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Mitternachtssonne // Kapitel 19

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast Mi 13 Feb 2008, 22:57

Mitternachtssonne

Handlung: Edwards Sicht aus Band 1
Erstellung: 22.09.2007

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Edwards Sicht


Kapitel 1. Flucht


Ich fühlte mich unbehaglich, während ich die Straße wie von Panik ergriffen entlang fuhr.
Eine heiße Welle des Schams durchzog meinen Körper, während ich an die Reaktionen der anderen dachte.
Ich hatte die Wahl - noch.
Würde ich nach Forks zurückkehren und Bella Swan einen verdammten Tod bescheren, um mir damit meine letzte zusammengeraffte Hoffnung zunichte machen? Oder wählte ich den Weg der Flucht, damit keine Unschuldigen sterben mussten? Damit ich nicht wieder das Monster wurde, das ich niemals sein wollte?
Egal welchen Weg ich gehen würde, ich wusste nun, dass ich schwächer war, als angenommen; dass all die jahrzehntelange Übung völlig umsonst gewesen war.
Nein, ich wollte mir nicht eingestehen, dass alles Umsonst gewesen war. Ich hatte widerstanden! Ich konnte widerstehen, das hatte ich erkannt.
Jedoch war es nur eine Frage der Zeit, bis ich dem drängenden Gefühl in mir nachgab, und zu dem wahren Monster wurde, vor dem ich mich fürchtete – tief in mir wusste ich das.
Ich konnte Carlisle nicht enttäuschen; zu viel Hoffnung und Zuneigung hatte er schon für mich hingegeben, ich konnte sein Vertrauen, das er mir fast neunzig Jahre lang schenkte, nicht zerstören. Das hatte er einfach nicht verdient.
Der Tacho sank langsam von hundertvierzig auf hundertzehn.
Ich wollte nicht fliehen, doch ich tat es. Mir viel keine bessere Lösung ein, als diesen Ort zu verlassen.
Forks war meine Heimat, das spürte ich genau, doch wenn ich nicht fortging, würde es bald nur noch de Hölle sein.
Ich würde alles verraten; meine Bemühen, Carlisle und den Rest meiner Familie.
Ich konnte das einfach nicht tun.
Deswegen wählte ich den einzigen richtigen Weg in meinen Augen.
Ich fuhr mit meinem Volvo zurück nach Forks, Richtung Krankenhaus.
Carlisle würde mich verstehen, da war ich mir sicher.
Ihm würde mein Plan sicherlich nicht gefallen, aber mir blieb schlussendlich keine andere Wahl.

Das Krankenhaus war nicht sonderlich groß, typisch für eine Kleinstadt wie Forks. Doch Carlisle arbeitete dort gerne und solange er sich dort wohl fühlte, war es meiner Familie und mir immer egal gewesen, wo er seine Arbeit verrichtete.
Ich parkte meinen Volvo auf dem Parkplatz und ging hinüber zum Eingang des Krankenhauses.
Die Lüftung wehte mir einige süße Gerüche zu mir, doch ich ignorierte sie. Es war nichts im Vergleich zu dem Gefühl, das Bellas Geruch in mir auslöste. Jedoch reagierte mein Körper, meine Muskeln spannten sich an und ich spürte deutlich das Gift in meinem Mund. Doch ich ließ mir wie immer nichts anmerken.
Ich ging hinüber zur Information, muss zu erfragen, wo sich mein Vater gerade befand.
Die Krankenschwester, die dort saß und einige Akten durchsah, hob ihren Kopf in meine Richtung betrachtete mich erschreckt, mit einer Spur der Erkenntnis in ihren Augen.
-... Himmel! Man würde denken sie sind Vater und Sohn, so gut wie die beiden aussehen! Vielleicht...-
„Guten Tag“, grüßte ich sie höflich mit meiner sanften, weichen Stimme und unterbrach damit ihre Gedanken.
Ihre Wangen färbten sich ein wenig rötlich und ich konnte das Blut unter ihrer Haut riechen. Mein Hals wurde trockener, doch ich zwang mich dazu, auch dieses Gefühl zu ignorieren. Wenn ich erst einmal aus Forks war, würde ich jagen müssen.
„Was kann ich für dich tun, Edward?“, fragte sie mit sanfter Stimme und legte behutsam ihre Akten beiseite.
„Wissen Sie vielleicht, ob mein Vater zu sprechen ist?“, fragte ich und meine schwarzen Augen leuchteten.
„Nun“, stotterte sie „Doktor Cullen müsste eigentlich in seinem Büro sein.“
„Ich danke Ihnen“, sagte ich und drehte mich um, um Carlisle in seinem Büro aufzusuchen.
Sein Büro lag in einem Zimmer, im hintersten Gang des Krankenhauses. Ich bog um eine Ecke und klopfte am dritten Zimmer auf der linken Seite.
„Herein“, hörte ich Carlisles sachliche Stimme und ich öffnete leise die Tür.
„Carlisle, wir müssen reden“, sagte ich leise, während ich die Tür schloss und mich hinsetzte.
Er saß mir gegenüber und schob die Hände ineinander und seine Augen spiegelten Besorgnis.
„Ist etwas passiert, Edward?“, fragte er mich besorgt.
Was für eine Schande.
Ich wollte nicht zugegeben, dass heute mein Widerstand auf den kleinsten, minimalsten Teil in mir zusammengeschrumpft war und dass ich dafür fast Unschuldige getötet hätte. Jedoch würde Carlisle zuhören, er würde mich verstehen und mir Rat geben, genauso wie er es schon vor langer Zeit getan hatte.
„Ja, es ist etwas passiert“, murmelte ich und senkte meinen Blick auf die Tischkante.
„Und das wäre?“, drängte mich Carlisle sanft während er sich ein Stück zu mir hinüber beugte.
„Carlisle, ich weiß nicht, wie ich es formulieren soll“, gestand ich und hob gequält den Blick.
„Versuch es.“
Ich atmete tief ein und schlagartig erinnerte ich mich wieder an den Geruch von Bella Swan, abgeschwächt, aber gegenwärtig. Ich musste mich zusammenreißen, um mir diese Tatsache nicht anmerken zu lassen.
„Wie du weißt, sollte heute eine neue Schülerin an unsere Schule kommen, Isabella Swan“, sprach ich hastig und Carlisle sah verwirrt aus.
„Jedenfalls...“ Ich presste meine Zähne einen Moment aufeinander, aber lockerte sogleich wieder meine Anspannung. „ Sie hat das köstlichste Blut, das ich jemals in meinem Leben gerochen hatte.“
Nun hatte ich meine Schwäche gestanden und ich war froh, dass mein Körper nicht meine Scham abzeichnen konnte.
Carisle sah mich immer noch ratlos an.
„Was willst du damit sagen, Edward?“, fragte er mit besorgter Stimme.
Mein Gesicht verzog sich gequält.
„Ich hätte sie beinahe getötet“, sagte ich schließlich gequält und senkte meinen Blick. „Ich war durstig genug und als sie dann auch noch in Biologie neben mir saß, konnte ich mich kaum beherrschen. Ich hatte wahrhaftige Mordgedanken!“
Ich verstummte und dachte noch einmal gequält an diese qualvolle Biologiestunde.
„Vielleicht solltest du einfach jagen gehen, Edward. Deine Augen sind auch schon ganz schwarz, vielleicht wird alles besser, wenn du erst einmal jagen warst“, schlug er vor und betrachtete mich immer noch mit seinen dunklen goldenen Augen.
„Wohl kaum“, antworte ich niedergeschlagen. „Ich war kurz davor... so kurz davor zwanzig Menschen zur gleichen Zeit zu töten... Verstehst du, Carlisle? Ich will nicht zum Monster werden!“
Ich war total aufgebracht und wütend auf mich selbst und meine Gedanken spielten verrückt.
„Du hast aber widerstanden, Edward. Du wirst nicht zu dem Monster unserer wahren Natur werden, dafür bist du zu gutmütig“, versicherte er mir.
Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass er falsch lag.
Ich war niemals so gut, wie sie alle von mir dachten. Ich hatte es nicht verdient, dass sie mich wie jemanden behandelten, der keine Schuld in seinem Nicht-Leben hatte. Ich war sehr wohl schuldig.
„Carlisle, ich bekomme wieder Angst vor mir selbst. Ich...“ Meine Stimme versagte, während ich nach den richtigen Worten suchte. „Ich schaffe es einfach derzeit nicht mehr. Ich will unsere Familie nicht verraten, und die einzige Möglichkeit, die ich sehe, ist, dass ich euch verlasse.“
Carlisles Gesicht verzog sich nun auch schmerzlich.
„Du willst uns verlassen? Wo willst du denn hin, Edward?“
„Nach Alaska, zu den Denali. Mir fällt keine bessere Möglichkeit ein“, antworte ich und meine Stimme offenbarte meine Traurigkeit bei diesem Gedanken.
Carlisle blieb stumm, aber ich hörte seine Gedanken, ein jede schmerzlicher als die andere, bis ich schließlich eine feste Frage in seinem Gedankengang hörte.
-...Wie lange?...-
Ich hatte gewusst, dass meine Entscheidung meine Familienmitglieder verletzten würde, aber würde ich sie nicht noch mehr verletzten, in dem ich schlußendlich Menschen tötete? Wohl kaum.
„Ich weiß nicht, wie lange ich fort sein werde“, gestand ich. „Solange, wie es nötig ist. Tut mir leid, ich sehe keine andere Möglichkeit.“
Es schmerzte mich zu sehen, wie Carlisle darunter litt, dass ich gehen wollte.
„Wie kann ich dir helfen?“, fragte Carlisle mit leiser Stimme.
„Könnte ich seinen Mercedes fahren, Carlisle? Ich würde dir dafür meinen Volvo da lassen. Dein Mercedes ist vollgetankt, und ich könnte sofort nach Alaska fahren.“
„Ja, natürlich Edward.“ Obwohl er mir zustimmte, dachte er etwas anderes. Er wollte nicht dass ich ging, er wusste aber auch, dass er mich nicht aufhalten durfte und konnte. Genauso wie damals, als ich ihn einige Jahre verlassen hatte, um meine eigenen Wege zu gehen.
„Vielen Dank. Ich werde zurückkehren“, versprach ich, aber ich wusste nicht, wann ich nach Forks zurückkehren würde, solange mein persönlicher Dämon dort lauerte.
Carlisle griff in seine Tasche und legte mir seinen Autoschlüssel auf den Tisch, ich tat dasselbe und steckte den Schlüssel von ihm ein.
„Wissen die anderen Bescheid?“, fragte er traurig, während er mich betrachtete.
„Ja, sie wissen es. Alice meinte, ich würde das richtige tun. Sie werden es schon alle überstehen, wenn ich einige Zeitlang nicht da sein werde.“
Das einzige war, dass sie mich bestimmt vermissen würden und ich genauso sie. Sie waren meine Familie und ich liebte sie. Ich wollte ihnen das alles einfach nicht antun.
„Ich bin davon überzeugt, dass du das richtige tun wirst“, sagte Carlisle. „Mach keine Dummheiten.“
Es klang eher wie ein Befehl, statt einem Vorschlag und ich stimmte ihm zu.
Ich stand auf und warf noch einmal einen gequälten Blick auf meinem Mentor und Vater.
„Vielen Dank, Carlisle“, sagte ich noch einmal und verließ leise den Raum.

Die unterschiedlichsten Gefühle plagten mich, während ich das Krankenhaus verließ und statt auf meinem Volvo auf den schwarzen Mercedes zusteuerte.
Traurigkeit, Wut, Hass und Scham konnte ich in meinem Gefühlschaos zählen und ich war mir sicher, es waren nicht alle.
Traurigkeit, dass ich meine Familie verlassen musste...
Wut und Hass gegen mich selbst, dass ich zu diesen Taten möglich war... Jedoch war es falsch, dieses Menschenmädchen Bella auch dafür zu hassen, welchen Drang sie in mir auslöste. Das war nicht richtig.
Und dann noch Scham, dass ich ein solches Verhalten überhaupt zeigte.
Ich drehte das Zündschloss um und fuhr mit dem Mercedes Richtung Highway.
Letzten Endes floh ich doch tatsächlich aus Schwäche und Angst, während das rotäugige Monster in mir frohlockte und mich fest in seinem Griff hielt.


Zuletzt von Noleen am Mi 24 Sep 2008, 13:38 bearbeitet; insgesamt 9-mal bearbeitet

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Beitrag  Gast Do 14 Feb 2008, 21:02

Kapitel 2. Zeichen der Schwäche


Ich wagte es nicht, noch einen Fuß in mein Zuhause zu setzen – nicht in diesem Zustand.
Um das Schlimmste zu verhindern, trat ich das Gaspedal durch und schlängelte mich durch die Automassen. Anfangs waren es noch viele, aber ich hatte keinerlei Probleme immer irgendwo eine Lücke zu finden. Glücklicherweise hielt Carlisles Wagen einiges aus, genauso sehr wie sein Tank.
Es würde keine weiteren Komplikationen geben.
Die anderen waren schon längst Zuhause und Esme würde auch über alles Bescheid wissen. Die Erkenntnis daran schmerzte mich, denn ich malte mir genau aus, was sie zu mir sagen würde.
Sie hätte bestimmt alles Erdenkliche versucht, um mich hier zu halten, doch das konnte und durfte ich nicht. Sie war wie eine Mutter für mich, schon seit so langer Zeit... Ich wollte sie nicht schon wieder verletzen, in dem ich sie erneut verließ. Mir blieb nichts anderes übrig, als meinen Plan in die Tat umzusetzen, und ohne ein weiteres Wort meine Familie zu verlassen.
Mir fiel einfach keinen anderen Ausweg ein, wie ich mich aus dieser verfangenen Situation befreien konnte. Ich wollte nicht zu diesem Monster werden, gegen das ich mich nun schon fast achtzig Jahre lang gewehrt hatte, selbst wenn ich dafür meine Familie verletzen musste. Im Grunde genommen konnten sie nichts dafür, dass auf einmal dieses Mädchen nach Forks kam und mein Nicht-Leben alleine durch ihre bloße Gegenwart ruinierte. Vielleicht war es ungerecht, die so vor den Kopf zu stoßen... Vielleicht war dies auch nur ein Beweis für meine Arroganz.
Meine Umgebung wurde immer kälter und schon bald fiel der erste Schnee herab.
Der Highway wurde immer leerer und ich hatte freie Fahrt. Ich wusste mir auch nicht anders zu helfen, als mit meiner vollen Geschwindigkeit zu fahren, aus Angst, dass ich vielleicht doch noch umkehren würde – das vielleicht doch das Böse in mir gewann.

Es war bereits tiefste Nacht geworden, als ich am Horizont einen schneeweißen Berg erkennen konnte, den größten Berg in Nordamerika. Der Mount McKinley, und dort lag auch mein Ziel.
Der Denali Clan lebte in Zentralalaska, in der Nähe des ‚Denali National Park‘, der ein beliebtes Reiseziel für Wanderer, Kletterer und Wildtierbeobachter darstellte.
Ich selbst kannte diese Gegend hervorragend, da ich bereits mit dem Rest meiner Familie einige Zeitlang in dieser Gegend gelebt hatte. Ich hoffte allerdings, dass es mir trotzdem niemand Übel nehmen würde, wenn ich ohne Vorankündigung bei dem Clan ankommen würde. Ich konnte es mir aber auch nicht recht vorstellen, dass es mir jemand verübeln würde, besonders Tanya nicht.
Ich fuhr vom Highway ab und folgte einem Pfad Richtung eines Mischwaldes, der sich als eine der wenigen grünen Flecken von dieser Gegend hervorhob. Ich hatte alles noch genau in meinem Kopf und fuhr in den Wald hinein, der mich nach einer kurzen Strecke zu einem Haus führen würde, das mir mit seinem großen Kamin und den weißen Wänden Geborgenheit schenken würde.
Ich stellte den Mercedes in einigen Metern Entfernung ab und öffnete die Fahrertür mit einer für mich ungewöhnlich langsamen Geschwindigkeit. Ich wollte nicht überstürzt handeln und mit freundlicher Gestik meinen Besuch ankündigen, statt mich mit unhöflicher Schnelligkeit in dem Haus einzufinden.
Es lag kein Schnee, aber dafür war der Boden mit grünem Moos bedeckt, der nur an kleinen Stellen nicht vorhanden war, da sich dort ein Kieselweg befand. Die Temperatur hatte sich ebenfalls geändert; im Vergleich zu hier herrschte in Forks fast Sommer. Ich konnte von Glück reden, dass ich nicht mehr anfällig für die Kälte war, auch wenn diese hier in Zentralalaska meistens nur nachts ein höchst unangenehmes Klima annahm.
In dem Moment, da ich nur einige Meter vor diesem Haus stand, fühlte ich eine angenehme Erleichterung in mir und am liebsten hätte ich meine Schritte noch beschleunigt.
Ich hatte es geschafft... Nichts und niemand würde mich hier wieder zu jenem Monster zwingen, das ich nicht sein wollte. Mein persönlicher Dämon würde niemals den Weg hier hinauf finden, um mich erneut ins Verderben zu stürzen. Hier war ich sicher, dessen war ich mir klar.
Quälend langsam trat ich auf die Veranda zu und wurde nicht überrascht, als im nächsten Moment ein Paar goldene Augen die meinen streiften.
-...Edward?...-
Die angenehm warme und helle Stimme, die in meinem Kopf erklang, lockte mich näher zu dem Haus hin.
Ich lächelte ganz leicht, als eine junge Frau mit erdbeerblonden, langen Haaren vor mir auf der Veranda erschien und mir zulächelte.
Sie war schon damals höchst aufmerksam gewesen, ich hätte mir von Anfang an denken können, dass sie mein Kommen bemerken würde.
Stirnrunzelnd betrachtete ich ihre Kleidung, während sie in Gedanken ein ‚Hübsch, nicht wahr?‘ formte.
Wenn ein normaler Mensch sie erblickt hätte, dann würde derjenige sicherlich glauben, dass sie verrückt war. Sie trug ein leichtes grünes Kleid und nur ein paar dünner weißer Socken und das trotz der eisen Kälte der Nacht.
Ihre goldenen Augen fixierten meine und ich nickte ihr zu.
„Tanya“, begrüßte ich sie und kam näher. „Entschuldige, dass ich hier so einfach ohne Vorankündigung auftauche, aber ich hatte keinen anderen Ausweg.“
Sie nickte mir nachdenklich zu und ihr Gesicht verzog sich besorgt.
„Du kannst uns jederzeit besuchen, Edward... Jedoch beunruhigt mich dein plötzliches Erscheinen. Ist irgendetwas vorgefallen?“, fragte sie mit leiser Stimme.
Ich hob die Hand und ging an ihr vorbei.
„Wir können es im Haus bereden. Sicherlich würden auch die anderen gerne von meinem Besuch in Kenntnis gesetzt werden und ich denke nicht, dass dies gewährleistet ist, wenn wir weiterhin hier stehen bleiben“, informierte ich sie mit ruhiger Stimme und öffnete nun selbständig die Tür und hielt sie auffordernd auf.
„Ja, natürlich“, antworte sie schlicht und folgte meiner Aufforderung. Nachdem Tanya in einer höchst menschlichen Geschwindigkeit das Haus betraten hatte, ließ ich die Tür ins Schloss fallen.
Die Wände waren allesamt in ein weiß gefärbt, das sie wie glitzernder Schnee zierte. Ich stand bereits in das mir so vertraute Wohnzimmer und der große Kamin, der auf der linken Seite angebracht war, lud mit einem bequemen Feuer ein.
Die Denali liebten die Gemütlichkeit, und nicht nur das machte sie bereits zu einer sehr netten und höflichen Familie.
„Setz dich doch“, sagte Tanya und winkte mit einer Hand einladend auf die roten Polstersofas, die vor dem Kamin standen. Ich folgte dieser Aufforderung und ließ mich höchst zufrieden mit mir selbst in die Kissen sinken. Tanya setzte sich mir gegenüber und betrachtete stumm den Türrahmen auf der anderen Seite des Raumes, wo nun auch Katerina und Irina mit ihren langen Haaren - genauso wie Tanya - im Türrahmen erschienen und mir freundlich zu lächelten.
„Willkommen, Edward“, begrüßte mich Katerina und steuerte auf den Platz neben Tanya zu. Irina hob ihre Hand als Begrüßung und ließ sich prompt neben Katerina sinken.
Zu meiner Verwunderung trugen die beiden genauso wie Tanya ein kurzes Kleid, jedoch in einem leichtem rot und zarten blau.
„Gab es irgendeinen besonderen Anlass, dass ihr euch wie immer Sommer kleidet?“, fragte ich beiläufig und mit einer Spur aus Interesse, als ich sogleich aus Irinas Kichern die Antwort entnehmen konnte – oder viel mehr ihren Gedanken.
-...Wir hatten uns noch nicht die Mühe gemacht, unsere Kleider auszutauschen. Immerhin waren wir vor kurzem erst auf einer Party gewesen, da...-
„Ihr habt euch kein bisschen verändert“, stellte ich mit einem Grinsen fest und alle drei fingen an zu kichern.
„Du aber auch nicht“, sagte Tanya lachend „Charmant und gutaussehend, genau wie immer.“
Mir gefiel der leicht schwungvolle Unterton in Tanyas Stimme nicht, deshalb konzentrierte ich mich darauf, das Thema zu wechseln.
„Wo sind Carmen und Eleazar?“, fragte ich sie und mein Blick schweifte zur Tür.
„Jagen, aber sie müssten schon bald wieder zurückkommen“, meinte Katerina schulterzuckend und ihr Blick heftete sich auf mein Gesicht.
Außer Tanya, Irina und Katerina – kurz gesagt Kate -, lebten noch zwei weitere Vampire hier, namens Carmen und Eleazar. Ursprünglich kamen die beiden aus Spanien und haben sich schließlich nach einiger Zeit auch bei den Denali niedergelassen, da sie größten Respekt in ihre Lebensweise als ‚Vegetarier‘ zeigten.
„Edward“, unterbrach mich Tanya aus meinen Gedanken und ich sah zu ihr auf.
„Würdest du uns nicht vielleicht erklären, was du hier machst? Natürlich genießen wir deine Gesellschaft sehr, allerdings würden wir gerne wissen, was in Forks vorgefallen ist.“
„Ja, natürlich“, sagte ich seufzend und betrachtete meine Hände, die sich nun wie zu Fäusten ballten – den anderen würde dies sicherlich nicht entgehen.
Meine Gedanken schweiften wieder zu dieser Isabella, die mir fast meine letzten Funken Selbstbeherrschung geraubt hatte. Sofort wurden auch wieder die finsteren Erinnerungen in mir wach, meine Gier und meine Mordpläne, als sie neben mir saß... Genauso sehr glaubte ich, wieder ihren Geruch riechen zu können, obwohl dies völlig ausgeschlossen war.
Die anderen betrachteten mich besorgt und warteten darauf, dass ich fortfuhr.
Ich wusste nicht, wie ich meine Gier ausdrücken sollte... Wie ich nur annähernd dieses Gefühl in mir beschreiben konnte, als ihr Duft mich so berauschend getroffen hatte...
„Ich hätte beinahe einen Menschen in der Schule getötet“, sagte ich schließlich frustriert und eine Spur von Verärgerung schwang in meiner Stimme mit.
„Warst du an diesem Tag durstig?“, fragte Irina und ihr Blick wanderte zu meinen schwarzen Augen. „Oh“, machte sie und schüttelte dann den Kopf.
„Dann ist es aber normal“, warf Kate ein. „Wenn du zu diesem Zeitpunkt so durstig warst, dann war es nicht deine Schuld.“
„So war es aber nicht“, erwiderte ich zerknirscht. „Ich bin es gewohnt, meinen Durst im Zaum zu halten, jedoch war ich nicht imstande, ihn dieses Mal genauso zu zügeln, wie bisher. Dieses Blut war das süßeste und schmackhafteste, den ich jemals gerochen hatte... Versteht ihr nicht? Ich wollte viele Menschen abschlachten, nur um an dieses eine Blut zu gelangen!“
Nun war ich definitiv wütend, aber die Wut galt mir selbst.
„Tut mir leid“, sagte Kate leise.
-... Ich konnte doch nicht wissen, dass...-, hörte ich ihre anklagenden Gedanken zu ihr selbst einreden, und am liebsten hätte ich etwas dagegen unternommen, jedoch bewegten sich meine Lippen nicht. Ich konnte keinen Gegenspruch formen.

