Mitternachtssonne // Kapitel 19
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Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19
Kapitel 18. Die Wahrheit
„Darf ich dich noch eine Sache fragen?“, bat Bella und ihre Stimme klang leicht verzweifelnd.
Ich seufzte – mir kam es so vor, als wollte sie Zeit schinden.
„Eine“, willigte ich schließlich ein.
„Also… du hast doch gesagt, dass du wusstest, dass ich den Buchladen nicht betreten habe und stattdessen weiter in südliche Richtung gegangen bin. Kannst du mir sagen, woher?“
Ich wandte meinen Blick von ihr ab und überlegte.
Wie viel konnte ich ihr sagen – oder machte es schon längst keinen Unterschied mehr?
„Ich dachte, mit den Ausweichmanövern sei Schluss“, maulte Bella.
Fast lächelte ich. Vielleicht sollte ich mich an ihren Dickkopf gewöhnen.
„Na schön, wie du willst. Ich bin deinem Geruch gefolgt. Aber dann hab ich die Spur wieder verloren.“
Ich wandte mich wieder von ihr ab, da ich ihre Frage beantwortet hatte und wartete darauf, dass sie meine Antwort aufgenommen hatte.
„Und dann hast du meine erste Frage noch nicht beantwortet“, fuhr Bella fort, nachdem sie einen Moment lang nachgedacht hatte.
Dem Anschein nach spielte sie wirklich auf Zeit.
„Welche?“, fragte ich missbilligend.
„Wie das geht, das Gedankenlesen. Kannst du die Gedanken von jedem lesen, egal wo? Wie machst du das? Und kannst nur du das oder auch die anderen aus deiner Familie?“, sprudelte sie hervor.
„Das ist mehr als eine“, stellte ich abwertend fest.
Bella verschränkte ihre Finger und sah mich auffordernd an.
Fast hätte ich geseufzt.
„Nein, nur ich. Und ich kann auch nicht jeden hören, und überall. Ich muss halbwegs in der Nähe sein. Je vertrauter… die ‚Stimme‘ ist, desto weiter kann ich sie hören. Trotzdem nicht mehr als ein paar Meilen weit“, antwortete ich und überlegte einen Moment, um meine Aussage genauer darzustellen. „Es ist ein bisschen so, als wäre man in einem riesigen Saal voller Menschen, die alle auf einmal reden. Alles ist ein einziges Summen – ein Hintergrundrauschen aus Stimmen. Bis man sich auf eine konzentriert, dann tritt sie klar hervor und man hört die Gedanken der Person. Die meiste Zeit blende ich das alles aus. Es lenkt ziemlich ab. Und es ist einfacher, normal zu erscheinen, wenn man nicht versehentlich auf die Gedanken von jemand antwortet statt auf seine Worte.“
„Was meinst du, warum du mich nicht hören kannst?“, fragte Bella interessiert.
„Ich weiß es nicht“, murmelte ich. „Ich kann mir nur vorstellen, dass dein Gehirn irgendwie anders arbeitet als die der anderen. Als würden deine Gedanken auf Kurzwelle gesendet, aber ich kann nur UKW empfangen.“
Ich grinste und war stolz auf meine Theorie – auch wenn sie falsch war.
„Mein Gehirn funktioniert also nicht richtig, ist es das? Ich bin ein Freak?“, fragte sie entrüstet.
Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.
„Ich höre Stimmen, und du machst dir Sorgen, ein Freak zu sein! Keine Angst, es ist nur eine Theorie…“
Ich sah sie streng an. „Womit wir wieder beim eigentlichen Thema wären“, erinnerte ich sie.
Sie seufzte.
„Wie war das – Schluss mit den Ausweichmanövern?“, drängelte ich sie sanft.
Bella wandte den Blick von mir ab, als müsste sie ihre Gedanken sortieren und ihr Blick schien auf den Tacho zu fallen.
„Meine Güte!“, schrie sie. „Nicht so schnell!“
„Was denn?“, fragte ich erschrocken und betrachtete besorgt ihr blasses Gesicht.
„Du fährst hundert Meilen pro Stunde!“, schrie sie panisch weiter und warf nervös einen Blick aus dem Seitenfenster.
Ich verstand nicht, wie man aufgrund einer solchen Geschwindigkeit so panisch werden konnte – schließlich war das sogar noch relativ langsam.
„Entspann dich, Bella“, sagte ich und verdrehte sie Augen.
„Willst du uns umbringen?“, fragte sie eindringlich, als ich nicht daran dachte, das Tempo zu drosseln.
„Es wird uns nichts passieren.“
„Warum hast du’s dann so eilig?“, konterte Bella gedämpft.
„Das ist meine normale Geschwindigkeit“, erklärte ich und lächelte sie an.
„Guck nach vorn!“
„Bella, ich hatte noch nie einen Unfall “, erwiderte ich, „- ich hab noch nicht einmal einen Strafzettel bekommen.“
Ich grinste und tippte mit meinen Fingerspitzen gegen meine Stirn. „Eingebauter Radardetektor.“
„Sehr witzig“, giftete sie. „Charlie ist Polizist, falls du das vergessen hast. Man hat mir beigebracht, die Verkehrsregeln zu beachten. Und außerdem, wenn du den Volvo um einen Baum wickelst, kannst du wahrscheinlich einfach aussteigen und fortgehen.“
„Wahrscheinlich“, stimmte ich mit einem kurzen Lachen hinzu. „Aber du nicht.“
Ich dachte einen Moment darüber nach und drosselte dann seufzend das Tempo – Bellas Sicherheit ging vor, selbst wenn es mehr als absurd war, dass ich einen Unfall bauen würde.
„Zufrieden?“, fragte ich.
„Fast.“
„Ich hasse es, langsam zu fahren“, murmelte ich.
„Das soll langsam sein?“, fragte Bella skeptisch.
Ich verdrehte die Augen und sah sie eindringlich an. „Das waren jetzt genug Bemerkungen zu meinem Fahrstil. Ich warte immer noch auf deine Theorie.“
Bella biss sich auf die Lippen und schwieg.
„Ich lache nicht“, versprach ich.
„Ich hab eher Angst, dass du sauer bist“, gestand sie leise.
„So schlimm?“
„Ziemlich.“
Ich wartete angespannt und betrachtete Bella, die sichtlich nervös war.
Was für eine Theorie hatte sie, wenn sie sich so überwinden musste, es mir zu sagen?
„Na los“, drängelte ich wieder, aber meine Stimme war ruhig.
„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll“, gab sie zu.
„Am besten am Anfang… Du hast gesagt, dass du nicht von allein drauf gekommen bist?“
„Nein“, antwortete sie knapp.
„Wie dann? Durch ein Buch? Einen Film?“
„Weder noch. Ich war doch Samstag am Strand. Da hab ich einen alten Freund getroffen – Jacob Black. Sein Dad und Charlie waren schon befreundet, da war ich noch ein Baby“, sagte Bella.
Ich wunderte mich, was das für eine Theorie sein konnte; ich verstand rein gar nichts.
„Sein Dad ist ein Stammesältester der Quileute“, fuhr sie fort.
Ich erstarrte – sie wusste es.
Es gab keine andere Erklärung, falls sie tatsächlich mit diesem Wolfstamm geredet hatte.
„Wir sind ein bisschen spazieren gegangen“, erzählte Bella weiter. „Und er hat mir ein paar alte Legenden erzählt; ich glaube, er wollte mir Angst einjagen. Jedenfalls, eine davon…“ Sie zögerte.
„Ja?“
„Eine handelte von Vampiren.“ Bellas Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.
Sie wusste es wirklich.
Meine Hand umklammerte krampfhaft das Lenkrad, aber ich durfte mir nichts weiter anmerken lassen.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte – ich würde sie nicht von ihrer Theorie abbringen können.
Hieß das etwa, dass meine Familie und ich wieder weg mussten?
Ich blendete die trüben Gedanken aus und konzentrierte mich auf das hier und jetzt.
„Und du hast sofort an mich gedacht?“, hakte ich nach.
Es kostete mich einige Selbstbeherrschung, jetzt noch ruhig zu bleiben.
„Nein. Er… hat deine Familie erwähnt.“
Ich erwiderte nichts darauf und sah starr auf die Straße.
„Für ihn war das alles nur dummer Aberglaube“, fuhr Bella hastig fort. „Er wäre nie auf die Idee gekommen, dass ich mir irgendwas dabei denken könnte. Und ehrlich gesagt war es meine Schuld. Ich hab ihn dazu gebracht, mir die Geschichte zu erzählen“, gestand sie.
„Warum?“
„Zuerst fragte Lauren, warum du nicht dabei bist, um mich zu provozieren. Daraufhin sagte ein älterer Junge vom Stamm, dass deine Familie nicht ins Reservat kommt, nur dass es klang, als meinte er noch was anderes. Und dann hab ich mir Jacob zur Seite genommen und ihn bearbeitet, bis er es mir verriet.“
Ich sah aus den Augenwinkeln, dass sie den Kopf senkte.
Ich musste mir ein Schmunzeln verkneifen und merkte, dass meine Laune seltsamer Weise wieder ein wenig anhob.
„Wie hast du das denn angestellt?“, fragte ich sie mit einer kleinen Spur von Neugier in der Stimme.
„Ich hab versucht zu flirten. Es hat besser funktioniert, als ich dachte.“ Sie klang ein wenig so, als könnte sie es selbst kaum glauben.
„Das hätte ich gerne gesehen. Aber mir vorwerfen, Leute aus der Fassung zu bringen! Armer Jacob Black.“
Die Präsenz von Bellas Blutgeruch wurde wieder stärker und ich war mir sicher, dass sie wieder rot anlief.
„Und was hast du dann gemacht?“, fragte ich nach einem kurzen Schweigen.
„Ich hab ein bisschen im Internet recherchiert.“
„Und – hat dich das überzeugt?“, fragte ich möglichst beiläufig, doch die innere Unruhe war wieder in mir.
„Nein. Nichts passte. Und das meiste war ziemlich albern. Und dann…“ Sie hielt inne.
„Und dann was?“, drängelte ich sie.
„Dann hab ich mir gesagt, dass es egal ist“, flüsterte sie.
„Egal?“
Egal was ich erwartet hatte – ihre Antwort war eine ganz andere und vollkommen absurd.
