winkte zum Abschied.
Es war Zeit zu gehen, mehr ertrugen wir nicht. Wir flüchteten förmlich von dem Baum in ein dunkles Gebüsch, wo ich Tobias sofort in die Arme fiel und bitterlich anfing, zu schluchzen. ‚Knocking on heavens door‘ übertönte dies. Irgendwann wurde es still und langsam auch dunkel. Die Trauergemeinde war fort und mit ihnen auch unsere Familien. Edward und Bella gingen über den Friedhof und sahen nach, ob wir wirklich alleine waren. Sie kamen zurück, um es uns zu bestätigen, und wir gingen vorsichtig an unsere Gräber. Sahen uns die Abschiedsgeschenke unserer Liebsten an. Das Foto meiner Familie war zum letzten Weihnachtsfest entstanden. Es war ein Schnappschuss, den Tobi fotografiert hatte. Wir alle lachten darauf über beide Ohren. Ich konnte mich nur nicht mehr daran erinnern worüber. Scheußliches unscharfes Menschengedächtnis. Doch dieses Bild brannte sich gerade in mein neues Gedächtnis, das niemals vergessen würde. Tobias drückte meine Hand.
„Lass uns gehen. Es ist getan.“ Und wir verschwanden in die dunkle Nacht.
Die Tage vergingen und wir trainierten jeden Tag. Carlisle meinte, wir würden wirklich beeindruckende Fortschritte machen. Und auch Jasper war recht zufrieden mit uns. Nur wir vier hatten das Gefühl, nicht schnell genug zu lernen. Wir alle konnten uns nun bis auf zehn Meter einem Menschen näher, ohne gleich auszuflippen. Alles, was näher dran war, ging nur mit angehaltenem Atem und enormer Konzentration.
Unsere eigenen Beerdigungen rückten immer näher. Natürlich gab es keine Leichen, die unsere Familien zu Grabe tragen konnten. Stattdessen würde es eine Urnenbeisetzung geben. Wir wollten alle ein letztes Mal aus der Ferne unsere Familien sehen, auch wenn es uns das tote Herz brechen würde. Die anderen rieten uns davon ab. Sie meinten, dass es doch viel schöner wäre, wenn wir sie so in Erinnerung behalten würden, wie wir sie kannten. Unsere Erinnerungen aus der Zeit als Menschen verblassten langsam und so mussten wir immer wieder versuchen an das zu denken, was wir nicht vergessen wollten.
Ich saß gerade am Rechner und gönnte mir mit Maja eine Pause vom Training, als Matze und Tobias ganz aufgeregt von der Jagd kamen. Die anderen trauten es uns mittlerweile zu, selbstständig jagen zu gehen. Edward wurde unruhig, als er die ersten Gedanken der beiden hörte, doch Jasper brachte ihn mit nur einem Blick zum Schweigen.
„Was ist los?“, wollte Bella wissen. Matze begann schnell zu erzählen:
„Wir waren gerade hinter zwei Wildschweinebern her, als wir einen Wanderweg kreuzten. Aus der Jagd hatten wir einen Wettbewerb gemacht und so waren wir so auf die Fährte unserer Beute konzentriert, dass uns so einiges anderes entgangen ist. Wir stolpern also über den Wanderweg, als Tobias auf einmal stehen bleibt.“ Matze sprach so schnell und gestikulierte dabei wild herum, dass er fast wie eine Comicfigur wirkte. Tobias übernahm mit einem breiten Grinsen.
„Ich blieb stehen, weil da plötzlich eine andere Fährte war. Nur wenige hundert Meter von uns entfernt stand eine Gruppe Menschen.“ Wir alle sogen scharf die Luft ein. Nur Edward fixierte die beiden ruhig mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck.
„Es war eine Schulklasse. Ein wahres Festessen für alle nicht vegetarischen Vampire.“
„Er hat sie nicht angerührt!“, platzte es aus Matzek heraus.
„Danke, Mann! Jetzt hast du mir die ganze Spannung geklaut“, grummelte Tobias.
„Eine ganze Schulklasse? Und ihr habt sie nicht gejagt?“ Carlisle sah die beiden misstrauisch an.
„Tobias ist einfach auf dem Weg stehen geblieben, während ich mich in die Baumwipfel verzogen und versteckt habe. Er hat sich einfach nicht gerührt, während die Klassenlehrerin immer weiter auf ihn zukam. Und dann…“ Tobias zuckte mit den Achseln.
„…hat sie mich auf einer Wanderkarte nach den besten Routen gefragt und ich habe ihr in aller Ausführlichkeit alles erklärt. Das war alles. Sie war echt nett, hat mich aber die ganze Zeit mit so einem nervigen schmachtenden Blick angesehen.“ Während Tobias das so locker sagte, schlenderte er zum Kühlschrank und holte eine Konserve Tierblut heraus.
„Mann, Matze war so nervös, dass er die Jagd abgebrochen hat. So ein kleines Reh hilft mir nicht mal über zwei Tage. Danke noch mal!“ Er sah Matze trotzig an, während wir ihn alle fassungslos anstarrten. Er schlenderte in Esmes Arbeitszimmer, schaltete den Rechner an und ließ sich mit seiner Konserve in den Lederdrehstuhl fallen. Jasper und Edward wechselten einen kurzen Blick. Carlisle und Bella beobachteten sie aufmerksam.
Schließlich sagte Carlisle dann:
„Nun gut, das war erst mal genug Aufregung für heute. Ihr habt den Rest des Tages trainingsfrei. Vielleicht solltet ihr die Nacht nutzen, um noch mal auf die Jagd zu gehen?“ Er drehte sich um und ging. Jasper und Edward folgten ihm, während Bella im Türrahmen stehen blieb.
„Tobias, ich bin echt stolz auf dich. Eigentlich bin ich es auf euch alle. Ihr nehmt das alles wirklich sehr gut auf und seid für neugeborene Vampire wirklich ausgesprochen ruhig. Ich glaube, ihr seid bald soweit. Noch ein bis zwei Trainingseinheiten bis zur Beerdigung und danach kommt die Bewährungsprobe im Flugzeug.“ Sie nickte uns allen noch mal freundlich zu und verließ dann ebenfalls das Zimmer.
So konnten wir meinen Freund in Ruhe ausquetschen. Er war total gelassen und tat gelangweilt. Ich wusste jedoch, dass dies alles nur Fassade war und er sich mir erst anvertrauen würde, wenn wir endlich mal wieder Zeit für uns alleine hatten. Auch Maja war skeptisch und traute Tobias Coolness nicht so wirklich.
„Hey, wir wissen, wie gut die Menschen riechen. Wir alle haben uns im Training gebessert. Allerdings kamen wir noch nicht mal ansatzweise in die Nähe von einem lebenden Menschen. Wenn wir schon bei Blutkonserven ausrasten, wie hast du es geschafft, so still zu bleiben?“ Ihr Blick durchbohrte ihn. Lange starrten sie sich an bis Tobias dann irgendwann doch aufgab.
„Okay…okay. Ich habe die Luft angehalten. Soweit es ging“, gab er schließlich zu. „Jedoch war es gar nicht so schwer, mich zu beherrschen. Ich meine, ihr Herz hat in meinen Ohren gedröhnt und ihr Körper hat so eine feuchte Wärme ausgestrahlt. Das habe ich schon gemerkt. Aber mein Verstand hat mir gesagt, dass ich sie gar nicht töten will. Sie ist ja schließlich ein Mensch mit Gefühlen und hat wahrscheinlich Familie. Ich glaube, wenn man sich das immer wieder sagt, dann kann man dem Durst auch widerstehen.“ Eine Zeit lang diskutierten wir noch darüber und tauschten Meinungen aus, welche Methode am besten sei, um standhaft zu bleiben. Wir kamen zu dem Entschluss, dass jeder das selbst für sich herausfinden musste.
Die Tage und Nächte zogen nur so an uns vorbei. Heute war der Tag, der entscheiden sollte, ob wir wirklich stark genug waren, um zu unserer Beerdigung zu gehen. Wir fuhren im Auto in eine kleine Ortschaft, auf einer Landkarte wäre sie nicht groß aufgefallen. Es waren sicherlich nicht mehr als zweihundert Einwohner. Einer nach dem anderen sollte aus dem Wagen steigen und sich als Tourist ausgeben, um nach einer Wegebeschreibung oder einer Gaststätte zu fragen. Wir hielten an einer Tankstelle an.
„Matze, gehst du bitte mit Edward in den Shop und zahlst die Rechnung? Vielleicht könntest du nach dem Weg zur Autobahn in Richtung Frankfurt fragen? Jasper wird euch gleich folgen und vorgeben, eine Zeitung zu kaufen, nur für alle Fälle.“ Matze nickte knapp. Ich könnte schwören, er wurde noch eine Spur weißer. Edward öffnete die Beifahrertür und stieg aus. Maja gab Matze einen Kuss.
„Das schaffst du schon“, flüsterte sie ihm zu. Er grinste merkwürdig verzerrt und antwortete dann bitter:
„Und wenn nicht, das Kaff ist so klein, dass es wohl erst in ein paar Tagen auffällt, falls ich sie alle töte.“ Er schlug die Tür zu und folgte Edward.
Nach etwa einer Minute stieg auch Jasper im Auto hinter uns aus und ging in Richtung Shop. Man konnte durch die Fenster sehen, wie Edward sich über eine Karte über dem Tresen beugte. Matze stützte seinen Kopf auf eine Hand und tat es Edward gleich. Er blinzelte regelmäßig, lächelte bei ein paar Bemerkungen, kratzte sich im Nacken und gestikulierte wild mit den Händen rum, so wie er es immer tat, wenn er etwas versuchte zu beschreiben. Für einen Fremden wirkte er total normal. Schließlich hoben beide die Hand zum Gruß und kamen mit raschen Schritten zurück. Die Türen schlugen zu und Matze fing direkt an zu jubeln. Edward drehte sich auf dem Sitz um und sah ihn mit funkelndem Blick an. „
Ich bin sehr stolz auf dich, Matthias. Das war wirklich mehr als beeindruckend. Selbst als du einatmen musstest, hast du dich unter Kontrolle gehabt. Auch Jasper ist beeindruckt.“ Der kam gerade mit einer Computerzeitung aus dem Shop, nickte breit grinsend in unsere Richtung und stieg dann ein. Wir fuhren weiter.
Nach wenigen Minuten Fahrt hielt Carlisle erneut an einer Kreuzung an. In nur wenigen Metern Entfernung war der Marktplatz, wo gerade der Wochenmarkt abgehalten wurde. Hier tummelte sich eine Menschenmenge. Edward drehte sich um und fixierte mich mit ernstem Blick.
„So, Marion, wenn du hier nicht ausrastest, dann wird die Beerdigung und auch der Flug ein Klacks!“ Nervös starrte ich aus dem Fenster. All die Menschen, die sich unterhielten und lachten. Sie waren so Ahnungslos, welch einer Gefahr sie gleich ausgesetzt werden würden. Ich schaffe das schon. Ich kann doch gut mit Menschen. Immer schön lächeln und freundlich bleiben, das hab ich früher schon in der Praxis getan, also sollte es hier jetzt schwerer werden?
„Du darfst improvisieren. Denke dir etwas aus, was du tun willst.“ Ich schmunzelte.
„Ich hätte gerne einen Strauß Blumen. In der Wohnung ist es so grau.“ Ich gab Tobias noch einen Kuss und stieg dann aus. Bella folgte mir. Entschlossen ging ich mit großen Schritten auf die Menschenmenge zu. Der Wind wehte mir den süßen Duft menschlichen Blutes entgegen und ließ meine Kehle in Flammen stehen. Doch ich riss mich zusammen. Ich hörte, wie hinter uns eine weitere Tür zugeschlagen wurde. Jasper war dicht hinter uns. Trotz des Duftes, der mir das Gift einschießen ließ, atmete ich tapfer weiter. Ich konnte doch nicht den Rest meines Daseins ohne zu atmen verbringen, wenn ich unter Menschen gehen wollte.
Wir betraten den Marktplatz. Bella legte ein bezauberndes Lächeln auf. Ich verlangsamte mein Tempo und schlenderte an den Ständen vorbei, tat so, als würde ich mich für die Ware interessieren. Tapfer atmete ich weiter. Passanten drängten sich dicht an mir vorbei. Ich hörte die Herzen so vieler Menschen schlagen, spürte, wie das warme Blut durch ihre Körper gepumpt wurde. Halte durch, es sind Menschen. Manche haben Familie. Halte durch! Meine Kehle brannte lichterloh, doch ich ignorierte es hartnäckig. Die Händler sahen Bella und mich mit weit aufgerissenen Augen an. Wir waren sicherlich die schönsten Wesen, die je über ihren Markt spaziert waren. Den Männern trieb es das Blut in die Wangen und in etwas heiklere Regionen. Ich schmunzelte. Bella war total gelassen.