Unsere mittlerweile unangenehme Konversation wurde glücklicher Weise unterbrochen, indem zwei Personen die Haustür öffneten und sofort ihre dicken Pelzjacken auszogen.
Erfreut erkannte ich Carmen und Eleazar, die mich sofort mit einem Blick streiften und zu mir hinüber kamen.
„Schön dich zu sehen, Edward!“, sagte Carmen und kam zu mir hinüber, um mich einmal freundschaftlich in den Arm zu nehmen.
„Wie schön, dass du uns nun besuchst“, fügte Eleazar hinzu und streckte mir seine Hand entgegen, die ich annahm.
Tanya warf den beiden einen warnenden Blick zu und in ihren Gedanken lauerte eine kleine Drohung, dass sie mich am besten gehen ließen. Irritiert wandten sich die beiden von mir ab und setzten sich auf den leeren Platz neben Tanya.
„Wie lange gedenkst du zu bleiben?“, fragte Eleazar und in seinem Kopf ging er bereits alle Möglichkeiten durch, was wir wohl beide alles während meines Aufenthalts unternehmen könnten. Ich hätte dankbar ablehnen müssen, doch zum Glück meldete sich Tanya zu Wort.
„Kate, würdest du vielleicht Eleazar und Carmen über die Vorkommnisse aufklären? Ich würde gerne ein privates Gespräch mit Edward führen.“
Sie stand auf und ging hinüber zum Hinterausgang. Mit einem Winken gab sie mir zu verstehen, dass ich ihr folgen sollte, also erhob ich mich. Ich wusste bereits, was sie von mir wollte... Und vielleicht tat es mir auch gut, wenn ich einmal ein Leid mit einer guten Freundin teilen konnte.

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Beitrag  Gast Do 14 Feb 2008, 21:03

„Erzähl es mir bitte, Edward“, sagte sie leise, während ich die Tür hinter uns geschlossen hatte.
Ich atmete tief die frische Luft ein, bevor ich versuchte, meinen jetzigen Standpunkt besser in Worte auszudrücken.
„Gestern kam eine neue Schülerin nach Forks“, begann ich und warf einen Blick auf Tanya, die mir allerdings nur stumm zu nickte, als Zeichen, dass sie zuhörte. „Alle Menschen waren von ihrer Ankunft aufgebracht... Es war wirklich höchst nervig, all die wirren Gedanken zu hören... Das meiste war ziemlich kindisch. Nun... Die Sache ist die...“
Ich stoppte.
Etwas in meinem Körper verzog sich bei dem Gedanken an diese stille Leere... An diesen leeren Fleck im Stimmengewirr, genau dort, wo Isabella Swan gesessen hatte.
„Ich kann ihre Gedanken nicht hören. Das war bisher noch nie vorgekommen!“ Ich konnte nicht länger den Ärger und die Frustration in meiner Stimme verbergen. „Es war wirklich alles sehr ärgerlich! Allerdings ist mir Anfangs nicht ihren Blutgeruch aufgefallen, vermutlich weil ich sowieso schon versuchte, den Blutgeruch zu ignorieren und mich dabei eher auf Jaspers Durst konzentriert hatte, statt auf meinen eigenen. Jedenfalls... Als ich dann zur Biologiestunde ging, kam ausgerechnet dieses Mädchen auch in die Klasse – und nicht nur das! Sie saß genau neben mir.“
Ich knirschte mit den Zähnen. Abermals fragte ich mich, wieso sie ausgerechnet in Forks aufgetaucht war, den Ort, den ich als meine Heimat ansah?
„Erzähl bitte weiter“, bat Tanya und betrachtete mich auffordernd, wenn auch ein wenig besorgt.
„Der Geruch ihres Blutes war kaum auszuhalten... Ich schmeckte es schon förmlich auf meiner Zunge und ich musste wirklich meine letzten Kräfte zusammenraffen, um der Versuchung nicht nachzugeben... In dieser Stunde spielte ich mit Mordgedanken... Ich hätte dabei nicht nur diese Bella getötet, sondern auch alle anderen, die im Raum waren... Es war unerträglich. Nach Ende der Stunde bin ich so schnell wie möglich verschwunden.“
Tanya war einen Moment lang still und ihre Gedanken waren konfus, während sie versuchte, alle Einzelheiten zu analysieren.
„Du meinst, ihr Blut ist etwas Besonderes für dich?“, fragte sie schließlich kopfschüttelnd.
„Ja“, antwortete ich unnötig gereizt und es tat mir sofort leid.
„Du kannst dich nicht ewig verstecken, Edward. Du musst dich deiner Schwäche stellen. Du bist lange genug ein Vampir und müsstest wissen, was es heißt, zu widerstehen.“
„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist“, erwiderte ich leise.
Tanya seufzte.
„Bleib einige Tage bei uns, vielleicht wird es dir dann klarer, was du tun musst. Du wirst deiner Familie keine Freude bereiten, wenn du dich ewig irgendwo verschanzt, nur weil du Angst hast, dass du einen Menschen töten könntest. So ist nun einmal unsere Natur, und die Gefahr, dass wir einen Menschen töten besteht immer. Vergiss das bitte nicht.“
Ich wusste, dass sie die Wahrheit sprach.
Genauso sehr wusste ich, dass sie mich verstand.
Sie selbst und ihre ‚Schwestern‘ hatten vor etlichen Jahren ihren Widerstand aufbauen müssen und sie wusste, wie schwierig es war. Ich war ihr dankbar dafür, dass sie selbst ihre alten schmerzlichen Erinnerung ausgrub, nur um mir zu helfen.
„Ich gehe hinein, Edward. Wenn du Hilfe benötigst, ich und die anderen sind da für dich“, sagte sie mit sanfter Stimme.
„Ich weiß“, antwortete ich seufzend und im Stummen formte ich Worte der Dankbarkeit.

Ich blieb noch einige Zeit an der frischen Bergluft und dachte über das, was Tanya gesagt hatte, nach.
Sie hatte vollkommen Recht.
Es war wirklich ein Zeichen von Schwäche, wenn ich so etwas tun konnte.
Ich wollte meine Familie nicht verletzten, genauso wenig wollte ich Forks meiden. Forks war meine neue Heimat und würde es auch bleiben.
Noch einmal schweiften meine Gedanken zu dem blassen Mädchen mit den rehbraunen Augen.
Wie um Himmelswillen sollte ich widerstehen können, damit das Monster nicht in mir erwachte?
Wie konnte ich meinen eigenen Dämonen bezwingen, damit ich wieder in Frieden leben konnte?

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Beitrag  Gast Di 19 Feb 2008, 22:18

Kapitel 3. Rückkehr

Zwei weitere Tage blieb ich bei den Denali und ließ mir immer wieder alles durch den Kopf gehen.
Ihre Gastfreundschaft war unübertroffen und ich fühlte, dass dies meine zweite Heimat war.
Sie unterbrachen mich nie, wenn ich wieder einmal in meinen Gedanken schwelgte; sie taten alles, dass ich mich dort wohl fühlte. Ich genoss ihre Gastfreundschaft sehr und ich war mir sicher, dass ich – selbst wenn ich nach Forks zurückkehren würde – in absehbarer Zeit wieder hierher zurückkehren würde.
So sehr ich sie auch mochte, die meiste Zeit war ich lieber alleine.
Eleazar war enttäuscht darüber, aber ich wusste, dass er es verstand.
Ich wusste, sie würden nicht in meine Denkweise eingreifen, solange ich sie nicht darum bitten würde, genau wie Tanya es gesagt hatte. Oftmals registrierte ich in ihren Gedanken eine leichte Besorgnis, die ich jedoch immer wieder mit einem Kopfschütteln abwarf.
Es stimmte auch; die Atmosphäre in Alaska war angenehm und ich fühlte mich nicht im Mindesten unwohl – zumindest solange, bis meine Gedanken wieder nach Forks schweiften.
Am liebsten saß ich draußen auf dem Gelände unter einer großen Tanne, die anmutig den schneeweißen Garten zierte und das leichte Rascheln des Windes mein Ohr streiften.
Ich genoss die frische Bergluft zutiefst, die meine Sinne und Gedanken von ‚ihrem‘ Blutgeruch befreien konnte, der mir seit der Biologiestunde den Kopf vernebelte.
Ich versuchte nicht an dieses sonderbare Mädchen zu denken und mich stattdessen auf meine Familie zu konzentrieren, doch es klappte nicht immer.
Öfters als mir recht war, schweiften meine Gedanken wieder nach Forks, wo mein persönlicher Dämon lauerte.
In diesen Moment verkrampfte sich etwas tief in mir; Scham und ein seltsamer Drang vermischten sich zu einem einzigen brodelnden Gefühl in mir, das mich fast dazu zwang, auf der Stelle zurückzukehren.
Und immer wieder redete ich mir in solchen Momenten ein, dass es falsch wer, einfach geflohen zu sein...
Tanya hatte vollkommen Recht.
Vielleicht hatte ich tatsächlich alles zu schwarz gesehen und dabei die Umstände nicht genau genug betrachtet...
Vielleicht war mein Durst nur deswegen fast eskaliert, da ich schon lange genug kein Tierblut mehr gehabt hatte. Ganz zu schweigen von der Anspannung in mir, den Jaspers Durst ausgelöst hatte.
Vielleicht war ich einfach nur überempfindlich gewesen... Vielleicht roch ihr Blut nicht einmal so köstlich, wie ich es mir immer eingebildet hatte – auch wenn ich dies nicht wirklich glauben konnte.
Wieso war ich so egoistisch gewesen und hatte nicht an die Folgen meiner Handlungen gedacht?
Was würden nun die anderen von mir denken?
Nach meinem langen Grübeln kam ich nur noch mehr ins schwanken, was meine bisherigen Entscheidungen anging.
Auch bekam ich langsam Heimweh; ich sehnte mich wieder nach meiner Familie... Besonders nach Esme.
Zu oft hatte ich mir schon ausgemalt, wie es ihr nun ohne mich erging, nachdem ich mich nicht einmal von ihr verabschiedet hatte... Ich wollte ihr dies nicht antun, immerhin war sie meine ‚Mutter‘.

Ich betrat wieder einmal das große Wohnzimmer, das wie zuvor auch leer war.
Die meiste Zeit über verbrachten die anderen auch im Freien, oder sie sahen sich in ihren eigenen Zimmern DvDs an.
Ich ließ mich auf ein Sofa sinken und nur mit größter Beherrschung war es mir möglich, nicht schon wieder in meinen Gedanken zu versinken.
Alles in mir wollte wieder zurück Nachhause... Meiner einzigen, wahren Heimat und zu meiner einzig wahren Familie.
Selbst wenn dieses seltsame Mädchen dort lauerte, um mich in ein Monster zu verwandeln, so wollte ich jedoch wieder zurück. Sicherlich gab einen Weg, wie ich meinen Blutdrang zügeln konnte – so wie bisher auch immer.
Es gab immer einen Ausweg.
-...Edward...-
Tanyas Stimme erklang wieder einmal in meinem Kopf und es wunderte mich nicht, dass sie es war und nicht jemand anderes.
Ich drehte meinen Kopf zur Tür am anderen Ende des Raumes, wo sie am Türrahmen wartete.
-...Brauchst du Hilfe...?...-
Ich nickte kaum merklich und sie trat mit leichten, vorsichtigen Schritten auf mich zu.
Ich war ihr dankbar, dass sie Verständnis zeigte und auch wirklich froh, dass sie sich um mich kümmerte.
Ich wusste, dass es nicht nur rein aus freundschaftlichem Wille war, sondern auch ihr ganz eigenes Interesse an mir selbst. Dabei war es eigentlich nicht das erste Mal gewesen, da ich ihr Interesse abgeschlagen hatte.
Sie ließ sich neben mich sinken und betrachtete mich besorgt.
„Du hast in den letzten zwei Tagen viel nachgedacht. Bist du schon zu einem Schluss gekommen?“, fragte sie mit sanfter Stimme.
„Vielleicht hattest du Recht...“, flüsterte ich und biss mir auf die Lippen. „Ich habe viel über meine Familie nachgedacht... Ich habe wieder Heimweh, genauso wie früher, als ich für eine kurze Zeit in meinem Leben wirklich dem Monster in mir nachgegeben hatte... Ich möchte meine Familie nicht enttäuschen, aber ich möchte sie auch nicht in Gefahr bringen. Aber... Ich weiß nicht, wie ich es alleine überstehen kann. Meine Familie ist alles, was mir geblieben ist; sie sind wie Brüder und Schwestern für mich. Ich möchte mich nicht vor ihnen oder sonst jemanden verstecken. Ich werde wohl zurück nach Forks gehen... Auch wenn es zugleich die Hölle für mich ist. Ich habe vermutlich auch nichts Besseres verdient.“
Tanya seufzte.
„Du bist wirklich noch ganz der Pessimist. Glaubst du wirklich, dass wir etwas dafür können, dass wir nun so sind, wie wir sind? Natürlich nicht! Carlisle hat dein Leben gerettet, nichts anderes, genauso wie bei den anderen deiner Familie. Denk daran. Du kannst dich selbst und andere nicht dafür verurteilen, nur weil wir keine Menschen sind.“
Ich lächelte ganz leicht, aber sofort spannten sich meine Mundwinkel wieder an. Dasselbe hatte mir Carlisle auch die Jahre lang gesagt.
„Ich verurteile niemanden dafür, eher mich selbst. Aber du hast vollkommen recht, ich hatte großes Glück, jemanden wie Carlisle gefunden zu haben. Es wird wohl nie wieder einen solchen Vampir wie ihn geben.“
„Ja, vermutlich“, sagte Tanya und zuckte mit den Schultern. „Aber im Moment geht es nicht um ihn, sondern um dich.“
Ihre Gedanken spiegelten ihre Worte wieder.
-...Entscheide dich...-
Eine schwere Entscheidung die ich treffen musste, aber eigentlich hatte ich mich schon entschieden.
Ich könnte hier bleiben oder sonst irgendwo hingehen, weit weg von Forks... Wo mich mein Dämon nicht aufholen konnte. Aber diese Option stand außer Frage.
Meine weitere war, dass ich einfach nach Forks gehen würde, zurück zu meiner Familie und zurück zu dem Risiko. Natürlich musste ich Tanyas Kritikpunkt auch berücksichtigen, es gab immer ein Risiko für uns Vampire, mit Menschen Kontakt zu haben.
Egal was geschehen würde, ich würde zurückkehren.
Ich schloss kurz meine Augen und atmete tief ein.
„Ich werde nach Forks zurückkehren“, sagte ich mit fester, überzeugender Stimme.
„Ich wusste, dass du das sagen würdest“, sagte Tanya leise. „Es ist auch die einzig wahre Möglichkeit.“
Ich öffnete wieder die Augen und sah in ihr Gesicht.
„Es liegt nicht an dir oder sonst irgendjemanden“, antwortete ich hastig, bevor sich der schmerzliche Ausdruck auf ihrem Gesicht weiter ausbreiten konnte. „Ich will einfach zurück zu meiner Familie. Zu lange haben wir wie eine richtige Familie gelebt, ich kann mir mein weiteres Leben ohne diese Verbindung nicht mehr vorstellen.“
Tanya stand auf und betrachtete mich mit ernster Miene.
„Du musst dich angemessen vorbereiten, so viel ist sicher.“
Ich nickte und stand auch auf.
„Du meinst angemessen meinen Blutdurst stillen.“
„Genau.“
Noch immer zeigte ihr Gesicht die Anspannung – wie immer, wenn sie jemanden Anweisungen gab.
„Ich habe dasselbe vor langer Zeit durchgemacht... Trinke so viel Blut wie möglich. Selbst wenn du merkst, dass du keinen Durst mehr hast, trink weiter. Solange, bis du wirklich nicht mehr einen Tropfen Blut zu dir nehmen kannst. Das sollte deinen Blutbedarf ausreichend genug decken, um selbst diesem ungewöhnlichen Blutgeruch widerstehen zu können.“
„Ja, ich werde es versuchen.“
Etwas anderes konnte ich auch gar nicht tun.
Egal wie lange ich nun schon meinen Blutdurst unterdrückte, dieses Mal war es etwas völlig neuartiges.
„Du solltest nun schon aufbrechen, wenn du bis zum Morgen in Forks sein willst“, sagte sie seufzend und ihr Gesicht entspannte sich wieder.
„Ich habe nicht vor, morgen direkt wieder in die Schule zu gehen. Ich werde jagen und mich auf die nächste Schulwoche vorbereiten. Wenn alle Vorbereitungen getroffen sind, werde ich wieder in die Schule gehen.“
„Ja, vermutlich ist das sogar das Beste.“
Ich wandte meinen Blick zur Tür und konzentrierte mich einen Moment lang auf die Gedanken der anderen Denali Mitglieder. Normalerweise konnte ich ihre Gedanken auch aus längeren Strecken hören, doch nun war es still.
Ehe ich fragen, oder auch nur die Antwort in Tanyas Gedanken hören konnte, antworte sie schon mit sanfter Stimme.
„Ich habe dir bereits gesagt, dass wir dich unterstützen, Edward. Wir sind dir zwei Tage lang aus dem Weg gegangen, damit du alles in Ruhe überdecken konntest. Ich kenne dich lange genug, ich wusste genau, dass du früher oder später nach Forks zurückkehren würdest. Natürlich freuen wir uns über deinen Besuch, aber wir wollen dich hier nicht festnageln. Du solltest zurückkehren und wir wollen dir den Abschied nicht schwerer machen, als er sowieso schon ist. Ich weiß, wieviel es dich kostet, zurückzukehren.“
„Sie sind weg“, vermutete ich und sah sie mit Argwohn an.
„Ja, Irina und Kate mussten sowieso wieder jagen und Carmen und Eleazar haben sie einfach begleitet, auch wenn sie keinen Durst haben.“
„Aber du bist geblieben.“
„Ich wollte nur sichergehen, dass du dich richtig entscheiden würdest und natürlich wollte ich mich auch von dir verabschieden, im Namen von uns allen.“
Ich verzog mein Gesicht ganz leicht und bemühte mich, mir nichts anmerken zu lassen.
„Danke, Tanya. Du bist eine wahre Freundin, genau wie alle anderen. Ich wüsste nicht, was ich ohne euch getan hätte. Ich werde euch so bald wie möglich noch einmal besuchen kommen.“
Ich wusste, der Abschied fiel ihr schwer, also drehte ich mich um und steuerte die Haustür an. Glücklicherweise musste ich nichts packen, denn ich hatte auch nichts mitgenommen.
-...Edward, das zwischen uns...-
Ich wusste, dass sie mir erneut diese Frage stellen würde und es tat mir leid, dass ich erneut dieselbe Antwort geben würde.
Ich blieb im Türrahmen stehen und schüttelte leicht den Kopf.
„Du bist eine wahre Freundin, Tanya“, wiederholte ich meine Worte und ging hinaus in die Kälte.