Wie konnte es ihr denn egal sein, wenn ich sie jeden Augenblick töten konnte?
Wie konnte es ihr egal sein, dass ich gefährlich war?
Ich verstand die Welt nicht mehr.
„Ja“, sagte sie leise. „Es ist mir egal, was du bist.“
„Es ist dir egal, ob ich ein Monster bin? Ob ich ein Mensch bin oder nicht?“
„Ja.“
Ich erwiderte darauf nichts und starrte stumm gerade aus.
Sie war eindeutig verrückt – welcher Mensch konnte nur so lebensmüde sein?
Wie konnte sie immer noch etwas mit mir zu tun haben wollen?
„Jetzt bist du wütend“, seufzte sie. „Hätte ich dir lieber nichts gesagt.“
„Nein“, widersprach ich. „Mir ist es lieber, wenn ich weiß, was du denkst – selbst wenn es völlig verrückt ist.“
„Soll das heißen, ich lieg wieder falsch?“, fragte sie schnippisch.
„Das meine ich nicht. ‚Es ist mir egal‘!“ Ich biss meine Zähne fest zusammen.
„Ich hab also Recht?“ Ich konnte hören, wie sie den Atem anhielt.
„Ich denke, es ist egal?“, antwortete ich schroff.
Sie holte tief Luft.
„Ist es auch. Aber neugierig bin ich trotzdem.“
Ich war mir sicher, dass ihre Gelassenheit nur eine Täuschung war.
Selbst wenn es ihr egal war, kein Mensch würde so gelassen in einem Auto mit einem Vampir sitzen können.
„Worauf bist du denn neugierig?“, fragte ich sie resigniert.
„Zum Beispiel darauf, wie alt du bist.“
„Siebzehn“, antwortete ich sofort ohne nachzudenken.
„Und wie lange bist du schon siebzehn?“
Ich schwieg eine kurze Zeit und starrte wieder die Straße an.
„Eine Weile“, gab ich schließlich zu.
Ich wusste nicht, was geschehen würde, wenn Bella mein wahres Alter erfahren würde, deswegen ließ ich es unter den Tisch fallen.
„Okay.“
Ich sah sie wieder an und bemerkte verwundert, dass sie lächelte.
Als sie meinen Blick bemerkte, wurde ihr Lächeln strahlend und ich runzelte die Stirn.
Was sie nun völlig verrückt geworden?
„Bitte nicht lachen – aber wie kommt es, dass du tagsüber rausgehen kannst?“, fragte sie.
Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.
„Alles Mythos.“
„Ihr werdet nicht von der Sonne verbrannt?“
„Mythos.“
„Ihr schlaft auch nicht in Särgen?“
„Mythos.“ Ich zögerte einen Moment. „Ich kann nicht schlafen.“ Meine Stimme klang fast enttäuscht.
„Gar nicht?“
„Nie.“
Ich sah sie wehmütig an und sah in ihre Augen. Ich wusste nicht einmal mehr, wie es sich anfühlt, wenn man schläft. Es war etwas von seiner Menschlichkeit, die mach nach und nach verlor, wenn man ein Vampir wurde – genauso wie die meisten aller Erinnerungen an seinem früheren Leben.
Ich wandte wieder den Blick von ihr ab.
„Das Wichtigste hast du mich noch gar nicht gefragt“, sagte ich ernst.
„Das wäre?“, fragte Bella benommen.
„Machst du dir keine Gedanken über meine Ernährung?“, fragte ich sarkastisch.
„Ach so“, murmelte sie leise. „Das meinst du.“
„Ja, das. Willst du nicht wissen, ob ich Blut trinke?“ Meine Stimme klang irgendwie mutlos.
Spätestens meine Ernährung sollte abschreckend genug sein, dass sie mich nach dieser Fahrt meiden würde. Vermutlich hatte sie bisher nicht darüber nachgedacht - aber das war unvermeidlich.
Es war allerdings vielleicht auch besser, wenn sie mich meiden würde, auch wenn ich das selbst nicht wollte.
„Na ja, Jacob hat was dazu gesagt“, antwortete sie erschrocken.
„Und was hat Jacob gesagt?“
„Er hat gesagt, dass ihr keine… Menschen jagt. Und dass deine Familie als ungefährlich galt, weil ihr nur Tiere gejagt habt.“
„Er hat gesagt, wir sind ungefährlich?“, fragte ich skeptisch.
„Nicht ganz. Er hat gesagt, dass ihr als ungefährlich galtet, aber dass die Quileute euch trotzdem nicht auf ihrem Land haben wollten, um sicherzugehen.“
Ich schwieg wieder und dachte fast ein Jahrhundert zurück, als ich zusammen mit Carlisle, Esme, Rosalie und Emmett den Pakt mit den Quileuten schloss.
Ich erinnerte mich noch gut daran, als wäre es gestern gewesen, dass sie so überzeugt von Carlisles Gutmütigkeit waren, dass sie uns halbwegs trauten.
„Und, hat er Recht? Dass ihr keine Menschen jagt?“, drängelte Bella weiter und riss mich aus meinen Gedanken.
„Die Quileute haben ein langes Gedächtnis“, flüsterte ich. „Kein Grund zur Sorglosigkeit. Sie tun recht daran, uns fernzubleiben. Wir sind immer noch gefährlich.“
„Das verstehe ich jetzt nicht.“
„Wir tun unser Bestes“, erklärte ich ruhig. „Und normalerweise sind wir sehr gut in dem, was wir tun. Aber manchmal unterlaufen uns Fehler. Mir zum Beispiel, wenn ich mir gestatte, mit dir allein zu sein.“
„Das ist ein Fehler?“, fragte sie traurig.
„Ein extrem gefährlicher“, sagte ich leise.
„Darf ich dich noch eine Sache fragen?“, bat Bella und ihre Stimme klang leicht verzweifelnd.
Ich seufzte – mir kam es so vor, als wollte sie Zeit schinden.
„Eine“, willigte ich schließlich ein.
„Also… du hast doch gesagt, dass du wusstest, dass ich den Buchladen nicht betreten habe und stattdessen weiter in südliche Richtung gegangen bin. Kannst du mir sagen, woher?“
Ich wandte meinen Blick von ihr ab und überlegte.
Wie viel konnte ich ihr sagen – oder machte es schon längst keinen Unterschied mehr?
„Ich dachte, mit den Ausweichmanövern sei Schluss“, maulte Bella.
Fast lächelte ich. Vielleicht sollte ich mich an ihren Dickkopf gewöhnen.
„Na schön, wie du willst. Ich bin deinem Geruch gefolgt. Aber dann hab ich die Spur wieder verloren.“
Ich wandte mich wieder von ihr ab, da ich ihre Frage beantwortet hatte und wartete darauf, dass sie meine Antwort aufgenommen hatte.
„Und dann hast du meine erste Frage noch nicht beantwortet“, fuhr Bella fort, nachdem sie einen Moment lang nachgedacht hatte.
Dem Anschein nach spielte sie wirklich auf Zeit.
„Welche?“, fragte ich missbilligend.
„Wie das geht, das Gedankenlesen. Kannst du die Gedanken von jedem lesen, egal wo? Wie machst du das? Und kannst nur du das oder auch die anderen aus deiner Familie?“, sprudelte sie hervor.
„Das ist mehr als eine“, stellte ich abwertend fest.
Bella verschränkte ihre Finger und sah mich auffordernd an.
Fast hätte ich geseufzt.
„Nein, nur ich. Und ich kann auch nicht jeden hören, und überall. Ich muss halbwegs in der Nähe sein. Je vertrauter… die ‚Stimme‘ ist, desto weiter kann ich sie hören. Trotzdem nicht mehr als ein paar Meilen weit“, antwortete ich und überlegte einen Moment, um meine Aussage genauer darzustellen. „Es ist ein bisschen so, als wäre man in einem riesigen Saal voller Menschen, die alle auf einmal reden. Alles ist ein einziges Summen – ein Hintergrundrauschen aus Stimmen. Bis man sich auf eine konzentriert, dann tritt sie klar hervor und man hört die Gedanken der Person. Die meiste Zeit blende ich das alles aus. Es lenkt ziemlich ab. Und es ist einfacher, normal zu erscheinen, wenn man nicht versehentlich auf die Gedanken von jemand antwortet statt auf seine Worte.“
„Was meinst du, warum du mich nicht hören kannst?“, fragte Bella interessiert.
„Ich weiß es nicht“, murmelte ich. „Ich kann mir nur vorstellen, dass dein Gehirn irgendwie anders arbeitet als die der anderen. Als würden deine Gedanken auf Kurzwelle gesendet, aber ich kann nur UKW empfangen.“
Ich grinste und war stolz auf meine Theorie – auch wenn sie falsch war.
„Mein Gehirn funktioniert also nicht richtig, ist es das? Ich bin ein Freak?“, fragte sie entrüstet.
Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.
„Ich höre Stimmen, und du machst dir Sorgen, ein Freak zu sein! Keine Angst, es ist nur eine Theorie…“
Ich sah sie streng an. „Womit wir wieder beim eigentlichen Thema wären“, erinnerte ich sie.
Sie seufzte.
„Wie war das – Schluss mit den Ausweichmanövern?“, drängelte ich sie sanft.
Bella wandte den Blick von mir ab, als müsste sie ihre Gedanken sortieren und ihr Blick schien auf den Tacho zu fallen.
„Meine Güte!“, schrie sie. „Nicht so schnell!“
„Was denn?“, fragte ich erschrocken und betrachtete besorgt ihr blasses Gesicht.
„Du fährst hundert Meilen pro Stunde!“, schrie sie panisch weiter und warf nervös einen Blick aus dem Seitenfenster.
Ich verstand nicht, wie man aufgrund einer solchen Geschwindigkeit so panisch werden konnte – schließlich war das sogar noch relativ langsam.
„Entspann dich, Bella“, sagte ich und verdrehte sie Augen.
„Willst du uns umbringen?“, fragte sie eindringlich, als ich nicht daran dachte, das Tempo zu drosseln.
„Es wird uns nichts passieren.“
„Warum hast du’s dann so eilig?“, konterte Bella gedämpft.
„Das ist meine normale Geschwindigkeit“, erklärte ich und lächelte sie an.