„Du wirst dich daran gewöhnen müssen, Marion. So reagieren fast alle.“ Schließlich kamen wir am Blumenstand an. Der Geruch der vielen Blüten war berauschend und erleichterte mir das Atmen. Freesien, Rosen, Nelken, Tulpen. So stark hatte ich ihren Duft noch nie wahrgenommen.
„Guten Tag, die jungen Damen.“ Ein Verkäufer ungefähr in unserem Alter lächelte uns freundlich an.
„Zum Gruße, für solch hübsche Ladies gibt es erst mal eine kleine Geste von mir.“ Er reichte uns zwei langstielige blutrote Rosen.
„Vielen lieben Dank.“ Vorsichtig nahm ich die Blume entgegen, sehr darauf bedacht, seine Hand nicht zu berühren. Ich hielt mir den Rosenkopf an die Nase, sog ihren vollen wunderbaren Duft ein.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte er freundlich und kam zu uns.
„Wären Sie so freundlich und würden mir ein schönes Gesteck für unseren Esstisch zusammenstellen?“ Ich lächelte ihn entspannt an. Die Blumen halfen mir sehr, den Geruch seines warmen Blutes zu ignorieren. Geschäftig fing er an, Blumen aus den Eimern zu nehmen und zu einem schönen Strauß zu binden. Am Ende wickelte er ihn in weißes Krepppapier und gab ihn Bella. Sie zahlte und wir verabschiedeten uns lächelnd von dem netten jungen Mann. Auf dem Weg zu Auto stieß Jasper zu uns.
„Das war wirklich sehr beeindruckend, Marion. Du warst so gut wie gar nicht angespannt und konntest deinen Durst sehr gut zügeln. Ein wenig erinnerst du mich an Bella“, sagte er mit einem leichten Lächeln. Solch lobende Worte aus seinem Mund zu hören bedeutete mir sehr viel.
„Ich danke dir, Jasper. Ich hatte allerdings auch sehr gute Lehrer.“ Wir kamen zu den Autos. Bella und ich schwangen uns lässig auf unsere Sitze, während Jasper kurz mit Carlisle am offenen Fahrerfenster sprach.
„Das hast du toll gemacht, mein Schatz.“ Tobias gab mir einen wohlverdienten Kuss.
„Wir haben ausgeknobelt und ich werde als nächste gehen“, meinte Maja nervös. „Ihr habt dass beide so gut gemacht. Wie stehe ich denn dar, wenn ich jetzt versage?“ Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum. Jasper sah sie durch das Fenster hinweg an.
„Ihr glaubt nicht wirklich, dass wir es zulassen, dass ihr hier ein Schlachtfest veranstaltet, oder?“ Er lächelte. „Wir greifen ein, sobald ich spüren sollte, dass ihr euch nicht beherrschen könnt. Keine Sorge.“ Er entfernte sich ein wenig vom Wagen, damit Carlisle aussteigen konnte.
„Nun komm, Manuela. Wir könnten ein paar Lebensmittel einkaufen!“, scherzte er. Und auch sie stieg schweren Herzens aus.
Während Maja und Carlisle weg waren, unterhielten Matze und ich uns aufgeregt über unsere ersten Schritte unter den Menschen. Ich hatte das Gefühl, dass der Blumenduft mich vor größerem Unglück bewahrt hätte, doch Edward war anderer Meinung. Er meinte, dass der Geruch menschlichen Blutes so stark war, gerade für uns Neugeborene, dass kein anderer Geruch unseren Durst verdrängen konnte. Trotzdem war ich nicht überzeugt.
Nach etwa zehn Minuten, kamen die drei zurück. Auch Maja lächelte glückselig. In den Händen hielt sie je eine Tüte mit Lebensmitteln, die wir ja leider doch wegwerfen oder spenden mussten. So wie ich Carlisle kennen gelernt hatte, würde er es spenden. Sie stiegen ins Auto und ich konnte im Spiegel sehen, wie auch Jasper zufrieden lächelnd in seinen Wagen stieg.
„Ich habe es geschafft!“, jubelte Maja und fiel uns um den Hals. „Es hat Jasper bestimmt einiges an Nerven gekostet, aber ich habe es geschafft. Ich will morgen direkt weiter trainieren, bestimmt werde ich noch besser und dann können wir nach Amerika fliegen, aber für die Beerdigung wird es reichen.“ Sie plapperte drauf los und wollte gar nicht mehr aufhören, so aufgekratzt war sie. Wir fuhren bereits weiter.
Tobias starrte aus dem Fenster und beteiligte sich nicht an dem Gespräch. Natürlich war auch er jetzt angespannt.
„Hey“, flüsterte ich und streichelte seinen Handrücken. „Du schaffst das. Denk an die Lehrerin und die Schulklasse im Wald. Jetzt bist du sogar vorbereitet. Ich weiß du kannst es.“ Er lächelte zaghaft. Dann sagte Edward plötzlich:
„Da vorne sind zwei Fußgänger.“ Er reichte Tobias eine Landkarte. „Frag die beiden doch einfach nach der Tankstelle.“ Wir wurden langsamer und hielten schließlich an. Edward und Tobi stiegen aus.
„Entschuldigung!“, rief Tobias und das etwas in die Jahre gekommene Paar blieb stehen.
„Wir sind Touristen auf der Durchreise und müssten unbedingt mal tanken, wären sie so freundlich und würden mir den Weg beschreiben?“ Er lächelte verblüffend gelassen, doch ich konnte seine Anspannung sehen. Seine Hände hatte er zu Fäusten geballt, unter seiner weißen Haut konnte man die Fingerknöchel hervortreten sehen und seine Augen waren dunkel, fast schwarz. Trotzdem atmete er tapfer weiter und lächelte freundlich, während ihm der Weg beschrieben wurde. Das Ehepaar schien nichts zu merken. Auch Edward blieb gelassen. Schließlich bedankten sie sich freundlich und schenkten den beiden ihr schönstes Lächeln. Der alten Dame schoss das Blut in die Wangen und Tobias musste herzlich grinsen. Die Anspannung fiel von ihm, als er diese Reaktion wahrnahm. Edward und Tobias stiegen wieder ein und Toby fing an laut zu lachen.
„Herrje, jetzt bring ich schon alte Damen zum Erröten“, gluckste er. Edward schmunzelte.
„Oh, glaub mir, du willst nicht wissen, woran sie so gedacht hat.“ Wir alle lachten so sehr, dass das Auto ein wenig bebte. Dann machten wir uns endlich auf den Weg zurück zur Wohnung.
Zwei Tage später war er da. Der wahrscheinlich schwärzeste Tag unseres Daseins. Wir würden unsere Familie zum letzten Mal sehen und das in einem Zustand, der uns wohl sehr berühren würde. Eltern sollten ihre Kinder nicht zu Grabe tragen. Doch was blieb uns anderes übrig? Wie sonst hätte man ihnen erklären sollen, warum wir nicht mehr nach Hause kommen konnten, warum sie uns nie wieder sehen durften? Es wäre zu gefährlich für sie geworden. Auch, wenn wir uns im Griff hatten, wird durften ihnen nicht sagen, was wir waren. Das Geheimnis musste bewahrt bleiben, sonst drohte ihnen der Tod.
Ich stand vor dem Spiegel des begehbaren Kleiderschrankes und zog mir einen Lidstrich. Bella saß hinter mir auf der Kommode und beobachtete mich.
„Und ihr seid euch sicher, dass ihr dahin wollt? Ich meine, ihr werdet sehen, wie sehr sie unter dem Verlust leiden. Du weißt, ihr habt jetzt ein unfehlbares Gedächtnis. Das wird sich in euer Gehirn einbrennen.“ Ich schloss den Kajalstift und drehte mich um.
„Bella, es ist ja lieb, dass ihr euch um uns sorgt. Aber ich sage dir das zum letzten Mal. Wir sind uns sicher. Wir hatten keinerlei Chance, Abschied zu nehmen. Unsere Erinnerungen aus Menschenzeiten sind verschwommen, egal wie oft wir uns versuchen zu erinnern. Wir wollen uns still verabschieden. Wir müssen sie noch einmal sehen, bevor wir irgendwann vergessen, wie sie aussehen. Außerdem werden wir mindestens genauso leiden, wie sie auch, wir wissen das.“ Sie hüpfte leichtfüßig von der Kommode und umarmte mich.
„Wenn das eure Entscheidung ist, dann akzeptieren wir das. Wir sind für euch da, Marion. Wir sind eure neue Familie.“
„Danke“, flüsterte ich, gab ihr einen Kuss auf die Stirn, zupfte mein nachtschwarzes Kleid zurecht und ging mit ihr zusammen ins Wohnzimmer, wo die anderen schon auf uns warteten.
Edward spielte gerade auf dem Klavier. Ich erkannte Claire de Lune. Irgendwie stimmte es mich in dieser Situation traurig, es ging mir richtig an mein totes Herz. Jasper sah betrübt in die Runde.
„Lasst uns aufbrechen.“
Maja und Matthias fuhren mit Jasper und Carlisle. Ihre Beisetzung sollte in Karlsruhe stattfinden, der Heimatstadt von Matze. Tobias und ich fuhren mit Bella und Edward. Am Abend wollten wir uns wieder in der Wohnung treffen, um unsere Sachen zu packen, denn am nächsten Morgen würde der Flieger nach Seattle gehen. Nach der Beerdigung gäbe es in Deutschland für uns keinen Grund mehr zu bleiben. Die Druckwelle Leute wären wie immer über Internet zu erreichen und einmal im Jahr könnten wir zum Treffen kommen. Aber sonst gab es dann nichts mehr, das uns hier halten konnte.
Die ganze Fahrt über schwiegen wir. Es war mehr als skurril zur eigenen Beerdigung zu fahren. Edwards Volvo erreichte nun das Ortsschild von Oestrich-Winkel. Langsam fuhren wir durch die Straßen, an unseren Elternhäusern und unserer Wohnung vorbei. In den Fenstern brannten schwarze und weiße Kerzen. Schließlich hielt der Wagen am Friedhof an. Zum Glück waren die Scheiben verdunkelt. Eine riesige Menschenmasse quetschte sich durch die gusseisernen Tore auf das Grundstück. Ich sog scharf die Luft ein, als ich so viele Gesichter wieder erkannte. Tobias drückte meine Hand ein wenig fester. Edward und Bella schwiegen.
Ganz langsam leerte sich die Straße. Die Menschen verschwanden in der kleinen Friedhofskapelle oder sammelten sich aus Platzmangel davor. Ich konnte hören, wie der Pfarrer, der mich einst zur Kommunion und Firmung begleitet hatte und mich eigentlich auch irgendwann einmal verheiraten sollte, zu sprechen begann:
„Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes … Amen!“ Vorsichtig stiegen wir aus dem Wagen.
„Da drüben ist eine dichte Tanne. Wir sollten schleunigst darauf verschwinden, so lange sie in die andere Richtung schauen“, flüsterte Edward. Also flitzten wir zur anderen Seite des Friedhofs, sprangen mit einem Satz über die Mauer und kletterten in das Geäst der blickdichten Tanne. Von hier aus konnten wir das ganze Grundstück überblicken und den Trauergottesdienst verfolgen.
„Zwei junge Menschen. Es war noch viel zu früh für sie zu gehen. Manchmal sind die Wege des Herrn unbegreiflich. Wir haben uns heute versammelt, um von Tobias Bachmann und Marion Weinheimer Abschied zu nehmen.“ Ein klagender Laut hallte über den so stillen Friedhof, es war Tobias Mutter, die laut aufschluchzte. In meinen Augen riss es unangenehm. Ich versuchte, es wegzublinzeln, jedoch wurde es immer schlimmer statt besser. Mir brannten die Augen, wie sonst nur meine Kehle. Und als ich in Tobias Gesicht blickte, da sah ich mein Gesicht in seinen schwarzen Augen spiegeln. Ich sah aus, als würde ich weinen. So fühlte es sich also an, in diesem Körper zu weinen.