Der Mercedes stand noch genauso, wie ich ihn abgestellt hatte.
Ich setzte mich mit unmenschlicher Geschwindigkeit ins Auto und drehte das Zündschloss um.
Ich fuhr den ganzen Weg zurück Richtung Highway, während erneut meine Gedanken verrückt spielten.
Ich war nicht schwach.
Ich kehrte zurück zu meiner Familie und zurück in meine Hölle.
Selbst wenn es das letzte war, was ich tat, ich würde das Geheimnis dieses Swan-Mädchens schon noch lösen.

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast Di 19 Feb 2008, 22:19

Kapitel 4. Vorbereitungen


Ich raste auf dem Highway Richtung Forks zurück.
Es war tiefste Nacht und wieder einmal hatte ich den Highway für mich alleine. Sicherlich würde ich am frühen Morgen bereits meine Familie wiedersehen, die dank Alice auch Bescheid wissen würden.
Immer noch wusste ich nicht genau, was ich ihnen sagen konnte...
Ich bezweifelte sogar, dass sie meine Beweggründe verstehen würden, die mich zu meinen überstürzten Aufbruch getrieben hatten. Alice würde es verstehen und Carlisle tat es bereits.
Doch unabhängig davon, ob sie mich nun zurechtweisen oder mich herzlich empfangen würden, wollte ich zurück zu ihnen; zurück zu meiner Familie.
Forks war immer noch meine Heimat und ich schämte mich, dass ich nun - ohne besonderen Grund - wieder zurückkehrte.
Sie hatten es einfach nicht verdient, dass ich sie so im Stich gelassen hatte.

Langsam wurden die Landflächen grüner und der Schnee verwandelte sich in leichten Regen.
Irgendwie fühlte ich mich erleichtert, als die ersten Regentropfen auf meiner Windschutzscheibe hinab liefen und die Ankunft in Forks ankündigten.
Ich war froh darüber, wieder zurück zu sein.
Ich steuerte den Mercedes nach Norden, vorbei an Forks, in einen nebelverhangenen Wald.
Noch hatte ich die Gelegenheit umzudrehen und wieder zu verschwinden – aber ich wollte dies nicht, egal was nun kommen würde.
-...Edward, schön, dass du wieder zurück bist...-
Die helle, sanfte Stimme in meinem Kopf löste erneut eine Welle der Erleichterung aus.
Es war keine Überraschung für mich, dass ich Alice‘ Gedanken hören konnte – natürlich wusste sie, dass ich zurückkehren würde.
Uns beide hatte schon immer ein großes Band verbunden, immerhin waren wir quasi Außenseiter in unserer Familie durch unsere speziellen Talente. Ab und zu kam es vor, dass Alice mit ihren Gedanken Kontakt aufnahm und mir Botschaften vermittelte, die die anderen nicht wahrnehmen konnten. Es war schon ein wenig praktisch.
-...Esme hat sich Sorgen gemacht, es wird eine große Erleichterung für sie sein, wenn du wieder bei uns bist...-, fuhren ihre Gedanken fort und meine Schuldgefühle im Inneren vibrierten.
Ich hatte bereits befürchtet, dass ich Esme mit meinem Verschwinden verletzten würde und nun hatte sich dies bewahrheitet.
-...Wenn du es den anderen erklärst, werden sie es bestimmt verstehen...-
Ich fuhr an den Zedern vorbei auf eine Lichtung, wo auch unser Haus stand. Ich entdeckte meinen Volvo, der geparkt vor unserem Haus stand und ich fuhr den Mercedes daneben. Carlisle war also auch Zuhause.
Leise stellte ich den Motor ab und stieg seufzend aus.
Noch einmal ging ich meine Argumente durch, die ich vorbringen könnte, doch diese wurden mal zu mal lächerlicher. Vielleicht sollte ich einfach einsehen, dass es falsch und feige war?
Gemächlich schlurfte ich zur Veranda und atmete tief ein, bevor ich das Haus betrat.

Natürlich wussten alle von meiner Ankunft Bescheid.
„Edward!“, hörte ich Alice‘ Stimme und sie kam sofort von der Wendeltreppe auf mich zu gestürmt, um mich zu umarmen.
-...Kümmere dich um Esme, ihr ist elend zu mute...-, hörte ich ihre vorwurfsvollen Gedanken während sie mich umarmte. Schließlich ließ sie mich wieder los und machte Platz für das nächste Mitglied meiner Familie.
Innerlich seufzte ich auf, als ich in Esmes besorgt quälendes Gesicht sah, als ob sie gleich in Tränen ausbrechen würde, wenn sie es könnte. Es tat mir so furchtbar leid.
Sie stand an der Stelle, wo vorher Alice gestanden hatte und überlegte stark, ob sie vorwurfsvoll, wütend oder besorgt sein sollte. Mir war alles Recht, solange sie danach wieder so war wie immer; dass sie nach all dem wieder Esme war, die glücklich und mütterlich war.
„Esme, es tut mir leid“, sagte ich reumütig und kratzte mich am Hinterkopf.
Sie stürmte genauso wie Alice auf mich zu und umarmte mich mit festem Druck.
„Wage es nicht noch einmal uns zu verlassen, ohne vorher Bescheid zu geben! Ich war krank vor Sorge um dich!“, sagte sie mit erstickender Stimme.
„Tut mir leid... Mom...“, sagte ich und umarmte sie auch.
Wenigstens schien es mir niemand sonderlich Übel zunehmen; ich hatte großes Glück.
Ich löste meine Umarmung von Esme und drehte mich zu Carlisle um, der lächelnd neben meinem Konzertflügel stand. Auch er streckte die Arme nach mir aus.
„Edward! Wie schön, dass du wieder hier bist. Wie war dein Aufenthalt in Alaska?“, fragte er mit freundlicher Stimme und kam mit langsamen, menschlichen Schritten zu mir herüber.
„Ihre Gastfreundschaft ist ungetrübt“, sagte ich und zuckte mit den Schultern. „Tanya, Irina und Kate vergnügen sich wie sonst auch bei Partys und Carmen und Eleazar genießen die Natur.“
Carlisle seufzte.
„Ich bin froh, dass es ihnen gut geht. Wir sollten uns mal bei ihnen melden, findest du nicht auch?“ Sein Gesicht verdunkelte sich einen Moment lang, aber sofort entspannte sich sein Gesicht wieder, als Esme zu ihm hinüber sah.
-...Geht es dir nun besser, Edward?...-, fragte er in seinen Gedanken und ich nickte ganz unauffällig, indem ich auf den Boden starrte.
„Sieh einer an, wer nun wieder Zuhause ist!“, rief eine erfreute Stimme, die Emmett gehörte.
Er kam zusammen mit Rosalie die Wendeltreppe herab und grinste mich breit an. Rosalie rümpfte die Nase, als ob meine Rückkehr kein besonderer Anlass war, um ein Wort zu erheben, und starrte an meiner Seite vorbei. Ich kannte ihr Verhalten lange genug, um mich nicht darüber aufzuregen, wie desinteressiert sie manchmal an unserem Familienleben war.
Hinter ihnen tauchte auch Jasper auf, der mich auch einen Moment lang angrinste, bevor er zu Alice hinüber schlurfte.
„Ich bin froh, dass ihr es mir nicht Übel nehmt, dass ich, ohne ein Wort zusagen, gegangen bin. Es war unverantwortlich und einfach nur feige von mir“, sagte ich in die Runde und seufzte.
„Du bist zurück, das ist das einzige, das zählt“, sagte Carlisle ruhig und lächelte mich wieder an. „Ah, wenn ihr mich nun entschuldigen würdet... Ich nehme meinen Mercedes und fahre wieder zurück ins Krankenhaus. Immerhin habe ich noch Arbeit zu verrichten“, sagte er fröhlich und kam zu mir hinüber, um mit mir die Autoschlüssel zu tauschen.
„Danke“, flüsterte ich, als ich ihm seinen Autoschlüssel übergab.
Carlisle drehte sich ohne ein weiteres Wort um und ging hinaus auf die Veranda. Doch ich erhielt meine Antwort in seinen Gedanken.
-...Du weißt, dass ich für dich da bin...-
Er hatte absolut Recht und ich war dankbar dafür, dass er mich stets aufnahm.
Ein Seufzer der Erleichterung entwich meinen Lippen und ich spürte einige besorgte Blicke auf mir ruhen.
„Tut mir wirklich leid“, wiederholte ich noch einmal.
Emmett zog eine Augenbraue nach oben.
„Könntest du uns vielleicht darüber aufklären, was mit dir los war? Ich verstehe nicht ganz, wieso du auf einmal so dringend Forks verlassen musstest. Alice hatte gemeint, du solltest uns das selbst sagen...“ Er warf einen finsteren Blick auf Alice; sie zuckte aber nur mit den Schultern.
„Ich finde, dass Edward ein Recht darauf hat, es euch selbst zu sagen, anstatt dass ihr es aus zweiter Hand erfährt“, erklärte sie.
„Vielen Dank“, sagte ich zu Alice und ein Lächeln huschte über ihre Lippen.
„Nichts zu danken.“

Wieder einmal hatte ich einen Punkt erreicht, wo ich nicht wusste, was ich ihnen sagen konnte.
Sofort drangen wieder Bilder in mein Gedächtnis... Grauenhafte Gedanken über Morde... Und auch Bilder dieses seltsamen Mädchens, das wie ein unbeschriebenes Buch vor mir stand. Ohne Gedanken, ohne Wissen; schutzlos und verführerisch. Ich sah sie deutlich vor mir; wie sich ihre Lippen zu einem hinterhältigen Lächeln verzogen und mich verspottete. Unwillkürlich spannten sich meine Muskeln an und ich atmete schwer aus.
„Edward, du bist angespannt. Was ist mit dir los?“, fragte Jasper ruhig, aber ich wusste, dass er genauso angespannt war. Natürlich konnte er es spüren; wie alles in mir rumorte und wie sich langsam diese Anspannung in meinem Körper verbreitete.
„Ich hätte fast jemanden in der Schule getötet... Und zwar Isabella Swan, die Neue. Der Geruch ihres Blutes war unwiderstehlich... Fast hätte ich sie getötet. Ich musste weg von diesem Ort, versteht ihr das?“ Meine Stimme spiegelte meine Abscheu gegen mich selbst wider.
„Du Ärmster“, hörte ich Esmes besorgte Stimme aber ich schüttelte leicht mit dem Kopf.
„Es ist alles in Ordnung, Esme, mach dir bitte keine Sorgen.“
Ich drehte mich zu Emmett und Jasper um.
„Könnte ich einen Moment mit euch sprechen?“, fragte ich sie.
Auf Emmetts Gesicht bereitete sich von neuem ein breites Grinsen aus.
„Natürlich, Bruder“, antwortete er lachend und kam zu mir hinüber um mich spielerisch zu boxen. Jasper folgte ihm ohne weitere Worte. Er war immer noch ein wenig beunruhigt. Ich war mir sicher, dass Jasper mich am besten verstehen würde... Immerhin kämpfte er mehr als alle anderen Tag für Tag, um dem Geruch von Blut zu widerstehen.
„Und mich willst du nicht dabei haben?“, fragte Alice empört, aber in ihrem Mundwinkel zuckte ein Lächeln.
„Später, Alice“, sagte ich und zwang mich dazu, meine Mundwinkel ein wenig zu einem Lächeln zu heben.

Ich ging mit Jasper und Emmett zusammen die Wendeltreppe nach oben, in mein Zimmer.
Niemand würde uns dort stören, da war ich mir sicher.
Die beiden ließen sich auf meinem schwarzen Ledersofa nieder, während ich leise die Tür hinter mir schloß.
„Worum geht es, Bruder?“, fragte Emmett und klopfte auf den freien Platz auf dem Sofa, als Zeichen, dass ich mich setzen sollte.
Noch immer war ich ein wenig verunsichert, was ich ihnen genau sagen sollte. Ich ließ ich mich seufzend neben Emmett sinken.
„Ihr habt... Erfahrungen damit“, sagte ich schließlich ein wenig frustriert und aus den Augenwinkeln sah ich, dass Emmetts Grinsen breiter wurde.
„Wie ist es... wenn man jemanden trifft, dessen Blut man einfach nicht widerstehen kann?“, fragte ich verschämt und senkte den Blick zu Boden.
„Es ist ein seltsames Gefühl, nicht wahr?“, fragte Emmett neben mir und seufzte. „Ich denke, ich kann mich an zwei Menschen erinnern, die irgendwie... anziehend auf mich gewirkt hatten.“
Sein Gesicht verfinsterte sich einen Moment und er kratzte sich verlegen an der Nase.
„Das ist nun auch schon länger her... Es waren Fremde gewesen und irgendwie... Ich konnte mich nicht beherrschen und hatte sie getötet, ohne dass ich groß darüber nachgedacht hatte.“
Auch er klang ein wenig frustriert, als ob er dieser Erfahrung am liebsten aus dem Weg gegangen wäre. Ich konnte es ihm jedenfalls nachvollziehen.
„Jedenfalls“, fuhr er fort. „Ich weiß nicht, ob es das gleiche war... Bei dem einen Fremden war es nur ein Bruchteil einer Sekunde, bis mein ganzer Körper sich bereit angespannt hatte, um ihn zu töten... Es war alles heftig. Bei dem anderen... Ich würde sagen, ich hatte eine Wahl. Ich habe ja schon erwähnt, es ist lange her. Damals war ich es noch nicht gewöhnt, dem Blutgeruch zu widerstehen... Also hatte ich ihn getötet.“
Ich nickte leicht und versuchte mir seine Worte zu merken.
Hatte ich tatsächlich eine Wahl? Waren meine Gedanken also richtig gewesen?
„Ich weiß nicht genau, ob mir etwas vergleichbares schon einmal passiert ist“, sagte Jasper. „Natürlich muss ich immer noch sehr darum kämpfen, dass ich dem Blut widersage... Aber damals, bevor ich zu euch gestoßen bin, hatte ich eine so große Menge an menschlichem Blut konsumiert, dass es wohl keinen Unterschied gemacht hätte, wenn ein vergleichbares Phänomen aufgetaucht wäre.“
Er verstummte.
„Tut mir leid, Jasper“, sagte ich mitfühlend. „Ich weiß, dass es für dich schwerer ist als für uns anderen. Ich bewundere deine Versuche wirklich sehr.“
„Hast du schon mit jemanden anderen darüber gesprochen?“, fragte Jasper und wechselte somit das Thema.
„Ich habe auch mit Tanya darüber gesprochen. Sie meinte, dass ich immer eine Wahl hätte, egal was passiert. Sie meinte, dass es möglich wäre, dass ich einfach nur viel zu durstig war an diesem Tag. Sie gab mir den Rat, vielleicht ein wenig mehr Blut zu trinken als normal, bevor ich wieder in die Schule gehe.“
Emmett nickte zustimmend.
„Das wäre eine Möglichkeit. Vielleicht solltest du einfach ihrem Ratschlag folgen. Vielleicht ist alles gar nicht so schlimm, wie du denkst.“
Ich nickte stumm.
Was konnte ich auch anderes tun?
Ich hatte mich dazu entschieden, in Forks zu bleiben, egal was kommen würde.
Ich wollte nicht all das opfern, das Carlisle für uns aufgebaut hatte, egal was ich dafür tun musste.
Ich musste diesem Mädchen und ihrem Blut widerstehen, egal wie. Jedes Mittel war mir dafür recht.
Sie durfte nicht merken, wie schutzlos sie gegenüber mir war... Sie durfte wie alle anderen nicht merken, was wir waren.
Ich stand mit einer fließenden Bewegung auf und drehte mich noch einmal zu meinen Brüdern um.
„Vielen Dank, dass ihr Zeit für mich hattet. Ich werde eure Worte beherzigen. Wenn euch jemand fragen sollte, was mit mir los ist, dann antwortet ruhig. So erspare ich mir viel Arbeit.“
Ich schloß einen Moment meine Augen, um mich zu beruhigen.
„Was hast du nun vor?“, fragte Emmett und stand ebenfalls auf.
„Ich gehe jagen. Ich will sichergehen, dass ich nächste Woche überhaupt keinen Durst mehr habe.“
„Das heißt, du gehst wieder in die Schule“, schlußfolgerte Jasper und ich nickte.
Ich öffnete die Tür und sah Alice gegenüber an der Wand gelehnt stehen.
„Du gehst jagen“, sagte sie und nickte mir zu.
„Etwas anderes kann ich auch nicht tun“, antwortete ich frustriert und rauschte an ihr vorbei.
-...Du irrst dich...-, hörte ich ihre Gedanken in meinem Kopf widerhallen, doch ich ignorierte es.

Ich verließ das Haus wieder und lief in einer unnatürlichen Geschwindigkeit tiefer in den Wald hinein.
Ich wollte mich nicht von Forks zu weit entfernen; nicht nachdem ich endlich zurückkehrt war.
Es gab genug Wild in der Umgebung, das ich sicherlich fündig werden würde.
Kein Mensch traute sich so tief in den Wald, so dass auch niemand das Ableben einer großen Anzahl von Wildtieren registrieren würde.
Ich spürte das Ziehen innerhalb meiner Kehle, das nach Blut schrie. Ich war durstig, dass ich ohnehin nicht länger auf das Jagen verzichten konnte.
Ich wusste nicht genau wie viele Tiere ich töten musste, damit mein Durst völlig gestillt war. Es würden wohl viele Tiermorde sein, soviel stand fest.
Egal wie sehr ich es verabscheute, es gab keinen anderen Ausweg.
Als ich sicher war, dass ich tief genug in den Wald vorgedrungen war, weit weg von der menschlichen Zivilisation, ergab ich mich schließlich meinem Durst und meinen unmenschlichen Sinnen.
Ich tötete jedes Tier ohne Reue, das mir in den Weg kam, mit einer unmenschlichen Gier und einem unnatürlichen Blutdrang, den selbst ich kaum gewöhnt war...