„Guck nach vorn!“
„Bella, ich hatte noch nie einen Unfall “, erwiderte ich, „- ich hab noch nicht einmal einen Strafzettel bekommen.“
Ich grinste und tippte mit meinen Fingerspitzen gegen meine Stirn. „Eingebauter Radardetektor.“
„Sehr witzig“, giftete sie. „Charlie ist Polizist, falls du das vergessen hast. Man hat mir beigebracht, die Verkehrsregeln zu beachten. Und außerdem, wenn du den Volvo um einen Baum wickelst, kannst du wahrscheinlich einfach aussteigen und fortgehen.“
„Wahrscheinlich“, stimmte ich mit einem kurzen Lachen hinzu. „Aber du nicht.“
Ich dachte einen Moment darüber nach und drosselte dann seufzend das Tempo – Bellas Sicherheit ging vor, selbst wenn es mehr als absurd war, dass ich einen Unfall bauen würde.
„Zufrieden?“, fragte ich.
„Fast.“
„Ich hasse es, langsam zu fahren“, murmelte ich.
„Das soll langsam sein?“, fragte Bella skeptisch.
Ich verdrehte die Augen und sah sie eindringlich an. „Das waren jetzt genug Bemerkungen zu meinem Fahrstil. Ich warte immer noch auf deine Theorie.“
Bella biss sich auf die Lippen und schwieg.
„Ich lache nicht“, versprach ich.
„Ich hab eher Angst, dass du sauer bist“, gestand sie leise.
„So schlimm?“
„Ziemlich.“
Ich wartete angespannt und betrachtete Bella, die sichtlich nervös war.
Was für eine Theorie hatte sie, wenn sie sich so überwinden musste, es mir zu sagen?
„Na los“, drängelte ich wieder, aber meine Stimme war ruhig.
„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll“, gab sie zu.
„Am besten am Anfang… Du hast gesagt, dass du nicht von allein drauf gekommen bist?“
„Nein“, antwortete sie knapp.
„Wie dann? Durch ein Buch? Einen Film?“
„Weder noch. Ich war doch Samstag am Strand. Da hab ich einen alten Freund getroffen – Jacob Black. Sein Dad und Charlie waren schon befreundet, da war ich noch ein Baby“, sagte Bella.
Ich wunderte mich, was das für eine Theorie sein konnte; ich verstand rein gar nichts.
„Sein Dad ist ein Stammesältester der Quileute“, fuhr sie fort.
Ich erstarrte – sie wusste es.
Es gab keine andere Erklärung, falls sie tatsächlich mit diesem Wolfstamm geredet hatte.
„Wir sind ein bisschen spazieren gegangen“, erzählte Bella weiter. „Und er hat mir ein paar alte Legenden erzählt; ich glaube, er wollte mir Angst einjagen. Jedenfalls, eine davon…“ Sie zögerte.
„Ja?“
„Eine handelte von Vampiren.“ Bellas Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.
Sie wusste es wirklich.
Meine Hand umklammerte krampfhaft das Lenkrad, aber ich durfte mir nichts weiter anmerken lassen.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte – ich würde sie nicht von ihrer Theorie abbringen können.
Hieß das etwa, dass meine Familie und ich wieder weg mussten?
Ich blendete die trüben Gedanken aus und konzentrierte mich auf das hier und jetzt.
„Und du hast sofort an mich gedacht?“, hakte ich nach.
Es kostete mich einige Selbstbeherrschung, jetzt noch ruhig zu bleiben.
„Nein. Er… hat deine Familie erwähnt.“
Ich erwiderte nichts darauf und sah starr auf die Straße.
„Für ihn war das alles nur dummer Aberglaube“, fuhr Bella hastig fort. „Er wäre nie auf die Idee gekommen, dass ich mir irgendwas dabei denken könnte. Und ehrlich gesagt war es meine Schuld. Ich hab ihn dazu gebracht, mir die Geschichte zu erzählen“, gestand sie.
„Warum?“
„Zuerst fragte Lauren, warum du nicht dabei bist, um mich zu provozieren. Daraufhin sagte ein älterer Junge vom Stamm, dass deine Familie nicht ins Reservat kommt, nur dass es klang, als meinte er noch was anderes. Und dann hab ich mir Jacob zur Seite genommen und ihn bearbeitet, bis er es mir verriet.“
Ich sah aus den Augenwinkeln, dass sie den Kopf senkte.
Ich musste mir ein Schmunzeln verkneifen und merkte, dass meine Laune seltsamer Weise wieder ein wenig anhob.
„Wie hast du das denn angestellt?“, fragte ich sie mit einer kleinen Spur von Neugier in der Stimme.
„Ich hab versucht zu flirten. Es hat besser funktioniert, als ich dachte.“ Sie klang ein wenig so, als könnte sie es selbst kaum glauben.
„Das hätte ich gerne gesehen. Aber mir vorwerfen, Leute aus der Fassung zu bringen! Armer Jacob Black.“
Die Präsenz von Bellas Blutgeruch wurde wieder stärker und ich war mir sicher, dass sie wieder rot anlief.
„Und was hast du dann gemacht?“, fragte ich nach einem kurzen Schweigen.
„Ich hab ein bisschen im Internet recherchiert.“
„Und – hat dich das überzeugt?“, fragte ich möglichst beiläufig, doch die innere Unruhe war wieder in mir.
„Nein. Nichts passte. Und das meiste war ziemlich albern. Und dann…“ Sie hielt inne.
„Und dann was?“, drängelte ich sie.
„Dann hab ich mir gesagt, dass es egal ist“, flüsterte sie.
„Egal?“
Egal was ich erwartet hatte – ihre Antwort war eine ganz andere und vollkommen absurd.
Wie konnte es ihr denn egal sein, wenn ich sie jeden Augenblick töten konnte?
Wie konnte es ihr egal sein, dass ich gefährlich war?
Ich verstand die Welt nicht mehr.
„Ja“, sagte sie leise. „Es ist mir egal, was du bist.“
„Es ist dir egal, ob ich ein Monster bin? Ob ich ein Mensch bin oder nicht?“
„Ja.“
Ich erwiderte darauf nichts und starrte stumm gerade aus.
Sie war eindeutig verrückt – welcher Mensch konnte nur so lebensmüde sein?
Wie konnte sie immer noch etwas mit mir zu tun haben wollen?
„Jetzt bist du wütend“, seufzte sie. „Hätte ich dir lieber nichts gesagt.“
„Nein“, widersprach ich. „Mir ist es lieber, wenn ich weiß, was du denkst – selbst wenn es völlig verrückt ist.“
„Soll das heißen, ich lieg wieder falsch?“, fragte sie schnippisch.
„Das meine ich nicht. ‚Es ist mir egal‘!“ Ich biss meine Zähne fest zusammen.
„Ich hab also Recht?“ Ich konnte hören, wie sie den Atem anhielt.
„Ich denke, es ist egal?“, antwortete ich schroff.
Sie holte tief Luft.
„Ist es auch. Aber neugierig bin ich trotzdem.“
Ich war mir sicher, dass ihre Gelassenheit nur eine Täuschung war.
Selbst wenn es ihr egal war, kein Mensch würde so gelassen in einem Auto mit einem Vampir sitzen können.
„Worauf bist du denn neugierig?“, fragte ich sie resigniert.
„Zum Beispiel darauf, wie alt du bist.“
„Siebzehn“, antwortete ich sofort ohne nachzudenken.
„Und wie lange bist du schon siebzehn?“
Ich schwieg eine kurze Zeit und starrte wieder die Straße an.
„Eine Weile“, gab ich schließlich zu.
Ich wusste nicht, was geschehen würde, wenn Bella mein wahres Alter erfahren würde, deswegen ließ ich es unter den Tisch fallen.
„Okay.“
Ich sah sie wieder an und bemerkte verwundert, dass sie lächelte.
Als sie meinen Blick bemerkte, wurde ihr Lächeln strahlend und ich runzelte die Stirn.
Was sie nun völlig verrückt geworden?
„Bitte nicht lachen – aber wie kommt es, dass du tagsüber rausgehen kannst?“, fragte sie.
Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.
„Alles Mythos.“
„Ihr werdet nicht von der Sonne verbrannt?“
„Mythos.“
„Ihr schlaft auch nicht in Särgen?“
„Mythos.“ Ich zögerte einen Moment. „Ich kann nicht schlafen.“ Meine Stimme klang fast enttäuscht.
„Gar nicht?“
„Nie.“
Ich sah sie wehmütig an und sah in ihre Augen. Ich wusste nicht einmal mehr, wie es sich anfühlt, wenn man schläft. Es war etwas von seiner Menschlichkeit, die mach nach und nach verlor, wenn man ein Vampir wurde – genauso wie die meisten aller Erinnerungen an seinem früheren Leben.
Ich wandte wieder den Blick von ihr ab.
„Das Wichtigste hast du mich noch gar nicht gefragt“, sagte ich ernst.
„Das wäre?“, fragte Bella benommen.
„Machst du dir keine Gedanken über meine Ernährung?“, fragte ich sarkastisch.
„Ach so“, murmelte sie leise. „Das meinst du.“
„Ja, das. Willst du nicht wissen, ob ich Blut trinke?“ Meine Stimme klang irgendwie mutlos.
Spätestens meine Ernährung sollte abschreckend genug sein, dass sie mich nach dieser Fahrt meiden würde. Vermutlich hatte sie bisher nicht darüber nachgedacht - aber das war unvermeidlich.
Es war allerdings vielleicht auch besser, wenn sie mich meiden würde, auch wenn ich das selbst nicht wollte.
„Na ja, Jacob hat was dazu gesagt“, antwortete sie erschrocken.
„Und was hat Jacob gesagt?“
„Er hat gesagt, dass ihr keine… Menschen jagt. Und dass deine Familie als ungefährlich galt, weil ihr nur Tiere gejagt habt.“
„Er hat gesagt, wir sind ungefährlich?“, fragte ich skeptisch.
„Nicht ganz. Er hat gesagt, dass ihr als ungefährlich galtet, aber dass die Quileute euch trotzdem nicht auf ihrem Land haben wollten, um sicherzugehen.“
Ich schwieg wieder und dachte fast ein Jahrhundert zurück, als ich zusammen mit Carlisle, Esme, Rosalie und Emmett den Pakt mit den Quileuten schloss.