Der Gottesdienst zog sich. Einige unserer Freunde hielten Abschiedsreden. Nicht alle waren so traurig formuliert. Einige erinnerten sich daran, was wir alles angestellt hatten und daran, was wir alles Witziges gemeinsam erlebt hatten. Meine Cousins und Cousinen sangen gemeinsam mit meinem Bruder ‘Nothing else matters‘, ich hatte damals immer gesagt, dass ich es gerne an meiner Beerdigung haben wollte. Sie hatten es sich also gemerkt.
Nach über einer Stunde endete schließlich der Gottesdienst und der Trauermarsch in Richtung der Urnen begann. Unsere Eltern gingen voran. Die Urnen fest in die Arme geschlossen. Noch nie hatte ich meine Eltern so sehr leiden gesehen. Der Schmerz über den Verlust in die Gesichter gebrannt. Sie wirkten so erschöpft, als hätten sie seit Jahren nicht geschlafen. Mein Bruder stützte meine Mutter. Auch er wirkte, als wäre etwas in ihm zerbrochen. Wie gerne wäre ich zu ihnen gegangen. Wie gerne hätte ich sie in die Arme geschlossen und getröstet. Edward legte eine Hand auf meinen Arm. Natürlich. Er wusste, was in mir vorging. Tobias dunkle Augen loderten vor Schmerz. Auch er beobachtete seine Eltern, seine Schwester und seinen kleinen Neffen, der noch nicht verstehen konnte, dass er uns nie mehr sehen würde.
Der Trauerzug endete an der Urnenwand, keine zehn Meter von uns entfernt. Der süße Geruch menschlichen Blutes ließ meine Kehle brennen, doch es interessierte mich nicht. Da unten stand meine Mutter, zitternd am ganzen Leib mit einer Urne in der Hand in der sie meine Überreste vermutete. Sie sank auf die Knie und fing bitterlich an zu weinen. Ich musste mich wegdrehen und mir die Hände auf den Mund pressen, sonst wäre mir ein heftiges lautes Schluchzen entweicht. Als ich mich wieder gefangen hatte, sah ich, wie meine Mutter einen Kuss auf die Urne drückte.
„Mach es gut, mein liebes Kind. Meine Tochter. Dort, wo du jetzt bist, wird dir kein Unheil mehr geschehen. Du bist für immer bei mir. Ich liebe dich“, flüsterte sie so leise, dass es kein menschliches Ohr vernommen hätte. Doch ich hatte es gehört.
„Ich liebe dich auch, Mama“, flüsterte ich. Mein Vater nahm ihr die Urne aus der Hand, küsste sie zum Abschied, ein Weinkrampf schüttelte ihn heftig. Dann stellte er sie in das Fach mit der Glastür. Mein Bruder legte eine schwarze Rose und ein Familienfoto mit hinein.
„Ich hab dich lieb, Schwesterchen. Ich vermisse dich so sehr“, flüsterte er und drehte sich um.
Tobias Eltern kamen nach vorne. Beide hielten sie gemeinsam die Urne fest. Sie weinten beide bitterlich. Beatrix küsste ebenfalls die Urne, bevor Reinhold sie in das Fach neben der meinen stellte. Simone und Sascha kamen vor. Sascha legte eine Tafel dunkler Schokolade bei, Simone ein Familienfoto und Alexander ein selbst gemaltes Bild.
„Tschüss, Onkel Toby.“ Er winkte zum Abschied.
Es war Zeit zu gehen, mehr ertrugen wir nicht. Wir flüchteten förmlich von dem Baum in ein dunkles Gebüsch, wo ich Tobias sofort in die Arme fiel und bitterlich anfing, zu schluchzen. ‚Knocking on heavens door‘ übertönte dies. Irgendwann wurde es still und langsam auch dunkel. Die Trauergemeinde war fort und mit ihnen auch unsere Familien. Edward und Bella gingen über den Friedhof und sahen nach, ob wir wirklich alleine waren. Sie kamen zurück, um es uns zu bestätigen, und wir gingen vorsichtig an unsere Gräber. Sahen uns die Abschiedsgeschenke unserer Liebsten an. Das Foto meiner Familie war zum letzten Weihnachtsfest entstanden. Es war ein Schnappschuss, den Tobi fotografiert hatte. Wir alle lachten darauf über beide Ohren. Ich konnte mich nur nicht mehr daran erinnern worüber. Scheußliches unscharfes Menschengedächtnis. Doch dieses Bild brannte sich gerade in mein neues Gedächtnis, das niemals vergessen würde. Tobias drückte meine Hand.
„Lass uns gehen. Es ist getan.“ Und wir verschwanden in die dunkle Nacht.
Ischämie- ~Meadow Visitor~
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Re: Bis(s) in alle Ewigkeit
Sieben – Neuanfang
In der Wohnung angekommen packten wir stillschweigend unsere wenigen Sachen in die Koffer. Auch Maja und Matze hatten noch an den Emotionen der Beerdigung zu knabbern. Wir waren uns bewusst, dass wir nicht ewig dem Abschied hinterher trauern konnten. Vor uns lag ein Neuanfang. Doch bevor wir den machen konnten, mussten wir noch eine letzte Hürde überwinden. Vor uns lag ein dreizehnstündiger Flug. Wir würden zwar in der Firstklass reisen, wären aber trotzdem noch immer von vielen Menschen umgeben. Irgendwie mussten wir es schaffen, unserem Blutdurst zu widerstehen.
Jasper war angespannt. Er musste vier neugeborene Vampire unter Kontrolle haben, falls wir zu starke Schwierigkeiten haben sollten, uns im Griff zu haben. Deshalb war es ihm auch so wichtig, dass wir noch mal ausgiebig jagen gingen. Also machten wir uns auf den Weg. Wir hatten noch zwei Stunden Zeit, um uns mehr als nur satt zu trinken, dann mussten wir los in Richtung Flughafen.
Auf dem Weg nach Frankfurt tauschten wir die schönsten und liebevollsten Erinnerungen an unsere Familien aus. Uns allen war es wichtig, mit einem Lächeln an sie denken zu können und nicht an ihre Gesichter von der Beerdigung, die uns mit Schmerz und Trauer erfüllten. Wir dachten an so viele schöne Momente, die teilweise so lustig gewesen waren, dass wir Lachkrämpfe bekamen. In der schützenden Dunkelheit des noch so frühen Morgens rasten unsere beiden Wagen in Richtung Flughafen. Nach nur dreißig Minuten kamen wir an. Bevor wir ausstiegen, erinnerte uns Edward nochmals an das Gelernte der letzten Wochen und dass wir dies möglichst umsetzen sollten.
Wir parkten die gemieteten Wagen in dem für sie vorgesehenen Parkhaus, luden die Koffer aus und machten uns auf den Weg zum Check in. Ich liebte die Flughafenatmosphäre. Der Trubel, die Emotionen. Familien und Freunde lagen sich vor Freude des Wiedersehens oder zum Abschied in den Armen, der eigene Wunsch sich einfach in einen Flieger zu setzen und die Welt zu bereisen. Bei dem Gedanken, dass ich letzteres wahrscheinlich tun würde, musste ich lächeln. Edward drehte sich zu mir um.
„Ja, Marion, das ist einer der Vorteile, wenn man unsterblich ist. Man kann die Welt sehen.“ Der Aufzug hielt an und wir betraten das große Terminal in dem es trotz oder gerade wegen der frühen Morgenstunde doch recht leer war. Wir alle waren darüber erleichtert. Unsere Reise musste ja nicht jetzt schon mit Anspannung beginnen.
Wir checkten bei einer netten Dame am Firstklass-Schalter der Fluggesellschaft ein. Unser Gepäck wurde uns abgenommen und wir durften uns in den Wartebereich der Firstklass am Gate begeben. Ich staunte nicht schlecht, war ich doch die Massenabfertigung und Enge der Economyklasse gewöhnt.
Wir setzten uns auf die Ledersessel und ich nahm mir eine Zeitschrift zum Lesen. Nach einer Weile stupste mich Tobias zärtlich in die Seite und flüsterte:
„Vergiss nicht zu blinzeln und lies ein wenig langsamer, sonst fällst du auf.“ Er hatte Recht. Nach nur fünfzehn Minuten hatte ich vier dicke Zeitschriften durchgelesen; das war eindeutig zu schnell.
Ich legte die Zeitungen weg und begann mich umzusehen. Mittlerweile hatte sich die kleine Lounge gefüllt. Auch an den Passagieren konnte man recht deutlich erkennen, in welcher Klasse wir uns befanden. Fast alle trugen Anzug und Krawatte; nur wenige waren in schlichter jedoch qualitativ hochwertiger Kleidung. Eindeutig war ein Großteil auf Geschäftsreise. Geschäftig redeten sie in ein Mobiltelefon oder hackten in ihren Notebooks rum; sie nahmen alles andere gar nicht mehr wahr. Ich schüttelte den Kopf.
„Marion, das hast du ganz richtig erkannt. Fast alle, die sich in diesem Raum befinden, haben nichts anderes mehr als ihre Arbeit und das Geld im Kopf. Nur wenige nehmen uns oder die anderen Passagiere überhaupt wahr. In der Economyklasse wäre das anders. Deshalb ist es sicherer für uns, in der ersten Klasse zu reisen.“ Somit war eine Debatte über die Zweiklassengesellschaft der heutigen Zeit entfacht.
Während die anderen diskutierten, musste ich mich etwas zusammenreißen. Meine Kehle brannte ein wenig. Es war doch ein Unterschied, ob man an der frischen Luft war oder in einem geschlossenen Raum voller Menschen, in dem nur die Klimaanlage die verbrauchte Luft umwälzte. Du schaffst das schon Marion. Du hast die Beerdigung überstanden, du warst auf dem Wochenmarkt einkaufen, hier sind viel weniger Menschen als dort. Du packst das. Jasper und Edward nahmen sehr wohl war, dass nicht nur ich unruhig war.
„Versucht euch abzulenken. Egal wie. Lest Bücher, lernt eine andere Sprache, seht euch im Flugzeug Filme an oder hört von mir aus so laut Musik, dass euch die Ohren schmerzen. Hauptsache ihr lenkt euch ab.“ Jasper sah uns streng an. „Ihr könnt das!“
„Die Passagiere der ersten Klasse für den Flug Nummer B113 werden nun an Bord gebeten“, sagte eine sympathisch klingende Stewardess durch. Schlagartig kam Leben in die Bude. Hektisch packten die Passagiere ihre Sachen weg und sprangen von ihren Sitzen auf. Ich musste lachen.
„Okay. Das ist allerdings genau wie in der Economy.“ Wir blieben ruhig sitzen, bis auch der letzte Passagier der ersten Klasse an Board war und gingen dann schließlich gemütlich und unerträglich menschlich langsam zu der Stewardess, die uns dann auch zu unseren Plätzen begleitete. Beim Durchqueren der Kabine ließ ich meinen Blick schweifen und zählte schließlich noch zehn andere Passagiere, die den Flug mit uns in der Kabine verbringen würden. Die meisten von ihnen hatten schon längst wieder ihre Notebooks ausgepackt oder wälzten Papierberge durch. Verrückt.
Ich setzte mich in einen gemütlichen weichen Sitz mit verstellbaren Fußlehnen und absoluter Beinfreiheit.
„Na toll, jetzt wo mich die Bequemlichkeit nicht mehr interessiert, kommen wir in den Genuss“, schimpfte Maja leise vor sich hin, die mit Matze in der Reihe vor uns Platz genommen hatte. Edward und Bella saßen nur durch den Gang getrennt neben uns, Jasper und Carlisle vor ihnen. Wir spürten, wie das Flugzeug ganz leicht wackelte, für die menschliche Wahrnehmung wahrscheinlich nicht spürbar. Ich nahm an, dass nun die Economyklasse zum Boarding kam. Eine Stewardess ging durch die Kabine und reichte uns ein Paket mit Ohropax, einer Zahnbürste, Socken und einem Pyjama, welche den Flug und die Nachtruhe angenehmer gestalten sollten. Für uns war es nichts anderes als lächerliche Requisite. Nach nur kurzer Zeit kam sie auch schon wieder und reichte uns Kopfhörer und ein wunderbar warmes Tuch, das nach Zitrone duftete. Ich legte es mir direkt auf das Gesicht und sog den frischen Duft in mich hinein. Die anderen konnten sagen, was sie wollten, andere Gerüche linderten das Brennen in meinem Hals.