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast Sa 23 Feb 2008, 22:13

Kapitel 5. Wie ein offenes Buch

In der Nacht zum Montag, dem Tag, an dem ich wieder in die Schule gehen und meinen persönlichen Dämon wiedersehen würde, saß ich die meiste Zeit an meinem Konzertflügel und spielte selbst komponierte Stücke, die eigentlich mein Inneres beruhigen sollten.
Sanft und zugleich schnell flogen meine Finger über die Tasten, doch selbst das alte Gefühl der Erlösung, wenn ich am Klavier saß, konnte meine Verzweiflung, meinen Hass auf mich selbst und meine Angst auf den Schultag nicht vertreiben.
Es gab keine andere Möglichkeit, wie ich sonst noch Ablenkung finden würde.
Es stand nichts in meinen Schulbüchern, das ich nicht schon Jahrzehnte lang wusste; und meine Hausaufgaben waren genauso zügig wie ordentlich erledigt gewesen wie immer. Es war bereits alles für den nächsten Tag vorbereitet, so dass ich mich um nichts mehr kümmern müsste.
Doch der Gedanke an den nächsten Schultag war mir nicht geheuer.
Meine Stimmung war auch nicht die Beste.
Nachdem Alice versucht hatte mich aufzumuntern und ich sie kühl angewiesen hatte, mich in Ruhe zu lassen, sahen auch die anderen keinen Bedarf an einem weiteren Versuch.
Doch ich hörte ihre Gedanken und Worte in meinem Kopf, und ich wusste nicht, ob ich es positiv einschätzen sollte. Zum einen waren sie immer noch um mein jetziges Befinden höchst besorgt, dass ich nur noch weiter durch meine schlechte Laune verschärfte.
Eigentlich gab es keinen Grund, schlecht gelaunt zu sein.
Ich hatte alles getan, was ich konnte, um den nächsten Tag zu überstehen.
Mein Durst war gänzlich gestillt; es sah auch nicht so aus, als ob morgen die Sonne scheinen würde, jedenfalls behauptete das der Wetterbericht. Allerdings war auf diesen genauso wenig Verlass wie in allen subjektiven Meinungen der Menschen, so dass ich es lieber noch einmal selbst in Alice‘ Gedanken überprüfte. Emmett witzelte manchmal damit, sie sei wie ein Wetterfrosch, doch um Alice nicht zu verärgern, stimmte ich ihm nur in meinen Gedanken zu. Laut Alice würde es schneien und ich bemerkte bereits die Vorfreude in Emmetts Gedanken, die schon darum kreisten, wie er uns alle am besten mit Schneebällen bombardieren könnte.
Zum anderen machten sie sich auch über meine Zukunft sorgen, aber mir war es relativ gleichgültig was sie dachten.
Ich wusste, es unfair gegenüber ihnen, meinen ganzen Frust an meiner Familie auszulassen aber ich wusste genauso, dass sie meine Handlungen durch den Frust verstanden und akzeptierten.
Ich nahm mir zumindest vor, mich am Montag nur von meiner besten Seite zu zeigen, als Entschuldigung für alles, was ich meiner Familie wieder einmal angetan hatte.
Ich durfte es auch nicht zulassen, dass ich mich unnötiger Weise aufregte und somit die Aufmerksamkeit auf mich zog. Besonders am nächsten Schultag wäre es wichtig, dass ich mich unauffällig, diskret und höflich verhielt, wie sonst auch. Niemand durfte jemals bemerken, was wir waren. Je länger keiner Verdacht schöpfte, umso besser war das alles.
Ich wollte die Zeit, die wir in Forks verbrachten genießen; selbst wenn hier ein kleines Mädchen herum laufen würde, dessen Geruch kaum erträglich war.
Sie würde mich nicht noch einmal dazu bewegen, ins Exil zu flüchten, weit weg von Forks. Wer war schon dieses sonderbare Wesen?
Jahrelang war ich es gewöhnt, den Blutgeruch zu wiedersagen. Warum gelang es mir auch dieses Mal nicht?
Ich wusste, ich konnte es schaffen, auch wenn ich mich selbst dazu disziplinieren müsste.
Die Bewegungen meiner Finger wurden wieder langsamer und ich spielte mein Lieblingsstück ‚Claire de lune‘.
Normalerweise beruhigte mich dieses Stück am meisten, doch dieses Mal versagte es wie jedes andere.
Frustriert ließ ich es wieder ausklingen und zog meine Finger abrupt zurück, aus Angst, dass ich vor Wut das Klavier in Stücke reißen würde.
Ich stand von meinem Hocker auf und stampfte die Wendeltreppe hinauf, um die Musikanlage in meinem Zimmer auf voller Lautstärke zu missbrauchen.

„Edward! Wir müssen zur Schule! Nun komm schon!“
Alice hämmerte gegen meine Zimmertür und würde sicherlich auch nicht davor scheuen, sie bald einzutreten.
„Ich komme gleich“, rief ich Richtung Tür, während ich immer noch faul auf meinem Sofa lag.
Die restliche Nacht hatte ich pausenlos Rockmusik gehört und gehofft, dass mich der volle Klang irgendwie ablenken würde. Vergebens.
Nicht einmal in meiner sonst so geliebten Musik konnte ich mich verstecken, das war alles so frustrierend!
Ergeben griff ich nach der Fernbedienung, schaltete meine Musikanlage aus und öffnete meinen Schrank, um einen frischen Pullover daraus zu fischen. Ich machte mir nicht die Mühe, meine zerzausten Haare zu kämmen, da sie ohnehin bald wieder in einem Durcheinander liegen würden – dank Emmett, da war ich mir sicher.
Aber er würde schon noch erfahren, was die Konsequenz aus seinem Komplott war.
Ein leichtes Lächeln huschte auf meine Lippen, bei dem Gedanken an die kommende Schneeballschlacht.
Ein wenig war ich sogar erleichtert, denn meine schlechte Laune war wie verflogen.
Ich griff nach meiner Jacke und meiner Schultasche und trat heraus aus meinem Zimmer.
Am Fuß der Wendeltreppe warteten bereits alle auf mein Erscheinen und ich grüßte sie mit einem lauten ‚Guten Morgen‘.
Ich fing mir einen bösen Blick von Rosalie und ihre vollen Lippen bebten vor Empörung.
Sie stand so da wie eine Art Racheengel.
„Deine schändliche Musik war wieder einmal viel zu laut“, brachte sie aufgebracht zwischen ihren Lippen hervor.
„Tut mir leid“, sagte ich mit einem kühlen Unterton in meiner Stimme – von Reue keine Spur.
Jasper, der bereits spürte, dass die Luft zu knistern begann, unterbrach uns rasch.
„Wir sollten besser los, immerhin müssen wir unseren guten Ruf verteidigen“, sagte er und klang dabei ein wenig amüsiert.
„Seit wann haben wir einen guten Ruf?“, wollte Emmett wissen, doch ich packte ihn an seiner Jacke und schob ihn zusammen mit den anderen nach draußen.
Ich stieg an der Fahrerseite meines Volvos ein und Alice setzte sich auf den Beifahrersitz.
„Schön, dass du dich wieder beruhigt hast“, sagte sie, während sie unnötiger Weise ihren Gurt anlegte.
„Hm“, machte ich und drehte das Zündschloss um.

Auf dem Schulparkplatz angekommen parkte ich meinen Volvo in einen der letzten freien Plätze und stieg zusammen mit den restlichen Mitgliedern meiner Familie aus.
Die Langeweile konnte beginnen.
„Bis später“, rief Alice mir aufmunternd zu und winkte zum Abschied, während sie zu Rosalie, Emmett und Jasper hechtete.
Hier trennten sich wie jeden Morgen unsere Wege.
Eigentlich war das ganze ziemlich lächerlich, wenn man bedachte, dass sie hier ‚ältere Schüler‘ spielten. Ich fragte mich immer wieder, warum ich nicht dieselben Kurse mit ihnen teilen konnte; immerhin wäre ich nicht der einzige, der sich im Unterricht langweilen würde.
Ich ging zu meinem ersten Kurs, der wieder immer eine Todeslangeweile für mich darstellen würde.
Eines Tages, das wusste ich, würde mich die Schule doch noch umbringen.
Im Klassenzimmer packte ich meine unnötigen Schulbücher aus und starrte gelangweilt die Wand an.
Es würde wieder einmal ein sehr langer Tag werden...
Am liebsten würde ich die meiste Zeit den Unterricht schwänzen, doch das ging leider nicht.
Ich versuchte dem Geschwätz meines Lehrers zu zuhören, doch sein Lehrstoff war alt und uninteressant. Fast die gesamte Stunde lang brütete ich in Gedanken über diesen Tag und wenn es mein Lehrer dann doch einmal wagte, mich aus meinen Gedanken zu reißen, erhaschte ich die Antwort von seinen Fragen in seinen Gedanken.
Erleichtert verließ ich nach dem Schulklingeln den Klassenraum und stürzte mich geradezu nach draußen.
Alice behielt Recht.
Kleine Schneeflocken fielen vom Himmel herab und bildeten so langsam eine Schneedecke über das sonst nasse Schulgelände.
Der Schnee wirbelte in der Luft herum und die ersten Flocken verfingen sich in meinem Haar.
Ich ignorierte diese Tatsache und wollte zu meinem nächsten Kurs marschieren, als es auch schon geschah.
Ich hörte kaum einen Gedanken, nur einen Art schnellen Schlag in meinem Kopf.
Schnell, aus reinsten Instinkten, trat ich einen Schritt zurück und ein kaltes, weißes Irgendwas flog knapp an meinem Gesicht vorbei.
Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer den Schneeball geworfen hatte.
Schnell, aber darauf bedacht, nur menschliche Bewegungen zu machen, kniete ich mich auf den Boden und begann die weiße Masse zusammenzukratzen.
Ich hörte ein unterdrücktes Kichern hinter mir und wusste, dass es Alice war.
Mit einem hinterhältigen Lächeln erhob ich mich und drehte mich zu dem Schneeballschützen um, der sich tatsächlich als Emmett entpuppte.
Nachdem er bemerkt hatte, dass ich meine Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt hatte, versuchte Emmett einen hoffnungslosen Fluchtversuch in Richtung des Schulgebäudes.
Ich zielte einen Moment und warf dann meinen Schneeball auf Emmett, der ihn dann auch tatsächlich an seinem Kopf traf.
„Guter Wurf“, lobte Jasper, der nun auch neben Alice stand und mich breit angrinste.
„Das bedeutet Krieg!“, rief mir Emmett von der anderen Seite des Schulgeländes zu und schwang drohend seine Faust.
„Freue mich drauf!“, rief ich ihm mit einem Grinsen im Gesicht zu.
„Pass auf, Emmett meint es ernst“, warnte mich Alice und kicherte einen Moment lang.
„Er sollte lieber aufpassen, dass er nicht zur Pfütze mutiert“, antwortete ich sarkastisch und hob meine Hand zum Abschied.
Nach der erholsamen Ablenkung durch Emmett folgte ein weiterer, langweiliger Kurs.
Doch nun hatte ich wenigstens etwas, auf das ich mich freuen konnte.
Ich musste mir eingestehen, dass der Tag doch weitaus angenehmer war, als ich ihn mir vorgestellt hatte – abgesehen von den langweiligen Unterrichtsstunden.
Immerhin war ich bisher noch nicht diesem seltsamen Mädchen begegnet und musste meine Selbstbeherrschung nicht herausfordern.

Den restlichen Vormittag lang kreisten meine Gedanken um den Schnee und auch um die Aufregung, die dieser Verursachte. Die Gedanken meiner Mitschüler zu belauschen war unoriginell, aber immerhin noch aufregender als dem Geschwätz der Lehrer zu zuhören.
Die meisten waren Feuer und Flamme und dachten an nichts anderes mehr.
Ein klein wenig musste ich lächeln, als ich dem Schlachtplan von Eric lauschte, der sich vorgenommen hatte, Mike in die Mangel zu nehmen.
-...und wenn er glaubt, dass er in Sicherheit ist, bewerfe ich ihn noch einmal... Falls er auf die Idee kommen sollte, mich zu bewerfen, verstecke ich mich hinter anderen Leuten... Und falls das nicht klappt, nehme ich meine Schultasche als Schutzschild... Vielleicht sollte ich noch...-
Jedoch waren die Gedanken sonst ziemlich einfallslos gehalten und mein Interesse daran verschwand rasch.
Auf dem Weg in die Cafeteria beobachtete ich mit wachsamer Miene das Geschehen auf dem Schulhof.
Die meisten Schüler hatten sich dort versammelt, um sich gegenseitig mit Bällen zu bewerfen.
Ich stellte mich ein wenig Abseits hin und wartete auf meine Geschwister.
Ich präparierte mir bereits einige Schneebälle, um für Emmetts angekündigte Schneeballschlacht gewappnet zu sein.
Einige Schüler beobachteten mich aufmerksam aus ihren Augenwinkeln aus Angst, dass ich auf sie werfen würde, wenn sie es am wenigsten vermuten.
-... Dieser Cullen hat ja schon eine Menge Schneebälle geformt... Wovor er die wohl alle braucht?...-
-... Ich hoffe mal, dass wir nicht seine nächsten Opfer sind... Er sieht ja auch ziemlich bedrohlich aus, als ob...
-
Ich blendete ihre Gedanken aus und konzentrierte mich einzig und alleine auf die meiner Geschwister.
Schon bald wurde ich aus dem Stimmengewirr fündig, denn Emmett verkündete in seinen Gedanken lautstark sein Kommen.
Ich griff in höchster Alarmbereitschaft einen Schneeball und zielte auf den Eingang des Schulgebäudes.
Kaum nachdem Emmett den Schulhof betreten hatte, warf ich ihm auch schon die kalte Masse ins Gesicht.
Jasper und Alice brachen in Lachen aus, selbst Rosalie konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen, während Emmett sich angewidert den Schnee aus dem Gesicht wischte.
Er drehte sich zu mir um und ich winkte ihm mit einem spottenden Lächeln zu.
Jasper erbarmte sich und kniete sich zusammen mit Emmett auf den Boden, um Schneebälle zu formen.
Gut, Emmett hatte zwar einen Komplizen, aber ich hatte genug Schneebälle, um beide damit zu bewerfen.
Alice und Rosalie bemerkten mein Vorhaben und liefen in Sicherheit, während ich mir zwei Bälle nahm und sie Richtung Jasper und Emmett warf.
Beide Bälle trafen sie genau am Kopf, doch nun war es vorbei mit meiner Überlegenheit.
Ich griff nach meinem Vorrat an Schneebällen und rannte – in einer menschlichen Geschwindigkeit – den Schulhof entlang, um den anfliegenden Schneebällen von meinen Brüdern auszuweichen.
Dann traf auch mich ein Schneeball an meinem Kopf und ich spürte die Masse in meinen Haaren.
Ich holte zum Gegenschlag aus und warf einige gepfefferte Bälle in ihre Richtung, die sie dann auch tatsächlich trafen. Wir lieferten uns eine erbitternde Schneeballschlacht zu dritt, bei der niemand so recht heil davon kam.
Alice und Rosalie betrachtete das Spektakel aus sicherer Entfernung, bis wir drei uns schließlich ihren Bitten ergaben und zur Cafeteria gingen.

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast Sa 23 Feb 2008, 22:14

Wir steuerten wie immer den Tisch in der Ecke an und ließen uns dort auf den Stühlen nieder.
„Zeit für das Essen“, sagte Alice mit Ironie in ihrer Stimme und stand als erste von uns wieder auf.
Auch ich erhob mich nun und folgte ihr zur Essensausgabe.
Wenn ich es nicht besser wüsste, würde mir derjenige leid tun, der Tag für Tag unser Essen unberührt wieder in den Müll warf. Leider waren diese Attrappen notwendig, ob es Verschwendung war oder nicht.
Nachdem wir unser ‚Essen‘ erhalten hatten, setzten wir uns wieder an unseren Tisch und unterhielten uns über die vergangene Schneeballschlacht.
„Das war unfair“, klagte Emmett an mich gewandt.
„Du warst es doch, der Krieg wollte“, erwiderte ich und alle anderen fingen an zu lachen.
„Ja,ja... Unser Edward kämpft mal wieder mit schmutzigen Tricks! Aber unsere Damen sind natürlich trocken geblieben!“, sagte Emmett und schüttelte seine von Wasser triefenden Locken in Richtung Alice und Rosalie, die sich sofort weg lehnten, um keine Spritzer abzubekommen.
„Emmett!“, beschwerte sich Rosalie, aber ein leicht amüsierter Unterton schwang in ihrer Stimme mit.
Ich lachte einen Moment, doch dann riss mich etwas aus meinen Gedanken.
-... Was glotzt Bella Edward nur wieder so an...-
Instinktiv drehte ich meinen Kopf um, um dann einem Paar rehbrauner Augen zu treffen, das zu mir hinüber lugte.
Die Neue. Mein persönlicher Dämon. Isabella Swan.
Noch immer war sie wie ein leerer Fleck; als wäre sie gar nicht da. Ihre Gedanken blieben mir weiterhin verborgen und es frustrierte mich.
Sie registrierte meinen Blick und ließ sofort ihre Haare über ihren schmalen Schultern fallen, um ihr Gesicht zu verbergen.
Ich starrte sie weiter an, als hoffte ich, dass sich ihre Gedanken endlich preis geben würden.
Jessica verfolgte gebannt meinen Blick und ihr hörte sie kichern.
-... Wie Edward sie anstarrt... Es ist ja fast so, als hätte er Interesse an ihr...-
Ich starrte die beiden immer noch an und versuchte dem Gespräch der beiden zu verfolgen.
Ich hörte die leise, ruhige Stimme des Mädchens, das eigentlich schon längst Tod sein sollte.
„Ich glaub, er kann mich nicht leiden“, sagte sie leise und ließ ihren Kopf auf den Arm sinken.
„Die Cullens können niemanden leiden. Na ja, eigentlich beobachten sie niemanden genug, um ihn leiden zu können. Obwohl – er schaut dich immer noch an“, erwiderte Jessica mit einem erneuten Blick auf mich.
Dann drehte sie aber den Kopf weg und ich runzelte die Stirn.
Sie sollte wirklich froh über diese Umstände sein... Zudem hatte sie Unrecht; ich kannte jeden an dieser verdammten Schule, durch ihre Gedanken... Alle, nur nicht diese seltsame Mädchen, das gegenüber von Jessica saß.
„Edward“, sagte Alice und ich wandte meinen Kopf wieder zu ihr.
„Tut mir leid“, murmelte ich und sie sah kurz in meine alte Blickrichtung, um mir dann verständnisvoll zu zunicken.
„Du wirst das richtige tun“, sagte sie und legte ihre Hand auf meine Schulter.
„Vermutlich, ja“, sagte ich.
„Du schaffst das schon“, sagte Jasper neben mir und klopfte mir auf die Schulter.
Ich rückte meinen Stuhl beiseite und sah meine Geschwister einen Moment lang an.
„Ich danke euch. Doch nun muss ich zum Bioraum. Wir sehen uns später.“