Ich erinnerte mich noch gut daran, als wäre es gestern gewesen, dass sie so überzeugt von Carlisles Gutmütigkeit waren, dass sie uns halbwegs trauten.
„Und, hat er Recht? Dass ihr keine Menschen jagt?“, drängelte Bella weiter und riss mich aus meinen Gedanken.
„Die Quileute haben ein langes Gedächtnis“, flüsterte ich. „Kein Grund zur Sorglosigkeit. Sie tun recht daran, uns fernzubleiben. Wir sind immer noch gefährlich.“
„Das verstehe ich jetzt nicht.“
„Wir tun unser Bestes“, erklärte ich ruhig. „Und normalerweise sind wir sehr gut in dem, was wir tun. Aber manchmal unterlaufen uns Fehler. Mir zum Beispiel, wenn ich mir gestatte, mit dir allein zu sein.“
„Das ist ein Fehler?“, fragte sie traurig.
„Ein extrem gefährlicher“, sagte ich leise.
Gast- Gast
Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19
Wir beide schwiegen und ich starrte in die Nacht hinaus.
Ich war so ein erbärmlicher, selbstsüchtiger Idiot - das wurde mir jetzt erst bewusst.
„Erzähl mir mehr“, bat Bella verzweifelnd.
Ich sah sie wieder besorgt an .
„Was willst du denn noch wissen?“
„Verrat mir, warum du Tiere jagst und keine Menschen.“
„Ich möchte kein Monster sein.“ Meine Stimme war sehr leise.
„Aber Tiere genügen nicht?“
Ich überlegte. „Ich bin mir natürlich nicht sicher, aber vielleicht kann man es mit einer Ernährung auf Tofu- und Sojamilchbasis vergleichen. Wir nennen uns Vegetarier – unser kleiner Insiderwitz. Es stillt nicht vollständig den Hunger, oder vielmehr den Durst. Aber es gibt uns genügend Kraft, um widerstehen zu können. Meistens zumindest. Zu manchen Zeiten ist es schwerer als zu anderen.“
„Ist es jetzt gerade sehr schwer?“, fragte Bella.
Ich seufzte. „Ja.“
Es war immer schwerer, wenn sie in der Nähe war.
„Aber du bist im Augenblick nicht hungrig“, sagte sie voller Überzeugung.
„Wie kommst du darauf?“
„Deine Augen. Ich hab dir doch gesagt, ich hab eine Theorie dazu. Mir ist aufgefallen, dass Leute – speziell Männer – schlechter gelaunt sind, wenn sie Hunger haben.“
Ich lachte.
„Dir entgeht aber auch gar nichts, oder?“
„Warst du am Wochenende mit Emmett jagen?“, fragte sie wieder, als es still wurde.
„Ja.“ Ich hielt kurz inne und überlegte, ob ich ehrlich sein sollte. „Ich wollte nicht weg, aber es war notwendig. Es fällt mir etwas leichter, in deiner Nähe zu sein, wenn ich nicht durstig bin.“
„Warum wolltest du nicht weg?“, fragte Bella verwirrt.
„Es macht mich…nervös… nicht in deiner Nähe zu sein“, gestand ich und sah sie sanft an. „Es war kein Witz, als ich dir am vergangenen Donnerstag sagte, du sollst aufpassen, dass du nicht in den Ozean fällst oder überfahren wirst. Das ganze Wochenende über konnte ich mich auf nichts konzentrieren, so besorgt war ich um dich. Und nach dem, was heute passiert ist, bin ich tatsächlich überrascht, dass du mehrere Tage am Stück unversehrt überstanden hast.“ Ich schüttelte den Kopf und dann erinnerte ich mich an ihre Abschürfungen auf ihren Handballen.
„Na ja, nicht ganz unversehrt“, fügte ich hinzu.
„Wie bitte?“
„Deine Hände“, erinnerte ich sie.
„Ich bin hingefallen“, antwortete sie seufzend.
„Das dachte ich mir.“
Mein Mundwinkel zuckte verdächtig.
„In deinem Fall würde ich das als glücklichen Umstand bezeichnen – es hätte weit schlimmer kommen können, und genau dieser Gedanke hat mir die ganze Zeit keine Ruhe gelassen. Es waren sehr lange drei Tage. Ich bin Emmett fürchterlich auf die Nerven gegangen.“
„Drei Tage? Seid ihr nicht erst heute zurückgekommen?“, fragte sie mich verwirrt.
„Wir sind am Sonntag zurückgekommen.“
„Warum war dann keiner von euch in der Schule?“ Bella klang fast schon wütend.
„Na ja, du wolltest doch wissen, ob die Sonne mich verletzt – das tut sie nicht, aber ich kann trotzdem bei Sonnenschein nicht rausgehen, zumindest nicht, wenn mich jemand sehen kann.“
„Warum nicht?“
„Ich zeig’s dir bei Gelegenheit“, versprach ich.
„Du hättest mich anrufen können“, sagte sie bestimmt.
„Wieso – ich wusste doch, dass du in Sicherheit bist“, erwiderte ich verwundert.
„Aber ich wusste nicht, wo du bist. Ich…“ Sie zögerte einen Moment und senkte ihren Blick.
„Was?“, fragte ich sanft.
„Es war nicht gut. Dich zu sehen. Mich macht das auch nervös.“
Das Blut schoss wieder in ihr Gesicht und ich brauchte einen kurzen Moment, um ihre Aussage zu verstehen.
Empfand sie also genauso wie ich für sie? Das war… falsch.
„Ah“, stöhnte ich leise, „das darf nicht sein.“
„Was hab ich denn gesagt?“, fragte sie irritiert.
„Begreifst du nicht, Bella? Es ist eine Sache, wenn ich mich ins Unglück stürze, aber etwas völlig anderes, wenn du so tief drinsteckst.“
Ich senkte meinen Blick gequält auf die Kegel der Scheinwerfer.
Selbst wenn ich innerlich immer gehofft hatte, dass sie für mich so empfand, war es dennoch falsch und zu riskant für sie.
„Ich will nicht hören, dass du dich so fühlst. Es ist falsch. Es ist nicht sicher. Ich bin gefährlich, Bella – kapier das bitte.“
„Nein“, sagte sie barsch.
„Ich meine es ernst“, knurrte ich leise.
„Ich meine es auch ernst. Ich hab dir gesagt, es ist mir egal, was du bist. Es ist zu spät.“
„Sag das niemals.“
Bella wandte den Blick von mir ab und sah aus dem Fenster.
Hatte ich sie verletzt?
„Was denkst du?“, fragte ich.
Sie schüttelte leicht den Kopf und ignorierte mich.
Ich sah, wie sich die Tränen in ihren Augen ansammelten und bereute sofort meine groben Worte.
„Weinst du?“, fragte ich entsetzt.
Hektisch wischte sie sie fort.
„Nein“, antwortete sie, aber ihre Stimme brach weg.
Unwillkürlich streckte ich meine rechte Hand nach ihr aus, um sie zu trösten, zog sie dann aber wieder zurück.
„Es tut mir Leid“, flüsterte ich.
„Ich wollte dich was fragen“, sagte ich nach einer Weile der Schweigsamkeit.
„Ja?“
„Was hast du vorhin gedacht, unmittelbar bevor ich um die Ecke kam? Ich konnte mir keinen Reim auf deinen Gesichtsausdruck machen – du hast nicht ängstlich ausgesehen, eher hochkonzentriert.“
„Ich hab versucht mich daran zu erinnern, wie man einen Angreifer unschädlich macht – du weißt schon, Selbstverteidigung. Ich hatte vor, ihm die Nase ins Gehirn zu quetschen.“
„Du hattest vor, mit ihnen zu kämpfen?“, fragte ich ungläubig. „Und du bist nicht auf die Idee gekommen wegzulaufen?“
„Ich fall ziemlich schnell hin, wenn ich renne“, erwiderte sie.
„Und was ist mit Schreien?“
„Dazu wollte ich gerade kommen.“
Ich schüttelte den Kopf. „Du hattest Recht – wenn ich versuche dich zu beschützen, greife ich definitiv ins Schicksal ein.“
Sie seufzte leise und ich fuhr mit meinem Volvo in Forks hinein.
„Sehen wir uns morgen?“, wollte sie wissen.
„Ja – ich muss auch einen Aufsatz abgeben.“ Ich lächelte. „Ich halte dir beim Mittagessen einen Platz frei.“
Ich hielt den Volvo vor ihrem Haus an und wartete.
„Versprichst du, morgen zu kommen?“, hakte sie nach.
„Ich verspreche es.“
Sie nickte stumm und zog meine Jacke aus.
„Behalt sie – du hast doch keine für morgen“, erinnerte ich sie und dachte an die tägliche Kälte von Forks.
Bella reichte mir die Jacke.
„Aber ich hab auch keine Lust, das Charlie zu erklären.“
„Oh, ich verstehe.“ Ich grinste.
Sie hatte ihre Hand schon am Türgriff, bevor mir etwas einfiel.
„Bella?“, fragte ich zögerlich.
„Ja?“ Sie drehte sich wieder zu mir um.
„Versprichst du mir auch etwas?“
„Ja“, sagte sie sofort.
„Geh nicht allein in den Wald.“
„Warum denn nicht?“, fragte sie verdutzt.
Ich runzelte die Stirn und sah aus dem Fenster.
„Sagen wir einfach, ich bin nicht immer die größte Gefahr da draußen, okay?“
Bei ihrem Glück würde sie wohl in die Hände des nächstbesten Vampirs laufen, der unser Gebiet streifte.
„Wie du willst“, versicherte sie mir.
„Bis morgen dann“, sagte ich erleichtert.
„Bis morgen.“ Sie öffnete langsam sie Tür.
Ich wusste, dass das meine letzte Chance an diesem Abend war und ich beugte mich zu ihr nach vorne.
„Bella?“, fragte ich sie leise.
Ich war ihr so nah, dass ihr Geruch noch stärker war als zuvor und ich ihren plötzlich aussetzenden Herzschlag hörte.
„Schlaf gut“, sagte ich und lehnte mich wieder von ihr weg, bevor ich zu viel über ihr Blut nachdachte, dessen Geruch so langsam in meiner Kehle brannte.