Nach einer halben Stunde, wir hatten emsig das Medienprogramm der im Vordersitz eingelassenen TV-Bildschirme studiert, setzte sich das Flugzeug endlich in Bewegung. Ich schaute aus dem Fenster. Schon immer hatte ich das Fliegen geliebt, ganz im Gegensatz zu Tobias.
„Jetzt bin ich ja mal gespannt, welche Auswirkungen unser neuer Umstand auf meine Reisekrankheit hat“, murmelte er angespannt.
„Oh, keine Sorge. Ich habe von vielen anderen schon gehört, dass dies nicht mehr der Fall sein soll. Auch die Höhenangst fällt weg.“ Jasper lächelte aufmunternd in Matzes Richtung. Langsam rollte der Jumbo über die Rollbahn; gebannt starrte ich aus dem Fenster, während der Rest der ersten Klasse nicht einmal aufschaute. Die Turbinen dröhnten und Tobias Hände verkrampften sich so um die Sitzlehnen, dass diese unter dem Druck aufächzten.
„Schatz, entspann dich. Lass die Möbel heil“, flüsterte ich. Wir wurden in die Sitze gepresst, als die Maschine losdüste und dann abhob. Es war schön zu spüren, dass es in meiner Magengegend immer noch kribbelte, ähnlich wie wenn ich auf der Jagd pfeilschnell durch den Wald rannte. Es war irgendwie befreiend. Tobias und Matze strahlten über das ganze Gesicht.
„Gott sei Dank. Mir geht es spitze“, frohlockte Matze und setzte sich seine Kopfhörer auf.
Der Flug verlief ohne große Komplikationen. Jasper musste hin und wieder etwas beruhigend eingreifen, wenn er spürte, dass das Brennen in unseren Kehlen drohte zu heftig zu werden. Doch er versicherte uns später, dass es nicht allzu häufig gewesen war. Wir nutzten voller Begeisterung das Medienprogramm der Airline und schauten uns die neuesten Filme an. So verging die Zeit sehr schnell. Leider mussten wir zu unserer Tarnung gelegentlich etwas trinken, essen und schlafen. Ich bestellte mir ausschließlich Wasser, denn das war noch das neutralste. Matze und Tobias bestellten sich ein Bier, mussten jedoch sehr schnell feststellen, dass es ihnen nun so gar nicht mehr schmeckte. Auch Maja nippte nur widerwillig an ihrem Orangensaft. Das Essen war eine Qual. Es schmeckte, wie zu Lebzeiten nur Müll geschmeckt hätte. Meine Cornflakes, die ich mir zum Frühstück bestellte, nachdem ich zwei lange Stunden so tun müsste als würde ich schlafen, zerbröselte ich zu feinstem Staub. Die Milch würgte ich irgendwie herunter.
Langsam ging die Sonne wieder auf und ich musste leider das Rollo wieder schließen. Das Licht würde sich sonst auf meiner Haut brechen und alle Tarnung wäre dahin. Zum Glück dauerte es nicht mehr lange, bis der Captain eine Durchsage machte, dass wir langsam für die Landung in den Sinkflug gehen würden. Und tatsächlich spürte ich, wie wir an Höhe verloren, jedoch ohne den nervigen Druckausgleich in den Ohren.
„Wird auch Zeit“, murmelte Tobias neben mir. „Ich hab Durst.“ Jasper wirkte angestrengt. Ja, so langsam kratzte es doch unerträglich im Hals. Wir konnten uns beherrschen, doch alle Geduld hatte irgendwann auch ein Ende. Ich hielt die Luft an und setzte meine Sonnenbrille auf. Eine Stewardess kam noch mal durch die Reihen, um zu kontrollieren, ob auch wirklich alle angeschnallt waren. Sie lächelte mich an und meinte dann:
„Oh Miss, die werden sie gleich leider nicht brauchen. Es regnet mal wieder in Seattle.“ Ich nickte kurz und lächelte zurück.
Nach zehn Minuten setzten endlich die Räder sanft auf dem Boden auf. Die erste Klasse klatschte nicht, was mich kaum verwunderte, während man hören konnte, wie in der Economy ein tosender Applaus aufbrauste. Eilig wurden die Notebooks eingepackt und Papierstapel verstaut, Handys eingeschaltet, die sofort anfingen zu klingeln. Auch Edwards vibrierte.
„Hi Alice. Schon klar, also bis gleich.“ Er grinste. „Also, Alice und Emmett warten draußen auf uns. Sie haben auch Nessie dabei“, sagte er mit einer hörbaren Vorfreude in der Stimme. Er nahm Bellas Hand und drückte ihr lächelnd einen Kuss in die Handfläche.
„Wir kommen, Baby.“, flüsterte sie wehmütig.
Kaum stand das Flugzeug, sprangen alle auf, außer wir. Wie lächerlich es jedes Mal war, am Gepäckband mussten doch sowieso wieder alle warten. Als die Kabine leer war, gingen auch wir hinaus. Durch die Fenster konnte ich sehen, dass es tatsächlich in Strömen regnete. Umso besser für uns. Wieder einmal warteten wir in einer schicken Lounge auf unser Gepäck, das uns natürlich persönlich gebracht wurde. Edward drückte dem Steward Geld in die Hand und bedankte sich freundlich, während der arme Kerl ganz perplex über die Summe war.
Rasch liefen wir durch die Hallen des Airports. Carlisle gab uns Reisepässe, die er für uns hatte anfertigen lassen. Durch unseren Tod wurden unsere Namen ein wenig abgeändert. Die Cullens hatten wieder einmal Kinder adoptiert. Ich hieß jetzt also Mary-Jo Cullen, aus Manuela wurde einfach nur Jasmin Cullen und Toby und Matze durften zumindest ihre Vornamen behalten. Sie sollten Brüder sein und ab sofort Toby und Matt Meyer heißen. Beide deutsche Verwandte von Esme. Maja und ich sollten vorgeben, die Kinder von Carlisles verstorbenem Cousin und dessen asiatischer Ehefrau zu sein. Unsere Pässe wurden ohne Probleme akzeptiert und abgestempelt. Nun waren wir offiziell Amerikaner. Also machten wir uns auf den Weg in Richtung Ausgang.
Als sich die Tür öffnete, stand da ein etwa achtjähriges Mädchen vor uns. Ich erkannte sofort, wer sie war. Kupferfarbene wild gelockte Haare, braune Augen mit leichten goldenen Tupfen darin, ein schiefes Lächeln, das wie aus dem Gesicht ihres Vaters geschnitten schien. Sie rannte an mir vorbei und warf sich Bella in die Arme.
„Mummy!“ Ihre Stimme klang wie ein Glockenspiel. Bella küsste sie auf die Stirn.
„Meine kleine Renesmee.“ Dann gab sie die Kleine an Edward weiter.
„Daddy.“ Er küsste sie aufs Haar.
„Na, Prinzessin? Hast du uns vermisst?“ Dem Mädchen lief eine Träne über die Wange, die ihr Edward vorsichtig mit einer Fingerspitze wegwischte. Jasper küsste gerade ein kleines dünnes Mädchen mit kurz geschnittenen schwarzen Haaren. An ihrem Kleidungsstil erkannte man sofort, dass dies nur Alice sein konnte. Ein riesenhafter muskulöser Kerl schüttelte Matze kraftvoll die Hand und schleuderte dann Maja wild um sich herum. Das Gleiche tat er dann mit Toby und mir.
„Na, ihr Krauts! Willkommen in Amerika. Ich bin Emmett“, sagte er mit lauter dröhnender Stimme. Maja kniff die Augen zusammen.
„Nun ja, offiziell sind wir keine Krauts mehr. Also?“, meckerte sie schmunzelnd.
„Quatsch, ihr seid und bleibt die Krauts!“, lachte Emmett. Carlisle kam mit einer Dame so schön wie ein Gemälde zu uns.
„Darf ich euch Esme vorstellen? Meine Frau und eure neue Mutter!“ Esme umarmte uns und gab Maja und mir einen Kuss auf die Wangen. Ich fühlte mich bei ihr sofort geborgen.
„Ihr seid doch sicher hungrig. Lasst uns schnell nach Hause fahren; ihr werdet das Wild aus der Umgebung lieben!“
Auf dem Parkplatz schaute ich mich um. Mit welchen Autos würden die Cullens wohl hergekommen sein? Und da stachen sie mir direkt ins Auge. Ein riesiger Truck, der wohl eher für das Gelände als für amerikanische Highways gedacht war und eine schwarze Mercedes S Klasse mit verdunkelten Scheiben, die jedem Promi hätte gehören können.
„Unauffällig wie immer“, kicherte Bella. Ich drehte mich zu ihr um. Sie hatte Nessie auf den Arm, die ihr die ganze Zeit eine Hand auf die Wange drückte und recht konzentriert aussah. Edward kicherte ab und zu, womöglich über das, was seine Tochter gerade so alles dachte.
„Ja Nessie, das sind jetzt alles deine neuen Onkel und Tanten.“ Auch Bella lachte. Nessie sprang von ihrem Arm und lief neben mir her, bis sie schließlich zaghaft meine Hand nahm. Ich konnte fühlen wie warm sie war. Natürlich kannte ich ihre Geschichte; ihre Eltern hatten sie mir ja erzählt. Und trotzdem war sie ein kleines Wunder.
„Hi, Tante Mary. Ich bin Nessie, lass uns Freundinnen sein, okay?“ Sie funkelte mich mit ihren schönen Augen an. Wer hätte da noch nein sagen können?
„Aber natürlich, Nessie.“
Nachdem das Gepäck verstaut war, teilten wir uns auf die beiden Wagen auf. Ich fuhr in dem Truck mit und saß mit Toby und Alice hinten.
„Hm. Du und Maja mögt also meinen Stil nicht? Das liegt bestimmt daran, dass ihr nicht wisst, wie man die Modestücke kombiniert. Keine Sorge, jetzt bin ich ja da.“ Sie grinste mich frech an. Emmetts dröhnendes Lachen hallte durch den Truck.
„Nehmt euch in Acht, sie macht ihre Drohungen alle wahr.“
Wir fuhren auf einer Landstraße umgeben von hügeligen Mischwäldern. Hier war alles so grün, wenn es nicht gerade unter dicken Nebelschwaden versteckt blieb.
„Und Forks hat also die höchste Niederschlagsrate in den Staaten?“, wollte ich wissen.
„Oh ja. Ein Paradies für uns. Wir können uns selbst am Tag frei bewegen ohne viel Angst zu haben, gleich wieder wie ein Glühwürmchen zu glitzern“, meinte Emmett.
Es dauerte nicht lange, bis wir das kleine verschlafene Städtchen erreichten. Hier kannte noch jeder jeden beim Namen. Bei nur 3275 Einwohnern verwunderte mich das nicht. Es regnete in Strömen und trotzdem spielten Kinder ausgelassen auf der Straße. Hier gehörte das schlechte Wetter zum Alltag. Kaum waren wir in die Stadt hinein gefahren, waren wir auch schon wieder draußen. Die einzig interessanten Dinge, die uns Emmett unterwegs noch zeigte waren das Krankenhaus und somit Carlisles Arbeitsplatz, die Forks High-School, auf der die Cullens noch bis vor zwei Jahren die Schulbank gedrückt hatten und die Polizeistelle, dem Arbeitsplatz von Bellas sterblichen Vater Charlie.
Fünf Minuten nachdem wir Forks verlassen hatten, meinte Alice, dass wir gleich da wären. Emmett lenkte den Wagen auf einen erdigen Waldweg; Carlisle folgte uns. Und dann, als wir um die nächste Kurve bogen, waren wir da.
Das Haus der Cullens war einfach nur unglaublich beeindruckend. So tief im Wald hatte ich alles erwartet, nur nicht so ein wunderschönes modernes Loft, das fast nur aus riesigen Glasscheiben zu bestehen schien. Emmett hielt an, als eine wunderschöne Blondine den Weg versperrte. Das musste Rosalie sein. Sie lächelte ihn liebevoll und dennoch frech an.
„So so. Da wird sich der Köter aber freuen.“ Sie öffnete mir die Autotür und streckte mir eine Hand entgegen.
„Hi. Ich bin Rosalie.“
„Ich bin Marion oder zukünftig wohl nur noch Mary. Das ist mein Freund Toby.“ Er nickte ihr höflich zu.
„Hi!“
Eine von Carlisles Autotüren wurde heftig zugeschlagen und kurz darauf flog ein kleiner kupferfarbener Haarschopf an mir vorbei.