Das erste was ich bemerkte, als ich an der Tür ankam, war, dass es nicht mehr schneite sondern regnete.
Wenigstens konnte Emmett dadurch keine Revanche verlangen.
Ich lief zum Bioraum, doch bevor ich den Raum betrat, atmete ich noch einmal tief ein.
Ich musste sie so behandeln, wie jeden anderen Menschen auch. Das war mein Ziel.
Zudem gefielen mir Jessicas Gedanken nicht; meiner Meinung nach warf sie ein zu schlechtes Licht auf uns. Vielleicht war es ja sogar ganz gut so.
Mr Banner stand bereits am Lehrerpult und die meisten Schülern saßen bereits auf ihren Plätzen, als ich zu meinen Platz hinüber ging.
Ich wunderte mich nicht über die Mikroskope auf den Tischen; ich hatte bereits in Mr Banners Gedanken gehört, dass es in dieser Unterrichtsstunde um die Phasen der Mitosen ging.
Das Mädchen, das ich vor einer Woche beinahe getötet hätte, saß bereits auf ihren Platz und kritzelte gedankenverloren auf ihrem Heft herum.
Ganz langsam setzte ich mich auf meinen Platz, wenn auch etwas weiter entfernt; und wandte mich ihr zu.
Der Geruch ihres Blutes war genauso stark wie vor einer Woche; doch dieses Mal würde es anders sein.
Ich bin nicht mehr durstig, an diese Worte klammerte ich mich stark, während der Geruch mir in meinem Kopf herumschwirrte, meine Kehle bereits wieder trockener wurde und ich das Gift in meinen Mund spürte.
Ich durfte mir nichts anmerken lassen.
Doch das war nicht alles.
Frustriert stellte ich fest, dass ich wieder keinerlei Gedankenfetzen von ihr vernehmen konnte. Rein gar nichts.
Bella sah immer noch nicht von ihrem Heft auf. Das Sinnvollste, das mir einfiel, war eine einfache Begrüßung.
„Hallo“, sagte ich und bemühte mich in einem sanften Ton, um sie nicht zu verschrecken.
Ein klein wenig lächelte ich, als sie langsam den Kopf erhob, um mich verwundert anzuschauen.
„Ich heiße Edward Cullen“, fuhrt ich fort, als ich mir sicher war, dass sie mir Aufmerksamkeit schenkte. „Ich bin letzte Woche nicht dazu gekommen, mich vorzustellen. Du musst Bella Swan sein.“
Einen Moment schien es tatsächlich so, als wüsste sie nicht recht, was sie darauf sagen sollte.
„W-woher weißt du, dass ich Bella heiße?“, stammelte sie schließlich.
Ich lachte leise. Es war ein banaler Gedanke in eine solche Kleinstadt wie Forks zu kommen, und zu erwarten, dass sich ein Name nicht innerhalb weniger Zeit herumsprach.
„Oh, ich würde sagen, alle hier wissen, wie du heißt. Die ganze Stadt hat auf deine Ankunft gewartet“, antworte ich.
Bella verzog ihr Gesicht, als hätte sie so etwas in der Art erwartet und wieder einmal bestätigte sich meine Vermutung, dass sie nicht gerne im Mittelpunkt des Geschehens stand.
„Nein“, sagte sie schließlich. „Ich meine, warum hast du mich Bella genannt, nicht Isabella?“
Ich war ein wenig verwirrt; bisher hatte sie sich doch immer als Bella bei den anderen vorgestellt. Sicherheitshalber fragte ich noch einmal nach.
„Ist dir Isabella lieber?“
„Nein, ich mag Bella“, antwortete sie. „Nur dass Charlie, also mein Dad, mich scheinbar hinter meinem Rücken Isabella nennt, jedenfalls scheint mich jeder hier unter diesem Namen zu kennen.“
Ich bemerkte ihr Unbehagen über den Verlauf dieses Gesprächs.
„Ah“, sagte ich mit höflichem Desinteresse und ließ das Thema wieder fallen.
Mr Banner eröffnete den Unterricht und Bella lenkte ihre Aufmerksamkeit ihm zu.
Bei dieser leichten Bewegung von ihr, fielen ihre Haare wieder über die Schultern und dieser blumige, köstliche Geruch wurde erneut in meine Richtung getrieben.
Meine Muskeln spannten sich an.
Nein, ermahnte ich mich selbst. Ich darf sie nicht töten.
Ich versuchte meine Konzentration wieder Mr Banner zu zulenken, und es klappte besser als gedacht.
Wir sollten die Präparaten in der Schachtel den Phasen der Mitose zuordnen – was für ein Kinderspiel.
Ich selbst würde keinerlei Probleme mit dieser Übung haben, aber bei Bella war ich mir nicht so sicher.
„Die Zeit läuft“, sagte Mr Banner und gab somit den Startschuss.
„Ladies first?“, fragte ich an Bella gewandt und lächelte.
Sie erhob wieder den Blick auf mich und starrte mich an. Die Sekunden verstrichen, doch sie rührte sich nicht.
„Ich kann auch anfangen, wenn du willst“, bot ich ihr an.
Wer weiß, wie gut sie in Biologie ist, vielleicht hält sie das ganze für einen schlechten Witz.
„Nein“, sagte sie und ihre Wangen färbten sich rot. „Ich mach schon.“
Blut.
Ich konnte deutlich das Blut in ihren Venen pochen sehen und riechen.
Ich versuchte mich auf etwas anderes zu konzentrieren, was mir auch halbwegs gelang.
Sie schob den ersten Objektträger unter die Linse und betrachtete kurz das Präparat.
„Prophase“, sagte sie und klang dabei ziemlich sicher.
„Lässt du mich auch einen Blick drauf werfen?“, fragte ich rasch, als sie das Präparat bereits entfernen wollte und griff instinktiv nach ihrer Hand.
Ganz kurz spürte ich die Wärme in ihrer kleinen Hand, doch dann zog sie ihre Hand blitzartig zurück.
Ob sie gespürt hatte, wie unnatürlich kalt meine Hand war?
„Entschuldigung“, murmelte ich und zog auch meine Hand zurück.
Ich griff nun nach dem Mikroskop und sah kurz hinein, um ihre vorherige Beobachtung zu bestätigen.
„Prophase.“
Ich trug das Ergebnis sauber ins Protokoll ein und wechselte zugleich den Objektträger. Wieder warf ich einen kurzen Blick hinein.
„Anaphase“, murmelte ich und schrieb auch dieses Ergebnis auf.
„Darf ich?“, fragte Bella neben mir und in ihrer Stimme schwang ein wenig Empörung mit – so sehr sie auch versuchte es zu verbergen.
Ich grinste und schob ihr das Mikroskop rüber.
Mein Ergebnis war perfekt, es gab keine Möglichkeit dies anzuzweifeln.
Ich sah in ihr enttäuschtes Gesicht und mein Grinsen wurde bereiter.
„Nummer drei?“, fragte ich und sie hielt mir ihre Hand hin.
Ich nahm den nächsten Objektträger aus der Schachtel und gab es ihr, darauf bedacht, sie nicht noch einmal mit meiner eisigen Haut zu berühren.
„Interphase“, sagte sie und schob mir das Mikroskop hinüber, damit ich mich selbst davon überzeugen konnte.
Ich sah einen Moment lang hinein und sah, dass sie wieder recht hatte.

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast Sa 23 Feb 2008, 22:15

Wir waren vor allen anderen fertig.
Es war höchst amüsant zu sehen, wie die anderen Gruppen verzweifelt versuchten, die Präparate zu zuordnen, oder sogar versuchten zu schummeln.
Jedoch war das Mädchen neben mir weitaus interessanter; ein leerer Fleck.
Ich starrte sie an, und der Geruch von ihr schien sich in meinem Kopf festzusetzen... Darauf bedacht, mir meine ganzen Sinne zu rauben.
Doch ich konnte mich beherrschen.
Sie musterte mich auch einen Moment lang, bevor sie ihren Mund wieder öffnete.
„Hast du Kontaktlinsen bekommen?“, platzte es aus ihr heraus und ich war verwundert über ihre Frage.
„Nein“, sagte ich, zuckte mit den Schultern und sah abrupt weg.
Bisher hatte noch nie ein Mensch den Wechsel unserer Augenfarbe bemerkt... Es war seltsam.
„Oh“, nuschelte sie leise und sie fühlte sich unwohl dabei. „Ich hatte das Gefühl, dass deine Augen irgendwie anders sind.“
Ich ballte meine Hände zu Fäusten und starrte stur geradeaus.
Wieder einmal dachte ich darüber nach, warum dieses Mädchen hier aufgetaucht war.
Warum war sie aufmerksamer, als alle anderen?
Mr Banner kam mit schlurfenden Schritten zu uns hinüber und lugte über meiner Schulter, um einen Blick auf unserer Protokoll zu werfen.
„Edward, meinst du nicht, Isabella hätte auch ein wenig am Mikroskop üben sollen?“, fragte er mich tadelnd.
„Bella“, verbesserte ich automatisch bei der Erinnerung, an ihrer letzten Reaktion. „Um ehrlich zu sein, drei der fünf hat sie identifiziert.“
Mr Banner beäugte nun Bella skeptisch, als ob er seinen Ohren nicht trauen würde.
„Hast du die Übung schon mal gemacht?“, fragte er sie.
Sie schien verlegen und lächelte ganz leicht, bevor sie leise antwortete. „Nicht mit Zwiebelwurzeln.“
„Mit Fisch-Blastula?“
„Hm-mhh.“
„Warst du in Phoenix in einem College-Vorbereitungskurs?“
„Ja.“
„Na ja“, sagte Mr Banner nach kurzem Zögern. „Vielleicht ist es ganz gut, dass ihr zusammensitzt.“
Im Weggehen nuschelte er noch etwas von ‚die Jugend heutzutage‘.
Bella hatte ihren Blick erneut auf ihrem Heft gerichtet und kritzelte darauf herum.
Anscheinend versuchte sie auch, die Stunde irgendwie herum zu bekommen.
„Schade mit dem Schnee, nicht wahr?“, fragte ich sie, um wieder eine höfliche Konversation aufzubauen.
Immerhin wollte ich dadurch eine Ablenkung finden, mich nicht auf ihr Blut zu konzentrieren.
„Ehrlich gesagt, nein“, antwortete sie.
„Du magst die Kälte nicht“, stellte ich fest und dachte dabei an ihre Reaktion auf meine Hand.
„Genauso wenig wie Nässe“, ergänzte sie.
„Dann ist Forks wohl nicht gerade ein angenehmer Ort für dich“, folgerte ich.
„Wenn du wüsstest“, murmelte sie finster, als wäre sie darauf bedacht, das Gespräch bald zu beenden.
„Warum bist du dann hierher gezogen?“, fragte ich dennoch.
„Komplizierte Geschichte“, antwortete sie knapp.
Wenn sie glaubte, mich so leicht abwimmeln zu können, dann hatte sie sich geschnitten.
„Ich bin sicher, dass ich folgen kann“, bohrte ich weiter und fesselte meinen Blick auf sie.
Sie erhob den Kopf und starrte mich an.
Ich sah tief in ihre rehbraunen Augen, die einfach kein Ende finden wollten; und fast hätte ich alles um mich herum vergessen.
„Meine Mutter hat wieder geheiratet“, sagte sie schließlich.
„Das klingt doch gar nicht so kompliziert. Wie lange ist das her?“, fragte ich sanft.
„Letzten September.“
Sie klang irgendwie traurig, als ob ihr diese Umstände nicht sonderlich gefallen würden.
„Und du kannst ihn nicht ausstehen“, mutmaßte ich einfühlsam und sanft, um sie nicht in irgendeiner Weise zu verletzten.
„Nein, Phil ist schon okay. Zu jung vielleicht, aber eigentlich nett“, erwiderte sie.
„Warum bist du nicht bei ihnen geblieben?“, fragte ich weiter.
Irgendwie musste ich zugeben, dass mich ihre Geschichte brennend interessierte.
Ich starrte sie immer noch an, ich hoffte, dass ich ihr dadurch noch mehr entlocken konnte.
„Phil ist viel unterwegs. Er ist Baseballprofi.“
Sie lächelte ein klein wenig.
„Kenne ich ihn?“, fragte ich mit Interesse und erwiderte ihr Lächeln.
Immerhin konnte ich von mir behaupten auch ein wenig von Baseball zu verstehen.
„Würde mich wundern. Er ist kein guter Baseballprofi. Nur Minor League. Er spielt, wo er kann.“
„Und deine Mutter hat dich hierher geschickt, damit sie mit ihm mitreisen kann“, sagte ich.
Ich war mir sicher, dass das alles war.
Bella reckte ihr Kinn ein wenig hervor.
„Sie hat mich nicht hierher geschickt. Ich hab mich selbst geschickt.“
Ich schob meine Augenbrauen zusammen.
Ihre Worte ergaben keinen Sinn für mich; es war etwas anderes, als ich vermutet hatte.
Bisher hatte ich alles immer richtig geahnt... Menschen waren normal so leicht durchschaubar - nur sie nicht.
„Das verstehe ich nicht“, gestand ich frustriert.
Sie seufzte.
„Zuerst blieb sie bei mir in Phoenix, aber sie vermisste ihn. Sie war unglücklich... Also dachte ich mir, es wäre eine gute Idee, meine Beziehung zu Charlie ein wenig aufzufrischen.“ Sie klang niedergeschlagen.
„Aber jetzt bist du unglücklich“, sagte ich, während ich ihr trauriges Gesicht betrachtete.
„Und?“, wollte sie wissen.
„Ist das gerecht?“
Bella lachte kurz auf.
„Seit wann ist das Leben denn gerecht?“
„Jetzt wo du’s sagst – stimmt, seit wann?“, antwortete ich trocken.
Unser Leben war ohnehin ungerecht.
„Das ist die ganze Geschichte“, beharrte sie.
Ich wusste, dass es noch mehr gab.
Noch mehr tief in ihrem Inneren, das sie niemanden zeigte – das sie niemanden zeigen wollte.
„Du verstellst dich ausgezeichnet“, sagte ich langsam und deutlich. „Aber ich wette, dass es dir viel mehr ausmacht, als du irgendjemanden zeigst.“
Sie verzog das Gesicht und wandte ihren Blick von mir ab.
„Hab ich Unrecht?“, fragte ich.
Ich erhielt keine Antwort.
Sie versuchte sich auf etwas anderes zu konzentrieren und mich zu ignorieren.
„Dachte ich’s mir doch“, murmelte ich selbstgefällig; erfreut, auch etwas herausgefunden zu haben.
„Was interessiert dich das denn?“, fragte sie verärgert, ohne mich noch einmal eines Blickes zu würdigen.
Es war nicht der verführerische Duft ihres Blutes, der derzeit an mir nagte.
Es war etwas anderes.
„Das ist eine sehr gute Frage“, murmelte ich leise zu mir selbst.
Bella seufzte laut neben mir auf uns starrte zur Tafel.
„Nerve ich dich?“, fragte ich amüsiert.
Sie drehte sich wieder zu mir um.
„Nicht du, ich selbst nerve mich. Ich bin so leicht zu durchschauen – man kann mir alles vom Gesicht ablesen. Meine Mutter nennt mich immer ihr offenes Buch.“
Sie runzelte die Stirn.
„Im Gegenteil, ich finde es außerordentlich schwer, dich zu durchschauen“, sagte ich – und es stimmte.
Sie war kein offenes Buch, sie war ein unbeschriebenes Blatt voller Rätsel, dass ich zu lösen versuchte.
„Dann bist du wohl besonders gut darin“, erwiderte sie.
„Normalerweise schon“, sagte ich breit grinsend.
Mr Banner unterbrach dann auch abrupt mein Gespräch und sie wandte sich wieder ihm zu.
Den Rest der Stunde hielt ich die Tischkante fest umklammert und versuchte an alles, nur nicht an Blut, zu denken.
Kaum nachdem mein Gespräch mit Bella beendet war, traf ich erneut eine riesige Welle der Versuchung, sie nicht hier und jetzt zu töten.
Ich muss widerstehen, ermahnte ich mich immer wieder in Gedanken, während mein Blick leer Mr Banner anschaute.
Als es endlich klingelte, erhob ich mich genauso schnell wie am vergangenen Montag von meinem Stuhl und schoss aus dem Raum.
Ich wollte dem Monster in mir nicht mehr Gelegenheit als notwendig geben, seine Mordgedanken zu schmieden.

Als der Tag endlich geschafft war, lehnte ich mich an die Vordertür meines Volvos, um dort auf meine Geschwister zu warten.
Der Regen hatte sich zu Nebel verwandelt und so blieb ich wenigstens trocken, während ich wartete.
Dann sah ich, wie sich ein Mädchen, mit dunklen Haaren und schnellen Schritten über den Parkplatz bewegte.
Es war Bella, und ich erinnerte mich an ihr Gespräch von der Biostunde, wie sie doch die Nässe haste.
Ihr schneller Gang zu ihrem Transporter verwunderte mich nicht weiter.
Als sie endlich im Fahrerhaus saß, ließ sie den Motor erklingen, der einen ohrenbetäubenden Krach von sich gab.
Ich konnte mich glücklich schätzen, dass mein Volvo nicht einen solchen Lärm veranstaltete, der sicherlich die Aufmerksamkeit der gesamten Umgebung auf sich ziehen würde.
Gedankenverloren starrte ich sie weiter an, doch dann sah sie mich und sah blitzschnell weg.
Ein Toyota Corolla fuhr im selben Moment hinter ihr vorbei, als sie den Rückwärtsgang einlegte.
Sie schaffte es, noch rechtzeitig zu bremsen, und fuhr anschließend behutsam aus der Parklücke hinaus.
Ich musste bei diesem Anblick lachen, doch sie sah stur gerade aus, als sie an mir vorbei fuhr.
„Edward, alles okay?“, fragte Alice besorgt, die gerade mit denen anderen zu meinem Volvo herüber kamen.
Ich ließ mein Lachen erlöschen, doch ein Grinsen huschte über mein Gesicht.
„Alles in Ordnung, lasst uns nach Hause fahren“, antwortete ich und stieg ein.

Dieser Tag hatte mir gezeigt, dass ich widerstehen konnte, wenn ich wirklich wollte.
Doch wer war dieses Mädchen, dessen Gedanken ich nicht lesen konnte; dessen bloße Anwesenheit jede Faser in meinem Körper zum vibrieren bringen konnte...?

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast So 04 Mai 2008, 00:54

Kapitel 6. Frostiges Klima


Genauso wie am vergangenen Montag spürte ich die Blicke meiner Familienmitglieder auf mir ruhen, während ich vom Parkplatz der Schule fuhr.
Sie verstanden nicht, warum ich so gut gelaunt war und ich konnte die brennenden Fragen in ihren Köpfen deutlich in meinem hören.
Jedoch konnte ich ihre Fragen nicht beantworten, da ich selbst keine Antworten kannte.
Ich wusste nicht, ob ich es nun endgültig geschafft hatte, dem Blut zu widersagen oder warum Bellas Verhalten mich so faszinierte.
Leer starrte ich durch die Windschutzscheibe hindurch und versuchte meine Gedanken wieder in das Jetzt zu befördern.
Alice machte neben mir eine unauffällig leichte Bewegung mit der Hand, als wollte sie irgendein Insekt verscheuchen und ich lenkte meine Konzentration auf ihre Gedanken.
Wieder einmal wollte sie mir etwas mitteilen, das nur ich alleine hören sollte.
-...Willst du später mit mir darüber reden?...-
Ich unterdrückte einen Seufzer und lenkte meinen Blick eine Sekunde lang auf den Rückspiegel, bevor ich ihn einen kurzen Moment auf das Lenkrad heftete.
Das war ein Nicken – doch nur Alice verstand meine Bewegungen.
Alle machten sich wieder einmal Sorgen um mich, dabei hatte ich so etwas gar nicht verdient oder nötig. Wenn man einmal davon absah, dass ich immer noch ein wenig verwirrt war, was Bella anbelangte, so erging es mir sonst gut.
Ich fuhr den schmalen Pfad zu unserem Haus hinauf und stellte meinen Volvo vor der Veranda ab.
Die Zedern bewegten sich sanft im kühlen Wind und unser Haus lag noch genauso wie damals vor uns – wie vor so vielen Jahrzehnten, als wir schon einmal in Forks gelebt hatten.
Doch es gab viele Veränderungen, das nicht mit den anderen aus meiner Familie zusammenhingen, sondern mit mir selbst. All die Jahre hatte ich geglaubt, dass mein menschliches Leben schon lange vorüber und meine innerliche Verwirrung für immer vorbei wären. Doch ich lag falsch.
Anscheinend gab es doch noch etwas, das ich erledigen musste. Dies spürte ich in letzter Zeit nur zu deutlich. Irgendetwas in mir war nicht komplett und schrie, doch ich wusste nicht was dies war...
Schon lange wurde ich nicht mehr mit solch verwirrenden Gedanken geplagt, doch nun kamen sie einfach wieder...
Warum traf es immer ausgerechnet mich?