Bella war eine kurze Zeit unfähig, sich zu rühren, doch dann stieg sie umständlich aus.
Ich lachte leise, als sie sich am Türrahmen festhalten musste, um nicht hinzufallen.
Als sie an der Haustür angelangt war, ließ ich den Motor an und bog um die nächste Ecke.
Anscheinend akzeptierte mich Bella so wie ich war und schien dasselbe für mich zu empfinden.
Doch was sollte ich nun tun?
Sollte ich weiterhin meiner eigenen Weise folgen - oder doch auf meine Moral achten?
Es war wirklich meine letzte Chance, bevor alles seinen eigenen Weg gehen würde.
Und vor allem was tat ich nun wegen meiner Familie?
Ich war so ein erbärmlicher, selbstsüchtiger Idiot - das wurde mir jetzt erst bewusst.
„Erzähl mir mehr“, bat Bella verzweifelnd.
Ich sah sie wieder besorgt an .
„Was willst du denn noch wissen?“
„Verrat mir, warum du Tiere jagst und keine Menschen.“
„Ich möchte kein Monster sein.“ Meine Stimme war sehr leise.
„Aber Tiere genügen nicht?“
Ich überlegte. „Ich bin mir natürlich nicht sicher, aber vielleicht kann man es mit einer Ernährung auf Tofu- und Sojamilchbasis vergleichen. Wir nennen uns Vegetarier – unser kleiner Insiderwitz. Es stillt nicht vollständig den Hunger, oder vielmehr den Durst. Aber es gibt uns genügend Kraft, um widerstehen zu können. Meistens zumindest. Zu manchen Zeiten ist es schwerer als zu anderen.“
„Ist es jetzt gerade sehr schwer?“, fragte Bella.
Ich seufzte. „Ja.“
Es war immer schwerer, wenn sie in der Nähe war.
„Aber du bist im Augenblick nicht hungrig“, sagte sie voller Überzeugung.
„Wie kommst du darauf?“
„Deine Augen. Ich hab dir doch gesagt, ich hab eine Theorie dazu. Mir ist aufgefallen, dass Leute – speziell Männer – schlechter gelaunt sind, wenn sie Hunger haben.“
Ich lachte.
„Dir entgeht aber auch gar nichts, oder?“
„Warst du am Wochenende mit Emmett jagen?“, fragte sie wieder, als es still wurde.
„Ja.“ Ich hielt kurz inne und überlegte, ob ich ehrlich sein sollte. „Ich wollte nicht weg, aber es war notwendig. Es fällt mir etwas leichter, in deiner Nähe zu sein, wenn ich nicht durstig bin.“
„Warum wolltest du nicht weg?“, fragte Bella verwirrt.
„Es macht mich…nervös… nicht in deiner Nähe zu sein“, gestand ich und sah sie sanft an. „Es war kein Witz, als ich dir am vergangenen Donnerstag sagte, du sollst aufpassen, dass du nicht in den Ozean fällst oder überfahren wirst. Das ganze Wochenende über konnte ich mich auf nichts konzentrieren, so besorgt war ich um dich. Und nach dem, was heute passiert ist, bin ich tatsächlich überrascht, dass du mehrere Tage am Stück unversehrt überstanden hast.“ Ich schüttelte den Kopf und dann erinnerte ich mich an ihre Abschürfungen auf ihren Handballen.
„Na ja, nicht ganz unversehrt“, fügte ich hinzu.
„Wie bitte?“
„Deine Hände“, erinnerte ich sie.
„Ich bin hingefallen“, antwortete sie seufzend.
„Das dachte ich mir.“
Mein Mundwinkel zuckte verdächtig.
„In deinem Fall würde ich das als glücklichen Umstand bezeichnen – es hätte weit schlimmer kommen können, und genau dieser Gedanke hat mir die ganze Zeit keine Ruhe gelassen. Es waren sehr lange drei Tage. Ich bin Emmett fürchterlich auf die Nerven gegangen.“
„Drei Tage? Seid ihr nicht erst heute zurückgekommen?“, fragte sie mich verwirrt.
„Wir sind am Sonntag zurückgekommen.“
„Warum war dann keiner von euch in der Schule?“ Bella klang fast schon wütend.
„Na ja, du wolltest doch wissen, ob die Sonne mich verletzt – das tut sie nicht, aber ich kann trotzdem bei Sonnenschein nicht rausgehen, zumindest nicht, wenn mich jemand sehen kann.“
„Warum nicht?“
„Ich zeig’s dir bei Gelegenheit“, versprach ich.
„Du hättest mich anrufen können“, sagte sie bestimmt.
„Wieso – ich wusste doch, dass du in Sicherheit bist“, erwiderte ich verwundert.
„Aber ich wusste nicht, wo du bist. Ich…“ Sie zögerte einen Moment und senkte ihren Blick.
„Was?“, fragte ich sanft.
„Es war nicht gut. Dich zu sehen. Mich macht das auch nervös.“
Das Blut schoss wieder in ihr Gesicht und ich brauchte einen kurzen Moment, um ihre Aussage zu verstehen.
Empfand sie also genauso wie ich für sie? Das war… falsch.
„Ah“, stöhnte ich leise, „das darf nicht sein.“
„Was hab ich denn gesagt?“, fragte sie irritiert.
„Begreifst du nicht, Bella? Es ist eine Sache, wenn ich mich ins Unglück stürze, aber etwas völlig anderes, wenn du so tief drinsteckst.“
Ich senkte meinen Blick gequält auf die Kegel der Scheinwerfer.
Selbst wenn ich innerlich immer gehofft hatte, dass sie für mich so empfand, war es dennoch falsch und zu riskant für sie.
„Ich will nicht hören, dass du dich so fühlst. Es ist falsch. Es ist nicht sicher. Ich bin gefährlich, Bella – kapier das bitte.“
„Nein“, sagte sie barsch.
„Ich meine es ernst“, knurrte ich leise.
„Ich meine es auch ernst. Ich hab dir gesagt, es ist mir egal, was du bist. Es ist zu spät.“
„Sag das niemals.“
Bella wandte den Blick von mir ab und sah aus dem Fenster.
Hatte ich sie verletzt?
„Was denkst du?“, fragte ich.
Sie schüttelte leicht den Kopf und ignorierte mich.
Ich sah, wie sich die Tränen in ihren Augen ansammelten und bereute sofort meine groben Worte.
„Weinst du?“, fragte ich entsetzt.
Hektisch wischte sie sie fort.
„Nein“, antwortete sie, aber ihre Stimme brach weg.
Unwillkürlich streckte ich meine rechte Hand nach ihr aus, um sie zu trösten, zog sie dann aber wieder zurück.
„Es tut mir Leid“, flüsterte ich.
„Ich wollte dich was fragen“, sagte ich nach einer Weile der Schweigsamkeit.
„Ja?“
„Was hast du vorhin gedacht, unmittelbar bevor ich um die Ecke kam? Ich konnte mir keinen Reim auf deinen Gesichtsausdruck machen – du hast nicht ängstlich ausgesehen, eher hochkonzentriert.“
„Ich hab versucht mich daran zu erinnern, wie man einen Angreifer unschädlich macht – du weißt schon, Selbstverteidigung. Ich hatte vor, ihm die Nase ins Gehirn zu quetschen.“
„Du hattest vor, mit ihnen zu kämpfen?“, fragte ich ungläubig. „Und du bist nicht auf die Idee gekommen wegzulaufen?“
„Ich fall ziemlich schnell hin, wenn ich renne“, erwiderte sie.
„Und was ist mit Schreien?“
„Dazu wollte ich gerade kommen.“
Ich schüttelte den Kopf. „Du hattest Recht – wenn ich versuche dich zu beschützen, greife ich definitiv ins Schicksal ein.“
Sie seufzte leise und ich fuhr mit meinem Volvo in Forks hinein.
„Sehen wir uns morgen?“, wollte sie wissen.
„Ja – ich muss auch einen Aufsatz abgeben.“ Ich lächelte. „Ich halte dir beim Mittagessen einen Platz frei.“
Ich hielt den Volvo vor ihrem Haus an und wartete.
„Versprichst du, morgen zu kommen?“, hakte sie nach.
„Ich verspreche es.“
Sie nickte stumm und zog meine Jacke aus.
„Behalt sie – du hast doch keine für morgen“, erinnerte ich sie und dachte an die tägliche Kälte von Forks.
Bella reichte mir die Jacke.
„Aber ich hab auch keine Lust, das Charlie zu erklären.“
„Oh, ich verstehe.“ Ich grinste.
Sie hatte ihre Hand schon am Türgriff, bevor mir etwas einfiel.
„Bella?“, fragte ich zögerlich.
„Ja?“ Sie drehte sich wieder zu mir um.
„Versprichst du mir auch etwas?“
„Ja“, sagte sie sofort.
„Geh nicht allein in den Wald.“
„Warum denn nicht?“, fragte sie verdutzt.
Ich runzelte die Stirn und sah aus dem Fenster.
„Sagen wir einfach, ich bin nicht immer die größte Gefahr da draußen, okay?“
Bei ihrem Glück würde sie wohl in die Hände des nächstbesten Vampirs laufen, der unser Gebiet streifte.
„Wie du willst“, versicherte sie mir.
„Bis morgen dann“, sagte ich erleichtert.
„Bis morgen.“ Sie öffnete langsam sie Tür.
Ich wusste, dass das meine letzte Chance an diesem Abend war und ich beugte mich zu ihr nach vorne.
„Bella?“, fragte ich sie leise.
Ich war ihr so nah, dass ihr Geruch noch stärker war als zuvor und ich ihren plötzlich aussetzenden Herzschlag hörte.
„Schlaf gut“, sagte ich und lehnte mich wieder von ihr weg, bevor ich zu viel über ihr Blut nachdachte, dessen Geruch so langsam in meiner Kehle brannte.
Bella war eine kurze Zeit unfähig, sich zu rühren, doch dann stieg sie umständlich aus.
Ich lachte leise, als sie sich am Türrahmen festhalten musste, um nicht hinzufallen.
Als sie an der Haustür angelangt war, ließ ich den Motor an und bog um die nächste Ecke.
Anscheinend akzeptierte mich Bella so wie ich war und schien dasselbe für mich zu empfinden.
Doch was sollte ich nun tun?