„Jacob! Jacob!“ Nessie rannte in Richtung Wald. Plötzlich stieg mir ein beißender Geruch in die Nase. Es stank nach nassem Hund. Mein Blick verharrte am dunklen Waldrand. Toby begann auf einmal zu knurren und ging in Angriffsstellung.
„Oha. Dachte ich es mir doch. Jetzt hört Jake schon auf Köter“, kicherte Rosalie.
Aus dem Schatten kam langsam ein gigantischer rostfarbener Wolf. Er kuschelte sich an Nessie, behielt uns aber im Auge. Jetzt musste auch ich reflexartig knurren. Bella kam zu uns und stellte sich mit ausgebreiteten Armen zwischen den monströsen Wolf und uns beide.
„Nicht. Die Wölfe sind unsere Freunde. Jacob gehört quasi zur Familie.“ Verdutzt starrte ich sie an.
„Lasst uns doch erst einmal rein gehen, dann erklären wir euch alles.“
Trotz der entspannenden Atmosphäre des hellen Licht durchfluteten Raumes, fühlte ich mich alles andere als wohl. Dies lag einzig und allein an Jacob, dem Wolf, der nun in Menschengestalt neben Renesmee auf der cremefarbenen Ledercouch saß. Eigentlich machte er einen total sympathischen Eindruck, sicherlich war er auch nett, allerdings war da so ein Hass, den ich einfach so gegen ihn grollte, ohne dass ich ihn überhaupt kannte. Ich sah, wie auch Matze, Maja und Toby angespannt dasaßen und den Gestaltwandler mit hartem Blick fixierten. Jasper hatte alle Hände voll zu tun, um uns im Griff zu halten.
„Sicherlich fragt ihr euch, warum ihr einen solchen Groll gegen Jacob hegt“, sagte Carlisle. „Ihr könnt nichts dafür. Jacob ist ein Gestaltwandler, ein Wächter seines Stammes, den Quileute. Es ist ein alter indianischer Stamm, dessen Reservat direkt an Forks angrenzt. Wir Vampire sind die natürlichen Feinde der Gestaltwandler. Schon seit Urzeiten verwandeln sich die Quileute in Wölfe, wenn kalte Wesen, also Vampire, in ihrer Nähe sind. Es dient dem Schutz ihres Stammes. Die Familie Cullen hat vor Dekaden einen Pakt mit dem Stammeshäuptling geschlossen. Wir dürfen hier jagen, allerdings nur Tiere. Sollten wir auch nur einmal die Grenze zu ihrem Reservat überschreiten oder in diesem Bundesstaat einen Menschen beißen, dann kommt es zum Kampf.“
„Und warum genau sind die Wölfe nun unsere Freunde? Wie kommt es, dass Jacob unter unseresgleichen in diesem Haus geduldet wird?“, wollte Maja wissen und sah skeptisch zu Renesmee und Jacob. Renesmee hatte ihren Kopf gegen seinen Arm gelegt und war eingeschlafen. Sie fühlte sich in seiner Gegenwart offensichtlich wohl. Im Augenwinkel sah ich Edward nicken, bevor er erklärte:
„Kurz nach Renesmees Geburt und somit auch Bellas Verwandlung, wollte Jacob das Baby töten. Er dachte, es sei ein Monster, das seine beste Freundin auf dem Gewissen hatte. Er ging nach unten zu Rosalie, die Renesmee an sich genommen hatte, während ich Bella versuchte zu retten. Als er sich gerade zum Sprung bereit machte, sah er sie, wie er noch nie ein Wesen auf der Welt gesehen hatte.“ Jacob übernahm das Wort.
„Es war, als würde sich meine Welt nur noch um sie drehen. Alles andere blendete ich aus. Innerhalb einer Sekunde verlagerte sich der Sinn meiner Existenz. Nichts auf der Welt war mir mehr wichtig. Ich sah nur noch sie. Werwölfe prägen sich auf einen Partner. Das Alter spielt dabei keine Rolle. Wir sind Seelenverwandte und ich hatte nur auf sie gewartet. Wenn sie alt genug ist, werden wir Gefährten für den Rest unseres Daseins. So lange warte ich und werde nicht altern, indem ich mich regelmäßig in meine Wolfsgestalt verwandle. Im Moment bin ich so etwas wie ihr großer Bruder oder ihr bester Freund. Die Verliebtheit wird eintreten, sobald sie bereit dafür ist.“
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich starrte ihn weiter an, mit offenem Mund. Das eben Gehörte musste erst einmal sacken. Jacob streichelte seiner schlafenden Renesmee liebevoll über die Haare. Da war nichts Perverses; er liebte sie wie eine Schwester oder, wie er bereits gesagt hatte, seine beste Freundin. Der Hass schmolz allmählich dahin. Konnte man ein innig liebendes Wesen wirklich hassen? Nun, ein gewisses Unbehagen blieb, was ausschließlich auf meine vampirischen Instinkte zurückzuführen war.
„Ich verstehe“, sagte Maja und lächelte Jacob an.
„Lass uns nur ein wenig Zeit; wir müssen uns nur an den … Geruch gewöhnen“, frotzelte Matze.
„Oh ja, daran müssen wir uns echt gewöhnen“, meinte Toby und lachte. Sein Lachen war so ansteckend, dass alle anderen mit einstimmten. Die Stimmung hatte sich komplett verändert. Ich fühlte mich wohl, als wäre ich angekommen. Als wäre ich zu Hause und in diesem Moment glaubte ich das auch.
In der Wohnung angekommen packten wir stillschweigend unsere wenigen Sachen in die Koffer. Auch Maja und Matze hatten noch an den Emotionen der Beerdigung zu knabbern. Wir waren uns bewusst, dass wir nicht ewig dem Abschied hinterher trauern konnten. Vor uns lag ein Neuanfang. Doch bevor wir den machen konnten, mussten wir noch eine letzte Hürde überwinden. Vor uns lag ein dreizehnstündiger Flug. Wir würden zwar in der Firstklass reisen, wären aber trotzdem noch immer von vielen Menschen umgeben. Irgendwie mussten wir es schaffen, unserem Blutdurst zu widerstehen.
Jasper war angespannt. Er musste vier neugeborene Vampire unter Kontrolle haben, falls wir zu starke Schwierigkeiten haben sollten, uns im Griff zu haben. Deshalb war es ihm auch so wichtig, dass wir noch mal ausgiebig jagen gingen. Also machten wir uns auf den Weg. Wir hatten noch zwei Stunden Zeit, um uns mehr als nur satt zu trinken, dann mussten wir los in Richtung Flughafen.
Auf dem Weg nach Frankfurt tauschten wir die schönsten und liebevollsten Erinnerungen an unsere Familien aus. Uns allen war es wichtig, mit einem Lächeln an sie denken zu können und nicht an ihre Gesichter von der Beerdigung, die uns mit Schmerz und Trauer erfüllten. Wir dachten an so viele schöne Momente, die teilweise so lustig gewesen waren, dass wir Lachkrämpfe bekamen. In der schützenden Dunkelheit des noch so frühen Morgens rasten unsere beiden Wagen in Richtung Flughafen. Nach nur dreißig Minuten kamen wir an. Bevor wir ausstiegen, erinnerte uns Edward nochmals an das Gelernte der letzten Wochen und dass wir dies möglichst umsetzen sollten.
Wir parkten die gemieteten Wagen in dem für sie vorgesehenen Parkhaus, luden die Koffer aus und machten uns auf den Weg zum Check in. Ich liebte die Flughafenatmosphäre. Der Trubel, die Emotionen. Familien und Freunde lagen sich vor Freude des Wiedersehens oder zum Abschied in den Armen, der eigene Wunsch sich einfach in einen Flieger zu setzen und die Welt zu bereisen. Bei dem Gedanken, dass ich letzteres wahrscheinlich tun würde, musste ich lächeln. Edward drehte sich zu mir um.
„Ja, Marion, das ist einer der Vorteile, wenn man unsterblich ist. Man kann die Welt sehen.“ Der Aufzug hielt an und wir betraten das große Terminal in dem es trotz oder gerade wegen der frühen Morgenstunde doch recht leer war. Wir alle waren darüber erleichtert. Unsere Reise musste ja nicht jetzt schon mit Anspannung beginnen.
Wir checkten bei einer netten Dame am Firstklass-Schalter der Fluggesellschaft ein. Unser Gepäck wurde uns abgenommen und wir durften uns in den Wartebereich der Firstklass am Gate begeben. Ich staunte nicht schlecht, war ich doch die Massenabfertigung und Enge der Economyklasse gewöhnt.
Wir setzten uns auf die Ledersessel und ich nahm mir eine Zeitschrift zum Lesen. Nach einer Weile stupste mich Tobias zärtlich in die Seite und flüsterte:
„Vergiss nicht zu blinzeln und lies ein wenig langsamer, sonst fällst du auf.“ Er hatte Recht. Nach nur fünfzehn Minuten hatte ich vier dicke Zeitschriften durchgelesen; das war eindeutig zu schnell.
Ich legte die Zeitungen weg und begann mich umzusehen. Mittlerweile hatte sich die kleine Lounge gefüllt. Auch an den Passagieren konnte man recht deutlich erkennen, in welcher Klasse wir uns befanden. Fast alle trugen Anzug und Krawatte; nur wenige waren in schlichter jedoch qualitativ hochwertiger Kleidung. Eindeutig war ein Großteil auf Geschäftsreise. Geschäftig redeten sie in ein Mobiltelefon oder hackten in ihren Notebooks rum; sie nahmen alles andere gar nicht mehr wahr. Ich schüttelte den Kopf.
„Marion, das hast du ganz richtig erkannt. Fast alle, die sich in diesem Raum befinden, haben nichts anderes mehr als ihre Arbeit und das Geld im Kopf. Nur wenige nehmen uns oder die anderen Passagiere überhaupt wahr. In der Economyklasse wäre das anders. Deshalb ist es sicherer für uns, in der ersten Klasse zu reisen.“ Somit war eine Debatte über die Zweiklassengesellschaft der heutigen Zeit entfacht.
Während die anderen diskutierten, musste ich mich etwas zusammenreißen. Meine Kehle brannte ein wenig. Es war doch ein Unterschied, ob man an der frischen Luft war oder in einem geschlossenen Raum voller Menschen, in dem nur die Klimaanlage die verbrauchte Luft umwälzte. Du schaffst das schon Marion. Du hast die Beerdigung überstanden, du warst auf dem Wochenmarkt einkaufen, hier sind viel weniger Menschen als dort. Du packst das. Jasper und Edward nahmen sehr wohl war, dass nicht nur ich unruhig war.
„Versucht euch abzulenken. Egal wie. Lest Bücher, lernt eine andere Sprache, seht euch im Flugzeug Filme an oder hört von mir aus so laut Musik, dass euch die Ohren schmerzen. Hauptsache ihr lenkt euch ab.“ Jasper sah uns streng an. „Ihr könnt das!“
„Die Passagiere der ersten Klasse für den Flug Nummer B113 werden nun an Bord gebeten“, sagte eine sympathisch klingende Stewardess durch. Schlagartig kam Leben in die Bude. Hektisch packten die Passagiere ihre Sachen weg und sprangen von ihren Sitzen auf. Ich musste lachen.
„Okay. Das ist allerdings genau wie in der Economy.“ Wir blieben ruhig sitzen, bis auch der letzte Passagier der ersten Klasse an Board war und gingen dann schließlich gemütlich und unerträglich menschlich langsam zu der Stewardess, die uns dann auch zu unseren Plätzen begleitete. Beim Durchqueren der Kabine ließ ich meinen Blick schweifen und zählte schließlich noch zehn andere Passagiere, die den Flug mit uns in der Kabine verbringen würden. Die meisten von ihnen hatten schon längst wieder ihre Notebooks ausgepackt oder wälzten Papierberge durch. Verrückt.
Ich setzte mich in einen gemütlichen weichen Sitz mit verstellbaren Fußlehnen und absoluter Beinfreiheit.