Wieder einmal war ich meinen Gedanken versunken gewesen und bemerkte nicht, dass die anderen bereits ausgestiegen waren.
Emmett klopfte leicht mit seinen Händen gegen meine Autotür und sein Gesicht formte sich zu einer auffordernden Geste. Ergeben stieg ich aus und ignorierte dabei, dass er direkt vor meiner Autotür stand. Schnell wich er von meiner bedrohlichen Fahrerseite weg und starrte mich halb amüsiert, halb beleidigt an.
„Leidest du irgendwie an Stimmungsschwankungen?“, fragte er mich, während ich den anderen ins Haus folgte.
Ich ignorierte ihn wieder und das schien seine Vermutung nur zu bestätigen.
-...Ich wusste es!...-
Jasper hatte sich vor den Fernseher niedergelassen und Emmett folgte ihm sofort mit größter Begeisterung. Rosalie saß abseits und blätterte wieder in einer beliebigen Modezeitschrift; nur Alice und Esme standen noch am Eingang und betrachteten mich.
„Edward?“, fragte mich Esme mit ihrer mütterlichen Besorgnis. „Ist der Tag angenehm verlaufen?“
Alice durchbohrte mich bei Esmes Worten mit ihrem Blick und ihre Lippen formten sich schnell zu den Worten: Lass uns reden.
„Ja, es ist alles in Ordnung“, beantwortete ich rasch Esmes Frage und steuerte auf die Wendeltreppe zu, hinter mir Alice.
Jasper warf einen kurzen Blick von dem Sofa auf uns, aber wohl eher wegen Alice. Sie lächelte ihm kurz zu und ich wusste, dass Jasper diese Geste richtig deuten würde.
Manchmal fragte selbst ich mich ein wenig, wie Alice und Jasper die Gedanken des jeweiligen anderen so gut verstanden. Doch als ich Alice einmal danach gefragt hatte, hatte sie nur mit den Schultern gezuckt und gemeint, dass sie es selbst nicht wüsste.
Die Anderen beschäftigten sich mit anderen Tätigkeiten.
Anscheinend erachtete der Rest meiner Familie die heutigen Geschehnisse als unbedeutend und ihre Fragen darüber, warum ich mich so komisch verhielt, schoben sie zweifelsohne einer Stimmungsschwankung zu, die ich ab und an sogar hatte. Im Anbetracht der Tatsache, dass die Schule höllisch langweilig und der Rest des Tages auch nicht sonderlich spannend war, hatte ich eigentlich einen guten Grund dafür.
Alice setzte sich in meinem Zimmer auf das Sofa und zog die Knie an. Sie wippte auf und ab und ihre Stirn legte sich zweifelnd in Falten.
Ich schloss leise die Tür und betrachtete ihren Gesichtsausdruck. Sie sah mich nicht an, sondern hielt den Blick auf die gegenüberliegende Wand gerichtet und biss sich auf die Lippen.
Ihre Gedanken waren ein einziges Wirrwarr, ein Anzeichen dafür, dass sie gerade konzentriert nachdachte.
„Siehst du etwas?“, fragte ich hoffnungsvoll, doch sie schüttelte nur leicht den Kopf.
Ihr Gesicht entspannte sich wieder, bevor sie sich mir zuwandte.
„Tut mir leid, ich habe gerade nachgedacht.“
Ich nickte verständnisvoll und ließ mich neben sie nieder.
„Wie war es?“, fragte sie begierig und ihre Augen leuchteten ein wenig auf.
Mir entwich ein leichter Seufzer und ich fixierte nun auch die Wand gegenüber von mir.
„Es war... nicht ganz so schlimm, wie ich vermutet hatte“, gab ich zu.
Alice runzelte die Stirn und schnell fügte ich hinzu: „Aber sie roch noch genauso gut wie letzten Montag.“
„Hmmm“, murmelte sie und stellte ihre Füße langsam wieder auf den Boden. „Aber du hast widerstanden, das ist doch, was zählt.“
„Wer weiß, wie lange ich das noch durchhalte“, flüsterte ich und verzog mein Gesicht.
„Du hattest nicht vor, sie zu töten, ansonsten hätte ich es bemerkt“, warf sie ein.
Ich wollte ihr widersprechen, doch ich konnte es nicht.
Mein Mund fühlte sich an wie eine Masse von Nichts; unfähig sich zu bewegen oder gar zu sprechen.
Mein Hals schien zu pulsieren und erneut traf mich das Bedürfnis eines Monsters.
Ich hatte sehr wohl eine kurze Zeitlang darüber nachgedacht, sie zu töten.
Doch ich wollte und konnte es nicht tun – mir blieb nichts anderes übrig, als weiterhin zu versuchen, sie zu verschonen, auch wenn ich damit das Leben vieler Menschen riskierte.
Vielleicht war ich doch ein Ignorant, wenn ich so viele Menschen unfreiwillig in Gefahr bringen konnte.
Ich beschränkte mich im Moment darauf, nur leicht meinen Kopf zu schütteln.
Meine Geste war nicht deutlich, aber Alice bemerkte sie.
„Du kannst nichts dafür, Edward. Bitte rede dir nicht ein, dass du Schuld an irgendetwas trägst. Du hattest nicht vor, sie zu töten, und du wirst es auch weiterhin nicht vorhaben. Ich kenne dich, du würdest niemanden so etwas antun.“
Ich seufzte wieder und legte meine Hände ins Gesicht.
„Ich weiß nicht, was ich tun soll“, gestand ich frustriert. „Ich will euch nicht wieder verlassen, aber wenn ich in Forks bleibe... Ich weiß nicht, wie ich es sagen kann... Aber ich habe das Gefühl, dass ich euch alle in Gefahr bringe, selbst wenn ich sie nicht töten würde.“
Alice verdrehte neben mir die Augen und stand auf.
„Das ist total lächerlich. Warum solltest du uns Gefahr bringen?“, fragte sie ungläubig und verschränkte die Arme vor mir.
„Ich weiß es nicht“, flüsterte ich und schloss gequält die Augen.
Alice seufzte nun auch.
„Du solltest dich nicht so quälen, Edward. Ich weiß, dass du immer das richtige tun wirst, egal was kommen sollte.“
„Ich weiß nicht ob das möglich ist“, murmelte ich gedankenverlorenen und ballte die Hände auf meinem Schoß zu Fäusten.
„Alles ist möglich.“
Alice stand nun vor mir und sah mich mit voller Ernsthaftigkeit an. Ich löste meine Hände vom Gesicht und starrte sie auch einen Moment lang an, und mir wurde klar, dass sie es ernst meinte.
Jedoch verformten sich ihre Lippen einen Augenblick später zu einem leichten Lächeln und sie ließ sich vor mir auf dem Boden nieder.
Und? Wie ist sie?“, fragte sie wissbegierig. Ich brauchte nicht einmal ihre Gedanken zu lesen, um zu wissen, wen sie meinte. Ihre Augen brannten von Neugierde und ich war mir ziemlich sicher, dass sie nicht locker lassen würde.
„Ich kann ihre Gedanken immer noch nicht lesen“, sagte ich frustriert.
„Das muss ja furchtbar für dich sein“, sagte Alice amüsiert und ihr Gesicht verzog sich zu einem kleinen, spitzbübischen Lächeln.
Ich funkelte sie finster an und das schien sie nur noch mehr zu erheitern.
„Das ist überhaupt nicht lustig, Alice. Ich weiß überhaupt nicht, was sie denkt und wie sie sich fühlt.“
„Und diese Tatsache kannst du kaum ertragen“, ergänzte Alice mit einem leisen Kichern.
Ich schob meine Augenbrauen zusammen und betrachtete sie einen Moment lang. In ihren Gedanken war rein gar nichts, das ihre derzeitige Verfassung verraten konnte. Typisch Alice, sie war die einzige in der Familie, die wusste, wie man seine Gedanken am besten vor mir verstecken konnte.
„Wieso findest du das so komisch?“, hakte ich streng nach.
„Nur so“, sagte sie lachend und wedelte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum.
Ich hasste es, wenn sie mich aufzog.
„Alice“, ermahnte ich sie und sie wich schallend vor lachen einige Schritte vor mir zurück.
Alice‘ Lachen wurde von dem Klopfen an der Tür unterbrochen.
Die Tür ging leise ein Stückchen auf und Jasper steckte seinen blonden Schopf durch den schmalen Spalt.
„Wenn ihr beide hier so Spaß habt, dann würde ich mich freuen, wenn ich an dem Spaß teilnehmen dürfte“, sagte er grinsend und Alice winkte ihn immer noch breit grinsend herein.
War meine Meinung heute etwa gar nicht mehr gefragt?

Den restlichen Nachmittag lang saß ich zusammen mit Jasper und Alice in meinem Zimmer. Zuerst kam Alice auf die Idee, Poker zu spielen. Allerdings war das Spiel eher unfair gegenüber Jasper, der nicht Gedankenlesen oder in die Zukunft sehen konnte. Er beschwerte sich jedoch nicht und überließ Alice und mir das Geschehen.
Nachdem wir ein wenig Poker gespielt hatten, holte Jasper ein Schachbrett und ich lieferte mir mit Alice eine erbitterte Schlacht.
Es war eher ein Kräftemessen unserer Talente, als irgendetwas anderes.
Ich konnte die Züge in ihren Gedanken lesen, sie dafür meine voraussehen. Wir versuchten uns gegenseitig auszutricksen, aber am Schluss blieb es bei Remis.
Wir spielten noch einige Partien, bis die Nacht anbrach.
Ich beschloss zusammen mit Emmett DvD zu schauen, während ich zügig meine Hausaufgaben erledigte.
Es hatte den Anschein, dass alles wieder seinen alten Platz annahm.
Doch auch wenn ich mich äußerlich nicht veränderte und trotz meiner derzeit häufigen Stimmungsschwankungen, die zwischen richtig und falsch lagen, gab es noch viel mehr in meinem Inneren, das ich verborgen hielt.
Ich wusste, dass dort etwas tief in mir vergraben lag, das einfach nicht heraus brechen wollte – doch ich konnte nicht sagen was es war.
Ich versuchte mich auf den Vampirfilm zu konzentrieren, den Emmett schon bestimmt zum tausendsten Mal gesehen hatte und sicherlich – genauso wie wir anderen – auswendig konnte, doch meine Gedanken kreisten bereits um den morgigen Tag.
Heute war alles glatt verlaufen, doch ich wusste nicht, was morgen und übermorgen wäre.
Was würde geschehen, wenn ich tatsächlich alles zerstörte, wofür sich meine Familie eingesetzt hatte?
Soweit durfte es nicht kommen – niemals.
Alice riss am frühen Morgen aus meinen Gedanken, indem sie uns stolz verkündete, dass das Wetter heute besonders frostig und kalt werden würde.
Zur Sicherheit brachte ich kurz vor Schulbeginn noch die Schneeketten an meinem Volvo an.
Ich bezweifelte zwar stark, dass ich einen Unfall verursachen würde, ganz gleich ob die Straße spiegelglatt war oder nicht, aber immerhin musste der Anschein gewahrt bleiben, das auch wir nur Menschen waren.

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast So 04 Mai 2008, 00:55

Pünktlich saßen Rosalie, Emmett, Alice und Jasper zusammen mit mir in meinem Volvo und somit auf dem Weg zum Schulgelände.
Frustriert musste ich feststellen, dass ich nicht in meiner gewohnten Geschwindigkeit fahren konnte. Die Straße war nur ein wenig glatt, aber das würde schon ausreichen, wenn ich mit hundertfünfzig über die Straße fahren würde.
Ich machte ein grimmiges Gesicht und Alice lachte unterdrückt neben mir, als sie ihn sah.
Damit war ein schlechter Tag quasi vorprogrammiert.
Auf dem Schulgelände herrschte schon hoher Betrieb, als ich meinen Volvo in einer Parklücke parkte.
Wir stiegen aus und betrachteten einen Moment lang, wie unsere Mitschüler mit dem glatten Boden kämpften und hin und wieder sogar ausrutschten.
„Wie armselig“, kommentierte Rosalie Nase rümpfend und betrachtete ein Mädchen, das nur wenige Meter vor uns ins schlittern gekommen war.
Dann sah ich, wie ein roter Transporter auf das Schulgelände einbog und sich vier Autos weiter neben einem hellbraunen Auto einreihte.
Sie war also auch da, was hatte ich anderes erwartet?
Ich beobachtete, wie Bella ausstieg und sich an ihren Transporter klammernd um ihn bewegte.
Im nächsten Augenblick hörte ich auch schon das Geräusch von quietschenden Reifen in meiner Nähe.
Ein dunkelblauer Van rutschte direkt auf den Transporter zu – vor dem Bella stand.
Tyler, der den Wagen fuhr, versuchte angestrengt die Bremsen zu betätigen, doch es funktionierte nicht.
Auch meine anderen Familienmitglieder bemerkten nun die Gefahr, aber sie sahen nicht im Mindesten geschockt aus.
Doch obwohl mein Gesicht von Entsetzen erfüllt war, konnte nichts anderes tun, als zu starren.

Ich wusste, ich hatte nicht viel Zeit zum handeln.
Wenn der Van auf Bella treffen würde, dann würde sie das nicht überleben.
Wie zerbrechlich der Mensch doch war...
Ich wusste auch, dass ich das nicht zu lassen konnte.
Ich fluchte innerlich und verwünschte diesen verdammten Tag; verwünschte diesen dunkelblauen Van, der nur die Absicht hatte, Bella zu töten.
Doch nicht sie.
Ich würde nicht zulassen, dass sie so endet!
Alice warf mir einen schnellen, besorgten Blick zu; vermutlich wusste sie, was ich nun tun würde.
Doch ich ließ mich nicht aufhalten – nicht einmal von ihr.
Ohne groß zu wissen, was ich tat, sprang ich in Bellas Richtung und warf die aus der Fahrlinie.
Es gab einen kurzen dumpfen Schlag, als ihr Kopf auf dem eisigen Boden aufschlug, aber ansonsten schien es ihr gut zugehen.
Der Van faltete sich scheppernd um den Transporter, während wir nur wenige Meter weiter neben dem hellbrauen Wagen waren.
Der Van stoppte nicht, sondern schlitterte weiter.
Er würde uns erneut erfassen.
Leise fluchte ich und im nächsten Moment wusste ich, dass es keinen anderen Ausweg gab.
Sie schob meine Hände vor Bellas Körper und wartete auf den Aufprall des Vans.
Der Van rammte rüttelnd meine Hände; doch ich war stärker.
Der Wagen kam ins Wanken und würde sicherlich Bella zerquetschen.
Wie von selbst zog ich den Wagen ein Stückchen weg und griff nach Bella, um sie auf die ungefährliche Seite zu ziehen.
Ich presste sie fest an meine Seite und versuchte angestrengt, den Geruch ihres Blutes zu ignorieren, der wieder einmal wie eine Abrissbirne meinen Verstand traf.
Auch jetzt erst erkannte ich, was ich getan hatte... Ich hatte soeben unsere Existenz aufs Spiel gesetzt, nur um Bella zu retten und das war verdammt nochmal sehr, sehr dumm.
Es gab ein dumpfes, metallisches Geräusch, als der Aufprall erfolgte. Glas zersplitterte und dann blieb der Van endgültig stehen.
Ich hörte die Schreie der anderen, wie sie besorgt und verzweifelt nach Bella riefen.
Sie saß immer noch benommen neben mir und rührte sich nicht.
„Bella? Ist alles in Ordnung?“, fragte ich leise.
„Mir geht’s gut“, sagte sie leicht quietschend und versuchte sich aufzusetzen.
„Vorsicht“, warnte ich, als ich ihre Bemühungen spürte. „Ich glaube, du bist ziemlich hart mit dem Kopf aufgeschlagen.“
„Au“, sagte Bella überrascht und fuhr mit einer Hand zu ihrem Kopf.
„Hab ich’s mir doch gedacht“, sagte ich und war froh, dass es anscheinend keine schlimmeren Verletzungen bei ihr gab.
„Wie zum“, setzte sie an, aber die Worte schienen ihr stecken zu bleiben.
Erneut frustrierte es mich, dass ich ihre Gedanken nicht lesen konnte; dass ich nicht wusste, was sie gerade dachte.
„Wie bist du so schnell hiergewesen?“, fragte sie schließlich.
„Ich stand direkt neben dir, Bella“, antworte ich ernst.
Ich hoffte, dass sie nicht zu viel mitbekommen hatte... Sie konnte mich nicht gesehen haben, dafür war ich zu schnell für ihr menschliches Auge. Es gab jedoch noch genug anderer Beweise, mit denen sie mich beschuldigen könnte.
Ich hatte eine der wichtigsten Regeln gebrochen, die Carlisle aufgestellt hatte, um unsere wahre Existenz geheimzuhalten. Ich hatte riskiert, dass unser Geheimnis aufflog.
Ich bereute diese Tat jedoch nicht, aber ich wollte weiterhin unser Geheimnis hüten.
Bella drehte sich weg und ich ließ ihre Taille los, um ihr Platz zu gewähren.
Ich rutschte von ihr weg, doch ihr Duft erfüllte den gesamten engen Zwischenraum.

Dann fand uns jemand.
„Nicht bewegen“, kommandierte jemand in unserer Nähe und ich hörte weitere panische Rufe.
„Holt Tyler aus dem Van!“, brüllte jemand anderer und ich hoffte inständig, dass Tyler nicht allzu ernstes nach meiner Aktion zugestoßen war.
Doch ich roch das frische Blut, das aus der Nähe kam und wusste sofort, dass es nur Tyler gehören konnte.
Das Ziehen in meinem als wurde wieder stärker, immer unangenehmer, aber ich durfte nun keine Schwäche zeigen.
Bella versuchte aufzustehen, doch ich drückte sie schnell wieder nach unten.
„Bleib erst mal sitzen“, kommandierte ich sie.
„Es ist aber kalt“, maulte sie und ich musste leise nervös lachen.
Wie sehr wusste sie nun schon über mich Bescheid? Hatte sie gemerkt, dass mein Körper unnatürlich kalt war?
Wie lange würde es dauern, bis sie schließlich unser gesamtes Geheimnis lüftete?
„Du warst dort drüben“, sagte Bella plötzlich und mein Kichern erstarb.
Es war, als ob sich meine schlimmsten Vorahnungen bestätigt hätten.
„Bei deinem Auto“, ergänzte sie.
Sie hatte Recht, aber sie durfte das nicht wissen; niemand durfte das.
„Nein, war ich nicht“, beharrte ich.
„Ich hab dich gesehen“, erwiderte sie.
Sie war dickköpfig, genau wie vermutet.
Doch ich musste schon viel bittere Sachen schlucken, als das hier.
„Bella, ich stand neben dir, und ich habe dich zur Seite gezogen.“
Ich funkelte sie voller Ernsthaftigkeit mit meinen Augen an.
„Nein.“
„Bella, bitte“, bat ich und funkelte sie an.
„Warum?“, fragte sie leise.
Im Hintergrund konnte ich bereits die Sirenen hören; ich hatte nicht mehr viel Zeit.
„Vertrau mir“, bat ich.
Auch Bella bemerkte nun die Geräusche im Hintergrund und drehte ihren Kopf ein wenig.
„Versprichst du, mir später alles zu erklären?“
Am liebsten hätte ich wütend geschnaubt, aber ich war nicht in der richtigen Position, um Widerstand zu leisten. Ich wusste immer noch nicht, wie viel sie wirklich wusste und ich konnte es nicht riskieren, sie gegen mich aufzulehnen.
„Schön, wie du willst“, sagte ich gereizt.
„Schön“, antworte sie genauso gereizt.

Sechs Rettungshelfer und zwei Lehrer schoben den Van beiseite, um uns aus unserem Gefängnis aus Metall zu befreien.
Sie kamen mit zwei Tragen, aber ich lehnte es ab, immerhin besaß ich keine Verletzungen. Wie denn auch?
Wenn es um Bella ging war ich mir jedoch nicht sicher.
Ich ging zu einem Rettungshelfer hinüber und sagte ihm, dass sich Bella den Kopf angestoßen und vermutlich eine Gehirnerschütterung hatte.
Sie funkelte mich einen Moment lang wütend an, aber dann wurde sie auch schon von den Rettungshelfern bearbeitet.
Die gesamte Schüler- und Lehrerschaft hatte sich versammelt und starrten auf den zertrümmerten Van und auf den Krankenwagen.
Ich spürte die wütenden Blicke meiner Familienmitglieder auf mir ruhen, als ich in den Krankenwagen stieg.
Als ob ich eine andere Wahl gehabt hätte...
Hatte Alice nicht gesagt, dass ich immer das richtige tun würde? Ich war mir nun nicht mehr so sicher, ob es der Wahrheit entsprach.
Ich wusste, dass ich einen Fehler begangen hatte, doch ich bereute es nicht.
Carlisle würde es verstehen, da war ich mir sicher.

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast So 04 Mai 2008, 00:58

Kapitel 7. Unangenehme Konversationen

Auf dem gesamten Weg zum Bezirkskrankenhaus wurde der Krankenwagen selbstverständlicher Weise von einem Streifenwagen eskortiert, der von Bellas Vater gefahren wurde.
Er hatte es sich nicht nehmen lassen, besorgt dem Krankenwagen zu folgen, auch wenn er eigentlich zur Arbeit müsste.
Ich sah durch die Windschutzscheibe hindurch und legte meine Stirn in Falten.
Ganz egal, wie Carlisle reagieren würde, sicherlich würde meine Familie Zuhause einen kleinen Aufstand verursachen – das war etwas, auf das ich mich keineswegs freute.
Ich seufzte leise und versuchte wenigstens einen kleinen Moment nicht an meine Familie zu denken. Es würde mir sowieso noch Probleme verursachen, das war jedoch kein Grund, die verbliebene Zeit einfach verstreichen zu lassen.
Ich fragte mich, was nun aus mir, Bella und Tyler wurde.
Tyler sah ziemlich mitgenommen aus – aber wer könnte es ihm auch verübeln? Selbst in diesem Moment konnte ich ganz leicht den Geruch seines Blutes vernehmen, das sofort ein kleines Verlangen in mir auslöste.
Ich ballte die Hände auf meinem Schoß zu Fäusten und versuchte angestrengt, nicht an das Blut zu denken.
Doch mein Erfolg war nur vermindert, da meine Gedanken nun den gelenkten Weg zu Bella führten. Sie war die Person, über die ich nicht nachdenken sollte. Eigentlich hätte ich sie nicht einmal retten sollen.
Ich schüttelte leicht den Kopf und lenkte meine Aufmerksamkeit kurz auf den Rettungshelfer, der neben mir saß.
Ich hoffte, dass ich mich nicht durch irgendeine Reaktion auffällig gemacht hatte.
-....sah wirklich schlimm aus, wir müssen schnell einen Arzt rufen...-
Ich ignorierte nun wieder seine Gedanken, es gab keinen Grund seiner Besorgnis zu lauschen.
Ein wenig erleichtert sah ich nun, dass wir am Bezirkskrankenhaus angekommen waren.
Carlisle.
Ich musste sofort mit ihm sprechen.