Sollte ich weiterhin meiner eigenen Weise folgen - oder doch auf meine Moral achten?
Es war wirklich meine letzte Chance, bevor alles seinen eigenen Weg gehen würde.
Und vor allem was tat ich nun wegen meiner Familie?
Gast- Gast
Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19
Kapitel 19. Mögliche Möglichkeiten
Wie ich bereits erwartet hatte, lauerte mir Alice hinter meiner Zimmertür auf, kaum nachdem ich meinen Raum betreten hatte.
Mir war klar gewesen, dass sie sämtliche Geschehnisse an diesem Abend bereits kannte und auch nicht lange warten würde, mich mit Fragen zu bombardieren.
„Edward“, begrüßte sie mich freundlich und schloss unschuldig die Tür hinter mir.
„Alice“, grüßte ich höflich zurück und ließ mich auf meinem Sofa sinken. „Wie lange wartest du schon auf mich?“
-„…Nicht lange. Ich wusste ja, wann du kommen würdest…“-
Sie lächelte und kam zu mir herüber, um mir behutsam die Schulter zu tätscheln.
„Man kann dir dein Glück vom Gesicht ablesen“, sagte sie halb schmunzelnd, „und ich kannte es schon, bevor du es wusstest.“
Ich runzelte die Stirn und stand wieder auf, um mein CD-Regal zu durchforsten.
„Dass deine Fähigkeit die Zukunft zu sehen so weit reicht, auch das Unmöglichste zu sehen, habe ich nicht gewusst“, erwiderte ich und zog eine Klassik-CD hervor und legte sie in meine Anlage.
Alice lachte leise und lief im Kreis umher.
„Weißt du, Edward… Mittlerweile ist es gar nicht mehr so unwahrscheinlich…“ Sie hielt kurz inne und lächelte hinterhältig.
Wie ich es hasste.
„Wie lange muss ich mir noch ‚Alle meine Entchen‘ in deinem Kopf anhören, bis du mir verrätst, was du gesehen hast?“, fragte ich ein wenig erbost und funkelte sie kurz an.
„Geduld ist eine Tugend“, tadelte sie mich zur Antwort mit einem Kichern.
„Nicht die meine.“
Ihr Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig – das amüsierte Lächeln verschwand und machte Platz für Besorgnis.
„Edward. Sie weiß es. Und nun, da sie es weiß, hat sich deine Zukunft abrupt geändert.“
„Geändert?“, fragte ich irritiert und überlegte, was ich Großartiges beschlossen hatte, das diese Änderung hervorgerufen haben könnte.
Meinem Wissen nach dachte ich dasselbe wie vor einer Woche auch – immer noch hatte ich das absurde Vorhaben im Kopf, mich Bella anzunähern, selbst wenn das mein Untergang sein würde.
Was änderte dabei die Tatsache, dass sie wusste, dass ich ein Vampir war?
Es änderte nichts – nur dass sie sich nun jederzeit mit einem vernünftigen Grund von mir fernhalten könnte. Aber das war eigentlich nicht das, wovor ich mich fürchtete.
Ich fürchtete mich davor, ihr Angst zu machen, sie zu verletzen und ihr Leben völlig in Gefahr zu bringen.
Ich ließ mich wieder auf meinem Sofa sinken und lauschte einen Moment der sanften Melodie, die aus den Boxen drang.
„Edward, willst du sie verwandeln?“ Alice Stimme wurde leise und sie musterte mich besorgt sowie interessiert.
„Nein.“ Ich war völlig perplex von der plötzlichen Frage und starrte sie verwundert an.
Wie konnte sie von mir erwarten, dass ich Bella zu einem Monster machen würde?
„Edward, ich sehe es aber“, murmelte sie nachdenklich und setzte sich behutsam neben mich.
„Das ist unmöglich“, murmelte ich. „Ich könnte ihr niemals all das nehmen, was sie besitzt… Ihr Leben, ihre Freunde, ihre Familie! Alice! Du weißt genau, dass ich niemanden so etwas antun würde!“
„Aber in ihrem Fall wirst du es tun, Edward“, erwiderte sie und schüttelte leicht den Kopf.
„Nein, das kann…“
„Edward, hör mir gefälligst zu, bevor du anfängst, dich zu beschweren!“, unterbrach sie meinen Protest abrupt und ich verstummte wieder.
„Du bist unser Ausnahmefall, Edward. Du warst Carlisles erster Gefährte und das schon seit guten neunzig Jahren. Allerdings fehlte dir etwas, das wir bei dir all die Zeit gesucht haben, verstehst du das nicht? Du müsstest eigentlich in unseren Gedanken gesehen haben, dass wir stets besorgt um dich waren.“
Das stimmte sogar.
Ich hatte aufgehört zu zählen, mich darüber zu beklagen und ihnen zu sagen, sie brauchten sich keine Sorgen um mich zu machen.
Die anderen hatten stets Angst, dass ich nicht glücklich sei; dass ich mich selbst oder andere verabscheuen würde, wenn ich es nicht war.
Doch ich war glücklich.
Es gab seit fast einem Jahrhundert nichts mehr in meinem Leben außer meiner Familie - das einzige, das mir als Monster auch blieb.
Niemand von uns hatte sich diesen Weg ausgesucht und die meisten von uns wären diesen Weg auch nie gegangen, wenn sie eine Wahl gehabt hätten.
Ich seufzte und sah sie ernst an.
„Alice, mir fehlt nichts. Mir hat nie etwas gefehlt… Nur… In letzter Zeit fühle ich mich so vollständig“, murmelte ich und stützte mit meinen Händen den Kopf.
Glücklich war ich schon immer gewesen – welche Bedeutung hatte es also, wenn ich nun einfach noch glücklicher war, als bisher?
„Genau das ist der Punkt“, fuhr Alice fort, „es ist deine Vollständigkeit. Wir haben sie jahrelang bei dir gesucht und nicht gefunden - doch nun, da Bella hier ist, bist du so verändert. Erinnerst du dich? Dasselbe haben wir dir schon einmal gesagt. Es ist fast so, als ob du eine ganz andere Persönlichkeit entwickelst – eine andere Seite von dir.“
„Du weißt, dass ich sie liebe.“
„Und wahre Liebende trennt man nicht so einfach, oder? Nicht mal im Tod.“
Ich starrte sie finster an und wartete auf den nächsten Unsinn, den sie von sich geben würde.
„Edward“, begann sie wieder. „Du kannst ohne sie nicht mehr leben. Und irgendwann wirst du vor eine Wahl gestellt – ob du sie leben lässt oder ob du ihr beim Sterben zusiehst.“
„Das, was wir haben, ist kein Leben!“, knurrte ich sie an und stand unwillkürlich auf.
„Du könntest es nicht…“, murmelte Alice weiter und ignorierte meine Reaktion. „Du könntest sie nicht sterben sehen. Du würdest alles dafür tun, dass dies nicht geschehen würde.“
Wir starrten uns einander böse an.
Ich verstand nicht, was sie damit bezweckte, aber ich wollte es auch eigentlich gar nicht wissen.
Was ging es die anderen an, was ich dachte?
Was ich wollte?
Was ich fühlte?
Es war nichts von Belang.
„Ich versuche nicht, dich davon abzubringen, es zu tun, Edward. Ich sage dir nur, was ich gesehen habe und was möglich ist“, fuhr sie mit klarer Stimme fort und hielt meinem Blick stand. „Die Zukunft um euch beide schwankt mehr, als ich es jemals für möglich gehalten habe… Erst sehe ich dich sie töten, dann sehe ich, wie du dich von ihr abwendest und dann wiederrum, dass ihr beiden heiratet und du sie verwandelst. Lustig, nicht wahr?“
„Alice, hör bitte auf“, murmelte ich und wich Richtung Tür zurück.
Es kam mir wie eine Notlösung vor – ich wollte gar nicht wissen, welche Möglichkeiten ich hatte, denn eigentlich gab es nur eine. Eine Richtige.
„Ich weiß, dass du nur das Richtige tun willst. Aber merkst du nicht, wie sehr du dich damit selbst belastest? Und andere? Jasper…“
„… dreht langsam durch“, beendete ich ihren Satz und seufzte. „Ich weiß, dass er wegen meinen ständigen Stimmungsschwankungen langsam selbst total aufgelöst ist, und es tut mir ehrlich leid. Ich kann nichts dafür… Es ist nun einmal… kompliziert.“
Alice nickte zustimmend und seufzte ebenfalls.
„Niemand will dir etwas ausreden, eigentlich wollen wir dir nur helfen – jeder auf seiner eigenen Weise.“
„Es wäre das Beste, wenn ich Bella in Frieden lassen würde“, murmelte ich eher zu mir, als zu ihr und lehnte mich gegen die Tür.
„Aber das würde dich nicht glücklich machen“, stellte Alice fest und schüttelte den Kopf. „Sie weiß bereits, dass du ein Vampir bist. Es wird wohl kaum schwer sein, darauf zu kommen, dass wir alle Vampire sind, nicht wahr? Ich nehme an, sie hat es einfach so akzeptiert. Recht ungewöhnlich für einen Menschen – die anderen hatten immer furchtbare Angst vor uns, als sie begannen, es langsam zu ahnen.“
„Sie ist etwas Besonderes.“
„Das ist sie.“
Alice kam langsam auf mich zu und legte behutsam eine Hand auf meine Schultern.
„Wähle einen Weg, womit du zu recht kommst.“
„Ich werde sie sicherlich nicht zwingen, irgendetwas mit mir zu unternehmen“, flüsterte ich.
„Dann lass ihr die Wahl.“
Ich nickte stumm und seufzte wieder.
Meine ganze Familie wusste, wie sehr ich Bella liebte – doch ich kannte ihre Zweifel.
Es gab keine optimale Lösung, wie das zwischen Bella und mir funktionieren konnte.
Beide Seiten mussten Opfer bringen – die eine mehr und die andere weniger.
Doch so sehr ich sie auch liebte, könnte ich sie verlassen, wenn es notwendig war? Wenn ich zu gefährlich für sie werden würde?
Wäre ich imstande den restlichen Teil meines menschlichen Wesens zu opfern, nur um sie zu beschützen?
Jahrelang war ich ein Einzelgänger gewesen – ein Egoist, der fast nur an sein eigenes Wohl dachte.