„Na toll, jetzt wo mich die Bequemlichkeit nicht mehr interessiert, kommen wir in den Genuss“, schimpfte Maja leise vor sich hin, die mit Matze in der Reihe vor uns Platz genommen hatte. Edward und Bella saßen nur durch den Gang getrennt neben uns, Jasper und Carlisle vor ihnen. Wir spürten, wie das Flugzeug ganz leicht wackelte, für die menschliche Wahrnehmung wahrscheinlich nicht spürbar. Ich nahm an, dass nun die Economyklasse zum Boarding kam. Eine Stewardess ging durch die Kabine und reichte uns ein Paket mit Ohropax, einer Zahnbürste, Socken und einem Pyjama, welche den Flug und die Nachtruhe angenehmer gestalten sollten. Für uns war es nichts anderes als lächerliche Requisite. Nach nur kurzer Zeit kam sie auch schon wieder und reichte uns Kopfhörer und ein wunderbar warmes Tuch, das nach Zitrone duftete. Ich legte es mir direkt auf das Gesicht und sog den frischen Duft in mich hinein. Die anderen konnten sagen, was sie wollten, andere Gerüche linderten das Brennen in meinem Hals.
Nach einer halben Stunde, wir hatten emsig das Medienprogramm der im Vordersitz eingelassenen TV-Bildschirme studiert, setzte sich das Flugzeug endlich in Bewegung. Ich schaute aus dem Fenster. Schon immer hatte ich das Fliegen geliebt, ganz im Gegensatz zu Tobias.
„Jetzt bin ich ja mal gespannt, welche Auswirkungen unser neuer Umstand auf meine Reisekrankheit hat“, murmelte er angespannt.
„Oh, keine Sorge. Ich habe von vielen anderen schon gehört, dass dies nicht mehr der Fall sein soll. Auch die Höhenangst fällt weg.“ Jasper lächelte aufmunternd in Matzes Richtung. Langsam rollte der Jumbo über die Rollbahn; gebannt starrte ich aus dem Fenster, während der Rest der ersten Klasse nicht einmal aufschaute. Die Turbinen dröhnten und Tobias Hände verkrampften sich so um die Sitzlehnen, dass diese unter dem Druck aufächzten.
„Schatz, entspann dich. Lass die Möbel heil“, flüsterte ich. Wir wurden in die Sitze gepresst, als die Maschine losdüste und dann abhob. Es war schön zu spüren, dass es in meiner Magengegend immer noch kribbelte, ähnlich wie wenn ich auf der Jagd pfeilschnell durch den Wald rannte. Es war irgendwie befreiend. Tobias und Matze strahlten über das ganze Gesicht.
„Gott sei Dank. Mir geht es spitze“, frohlockte Matze und setzte sich seine Kopfhörer auf.
Der Flug verlief ohne große Komplikationen. Jasper musste hin und wieder etwas beruhigend eingreifen, wenn er spürte, dass das Brennen in unseren Kehlen drohte zu heftig zu werden. Doch er versicherte uns später, dass es nicht allzu häufig gewesen war. Wir nutzten voller Begeisterung das Medienprogramm der Airline und schauten uns die neuesten Filme an. So verging die Zeit sehr schnell. Leider mussten wir zu unserer Tarnung gelegentlich etwas trinken, essen und schlafen. Ich bestellte mir ausschließlich Wasser, denn das war noch das neutralste. Matze und Tobias bestellten sich ein Bier, mussten jedoch sehr schnell feststellen, dass es ihnen nun so gar nicht mehr schmeckte. Auch Maja nippte nur widerwillig an ihrem Orangensaft. Das Essen war eine Qual. Es schmeckte, wie zu Lebzeiten nur Müll geschmeckt hätte. Meine Cornflakes, die ich mir zum Frühstück bestellte, nachdem ich zwei lange Stunden so tun müsste als würde ich schlafen, zerbröselte ich zu feinstem Staub. Die Milch würgte ich irgendwie herunter.
Langsam ging die Sonne wieder auf und ich musste leider das Rollo wieder schließen. Das Licht würde sich sonst auf meiner Haut brechen und alle Tarnung wäre dahin. Zum Glück dauerte es nicht mehr lange, bis der Captain eine Durchsage machte, dass wir langsam für die Landung in den Sinkflug gehen würden. Und tatsächlich spürte ich, wie wir an Höhe verloren, jedoch ohne den nervigen Druckausgleich in den Ohren.
„Wird auch Zeit“, murmelte Tobias neben mir. „Ich hab Durst.“ Jasper wirkte angestrengt. Ja, so langsam kratzte es doch unerträglich im Hals. Wir konnten uns beherrschen, doch alle Geduld hatte irgendwann auch ein Ende. Ich hielt die Luft an und setzte meine Sonnenbrille auf. Eine Stewardess kam noch mal durch die Reihen, um zu kontrollieren, ob auch wirklich alle angeschnallt waren. Sie lächelte mich an und meinte dann:
„Oh Miss, die werden sie gleich leider nicht brauchen. Es regnet mal wieder in Seattle.“ Ich nickte kurz und lächelte zurück.
Nach zehn Minuten setzten endlich die Räder sanft auf dem Boden auf. Die erste Klasse klatschte nicht, was mich kaum verwunderte, während man hören konnte, wie in der Economy ein tosender Applaus aufbrauste. Eilig wurden die Notebooks eingepackt und Papierstapel verstaut, Handys eingeschaltet, die sofort anfingen zu klingeln. Auch Edwards vibrierte.
„Hi Alice. Schon klar, also bis gleich.“ Er grinste. „Also, Alice und Emmett warten draußen auf uns. Sie haben auch Nessie dabei“, sagte er mit einer hörbaren Vorfreude in der Stimme. Er nahm Bellas Hand und drückte ihr lächelnd einen Kuss in die Handfläche.
„Wir kommen, Baby.“, flüsterte sie wehmütig.
Kaum stand das Flugzeug, sprangen alle auf, außer wir. Wie lächerlich es jedes Mal war, am Gepäckband mussten doch sowieso wieder alle warten. Als die Kabine leer war, gingen auch wir hinaus. Durch die Fenster konnte ich sehen, dass es tatsächlich in Strömen regnete. Umso besser für uns. Wieder einmal warteten wir in einer schicken Lounge auf unser Gepäck, das uns natürlich persönlich gebracht wurde. Edward drückte dem Steward Geld in die Hand und bedankte sich freundlich, während der arme Kerl ganz perplex über die Summe war.
Rasch liefen wir durch die Hallen des Airports. Carlisle gab uns Reisepässe, die er für uns hatte anfertigen lassen. Durch unseren Tod wurden unsere Namen ein wenig abgeändert. Die Cullens hatten wieder einmal Kinder adoptiert. Ich hieß jetzt also Mary-Jo Cullen, aus Manuela wurde einfach nur Jasmin Cullen und Toby und Matze durften zumindest ihre Vornamen behalten. Sie sollten Brüder sein und ab sofort Toby und Matt Meyer heißen. Beide deutsche Verwandte von Esme. Maja und ich sollten vorgeben, die Kinder von Carlisles verstorbenem Cousin und dessen asiatischer Ehefrau zu sein. Unsere Pässe wurden ohne Probleme akzeptiert und abgestempelt. Nun waren wir offiziell Amerikaner. Also machten wir uns auf den Weg in Richtung Ausgang.
Als sich die Tür öffnete, stand da ein etwa achtjähriges Mädchen vor uns. Ich erkannte sofort, wer sie war. Kupferfarbene wild gelockte Haare, braune Augen mit leichten goldenen Tupfen darin, ein schiefes Lächeln, das wie aus dem Gesicht ihres Vaters geschnitten schien. Sie rannte an mir vorbei und warf sich Bella in die Arme.
„Mummy!“ Ihre Stimme klang wie ein Glockenspiel. Bella küsste sie auf die Stirn.
„Meine kleine Renesmee.“ Dann gab sie die Kleine an Edward weiter.
„Daddy.“ Er küsste sie aufs Haar.
„Na, Prinzessin? Hast du uns vermisst?“ Dem Mädchen lief eine Träne über die Wange, die ihr Edward vorsichtig mit einer Fingerspitze wegwischte. Jasper küsste gerade ein kleines dünnes Mädchen mit kurz geschnittenen schwarzen Haaren. An ihrem Kleidungsstil erkannte man sofort, dass dies nur Alice sein konnte. Ein riesenhafter muskulöser Kerl schüttelte Matze kraftvoll die Hand und schleuderte dann Maja wild um sich herum. Das Gleiche tat er dann mit Toby und mir.
„Na, ihr Krauts! Willkommen in Amerika. Ich bin Emmett“, sagte er mit lauter dröhnender Stimme. Maja kniff die Augen zusammen.
„Nun ja, offiziell sind wir keine Krauts mehr. Also?“, meckerte sie schmunzelnd.
„Quatsch, ihr seid und bleibt die Krauts!“, lachte Emmett. Carlisle kam mit einer Dame so schön wie ein Gemälde zu uns.
„Darf ich euch Esme vorstellen? Meine Frau und eure neue Mutter!“ Esme umarmte uns und gab Maja und mir einen Kuss auf die Wangen. Ich fühlte mich bei ihr sofort geborgen.
„Ihr seid doch sicher hungrig. Lasst uns schnell nach Hause fahren; ihr werdet das Wild aus der Umgebung lieben!“
Auf dem Parkplatz schaute ich mich um. Mit welchen Autos würden die Cullens wohl hergekommen sein? Und da stachen sie mir direkt ins Auge. Ein riesiger Truck, der wohl eher für das Gelände als für amerikanische Highways gedacht war und eine schwarze Mercedes S Klasse mit verdunkelten Scheiben, die jedem Promi hätte gehören können.
„Unauffällig wie immer“, kicherte Bella. Ich drehte mich zu ihr um. Sie hatte Nessie auf den Arm, die ihr die ganze Zeit eine Hand auf die Wange drückte und recht konzentriert aussah. Edward kicherte ab und zu, womöglich über das, was seine Tochter gerade so alles dachte.
„Ja Nessie, das sind jetzt alles deine neuen Onkel und Tanten.“ Auch Bella lachte. Nessie sprang von ihrem Arm und lief neben mir her, bis sie schließlich zaghaft meine Hand nahm. Ich konnte fühlen wie warm sie war. Natürlich kannte ich ihre Geschichte; ihre Eltern hatten sie mir ja erzählt. Und trotzdem war sie ein kleines Wunder.
„Hi, Tante Mary. Ich bin Nessie, lass uns Freundinnen sein, okay?“ Sie funkelte mich mit ihren schönen Augen an. Wer hätte da noch nein sagen können?
„Aber natürlich, Nessie.“
Nachdem das Gepäck verstaut war, teilten wir uns auf die beiden Wagen auf. Ich fuhr in dem Truck mit und saß mit Toby und Alice hinten.
„Hm. Du und Maja mögt also meinen Stil nicht? Das liegt bestimmt daran, dass ihr nicht wisst, wie man die Modestücke kombiniert. Keine Sorge, jetzt bin ich ja da.“ Sie grinste mich frech an. Emmetts dröhnendes Lachen hallte durch den Truck.
„Nehmt euch in Acht, sie macht ihre Drohungen alle wahr.“
Wir fuhren auf einer Landstraße umgeben von hügeligen Mischwäldern. Hier war alles so grün, wenn es nicht gerade unter dicken Nebelschwaden versteckt blieb.
„Und Forks hat also die höchste Niederschlagsrate in den Staaten?“, wollte ich wissen.
„Oh ja. Ein Paradies für uns. Wir können uns selbst am Tag frei bewegen ohne viel Angst zu haben, gleich wieder wie ein Glühwürmchen zu glitzern“, meinte Emmett.
Es dauerte nicht lange, bis wir das kleine verschlafene Städtchen erreichten. Hier kannte noch jeder jeden beim Namen. Bei nur 3275 Einwohnern verwunderte mich das nicht. Es regnete in Strömen und trotzdem spielten Kinder ausgelassen auf der Straße. Hier gehörte das schlechte Wetter zum Alltag. Kaum waren wir in die Stadt hinein gefahren, waren wir auch schon wieder draußen. Die einzig interessanten Dinge, die uns Emmett unterwegs noch zeigte waren das Krankenhaus und somit Carlisles Arbeitsplatz, die Forks High-School, auf der die Cullens noch bis vor zwei Jahren die Schulbank gedrückt hatten und die Polizeistelle, dem Arbeitsplatz von Bellas sterblichen Vater Charlie.
Fünf Minuten nachdem wir Forks verlassen hatten, meinte Alice, dass wir gleich da wären. Emmett lenkte den Wagen auf einen erdigen Waldweg; Carlisle folgte uns. Und dann, als wir um die nächste Kurve bogen, waren wir da.