Nachdem der Krankenwagen geparkt hatte, sah ich auch schon wie Bellas Vater in voller Polizeimontur besorgt zu uns herüber gesprintet kam.
Ich öffnete langsam die Krankenwagentür und versuchte die Tatsache zu ignorieren, dass Bella genau in diesem Moment auf ihrer Trage ausgeladen wurde.
Ich lief einfach vorbei und schritt durch die Krankenhaustüren, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
Sofort stieg wieder der chemische Geruch des Krankenhauses in meine Nase. Wie ich diesen Geruch hasste.
Ich wollte mich bei einer Krankenschwester erkundigen, wo Carlisle sich befand, aber mein Vorhaben wurde abrupt beendet, kaum nachdem ich die Eingangshalle betreten hatte.
„Edward“, sagte Carlisle hinter mir und ich drehte mich um, um in sein besorgtes Gesicht zu sehen.
Irgendwie hatte er gewusst, dass ich kommen würde.
Um uns herum lief das Krankenhauspersonal hektisch herum, um bereit für die Notaufnahme zu sein.
„Dr. Cullen“, unterbrach uns ein Mann, der nun eilig zu uns herüber kam. Er war ebenso wie Carlisle ein Arzt, aber ich kannte ihn nicht. Ich entnahm es lediglich seiner weißen Kleidung.
„Wollen Sie in die Notaufnahme oder soll ich mich darum kümmern?“, fragte er ihn leicht besorgt und auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen – ein Anzeichnen von Stress.
„Erwarten wir schwere Fälle?“, fragte Carlisle ihn und runzelte die Stirn. Nur ich konnte den Bruchteil einer Sekunde bemerken, in denen Carlisle mir einen kurzen Blick aus seinen Augenwinkeln zu warf.
„Ich weiß nicht genau, so viel ich weiß handelt es sich hierbei um einen Autounfall...“
Carlisle hob leicht seine Hand, um ihn zum verstummen zu bringen.
„Ich werde nachkommen. Bitte kümmern sie sich solange um die Angelegenheiten.“
Der Mann nickte und lief dann genauso hastig davon wie der Rest des Personals.
Carlisle wandte sich nun wieder mir zu und musterte mich.
-... Werden wir beobachtet?...-
Seine Gedanken klangen genauso besorgt wie er auch aussah.
Ich schloss kurz die Augen und lauschte einen Moment lang den Gedanken der Menschen um uns herum, ob uns irgendjemand interessiert beobachtete. Doch ich konnte nichts Vergleichbares hören.
Leicht schüttelte ich den Kopf und Carlisle nickte mir kaum merklich zu.
Ohne ein weiteres Wort schritt er den Gang entlang und ich folgte ihm leise.
Uns umgab hektische Betriebsamkeit, doch niemand nahm sonderlich Notiz von uns und es bemerkte auch niemand, wie mich Carlisle zu seinem Büro führte.
Kaum nachdem Carlisle die Tür leise geschlossen hatte und ich mich auf einem Stuhl in der Ecke niederließ, fing er auch schon an seine besorgte Miene erneut aufzusetzen.
„Erzähl es mir bitte. Was ist geschehen?“
Ich umklammerte die Stuhllehne und versuchte meine Anspannung zu unterdrücken, die durch meinen ganzen Körper zuckte.
„Bitte. Carlisle. Ich hatte keine andere Wahl“, brachte ich schließlich zwischen den Zähnen hervor und hasste mich dafür gleich wieder selbst, da Carlisles Gedanken noch drastischer wurden.
„Edward, erzähl es mir bitte“, bat er leise und schob einen Stuhl zu mir hinüber.
Mein Gesicht verfinsterte sich und ich biss mir unwillkürlich auf die Lippen.
„Tut mir leid, ich habe unser aller Existenz aufs Spiel gesetzt.“ Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, denn mehr Worte wollten nicht meine Lippen verlassen.
Auf einmal fühlte ich mich wieder schuldig, schuldig alles falsch gemacht zu haben.
Carlisle musterte mich immer noch mit unverminderter Intensität und ich seufzte einen Moment lang, bevor ich weiter sprach.
„Die Straßenfläche war eisig und glatt. Auf dem Schulgelände hat dann ein Schüler die Kontrolle über seinen Van verloren und ist damit über den gesamten Parkplatz geschlittert... Und dann...“
Ich schluckte einen Moment und ein unnatürlicher Schauder durchströmte meinen Körper.
„Dann wäre der Van beinahe in Bella gefahren... Ich... ich weiß nicht, warum ich dies tat, aber nachdem ich bemerkt hatte, was los war, hatte ich sie auch schon gerettet. Sie stand einige Meter von mir entfernt und ich bin einfach auf sie zu gesprungen, um sie wegzuziehen.“
Ich schloss die Augen und schüttelte meinen Kopf.
Was war nur los mit mir?
„Du bereust es, Edward. Du bereust es, sie gerettet zu haben, nicht wahr? Aber es gibt nichts zu bereuen“, sagte Carlisle schließlich langsam und ruhig an mich gewandt und ich sah wieder auf.
Seine Worte waren ehrlich gemeint, doch wie konnte er mich, einen Verräter, immer noch in Schutz nehmen?
Ich hatte unser aller Schicksal aufs Spiel gesetzt und dennoch behandelte er mich... wie einen Sohn. Einen Sohn, den er liebte.
Meine Finger, die immer noch die Stuhllehne krampfhaft hielten zitterten nun und ich lockerte meinen Griff.
Ich versuchte mich an Carlisles Perspektive.
„Dir... Dir macht es nichts aus?“, fragte ich probeweise zurück.
Carlisle runzelte die Stirn.
„Wieso sollte ich dir böse sein, Edward? Ein Leben ist mehr wert, als unser friedliches Leben.“
Ich schüttelte wieder den Kopf und versuchte, meinen Protest hinab zu schlucken, aber es gelang mir nicht.
„Wie kannst du nur so etwas sagen? Wir haben so lange gebraucht, bis wir so ein Leben führen konnten! All die Mühe und all die Qual die wir erlebt haben, soll das nun alles umsonst gewesen sein?“
Meine Worte waren weniger freundlich als beabsichtigt und es tat mir so leid, dass ich sofort wieder verstummte.
„Edward“, setzte Carlisle wieder sanft an. „Wir müssen nichts aufgeben, wir können genauso weiterleben wie bisher. Du hast keinen Fehler begangen, auch wenn du es dir einreden willst. Solange sie nichts gesehen hat, ist alles in Ordnung.“
„Nein“, widersprach ich sofort und senkte gequält meinen Blick. „Ich bin mir nicht sicher, ob sie nun etwas mitbekommen hat oder nicht... Zumindest behauptet sie, dass sie mich nur eine Sekunde vor ihrem Aufprall einige Meter weiter gesehen hatte und es ihr undenkbar ist, wie ich so schnell zu ihr gelangen konnte. Ich denke, dass sie sehr wohl mitbekommen hat, dass ich übernatürliche Kräfte zu dieser Zeit benutzt habe, aber sie weiß nicht, wie sie das alles erklären soll. Sie hat mir zwar gesagt, dass sie den anderen nichts verraten wird, aber ich kann mich nicht auf ihr Wort verlassen. Es war einfach unachtsam von mir, dass ich ausgerechnet sie gerettet hatte, obwohl ich nicht einmal ihre Gedanken lesen kann...“
Ich legte meine ganze Frustration in die Worte und auch Carlisle entging dies nicht.
„Sei einfach vorsichtiger, was sie angeht.“
Carlisle stand nun wieder auf und griff nach einer Krankenakte.
„Ich denke, dass sie nun auf der Notaufnahme ist. Wenn du willst, kannst du sie dort besuchen, ich werde nachkommen.“
Ich stand tonlos auf und griff bereits nach der Türklinke, als Carlisle seine Hand auf meine Schulter legte.
„Tu nichts unüberlegtes“, warnte er mich noch einmal. „Sei einfach ganz normal und niemand wird etwas bemerken. Du schaffst das schon.“
Ich blieb im Türrahmen stehen und wandte mich noch einmal zu Carlisle um.
„Bella ist sicherlich wütend auf mich. Wenn sie nicht schwerwiegend betroffen ist, könnte sie dann wieder entlassen werden? Sie hat sich zwar ziemlich hart den Kopf angeschlagen, aber ich denke, dass dies nicht sonderlich problematisch ist.“
„Oh, ja, natürlich“, murmelte Carlisle und sah mich durchdringend an, als ob er nun auch versuchen würde, meine Gedanken zu lesen.
Dann hörte ich seine Gedanken ganz klar in meinem Kopf widerhallen.
-...Du wirst immer das richtige tun...-
Ein seltsames Gefühl kroch in mir hoch und ich konnte es kaum bezwingen.
Ohne weitere Worte trat ich hinaus und schloss leise die Tür hinter mir.
Ich biss die Zähne zusammen und versuchte mein Inneres zu beruhigen, das brodelte vor Wut und Scham.
Er hatte jedoch vollkommen recht. Ich durfte mir nichts anmerken lassen – niemals.
Ich atmete noch einmal tief ein und aus, um sicherzugehen, dass ich tatsächlich bereit war.
Doch ich musste mir selbst eingestehen, dass ich mir sogar Sorgen um Bella machte.
Selbst Carlisle hatte das erkannt!

Ich ging Richtung Notaufnahme und öffnete leise die Tür.
Den Gedanken einer Krankenschwester konnte ich entnehmen, dass sie soeben geröntgt worden war.
Die Notaufnahme war ein langer Raum, in dem die Betten aneinander gereiht standen.
Dann sah ich Bella, wie sie mit geschlossenen Augen in ihrem Bett lag und neben ihrem Bett ein weiteres stand, auf dem Tyler mit seinen blutenden Wunden lag.
Aber ich hatte alles andere im Kopf, als sein Blut. Meine gesamte Aufmerksamkeit galt Bella und ich stellte mich am Fußende ihres Bettes auf, um sie näher betrachten zu können.
Tyler murmelte reumütig immer wieder dieselben reumütigen Worte, doch Bella schien ihn nicht zu zuhören.
Irgendwie war es unbeschreiblich erleichternd sie gesund zu sehen.
„Schläft sie?“, fragte ich Tyler, der kurz zu mir aufsah.
Schlagartig öffneten sich Bellas Augen und sie funkelte mir wütend entgegen.
„Hey, Edward, tut mir wirklich Leid“, setzte Tyler an, doch ich hob eine Hand, damit er sich nicht auch noch unaufhörlich bei mir entschuldigte.
„Nichts passiert“, sagte ich und setzte mich auf den Rand von seinem Bett.
Ich war selbst überrascht, wie wenig mir Tylers offene Wunden ausmachten. Schon immer hatte es mich verwundert, wie Carlisle es aushielt Arzt zu sein.
Doch mir kam es vor, als ob die Wunden nebensächlich wurden, genauso wie das Blut.
Vielleicht war es einfacher zu widerstehen, wenn man sich auf etwas anderes nur stark genug konzentrierte?
„Wie lautet der Richterspruch?“, fragte ich sie und ich konnte mir ein weiteres Grinsen nicht verkneifen.
Ich hörte in meinem Kopf die näher kommenden Gedanken von Carlisle. Sicherlich würde er bald hier sein.
„Mir fehlt nicht das Geringste, aber sie lassen mich nicht gehen“, klagte sie, bevor sie mir erneut einen finsteren Blick zu warf. „Wieso bist du nicht an eine Bahre geschnallt wie alle anderen Beteiligten?“
„Alles eine Frage von Beziehungen“, antwortete ich, ohne weiter darauf einzugehen. „Aber keine Sorge, ich bin gekommen, um dich hier rauszuholen.“
Nach meinen Worten betrat Carlisle die Notaufnahme und kam zu uns herüber.
„Also, Miss Swan“, sagte er an Bella gewandt, „wie fühlen Sie sich?“
„Mir geht’s gut“, antwortete sie ein wenig genervt und ich war mir sicher, dass sie diese Antwort nur ungern noch einmal wiederholen würde.
Carlisle ging zum Röntgenschirm am Kopfende ihres Bettes und schaltete ihn an.
„Die Aufnahmen sehen gut aus“, sagte er mehr zu sich selbst, als zu ihr. „Tut Ihr Kopf noch weh? Edward sagt, Sie seien ziemlich hart aufgeschlagen.“
„Meinem Kopf geht’s auch gut“, sagte sie seufzend zu Carlisle bevor sie mir erneut einen bösen Blick zuwarf.
Carlisle ließ seine Finger prüfend über ihren Schädel gleiten und Bella zuckte zusammen.
„Empfindlich?“, fragte Carlisle.
„Nicht sehr.“
Ich versuchte den plötzlichen Drang des Lachens nicht nachzugeben, aber es gelang mir nicht ganz. Seit der Sache mit dem Autounfall war ich mir sicher, dass sie alles andere als unempfindlich war.
„Gut. Ihr Vater wartet draußen, Sie können jetzt mit ihm nach Hause fahren. Aber kommen Sie wieder her, wenn Ihnen schwindelig wird oder wenn Sie irgendwelche Probleme beim Sehen bekommen“, sagte Carlisle abschließend.
„Kann ich nicht wieder in die Schule?“, fragte Bella halb flehend.
„Vielleicht sollten Sie es für heute ruhig angehen lassen.“
Dann warf Bella wieder einen Blick auf mich. „Darf er in die Schule?“
„Irgendjemand muss schließlich die Nachricht überbringen, dass wir überlebt haben“, antworte ich süffisant.
Carlisle schüttelte kaum merklich den Kopf.
„Um ehrlich zu sein, sieht es so aus, als säße der größte Teil der Schule im Wartezimmer.“
„Auch das noch“, stöhnte Bella und verbarg ihr Gesicht in den Händen.
Sie hasste es im Mittelpunkt zu stehen, das wusste ich, seit dem ich sie zum ersten Mal gesehen hatte.
Carlisle zog seine Augenbrauen nach oben.
„Möchten Sie lieber hier bleiben?“
„Nein, nein!“, beteuerte Bella sofort und sprang auf dem Bett.
Sie schwankte einen Moment, doch Carlisle fing sie auf.
Bella entging sein besorgter Gesichtsausdruck genauso wenig wie mir und sie beteuerte noch einmal, dass es ihr gut ging.
„Nehmen sie Tylenol gegen die Schmerzen“, empfahl er ihr, während er Bella immer noch stützte.
„So schlimm ist es nicht“, beharrte sie weiterhin.
„Es scheint, als hätten Sie großes Glück gehabt“, sagte Carlisle lächelnd und unterschrieb die Krankenakte.
„Ich hatte Glück, dass er zufällig neben mir stand“, sagte Bella an mich gewandt.
„Oh – ja, stimmt“, sagte Carlisle hastig und ließ das Thema fallen.
Er würde genauso wenig wie ich genauer darauf eingehen.
Ohne ein weiteres Wort ging er hinüber zu Tyler, um sich seine Schnittwunden genauer anzusehen.

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Beitrag  Gast So 04 Mai 2008, 00:58

„Kann ich dich kurz sprechen?“, fragte Bella mich zischend, nachdem Carlisle uns den Rücken zugewandt hatte.
Ich trat einen Schritt zurück und biss mir fest auf meine Zähne.
Ich war mir sicher, dass sie mich erneut über den Unfall befragen würde – das konnte ich mir nicht erlauben.
Ich bemühte mich wieder um einen neutralen Unterton, doch meine Wut ließ sich nicht zügeln.
„Dein Vater erwartet dich“, sagte ich schließlich zwischen meinen Zähnen hindurch.
„Ich möchte unter vier Augen mit dir sprechen, wenn du nichts dagegen hast“, sagte die hartnäckig.
Sie würde nicht nachgeben.
Ich fasste meinen letzten Rest von Vernunft und machte kehrt und rannte halb hinaus aus dem Gang.
Ich wollte nichts mehr über diesen Vorfall wissen, der schließlich immer noch unsere Existenz gefährdete. Niemand durfte dieses Thema weiter vertiefen – niemand!
In mir rumorte meine Wut und mir war es nun auch egal, wenn irgendjemand mitbekam, dass ich mich seltsam verhielt.
Bella folgte mir mit hastigen Schritten, bis ich mich schließlich völlig genervt zu ihr umdrehte.
„Was willst du?“, fragte ich sie wütend.
„Du bist mir eine Erklärung schuldig“, erinnerte sie mich.
„Ich hab dir das Leben gerettet – ich bin dir gar nichts schuldig“, erwiderte ich gereizt.
„Du hast es versprochen.“
Ich hätte mich selbst ohrfeigen können, denn sie hatte recht.
„Bella, du hast dir den Kopf angestoßen, du weißt nicht, was du redest“, sagte ich mit schneidender Stimme.
Meine Kontrolle über meine Stimme war endgültig verloren.
„Mit meinem Kopf ist alles okay“, antworte sie zornig und funkelte mich an.
„Was willst du von mir, Bella?“, fragte ich um einen ruhigen Ton bemüht.
„Ich will die Wahrheit wissen. Ich will wissen, warum ich für dich lüge.“
Ich hatte schon befürchtet, dass sie wieder auf den Unfall zurückkommen würde – und dies hatte sich nun bewahrheitet.
„Was ist denn deiner Meinung nach passiert?“, fauchte ich sie an.
Sie holte tief Luft, bevor sie anfing zu sprechen.
„Ich weiß nur, dass du nicht in meiner Nähe warst – und Tyler hat dich auch nicht gesehen, also erzähl mir gefälligst nicht, dass mein Kopf was abbekommen hat. Der Van hätte uns beide getötet – hat er aber nicht, und dann hatte er plötzlich Dellen, wo deine Hände waren – und das andere Auto auch, aber du bist überhaupt nicht verletzt – und der Van hätte eigentlich meine Beine zerquetschen müssen, aber du hast ihn hochgehalten...“
Sie stoppte und Tränen der Wut stiegen in ihren Augen.
Ich sah sie ungläubig an.
Sie hatte also tatsächlich alles mitbekommen.
Ich musste mich an die Grundregeln halten, genau wie Carlisle es gesagt hatte. Niemals durften wir Beweise hinterlassen, niemals durften wir zuviel reden.
„Du bist also der Meinung, ich hätte einen Van angehoben?“, fragte ich sie in einem ungläubigen Tonfall.
Sie nickte, aber ich sah die Wut in ihrem Gesicht.
„Das wird dir niemand glauben, das ist dir klar, oder?“, sagte ich spottend.
„Ich hab nicht vor, es irgendjemanden zu sagen“, sagte sie darum bemüht, ihre Wut im Zaum zu halten.
„Warum ist es dann so wichtig?“, fragte ich verwundert über ihre unlogische Reihenfolge.
„Es ist mir wichtig“, beharrte sie. „Ich lüge nicht gerne, und wenn ich es tue, will ich einen guten Grund dafür haben.“
Sie war wirklich hartnäckig – wie lästig.
„Kannst du mir nicht einfach danken und die Sache vergessen?“
„Danke“, sagte sie zwischen ihren Zähnen hervor und ich war mir sicher, dass die Wut genauso in ihr brodelte wie in mir.
„Du lässt nicht locker, oder?“
„Nein.“
„Dann hoffe ich, dass du mit Enttäuschungen umgehen kannst.“

Wir funkelten uns beide eine Weile an, bis Bella dann das Schweigen brach.
„Warum hast du dir die Mühe überhaupt gemacht?“, fragte sie mit frostiger Stimme.
Ich spürte plötzlich wieder dieses Loch in mir, ein Loch voller Fragen, auf die ich keine Antwort kannte.
„Ich weiß es nicht“, flüsterte ich und drehte mich um.
Ich lief den Gang in einer unmenschlichen Geschwindigkeit entlang, ich wollte einfach nur hinaus.
Ja, warum hatte ich ihr bloß das Leben gerettet?
Hätte ich zu sehen können, wie der Van sie in Stücke riss? Niemals.
Irgendein Loch in mir öffnete sich ganz leicht bei dem Gedanken und ich schauderte.
Es musste eine logische Erklärung für das Alles geben – es gab immer eine.
Was wäre passiert, wenn der Van sie erfasst hätte? Wahrscheinlich wäre sie sofort gestorben und ihr Körper wäre auseinander gerissen. Und dann hätte ihr Blut geflossen – das Blut, das ich mehr als alles andere begehrte.
War dies meine Warnung gewesen?
Gab es in mir schließlich noch etwas Gutes, das nicht wollte, dass ich dem blutrünstigen Monster in mir nachgab?
Wenn ihr Blut geflossen wäre, dann hätte ich niemals widerstehen können – es hätte uns alle verraten.
Ich versuchte es mir nicht einmal auszumalen, was geschehen würde, nachdem die gesamte Schule Zeuge meiner wahren Gestalt wären – mich, über das Blut gebeugt und trinkend.
Das wäre ein fataler Fehler – noch fataler als ihr das Leben zu retten. Als ob ich nicht schon genug Gründe hätte, sie schließlich doch zu töten!

Carlisle kam mir auf dem Gang entgegen und betrachtete mich besorgt.
„Edward, wir sollten vielleicht besser nach Hause“, sagte er mit seiner ruhigen, besorgten Stimme.
„Ich weiß“, sagte ich immer noch mit einer Spur von Wut in meiner Stimme.
Ich ging mit Carlisle über den Parkplatz hinüber zu seinem Mercedes und stieg ein.
Daheim würde uns sicherlich unsere Familie erwarten...
Ich wollte mir erst gar nicht ausmalen, wie verärgert sie sein würden.