Aber was konnte man tun, wenn es nicht mehr nur um sein eigenes Wohl ging, sondern auch andere mit hinein zog?
In der Nacht schlich ich mich wieder in Bellas Haus und sah ihr beim Schlafen zu.
Es war einfach unbeschreiblich, dass ich innerlich immer wieder zu Ruhe kam, wenn ich ihr sanftes Gesicht betrachtete.
Jede Sekunde war jedoch wie ein Kampf mit mir selbst – ein Kampf zwischen dem Verlangen eines Monsters und dem eines Mannes.
Der Geruch ihres Blutes war konzentrierter wie bei Tage, oder kam mir es nur so vor, weil ich alleine mit ihr in einem Raum war und sie so schutzlos aussah?
Jedes Mal wenn ich näher an ihr Bett herantrat musste ich mich zusammenreißen, sie nicht ganz kurz zu berühren.
Ich fragte mich, ob ich überhaupt jemals imstande dazu wäre, sie zu berühren, ohne sie mit der Blutgier einer Bestie anzufallen… oder eher, ob sie es wollen würde.
Wenn sie dasselbe für mich empfand wie ich für sie, wie würde es schließlich weitergehen?
Erst zum Morgengrauen kehrte ich zurück, um mich auf die Schule vorzubereiten.
Der Rest meiner Familie saß entweder vor dem Fernseher oder war mit Arbeiten beschäftigt – ein Anzeichen dafür, dass sich alle anderen auf der Couch genauso sehr auf die Schule freuten, wie ich auch.
Tödlich langweilige Unterrichtsstoffe, vermischt mit Schülern der langweiligsten Sorte und skurrilen Lehrern standen nicht gerade weit auf der Beliebtheitsskala.
Der einzige Lichtschimmer den ich hatte, war Bella, die mir mehr oder weniger wörtlich den Tag versüßen würde – und alleine der Gedanke daran konnte meine Kehle zum Brennen bringen.
Ich ließ mich neben Emmett auf der Couch sinken, der sich wie gebannt die morgendlichen Nachrichten ansah, und dachte darüber nach, wie ich am besten Zeit zusammen mit Bella herausschlagen konnte.
So wie die Dinge standen, würde sie wohl entweder in der Cafeteria bei mir an einem Tisch sitzen oder mich meiden.
Mein Gewissen hoffte auf die Zweite Möglichkeit, während jede andere Faser meines Körpers die Erste Option verlangte.
Ich ging im Kopf noch einmal die Geschehnisse des letzten Tages durch und dachte über jede Gestik von Bella nach.
Wie konnte ein Mensch nur so gelassen in einem Auto zusammen mit einem Vampir sitzen? Es grenzte an Lächerlichkeit.
„…ist neblig, sowie kalt und feucht“, hörte ich Emmett Rosalie über das heutige Wetter in Forks informieren und abrupt fiel mir ein, dass Bella ja gar keine Jacke für den heutigen Tag hatte.
Plötzlich fand ich die perfekte Ausrede, um mit Bella alleine zu sein und es gleichzeitig mit meinem Gewissen zu vereinbaren.
Dass es so einfach ging, hatte ich nicht gedacht.
„Rosalie?“, fragte ich und wandte mich mit einem Lächeln ihr zu.
„Ja?“, fragte sie verwundert sowie misstrauisch und löste für einen Moment ihren Blick von dem lachenden Emmett neben mir.
„Bestünde die Möglichkeit, dass du vielleicht mit deinem Kabrio in die Schule fahren willst?“, fuhr ich in einem möglichst unschuldigen Ton fort.
Alice, die meinen Plan soeben vorausgesehen hatte, sah sie mit einem bittenden Blick an.
„Du wolltest doch sowieso wieder einmal dein Kabrio benutzen, oder?“, erwähnte sie beiläufig und lächelte.
„Was hast du vor, Edward?“, fragte Rosalie misstrauisch und beäugte mich.
„Ich will Bella von Zuhause abholen, da sie keine Jacke hat und es heute recht unangenehm für einen Menschen ist“, erklärte ich.
Die Anderen wandten sich zu mir um und ein verwirrter Ausdruck trat auf ihre Gesichter – außer bei Alice.
„Und?“, hakte ich weiter. „Ich fürchte in meinem Volvo ist nicht genug Platz für alle.“
„Du suchst doch nur nach einer Ausrede, um mit Bella alleine zu sein“, hüstelte Emmett neben mir und musste sich ein Grinsen verkneifen. „Wer weiß, was du noch alles vor hast.“
„Nicht schon wieder“, grummelte Rosalie empört. „Du bringst uns alle in Gefahr, Edward, das ist völlig…“
„…nebensächlich“, beendete ich ihren Protest mit einem Grinsen. „Danke, dass du dich bereitwillig dazu bereit erklärt hast, die anderen mit deinem Kabrio in die Schule zu fahren.“
Sie funkelte mich wütend an und stand erbost auf.
„Rose, lass Edward eben seine kleinen Flirtgelegenheiten“, sagte Emmett mit einem Lachen. „Er wird schon nicht unvernünftig sein.“
Und Alice stimmte in sein Lachen ein.
„Edward wird seine Sache sicherlich gut machen.“
„Er tut sowieso was er will“, grummelte Rosalie und verließ mit einem letzten, tödlichen Blick auf mich den Raum.
Wie ich bereits erwartet hatte, lauerte mir Alice hinter meiner Zimmertür auf, kaum nachdem ich meinen Raum betreten hatte.
Mir war klar gewesen, dass sie sämtliche Geschehnisse an diesem Abend bereits kannte und auch nicht lange warten würde, mich mit Fragen zu bombardieren.
„Edward“, begrüßte sie mich freundlich und schloss unschuldig die Tür hinter mir.
„Alice“, grüßte ich höflich zurück und ließ mich auf meinem Sofa sinken. „Wie lange wartest du schon auf mich?“
-„…Nicht lange. Ich wusste ja, wann du kommen würdest…“-
Sie lächelte und kam zu mir herüber, um mir behutsam die Schulter zu tätscheln.
„Man kann dir dein Glück vom Gesicht ablesen“, sagte sie halb schmunzelnd, „und ich kannte es schon, bevor du es wusstest.“
Ich runzelte die Stirn und stand wieder auf, um mein CD-Regal zu durchforsten.
„Dass deine Fähigkeit die Zukunft zu sehen so weit reicht, auch das Unmöglichste zu sehen, habe ich nicht gewusst“, erwiderte ich und zog eine Klassik-CD hervor und legte sie in meine Anlage.
Alice lachte leise und lief im Kreis umher.
„Weißt du, Edward… Mittlerweile ist es gar nicht mehr so unwahrscheinlich…“ Sie hielt kurz inne und lächelte hinterhältig.
Wie ich es hasste.
„Wie lange muss ich mir noch ‚Alle meine Entchen‘ in deinem Kopf anhören, bis du mir verrätst, was du gesehen hast?“, fragte ich ein wenig erbost und funkelte sie kurz an.
„Geduld ist eine Tugend“, tadelte sie mich zur Antwort mit einem Kichern.
„Nicht die meine.“
Ihr Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig – das amüsierte Lächeln verschwand und machte Platz für Besorgnis.
„Edward. Sie weiß es. Und nun, da sie es weiß, hat sich deine Zukunft abrupt geändert.“
„Geändert?“, fragte ich irritiert und überlegte, was ich Großartiges beschlossen hatte, das diese Änderung hervorgerufen haben könnte.
Meinem Wissen nach dachte ich dasselbe wie vor einer Woche auch – immer noch hatte ich das absurde Vorhaben im Kopf, mich Bella anzunähern, selbst wenn das mein Untergang sein würde.
Was änderte dabei die Tatsache, dass sie wusste, dass ich ein Vampir war?
Es änderte nichts – nur dass sie sich nun jederzeit mit einem vernünftigen Grund von mir fernhalten könnte. Aber das war eigentlich nicht das, wovor ich mich fürchtete.
Ich fürchtete mich davor, ihr Angst zu machen, sie zu verletzen und ihr Leben völlig in Gefahr zu bringen.
Ich ließ mich wieder auf meinem Sofa sinken und lauschte einen Moment der sanften Melodie, die aus den Boxen drang.
„Edward, willst du sie verwandeln?“ Alice Stimme wurde leise und sie musterte mich besorgt sowie interessiert.
„Nein.“ Ich war völlig perplex von der plötzlichen Frage und starrte sie verwundert an.
Wie konnte sie von mir erwarten, dass ich Bella zu einem Monster machen würde?
„Edward, ich sehe es aber“, murmelte sie nachdenklich und setzte sich behutsam neben mich.
„Das ist unmöglich“, murmelte ich. „Ich könnte ihr niemals all das nehmen, was sie besitzt… Ihr Leben, ihre Freunde, ihre Familie! Alice! Du weißt genau, dass ich niemanden so etwas antun würde!“
„Aber in ihrem Fall wirst du es tun, Edward“, erwiderte sie und schüttelte leicht den Kopf.
„Nein, das kann…“
„Edward, hör mir gefälligst zu, bevor du anfängst, dich zu beschweren!“, unterbrach sie meinen Protest abrupt und ich verstummte wieder.
„Du bist unser Ausnahmefall, Edward. Du warst Carlisles erster Gefährte und das schon seit guten neunzig Jahren. Allerdings fehlte dir etwas, das wir bei dir all die Zeit gesucht haben, verstehst du das nicht? Du müsstest eigentlich in unseren Gedanken gesehen haben, dass wir stets besorgt um dich waren.“
Das stimmte sogar.
Ich hatte aufgehört zu zählen, mich darüber zu beklagen und ihnen zu sagen, sie brauchten sich keine Sorgen um mich zu machen.
Die anderen hatten stets Angst, dass ich nicht glücklich sei; dass ich mich selbst oder andere verabscheuen würde, wenn ich es nicht war.
Doch ich war glücklich.
Es gab seit fast einem Jahrhundert nichts mehr in meinem Leben außer meiner Familie - das einzige, das mir als Monster auch blieb.
Niemand von uns hatte sich diesen Weg ausgesucht und die meisten von uns wären diesen Weg auch nie gegangen, wenn sie eine Wahl gehabt hätten.