Das Haus der Cullens war einfach nur unglaublich beeindruckend. So tief im Wald hatte ich alles erwartet, nur nicht so ein wunderschönes modernes Loft, das fast nur aus riesigen Glasscheiben zu bestehen schien. Emmett hielt an, als eine wunderschöne Blondine den Weg versperrte. Das musste Rosalie sein. Sie lächelte ihn liebevoll und dennoch frech an.
„So so. Da wird sich der Köter aber freuen.“ Sie öffnete mir die Autotür und streckte mir eine Hand entgegen.
„Hi. Ich bin Rosalie.“
„Ich bin Marion oder zukünftig wohl nur noch Mary. Das ist mein Freund Toby.“ Er nickte ihr höflich zu.
„Hi!“
Eine von Carlisles Autotüren wurde heftig zugeschlagen und kurz darauf flog ein kleiner kupferfarbener Haarschopf an mir vorbei.
„Jacob! Jacob!“ Nessie rannte in Richtung Wald. Plötzlich stieg mir ein beißender Geruch in die Nase. Es stank nach nassem Hund. Mein Blick verharrte am dunklen Waldrand. Toby begann auf einmal zu knurren und ging in Angriffsstellung.
„Oha. Dachte ich es mir doch. Jetzt hört Jake schon auf Köter“, kicherte Rosalie.
Aus dem Schatten kam langsam ein gigantischer rostfarbener Wolf. Er kuschelte sich an Nessie, behielt uns aber im Auge. Jetzt musste auch ich reflexartig knurren. Bella kam zu uns und stellte sich mit ausgebreiteten Armen zwischen den monströsen Wolf und uns beide.
„Nicht. Die Wölfe sind unsere Freunde. Jacob gehört quasi zur Familie.“ Verdutzt starrte ich sie an.
„Lasst uns doch erst einmal rein gehen, dann erklären wir euch alles.“
Trotz der entspannenden Atmosphäre des hellen Licht durchfluteten Raumes, fühlte ich mich alles andere als wohl. Dies lag einzig und allein an Jacob, dem Wolf, der nun in Menschengestalt neben Renesmee auf der cremefarbenen Ledercouch saß. Eigentlich machte er einen total sympathischen Eindruck, sicherlich war er auch nett, allerdings war da so ein Hass, den ich einfach so gegen ihn grollte, ohne dass ich ihn überhaupt kannte. Ich sah, wie auch Matze, Maja und Toby angespannt dasaßen und den Gestaltwandler mit hartem Blick fixierten. Jasper hatte alle Hände voll zu tun, um uns im Griff zu halten.
„Sicherlich fragt ihr euch, warum ihr einen solchen Groll gegen Jacob hegt“, sagte Carlisle. „Ihr könnt nichts dafür. Jacob ist ein Gestaltwandler, ein Wächter seines Stammes, den Quileute. Es ist ein alter indianischer Stamm, dessen Reservat direkt an Forks angrenzt. Wir Vampire sind die natürlichen Feinde der Gestaltwandler. Schon seit Urzeiten verwandeln sich die Quileute in Wölfe, wenn kalte Wesen, also Vampire, in ihrer Nähe sind. Es dient dem Schutz ihres Stammes. Die Familie Cullen hat vor Dekaden einen Pakt mit dem Stammeshäuptling geschlossen. Wir dürfen hier jagen, allerdings nur Tiere. Sollten wir auch nur einmal die Grenze zu ihrem Reservat überschreiten oder in diesem Bundesstaat einen Menschen beißen, dann kommt es zum Kampf.“
„Und warum genau sind die Wölfe nun unsere Freunde? Wie kommt es, dass Jacob unter unseresgleichen in diesem Haus geduldet wird?“, wollte Maja wissen und sah skeptisch zu Renesmee und Jacob. Renesmee hatte ihren Kopf gegen seinen Arm gelegt und war eingeschlafen. Sie fühlte sich in seiner Gegenwart offensichtlich wohl. Im Augenwinkel sah ich Edward nicken, bevor er erklärte:
„Kurz nach Renesmees Geburt und somit auch Bellas Verwandlung, wollte Jacob das Baby töten. Er dachte, es sei ein Monster, das seine beste Freundin auf dem Gewissen hatte. Er ging nach unten zu Rosalie, die Renesmee an sich genommen hatte, während ich Bella versuchte zu retten. Als er sich gerade zum Sprung bereit machte, sah er sie, wie er noch nie ein Wesen auf der Welt gesehen hatte.“ Jacob übernahm das Wort.
„Es war, als würde sich meine Welt nur noch um sie drehen. Alles andere blendete ich aus. Innerhalb einer Sekunde verlagerte sich der Sinn meiner Existenz. Nichts auf der Welt war mir mehr wichtig. Ich sah nur noch sie. Werwölfe prägen sich auf einen Partner. Das Alter spielt dabei keine Rolle. Wir sind Seelenverwandte und ich hatte nur auf sie gewartet. Wenn sie alt genug ist, werden wir Gefährten für den Rest unseres Daseins. So lange warte ich und werde nicht altern, indem ich mich regelmäßig in meine Wolfsgestalt verwandle. Im Moment bin ich so etwas wie ihr großer Bruder oder ihr bester Freund. Die Verliebtheit wird eintreten, sobald sie bereit dafür ist.“
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich starrte ihn weiter an, mit offenem Mund. Das eben Gehörte musste erst einmal sacken. Jacob streichelte seiner schlafenden Renesmee liebevoll über die Haare. Da war nichts Perverses; er liebte sie wie eine Schwester oder, wie er bereits gesagt hatte, seine beste Freundin. Der Hass schmolz allmählich dahin. Konnte man ein innig liebendes Wesen wirklich hassen? Nun, ein gewisses Unbehagen blieb, was ausschließlich auf meine vampirischen Instinkte zurückzuführen war.
„Ich verstehe“, sagte Maja und lächelte Jacob an.
„Lass uns nur ein wenig Zeit; wir müssen uns nur an den … Geruch gewöhnen“, frotzelte Matze.
„Oh ja, daran müssen wir uns echt gewöhnen“, meinte Toby und lachte. Sein Lachen war so ansteckend, dass alle anderen mit einstimmten. Die Stimmung hatte sich komplett verändert. Ich fühlte mich wohl, als wäre ich angekommen. Als wäre ich zu Hause und in diesem Moment glaubte ich das auch.
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Re: Bis(s) in alle Ewigkeit
Acht – Bärenhunger
„Genug geredet für diesen Moment“, ermahnte Esme nach einer Weile ihre Kinder.
„Ihr seid doch sicher überaus durstig. Wollt ihr nicht ein wenig jagen gehen?“ Natürlich brauchte sie uns nicht zweimal bitten. Meine Kehle stand in Flammen.
Emmett, Rosalie und Alice machten sich mit uns auf den Weg, während die anderen zu Hause blieben, um ein wenig Privatsphäre zu genießen. Edward und Bella hatten ihre Tochter wirklich sehr vermisst, als wir noch in Deutschland gewesen waren. Man hatte Bella immer ansehen können, wie sehr sie sich nach Nessie sehnte. Seitdem sie die Kleine am Flughafen in die Arme geschlossen hatte, wirkte sie irgendwie als sei sie erst jetzt wieder ein Ganzes. Als ob die ganze Zeit vorher etwas von ihr gefehlt hätte…
Hinter dem Anwesen der Cullens plätscherte ein breiter Fluss, den wir mit einem Sprung locker hinter uns ließen. Es war schon sehr interessant zu beobachten, wie sehr sich die Cullens doch unterschieden. Allein an ihrem Laufstil konnte man die Charaktereigenschaften der Einzelnen erkennen. Während Alice grazil wie eine Gazelle durch den Wald sprang und Rosalie flink wie ein Raubvogel dahinglitt, sah Emmett aus wie ein angreifendes Rhinozeros. Die Kraft pulsierte mit jedem Sprung durch seinen muskulösen Körper.
„Ich nehme an, dass ihr bisher nur Pflanzenfresser jagen konntet“, trällerte Alice und ließ sich ein Stück zurückfallen, um sich mit mir unterhalten zu können. Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
„Ihr werdet unsere Beute hier lieben. Es kann zwar nicht jedes Mal Puma geben, aber es gibt jede Menge andere Tiere, die bestimmt besser schmecken als Wildschweine.“ Sie rümpfte die Nase.
„Ja, die waren nicht besonders lecker!“, lachte Matze.
„Hey! Ist es nicht ein feierlicher Anlass, dass wir neue Geschwister haben?“, rief Emmett Rose zu. „Können wir uns nicht ein bis zwei Grizzlies suchen?“ Rose verdrehte die Augen.
„Nun gut, wir haben ja Zeit!“, lächelte sie und sprang im Lauf auf Emmetts breiten Rücken.
Ich ließ mich von der Geschwindigkeit berauschen und genoss für einen Moment einen der Vorzüge der Unsterblichkeit. Wahrscheinlich wären wir bei unserem Tempo für die Menschen nur als vorbeihuschende Schatten zu sehen gewesen.
Innerhalb kürzester Zeit, hatten wir etwa fünfzig Kilometer hinter uns. Das Landschaftsbild veränderte sich. Der Boden wurde ein wenig steiniger und begann sanft anzusteigen. Die Laubbäume wurden immer weniger und stattdessen wuchsen hier große Mammutbäume. Ihr dichter Wuchs ließ kaum Sonnenlicht bis zu dem Waldboden durchdringen und trotzdem war dieser von dichtem Moos und Farn überwuchert, was bestimmt an der starken Luftfeuchtigkeit und den ständigen Niederschlägen lag.
Wir befanden uns in der Nähe der Berge, die sich riesig vor uns emporstreckten, als Emmett schließlich ruckartig anhielt. Darauf war ich nicht gefasst, also schoss ich an ihm vorbei und bremste ungeschickt ab, indem ich gegen einen riesigen Felsbrocken prallte, der sofort zu Geröll und Staub zerfiel. Die anderen lachten laut auf und es schallte wie Donner von den Bergen wieder.
Ich klopfte mir den Staub von der Kleidung und schlenderte zu unserer Jagdgesellschaft. Emmett bedeutete uns still zu sein.
„Riecht ihr das?“, flüsterte er und ein schelmisches Grinsen umspielte seine Lippen. Natürlich roch ich es. Da war ein satter Duft, der so ganz anders war als der der Tiere, die wir bisher gejagt hatten. Nicht so erdig, eher süßlich wie der des Menschenblutes. Der Ton eines gewaltigen schlagenden Herzens näherte sich langsam und die Witterung wurde immer deutlicher. Jetzt nahmen wohl auch die anderen den Geruch des Bären wahr.
„Kommt mit. Wir pirschen uns an ihn heran. Ich liebe den Überraschungseffekt!“, flüsterte Emmett voller Vorfreude und gab uns ein Zeichen ihm zu folgen.
Ohne einen Laut von sich zu geben, sprang er den Baumstamm eines riesigen, wahrscheinlich hunderte Jahre alten Mammutbaumes hoch und kletterte an diesem empor. Wir folgten ihm, während er immer weiter von Baum zu Baum sprang. Schließlich blieben wir in der Krone einer alten Birke sitzen. Unter uns befand sich auf dem Waldboden ein gigantischer rotbrauner Grizzlybär, der gerade genüsslich das Fleisch aus einem toten Kaninchen riss und verschlang. Plötzlich hob er seinen massigen Kopf. Die Nüstern seiner schwarzen blutigen Nase blähten sich, als er etwas zu wittern schien. Und dann reckte er den Kopf nach oben und starrte uns an. Mit einem Ruck drehte er sich um und begann wie von der Tarantel gestochen zu rennen. Ich hatte gar nicht gewusst, dass Bären so schnell werden konnten.
„So … und jetzt beobachtet den Meister und lernt!“, brummte Emmett und spurtete dem Tier hinterher.
„Angeber!“, kicherte Rose und wir sprangen aus unserem Versteck, um ihrem Gefährten, der den Bären schon fast eingeholt hatte, zu folgen.