Ich seufzte und sah sie ernst an.
„Alice, mir fehlt nichts. Mir hat nie etwas gefehlt… Nur… In letzter Zeit fühle ich mich so vollständig“, murmelte ich und stützte mit meinen Händen den Kopf.
Glücklich war ich schon immer gewesen – welche Bedeutung hatte es also, wenn ich nun einfach noch glücklicher war, als bisher?
„Genau das ist der Punkt“, fuhr Alice fort, „es ist deine Vollständigkeit. Wir haben sie jahrelang bei dir gesucht und nicht gefunden - doch nun, da Bella hier ist, bist du so verändert. Erinnerst du dich? Dasselbe haben wir dir schon einmal gesagt. Es ist fast so, als ob du eine ganz andere Persönlichkeit entwickelst – eine andere Seite von dir.“
„Du weißt, dass ich sie liebe.“
„Und wahre Liebende trennt man nicht so einfach, oder? Nicht mal im Tod.“
Ich starrte sie finster an und wartete auf den nächsten Unsinn, den sie von sich geben würde.
„Edward“, begann sie wieder. „Du kannst ohne sie nicht mehr leben. Und irgendwann wirst du vor eine Wahl gestellt – ob du sie leben lässt oder ob du ihr beim Sterben zusiehst.“
„Das, was wir haben, ist kein Leben!“, knurrte ich sie an und stand unwillkürlich auf.
„Du könntest es nicht…“, murmelte Alice weiter und ignorierte meine Reaktion. „Du könntest sie nicht sterben sehen. Du würdest alles dafür tun, dass dies nicht geschehen würde.“
Wir starrten uns einander böse an.
Ich verstand nicht, was sie damit bezweckte, aber ich wollte es auch eigentlich gar nicht wissen.
Was ging es die anderen an, was ich dachte?
Was ich wollte?
Was ich fühlte?
Es war nichts von Belang.
„Ich versuche nicht, dich davon abzubringen, es zu tun, Edward. Ich sage dir nur, was ich gesehen habe und was möglich ist“, fuhr sie mit klarer Stimme fort und hielt meinem Blick stand. „Die Zukunft um euch beide schwankt mehr, als ich es jemals für möglich gehalten habe… Erst sehe ich dich sie töten, dann sehe ich, wie du dich von ihr abwendest und dann wiederrum, dass ihr beiden heiratet und du sie verwandelst. Lustig, nicht wahr?“
„Alice, hör bitte auf“, murmelte ich und wich Richtung Tür zurück.
Es kam mir wie eine Notlösung vor – ich wollte gar nicht wissen, welche Möglichkeiten ich hatte, denn eigentlich gab es nur eine. Eine Richtige.
„Ich weiß, dass du nur das Richtige tun willst. Aber merkst du nicht, wie sehr du dich damit selbst belastest? Und andere? Jasper…“
„… dreht langsam durch“, beendete ich ihren Satz und seufzte. „Ich weiß, dass er wegen meinen ständigen Stimmungsschwankungen langsam selbst total aufgelöst ist, und es tut mir ehrlich leid. Ich kann nichts dafür… Es ist nun einmal… kompliziert.“
Alice nickte zustimmend und seufzte ebenfalls.
„Niemand will dir etwas ausreden, eigentlich wollen wir dir nur helfen – jeder auf seiner eigenen Weise.“
„Es wäre das Beste, wenn ich Bella in Frieden lassen würde“, murmelte ich eher zu mir, als zu ihr und lehnte mich gegen die Tür.
„Aber das würde dich nicht glücklich machen“, stellte Alice fest und schüttelte den Kopf. „Sie weiß bereits, dass du ein Vampir bist. Es wird wohl kaum schwer sein, darauf zu kommen, dass wir alle Vampire sind, nicht wahr? Ich nehme an, sie hat es einfach so akzeptiert. Recht ungewöhnlich für einen Menschen – die anderen hatten immer furchtbare Angst vor uns, als sie begannen, es langsam zu ahnen.“
„Sie ist etwas Besonderes.“
„Das ist sie.“
Alice kam langsam auf mich zu und legte behutsam eine Hand auf meine Schultern.
„Wähle einen Weg, womit du zu recht kommst.“
„Ich werde sie sicherlich nicht zwingen, irgendetwas mit mir zu unternehmen“, flüsterte ich.
„Dann lass ihr die Wahl.“
Ich nickte stumm und seufzte wieder.
Meine ganze Familie wusste, wie sehr ich Bella liebte – doch ich kannte ihre Zweifel.
Es gab keine optimale Lösung, wie das zwischen Bella und mir funktionieren konnte.
Beide Seiten mussten Opfer bringen – die eine mehr und die andere weniger.
Doch so sehr ich sie auch liebte, könnte ich sie verlassen, wenn es notwendig war? Wenn ich zu gefährlich für sie werden würde?
Wäre ich imstande den restlichen Teil meines menschlichen Wesens zu opfern, nur um sie zu beschützen?
Jahrelang war ich ein Einzelgänger gewesen – ein Egoist, der fast nur an sein eigenes Wohl dachte.
Aber was konnte man tun, wenn es nicht mehr nur um sein eigenes Wohl ging, sondern auch andere mit hinein zog?
In der Nacht schlich ich mich wieder in Bellas Haus und sah ihr beim Schlafen zu.
Es war einfach unbeschreiblich, dass ich innerlich immer wieder zu Ruhe kam, wenn ich ihr sanftes Gesicht betrachtete.
Jede Sekunde war jedoch wie ein Kampf mit mir selbst – ein Kampf zwischen dem Verlangen eines Monsters und dem eines Mannes.
Der Geruch ihres Blutes war konzentrierter wie bei Tage, oder kam mir es nur so vor, weil ich alleine mit ihr in einem Raum war und sie so schutzlos aussah?
Jedes Mal wenn ich näher an ihr Bett herantrat musste ich mich zusammenreißen, sie nicht ganz kurz zu berühren.
Ich fragte mich, ob ich überhaupt jemals imstande dazu wäre, sie zu berühren, ohne sie mit der Blutgier einer Bestie anzufallen… oder eher, ob sie es wollen würde.
Wenn sie dasselbe für mich empfand wie ich für sie, wie würde es schließlich weitergehen?
Erst zum Morgengrauen kehrte ich zurück, um mich auf die Schule vorzubereiten.
Der Rest meiner Familie saß entweder vor dem Fernseher oder war mit Arbeiten beschäftigt – ein Anzeichen dafür, dass sich alle anderen auf der Couch genauso sehr auf die Schule freuten, wie ich auch.
Tödlich langweilige Unterrichtsstoffe, vermischt mit Schülern der langweiligsten Sorte und skurrilen Lehrern standen nicht gerade weit auf der Beliebtheitsskala.
Der einzige Lichtschimmer den ich hatte, war Bella, die mir mehr oder weniger wörtlich den Tag versüßen würde – und alleine der Gedanke daran konnte meine Kehle zum Brennen bringen.
Ich ließ mich neben Emmett auf der Couch sinken, der sich wie gebannt die morgendlichen Nachrichten ansah, und dachte darüber nach, wie ich am besten Zeit zusammen mit Bella herausschlagen konnte.
So wie die Dinge standen, würde sie wohl entweder in der Cafeteria bei mir an einem Tisch sitzen oder mich meiden.
Mein Gewissen hoffte auf die Zweite Möglichkeit, während jede andere Faser meines Körpers die Erste Option verlangte.
Ich ging im Kopf noch einmal die Geschehnisse des letzten Tages durch und dachte über jede Gestik von Bella nach.
Wie konnte ein Mensch nur so gelassen in einem Auto zusammen mit einem Vampir sitzen? Es grenzte an Lächerlichkeit.
„…ist neblig, sowie kalt und feucht“, hörte ich Emmett Rosalie über das heutige Wetter in Forks informieren und abrupt fiel mir ein, dass Bella ja gar keine Jacke für den heutigen Tag hatte.
Plötzlich fand ich die perfekte Ausrede, um mit Bella alleine zu sein und es gleichzeitig mit meinem Gewissen zu vereinbaren.
Dass es so einfach ging, hatte ich nicht gedacht.
„Rosalie?“, fragte ich und wandte mich mit einem Lächeln ihr zu.
„Ja?“, fragte sie verwundert sowie misstrauisch und löste für einen Moment ihren Blick von dem lachenden Emmett neben mir.
„Bestünde die Möglichkeit, dass du vielleicht mit deinem Kabrio in die Schule fahren willst?“, fuhr ich in einem möglichst unschuldigen Ton fort.
Alice, die meinen Plan soeben vorausgesehen hatte, sah sie mit einem bittenden Blick an.
„Du wolltest doch sowieso wieder einmal dein Kabrio benutzen, oder?“, erwähnte sie beiläufig und lächelte.
„Was hast du vor, Edward?“, fragte Rosalie misstrauisch und beäugte mich.
„Ich will Bella von Zuhause abholen, da sie keine Jacke hat und es heute recht unangenehm für einen Menschen ist“, erklärte ich.
Die Anderen wandten sich zu mir um und ein verwirrter Ausdruck trat auf ihre Gesichter – außer bei Alice.
„Und?“, hakte ich weiter. „Ich fürchte in meinem Volvo ist nicht genug Platz für alle.“
„Du suchst doch nur nach einer Ausrede, um mit Bella alleine zu sein“, hüstelte Emmett neben mir und musste sich ein Grinsen verkneifen. „Wer weiß, was du noch alles vor hast.“
„Nicht schon wieder“, grummelte Rosalie empört. „Du bringst uns alle in Gefahr, Edward, das ist völlig…“
„…nebensächlich“, beendete ich ihren Protest mit einem Grinsen. „Danke, dass du dich bereitwillig dazu bereit erklärt hast, die anderen mit deinem Kabrio in die Schule zu fahren.“
Sie funkelte mich wütend an und stand erbost auf.
„Rose, lass Edward eben seine kleinen Flirtgelegenheiten“, sagte Emmett mit einem Lachen. „Er wird schon nicht unvernünftig sein.“
Und Alice stimmte in sein Lachen ein.
„Edward wird seine Sache sicherlich gut machen.“
„Er tut sowieso was er will“, grummelte Rosalie und verließ mit einem letzten, tödlichen Blick auf mich den Raum.
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