An einer Lichtung hatten wir den Jäger und seine Beute dann eingeholt. Der Grizzly war gefangen. Hinter ihm die blanke Wand eines Felsvorsprunges, ihm gegenüber der hünenhafte Emmett. Das Tier lief nervös vor der Steinwand auf und ab. Ein tiefes Brummen erhob sich in dem gewaltigen Torso. Er fixierte Emmett mit seinen zornigen schwarzen Augen und fletschte die Zähne. Emmett tat es dem Bären gleich. Ein beängstigendes Knurren kam aus seinen gefletschten Zähnen, während er in Angriffsstellung kauerte. Er wartete geduldig auf den Angriff des Bären, machte ein Spiel aus seiner Jagd. Und schließlich stellte sich das riesige Tier auf seine Hinterbeine, bäumte sich auf und war fast doppelt so groß wie der selbst schon so hünenhafte Emmett. Der Bär ließ sich zurück auf seine Pranken fallen, nachdem die Drohung keine Wirkung gezeigt hatte, und ging zum Angriff über. Der erdige Boden bebte leicht unter der Erschütterung, als er schließlich mit seinen Pranken gegen Emmetts Hände prallte. Die beiden Riesen knurrten sich an und der einstige Mensch war in diesem Moment mehr Raubtier als sein Gegner. Erst sah es aus, als würden sie tanzen, dann ging der Tanz in einen Ringkampf über. Emmett hätte den Grizzly mit Leichtigkeit töten können, doch er hatte seine Freude daran, seine Kräfte mit dem doch so ahnungslosen Tier zu messen. Immer wieder ließ er ihn los aus seinem eisernen Griff, damit sein Opfer von neuem angreifen konnte.
Die gigantischen Krallen zerrissen den dünnen Stoff von Emmetts Hemd, bis es schließlich in Fetzen von seinem muskelbepackten Oberkörper hing.
„Toll. Das hab ich ihm zu Weihnachten geschenkt!“, schimpfte Alice. Ich musste grinsen. Rose hatte sich auf einen Felsbrocken gesetzt und feilte sich die Nägel, während Matze, Maja, Toby und ich weiter gebannt zusahen, wie der Bär bis zu seiner Erschöpfung kämpfte.
Schließlich stand er auf seinen Hinterbeinen, die Arme um Emmetts Schultern gelegt, die Pranken kratzten schlaff über dessen Rücken und seine Zähne versuchten, sich in die steinerne Schulter zu verbeißen. Es sah fast so aus, als würde das Tier Emmett liebevoll umarmen. Kraftlos brummte der Bär protestierend vor sich hin. Emmett hatte gewonnen.
Der Kampf war vorbei, als er sein Gesicht tief in dem Fell des Halses seiner gewaltigen Beute vergrub und zubiss. Ein kurzes gequältes Knurren war das letzte, was von dem Tier zu hören war. Nach wenigen Minuten ließ Emmett den schlaffen Körper langsam von seinem gleiten. Blut lief an seinem markanten Kinn herunter und tropfte auf seinen freien Brustkorb herab, bis er es schließlich mit dem Stoffrest seines linken Ärmels wegwischte.
„Es geht doch nichts über einen leckeren Grizzlybären“, gluckste er, während er in unsere verdutzten Gesichter sah. Er kam auf uns zu, grinste ein siegreiches Lächeln und gab Rose einen blutigen Kuss.
„Du Ferkel“, motzte sie und boxte ihn mit gespielter Wut gegen die Schulter.
„Da stehst du doch drauf!“, lachte Emmett leise und vergrub kurz sein Gesicht in ihren langen blonden Haaren, während sie ihre Arme um seinen nackten Oberkörper schlang.
Alice wandte sich uns zu. „So, Emmett hatte seinen Spaß. Worauf habt ihr denn Lust?“
„Genug geredet für diesen Moment“, ermahnte Esme nach einer Weile ihre Kinder.
„Ihr seid doch sicher überaus durstig. Wollt ihr nicht ein wenig jagen gehen?“ Natürlich brauchte sie uns nicht zweimal bitten. Meine Kehle stand in Flammen.
Emmett, Rosalie und Alice machten sich mit uns auf den Weg, während die anderen zu Hause blieben, um ein wenig Privatsphäre zu genießen. Edward und Bella hatten ihre Tochter wirklich sehr vermisst, als wir noch in Deutschland gewesen waren. Man hatte Bella immer ansehen können, wie sehr sie sich nach Nessie sehnte. Seitdem sie die Kleine am Flughafen in die Arme geschlossen hatte, wirkte sie irgendwie als sei sie erst jetzt wieder ein Ganzes. Als ob die ganze Zeit vorher etwas von ihr gefehlt hätte…
Hinter dem Anwesen der Cullens plätscherte ein breiter Fluss, den wir mit einem Sprung locker hinter uns ließen. Es war schon sehr interessant zu beobachten, wie sehr sich die Cullens doch unterschieden. Allein an ihrem Laufstil konnte man die Charaktereigenschaften der Einzelnen erkennen. Während Alice grazil wie eine Gazelle durch den Wald sprang und Rosalie flink wie ein Raubvogel dahinglitt, sah Emmett aus wie ein angreifendes Rhinozeros. Die Kraft pulsierte mit jedem Sprung durch seinen muskulösen Körper.
„Ich nehme an, dass ihr bisher nur Pflanzenfresser jagen konntet“, trällerte Alice und ließ sich ein Stück zurückfallen, um sich mit mir unterhalten zu können. Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
„Ihr werdet unsere Beute hier lieben. Es kann zwar nicht jedes Mal Puma geben, aber es gibt jede Menge andere Tiere, die bestimmt besser schmecken als Wildschweine.“ Sie rümpfte die Nase.
„Ja, die waren nicht besonders lecker!“, lachte Matze.
„Hey! Ist es nicht ein feierlicher Anlass, dass wir neue Geschwister haben?“, rief Emmett Rose zu. „Können wir uns nicht ein bis zwei Grizzlies suchen?“ Rose verdrehte die Augen.
„Nun gut, wir haben ja Zeit!“, lächelte sie und sprang im Lauf auf Emmetts breiten Rücken.
Ich ließ mich von der Geschwindigkeit berauschen und genoss für einen Moment einen der Vorzüge der Unsterblichkeit. Wahrscheinlich wären wir bei unserem Tempo für die Menschen nur als vorbeihuschende Schatten zu sehen gewesen.
Innerhalb kürzester Zeit, hatten wir etwa fünfzig Kilometer hinter uns. Das Landschaftsbild veränderte sich. Der Boden wurde ein wenig steiniger und begann sanft anzusteigen. Die Laubbäume wurden immer weniger und stattdessen wuchsen hier große Mammutbäume. Ihr dichter Wuchs ließ kaum Sonnenlicht bis zu dem Waldboden durchdringen und trotzdem war dieser von dichtem Moos und Farn überwuchert, was bestimmt an der starken Luftfeuchtigkeit und den ständigen Niederschlägen lag.
Wir befanden uns in der Nähe der Berge, die sich riesig vor uns emporstreckten, als Emmett schließlich ruckartig anhielt. Darauf war ich nicht gefasst, also schoss ich an ihm vorbei und bremste ungeschickt ab, indem ich gegen einen riesigen Felsbrocken prallte, der sofort zu Geröll und Staub zerfiel. Die anderen lachten laut auf und es schallte wie Donner von den Bergen wieder.
Ich klopfte mir den Staub von der Kleidung und schlenderte zu unserer Jagdgesellschaft. Emmett bedeutete uns still zu sein.
„Riecht ihr das?“, flüsterte er und ein schelmisches Grinsen umspielte seine Lippen. Natürlich roch ich es. Da war ein satter Duft, der so ganz anders war als der der Tiere, die wir bisher gejagt hatten. Nicht so erdig, eher süßlich wie der des Menschenblutes. Der Ton eines gewaltigen schlagenden Herzens näherte sich langsam und die Witterung wurde immer deutlicher. Jetzt nahmen wohl auch die anderen den Geruch des Bären wahr.
„Kommt mit. Wir pirschen uns an ihn heran. Ich liebe den Überraschungseffekt!“, flüsterte Emmett voller Vorfreude und gab uns ein Zeichen ihm zu folgen.
Ohne einen Laut von sich zu geben, sprang er den Baumstamm eines riesigen, wahrscheinlich hunderte Jahre alten Mammutbaumes hoch und kletterte an diesem empor. Wir folgten ihm, während er immer weiter von Baum zu Baum sprang. Schließlich blieben wir in der Krone einer alten Birke sitzen. Unter uns befand sich auf dem Waldboden ein gigantischer rotbrauner Grizzlybär, der gerade genüsslich das Fleisch aus einem toten Kaninchen riss und verschlang. Plötzlich hob er seinen massigen Kopf. Die Nüstern seiner schwarzen blutigen Nase blähten sich, als er etwas zu wittern schien. Und dann reckte er den Kopf nach oben und starrte uns an. Mit einem Ruck drehte er sich um und begann wie von der Tarantel gestochen zu rennen. Ich hatte gar nicht gewusst, dass Bären so schnell werden konnten.
„So … und jetzt beobachtet den Meister und lernt!“, brummte Emmett und spurtete dem Tier hinterher.
„Angeber!“, kicherte Rose und wir sprangen aus unserem Versteck, um ihrem Gefährten, der den Bären schon fast eingeholt hatte, zu folgen.
An einer Lichtung hatten wir den Jäger und seine Beute dann eingeholt. Der Grizzly war gefangen. Hinter ihm die blanke Wand eines Felsvorsprunges, ihm gegenüber der hünenhafte Emmett. Das Tier lief nervös vor der Steinwand auf und ab. Ein tiefes Brummen erhob sich in dem gewaltigen Torso. Er fixierte Emmett mit seinen zornigen schwarzen Augen und fletschte die Zähne. Emmett tat es dem Bären gleich. Ein beängstigendes Knurren kam aus seinen gefletschten Zähnen, während er in Angriffsstellung kauerte. Er wartete geduldig auf den Angriff des Bären, machte ein Spiel aus seiner Jagd. Und schließlich stellte sich das riesige Tier auf seine Hinterbeine, bäumte sich auf und war fast doppelt so groß wie der selbst schon so hünenhafte Emmett. Der Bär ließ sich zurück auf seine Pranken fallen, nachdem die Drohung keine Wirkung gezeigt hatte, und ging zum Angriff über. Der erdige Boden bebte leicht unter der Erschütterung, als er schließlich mit seinen Pranken gegen Emmetts Hände prallte. Die beiden Riesen knurrten sich an und der einstige Mensch war in diesem Moment mehr Raubtier als sein Gegner. Erst sah es aus, als würden sie tanzen, dann ging der Tanz in einen Ringkampf über. Emmett hätte den Grizzly mit Leichtigkeit töten können, doch er hatte seine Freude daran, seine Kräfte mit dem doch so ahnungslosen Tier zu messen. Immer wieder ließ er ihn los aus seinem eisernen Griff, damit sein Opfer von neuem angreifen konnte.
Die gigantischen Krallen zerrissen den dünnen Stoff von Emmetts Hemd, bis es schließlich in Fetzen von seinem muskelbepackten Oberkörper hing.
„Toll. Das hab ich ihm zu Weihnachten geschenkt!“, schimpfte Alice. Ich musste grinsen. Rose hatte sich auf einen Felsbrocken gesetzt und feilte sich die Nägel, während Matze, Maja, Toby und ich weiter gebannt zusahen, wie der Bär bis zu seiner Erschöpfung kämpfte.
Schließlich stand er auf seinen Hinterbeinen, die Arme um Emmetts Schultern gelegt, die Pranken kratzten schlaff über dessen Rücken und seine Zähne versuchten, sich in die steinerne Schulter zu verbeißen. Es sah fast so aus, als würde das Tier Emmett liebevoll umarmen. Kraftlos brummte der Bär protestierend vor sich hin. Emmett hatte gewonnen.
Der Kampf war vorbei, als er sein Gesicht tief in dem Fell des Halses seiner gewaltigen Beute vergrub und zubiss. Ein kurzes gequältes Knurren war das letzte, was von dem Tier zu hören war. Nach wenigen Minuten ließ Emmett den schlaffen Körper langsam von seinem gleiten. Blut lief an seinem markanten Kinn herunter und tropfte auf seinen freien Brustkorb herab, bis er es schließlich mit dem Stoffrest seines linken Ärmels wegwischte.
„Es geht doch nichts über einen leckeren Grizzlybären“, gluckste er, während er in unsere verdutzten Gesichter sah. Er kam auf uns zu, grinste ein siegreiches Lächeln und gab Rose einen blutigen Kuss.
„Du Ferkel“, motzte sie und boxte ihn mit gespielter Wut gegen die Schulter.
„Da stehst du doch drauf!“, lachte Emmett leise und vergrub kurz sein Gesicht in ihren langen blonden Haaren, während sie ihre Arme um seinen nackten Oberkörper schlang.
Alice wandte sich uns zu. „So, Emmett hatte seinen Spaß. Worauf habt ihr denn Lust?“
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