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast So 04 Mai 2008, 00:58

Kapitel 8. Streit in der Familie

Ich hatte Recht gehabt.
Bevor ich auch nur einen Fuß aus dem Wagen gesetzt hatte, hörte ich die Gedanken meiner Familienmitglieder auch schon in meinem Kopf, als ob sie mir ins Gesicht schreien würden. Jedoch galten ihre Worte im Moment noch nicht mir.
-...Edward, dieser Vollidiot! Was hat er sich nur dabei gedacht, ich könnte ihn...-
-...Es musste einen Grund geben, sonst hätte er doch nicht...-
-... Sieht aus, als ob wir bald umziehen müssten. Wie demütigend...-
-... Ich muss dringend mit ihm reden, er hat doch...-

Ich blendete ihre Gedanken aus meinem Kopf, aber meinem Gehör fiel es schwer, ihren Diskussionen nicht zu zuhören.
Carlisles Blick streifte mich; wieder einmal war er besorgt um mich.
„Es ist nichts“, murmelte ich und schritt auf die Veranda zu.
Aus dem Inneren des Hauses könnte ich deutlich die tobenden Stimmen der anderen vernehmen, und es bereitete mir Unbehagen, dass ich nun auch bald in mitten dieses Streites stehen würde.
„Verdammt! Alice! Wieso hast du nichts erwähnt? Ich hätte ihn aufhalten können!“, knurrte Emmett sie zu unrecht an.
„Wie sollte ich das vorhersehen können? Sein Entschluss kam ganz spontan. Außerdem – er hätte er zusehen sollen, wie ein unschuldiger Mensch vor unseren Augen zerreißt wird?“, giftete sie in einem kühlen Unterton zurück.
Emmett gab nur ein leises, wütendes Knurren von sich und ich konnte es mir bildlich vorstellen, wie er sich wütend vor Alice aufbaute.
Doch ich wollte nicht, dass meine Familie sich untereinander stritt – denn ich war es, der die Schuld hatte und niemand anderes.

Ich drückte die Türklinke hinab und setzte fast zögerlich einen Fuß durch die Tür und Carlisle folgte mir.
Sofort spürte ich die Blicke der anderen auf mir ruhen; verärgert und besorgt.
Alice warf mir in den Augenwinkeln ein halb tröstendes Lächeln zu, das sie allerdings aufgrund von Emmetts grimmigen Gesichtes schnell wieder absetzte, um ihn genauso grimmig anzustarren.
Der Glanz aus den Gesichtern meiner Familie verschwand und alle Gefühle, die ich bisher für sie gehegt hatte, waren erloschen, als würde ich nun meinen Todfeinden gegenüber stehen.
Ich spürte selbst, dass mein Körper sich anspannte und meine Miene steif wurde – fest und unüberwindbar.
-...Edward, bitte provoziere sie nicht noch mehr...-, hörte ich Carlisles und Alice‘ Gedanken die wie eine Vereinigung der Vernunft klangen.
Ich wünschte mir in diesem Moment, dass ich meine starre und selbstsichere Position aufgeben könnte, doch konnte und wollte ich es nicht.
Ich hörte es genau was sie dachten; Verachtung und Ablehnung – gegen ihren eigenen Bruder!
Ja, ich hatte unsere Familie verraten und das aus undefinierbaren Gründen!
Ich war ein egoistisches, selbstsüchtiges Monster, das nur auf Kosten von den Anderen leben konnte. Doch selbst wenn es so war – ich hatte meine eigene Ansicht der Dinge.
Ich würde nicht so hart gegen sie verurteilen wie sie nun gegen mich; selbst wenn ihre Welle der Abneigung gegen meinen Taten nun gegen mich schlagen würde.
„Ich weiß, worüber ihr mit mir reden wollt“, sprach ich leise um Fassung bemüht „Also, nur zu.“
Esme, die ein wenig eingeschüchtert in der Ecke stand, hin und hergerissen davon, ob sie nun eingreifen sollte oder nicht, formte ihr herzförmiges Gesicht zu einer Miene des Schmerzes.
Wir stritten nie oft – ich und meine Familie.
Doch ich hatte das Gefühl, dass nun der Punkt angelangt war, bei dem sie nichts mehr zu sagen hatten.
Ich warf einen leicht kühlen Blick auf Emmett, der genauso um Fassung bemüht war wie ich. Nein, viel eher: Er kochte vor Wut.
„Emmett“, murmelte Jasper und warf ihm auch mit geschürzten Lippen einen besorgten Blick zu „Wir wollen es nicht übertreiben.“
„Ich weiß“, sagte Emmett leise, doch es klang eher wie ein leises, kampfbereites Fauchen.
Rosalie legte eine Hand auf seine Schultern, doch ich wusste sofort, dass diese Bewegung nicht zu meinem Gunsten stand, denn auch sie betrachtete mich einer solchen Abschätzung und einem Argwohn, der selbst für ihre Verhältnisse ein wenig übertrieben war.
-...Verräter!...- , hörte ich sie in ihren Gedanken fluchen, doch niemand außer ich konnte ihre innere Rage hören.
„Ich weiß, was ihr alle von mir denkt“, sagte ich schließlich, um endlich das Gespräch voranzutreiben „Ich habe euch verraten, in dem ich jemanden das Leben gerettet habe. Doch was hättet ihr an meiner Stelle getan?“
Meine Stimme bebte aus Zorn und Carlisle seufzte einen Moment lang hinter mir.
„Sie sterben lassen natürlich! Es ist nicht unsere Angelegenheit! Menschen sterben und werden geboren, so ist es doch!“, spie mir Emmett ohne Reue entgegen.
Ich bereute es, dass ich mich nun mit ihm streiten musste – denn ich mochte ihn, genauso wie alle anderen.
„Warum hast du sie gerettet?“, fügte Rosalie mit einem schroffen Unterton hinzu und sie hob ihr Gesicht arrogant in die Höhe, als ob ihr Wort das letzte sein würde.
„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht“, murmelte ich kaum hörbar zurück.
Emmett lachte ironisch auf.
„Du bringst uns alle in Gefahr und weißt nicht wieso? Warum lässt du es nicht einfach so, wie es all die Zeit lang war?“ In seiner Stimme schwang immer noch ein Unterton der Gereiztheit mit, den ich zu ignorieren versuchte.
Jasper sah zwischen uns hin und her, unentschlossen, wer nun von uns beiden Recht hatte. Doch es würde nichts nutzen.
„Edward“, sprach er schließlich mit tonloser Stimme „Ich weiß, dass du sicherlich deine Gründe gehabt hattest, jedoch hast du uns alle in Gefahr durch dein Handeln gebracht. Du musst verstehen, dass wir davon nicht absehen können.“
Emmett schnaubte leise.
„Ich weiß“, sagte ich „Aber es gab keinen anderen Ausweg.“
„Es gibt immer einen Ausweg“, giftete Rosalie „Solange es um einen Menschen geht.“
Alice, die sich nach meinem Eintreten abseits gehalten hatte und die Pro und Kontra Argumente abwägte, um die Situation zu erschließen, stellte sich beschützend neben mir auf.
„Du hast Edward gehört, Rosalie. Es gab keinen anderen Ausweg.“
„Woher willst du das wissen?“, fauchte Rosalie zurück.
Ihr blondes Haar schien sich ein wenig von ihrem Kopf aufzurichten, dass sie eher Ähnlichkeit hatte mit einer Katze – bereit zum Angriff.
„Edward hat uns noch nie in Gefahr gebracht und er wird es auch weiterhin nicht tun“, antworte Alice kühl und betrachtete sie fast schon mit ausdruckslosen und gleichgültigen Augen.
„Es gibt immer ein erstes Mal! Du wirst daran Schuld sein, wenn wir von hier verschwinden müssen!“, rief Emmett immer noch wütend zu mir hinüber, als ob ich in fünfzig Meter Entfernung stehen würde.
„Das war niemals meine Absicht!“, rief ich genauso wütend zurück.

Niemand würde mich verstehen...
Nein, niemand konnte mich verstehen, denn ich verstand mich nicht einmal selbst.
Doch ich wusste ganz genau, dass ich im Recht war und nicht sie.
War dieses Gefühl, das in mir aufgekeimt war, wirklich nur ein Beschützerinstinkt oder steckte mehr dahinter?
Hatte ich tatsächlich Respekt auf das Leben eines Menschen, dass ich sogar bereit war, meine Identität aufs Spiel zu setzen?
Egal was es war: Es nervte mich.

„Bitte“, sagte Carlisle in seiner ruhigen, neutralen Tonlage, die der von Jasper glich „Es gibt auch andere Möglichkeiten, wie wir alles regeln können. Ich bin zuversichtlich, dass Edward niemals vorgehabt hatte, uns in irgendeiner Weise Schaden zufügen zu wollen.“
-...Warum stehen sie alle hinter ihm, obwohl er uns verraten hat?...-
Die Verwirrung meiner familiären Feinde bereite sich in ihren Gedanken aus, dennoch blieb ihr Standpunkt hart wie ein Fels.
„Warum verteidigst du ihn, Carlisle? Warum verzeihst du ihm?“, rief Rosalie anstatt Emmett, der gerade einen inneren Gewissenskonflikt austrug.
„Es gibt nichts zu verzeihen“, antworte Carlisle mit voller Überzeugung.
„Carlisle hat vollkommen Recht“, fügte Alice selbstgefällig hinzu und ein spöttisches, kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. „Respektiert unsere Meinung.“
„Nein“, murmelte Emmett und seine Hände ballten sich zu bedrohlichen Fäusten. „Wir können es nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wie viel hat sie gesehen? Hat sie bemerkt, dass wir anders sind? Ist es noch sicher für uns?“
„Zur Not bringen wir sie um.“ Rosalies Stimme klang so eisig, dass ein Irrtum ausgeschlossen war.
Ein solcher Egoismus und eine solche Gleichgültigkeit hatte ich bisher noch nie erlebt, weder bei mir noch bei ihr. Alleine der Gedanke daran, dass Rosalie erneut zu einer Mörderin eines Menschen werden würde, indem sie Bella töten würde, quälte mich.
„Niemals“, knurrte ich.
Emmett trat leicht angewidert einen Schritt zurück und sah mich ein wenig überrascht an.
„Du magst sie“, murmelte er, aber ich fiel ihm sofort ins Wort.
„Das hat nichts damit zu tun!“
Er schüttelte nur leicht den Kopf und seine Gedanken schwirrten umher, als ob er selbst angestrengt eine Lösung suchte.
„Du hast dich verändert, seit dem sie hier ist“, antwortete er schließlich.
„Na und?“, giftete ich zurück.
Emmett zuckte nur gleichgültig mit den Schultern.
„Das ist doch völlig absurd! Warum streiten wir uns hier wegen eines Menschen? Es gibt genügend Menschen auf dieser Welt. Es ist beim besten Willen kein Grund, ein solches Theater zu veranstalten“, mischte sich Jasper von der Seite ein und verschränkte nachdenklich die Arme vor seiner Brust.
„Willst du ihn nun auch noch unterstützen?“, fragte Rosalie zornerfüllt, doch Jasper schüttelte sofort den Kopf.
„Ich bin auf der Seite von Niemanden.“
Rosalie warf ihr Haar in den Nacken und klammerte sich fester an Emmetts Unterarm.
„Das Problem ist sie – dieses Menschenkind. Wäre sie niemals aufgetaucht, dann würde Edward nicht so durchdrehen und uns mit seiner Leichtsinnigkeit in Gefahr bringen!“
Tiefer Hass lag in ihren Worten, die teils an mich und teils an Bella gingen.
„Rosalie, bitte“, bat Carlisle doch sie schenkte ihm kein Gehör.
„Ihr denkt es bestimmt alle! Und Edward kann es auch in unseren Gedanken hören! Warum verzeiht ihr ihm? Warum bin ich die Einzige, die für ihre Meinung steht? Meiner Meinung nach hat das alles schon zu lange gedauert! Seit dem Edward seinen Fluchtversuch nach Alaska ergriffen hatte, dachte ich mir bereits, dass es soweit kommen würde! Dieses Menschenmädchen trägt die Schuld! Und sie wird dafür bezahlen, dass sie unsere Familie auseinanderreißt!“
Deutlich konnte ich ihre volle Lippe vor Empörung zittern sehn, doch mir selbst ging es nicht besser.
„Rosalie, weißt du eigentlich was du da sagst?“, rief ich ihr voller Abscheu zu.
Es war eine rhetorische Frage – Ihre Gedanken waren deutlich genug.
„Ich weiß was ich sage, Edward, aber du weißt nicht, wo dein Platz ist.“
„Ich weiß sehr wohl, wo mein Platz ist“, fauchte ich zurück und ballte nun auch meine Hände zu Fäusten.
„Edward hat Recht, Rosalie. Wir werden niemanden etwas tun, selbst wenn wir dadurch in Gefahr sind“, sagte Carlisle.
„Edward“, murmelte Jasper und ich sah zu ihm auf. „Es bringt nichts, wenn wir über die Zukunft reden. Und ich finde, dass du -aber auch Rosalie und Emmett - die Wahrheit sagst. Vielleicht könnten wir uns zu diesem Zeitpunkt auf einen Kompromiss einigen, der beide Seiten zufrieden stellt. Mein Vorschlag wäre, dass Rosalie und Emmett ihre rauhen Worte zurücknehmen und Edward als Gegenleistung nichts leichtsinniges mehr tut, am besten indem er dieses Mädchen einfach ignoriert.“
Ich wusste, dass Jasper nichts Böses wollte – eher im Gegenteil.
Ich wusste auch, dass er Recht hatte.
Doch nun, da die Lösung in der Luft lag und ich diesen Weg wählen könnte, wollte alles in mir eine andere Lösung suchen, selbst wenn es keine gab.
Meine Fäuste wollten sich einfach nicht aus der Anspannung lösen und mein ganzer Körper war eher in einer Kampfbereitschaft, die ich sonst nur beim Jagen kannte.

Carlisle räusperte sich neben mir und alle sahen zu ihm auf.
„Ich finde, dass Jasper einen sehr guten Vorschlag dargeboten hat und wir alle darauf eingehen sollten. Es wäre in der Tat das Beste, wenn wir diese Sache vergessen. Edward würde uns niemals verraten – doch er hat dem Rat seines Gewissens befolgt, das jedoch genauso wichtig ist, wie wir. Beruhen wir uns darauf, dass nun alles ein Ende gefunden hat und dass eine solche Situation niemals wieder geschehen wird.“
Carlisles Stimme hallte durch den Raum, fest und unantastbar, dass es eher den Klang eines Richterspruchs hatte.
Es würde keine Diskussion mehr geben.
Alle anderen verstummten sofort, selbst wenn ihre Gedanken immer noch verächtliche Wörter in ihren Köpfen ausspien.
Alice sah triumphierend zu mir auf, doch mein Gesicht war immer noch kalt und abweisend zu meinen Familienmitgliedern geneigt.
Ohne ein weiteres Wort, ohne noch einmal ihren abfälligen Gedanken zu lauschen, schoss ich Richtung Wendeltreppe und hinauf in mein Zimmer.

Alle hatten Recht.
Was auch immer in mich gefahren war, es musste aufhören.
Ich würde Isabella Swan ignorieren, selbst wenn es mir nicht gefiel.
Und ich musste mir eingestehen – es gefiel mir überhaupt nicht.

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast So 04 Mai 2008, 00:59

Kapitel 9. Eifersucht

Ich machte mich auf eine sehr lange restliche Woche gefasst.
Nicht nur, dass ich meine Vergehen nun auch noch büßen musste dadurch, dass Rosalie jetzt sogar noch schroffer zu mir war als üblich, sondern nun musste ich sogar noch auf Bellas Versprechen acht geben, das mir an jenem frostigen Tag gegeben hatte.
Ich bezweifelte stark, dass sie ihr Wort halten und ihren Freunden nichts von meiner seltsamen Erscheinung preis geben würde.
Ich könnte es ihr zumindest nicht verdenken, dass sie mein Geheimnis ausplaudern würde, schließlich konnten solch junge Menschen oftmals Dinge nicht für sich behalten.
Wie es nun meine Aufgabe war, stakste ich täglich durch das Schulgelände und durchforstete alle möglichen Gedanken von Mitschülern von Bella.
Etwas verwundert musste ich feststellen, dass sie ihr Wort zu halten schien.
Obwohl sie das Zentrum der Aufmerksamkeit und ihr Tisch in der Cafeteria mittlerweile mehr als überfüllt war, erzählte sie nie mehr, als sie mir versprochen hatte - aber genug, um nicht müde zu werden, meinen Namen zu nennen.
Ich war insgeheim dankbar dafür, dass sich die anderen nicht sonderlich für mich interessierten und nie über mein Befinden nachfragten.
Täglich lauschte ich Tyler Crowleys, Mike Newton und Eric Yorkie feindselige Gedanken, wenn ich in der Cafeteria saß.
Eigentlich gingen mich ihre privaten Gedanken nichts an, aber sobald irgendwo Bella in ihren Gedanken fiel, konnte ich nichts anderes tun, als zu lauschen.
Reiner Selbstschutzmechanismus, dachte ich immer.
Anscheinend hatte sich Tyler in den Kopf gesetzt, für seine Tat unbedingt Buße bei Bella tun zu müssen und Mike beobachtete das Ganze höchst argwöhnisch. Eric schien von Bellas Mut ziemlich beeindruckt zu sein, was Mike nur noch saurer machte.
Es sah ganz so aus, als ob alle drei planen würden, mit Bella zum Frühjahrsball zu gehen und betrachteten alle Mitschüler im Umkreis von zwei Metern als ihre Konkurrenz.
Das Ganze führte dazu, dass sich alle drei überhaupt nicht verstanden und sich gegenseitig zu hassen schienen.
Einmal musste ich sogar missbilligend die Lippen geschürzt haben, während ich ihren Gedanken lauschte, sodass Emmett nach meinen Wohlergehen fragte.

Unvermeidlich war jedoch, dass ich wie jede Woche in Biologie neben Bella sitzen musste.
Ich versuchte zumindest diesen Umstand so weit wie möglich zu ignorieren und rückte automatisch am Anfang der Stunde so weit weg mit meinem Stuhl, wie es mir möglich war.
Jedes mal, wenn ich neben ihr saß spürte ich eine Welle von Zorn und Frustration in mir; und als ob dies nicht schon genug wäre, musste ich eine ganze Stunde lang ihren unwiderstehlichen, süßen Geruch ignorieren.
Es fiel mir sehr schwer, nicht mit ihr zu reden und ihr nicht meine Ergebenheit gegenüber ihrem Blut zu offenbaren. Oftmals, wenn ich wieder einmal versuchte ihren Geruch aus meinem Kopf zu vertreiben, ballten sich unwillkürlich meine Hände zu Fäusten und ich wusste ganz genau, dass sie das bemerken würde.
Am ersten Tag nach dem Unfall ergab sie sich einem Versuch, mit mir zu reden.
„Hallo, Edward“, sagte sie freundlich, doch ich konnte ihrem Unterton anhören, dass mehr dahinter steckte und es frustrierte mich sofort erneut, dass ich ihre Gedanken nicht lesen konnte.
Ich selbst erwiderte kurz ihre Begrüßung mit einem Kopfnicken, um mich im nächsten Moment am liebsten selbst dafür zu rügen, was ich getan hatte.
Ich rief mir immer wieder mein Versprechen in Erinnerung, das ich abgegeben hatte – ich würde sie ignorieren.
Zum Glück ergab sich keine weitere Gelegenheit, mein Versprechen in Stücke bröseln zu lassen, da Bella es offenbar nach dem einen Versuch mit mir zu reden aufgegeben hatte.
Immer wieder kamen mir Gedanken über sie in den Sinn und ich wusste sofort durch die Gedanken der anderen, dass sie mich oft heimlich von ihrem Platz beobachtete – und es frustrierte mich.
Mein Durst wurde von Tag zu Tag größer, doch wie immer versuchte ich mir diesen Zustand nicht anmerken zu lassen und mich stattdessen auf meine volle Resistenz gegenüber dem Blut zu konzentrieren.

An dem Mittwoch, nachdem dieser verdammte Unfall bereits eine Woche vergangen war, schienen meine Erlebnisse erneut in mich einzukehren.
Es machte mich einfach wahnsinnig, dass ich vor gut einer Woche das Schicksal meiner ganzen Familie aufs Spiel gesetzt hatte, mich Bella quasi überliefert hatte und sie nun auch noch ignorieren musste.
Ich konnte kaum einen weiteren Tag aufzählen, der schlimmer war, als dieser.
Doch ich lag falsch, er wurde schlimmer, nachdem ich Mike Newtons Gedanken lauschen musste, wie er sich ausmalte, Bella zum Frühjahrsball aufzufordern.
Ich wusste nicht wieso, aber irgendwie bekam ich den dringenden Drang, ihn dafür in irgendeiner Weise Schaden zufügen zu müssen. Doch bevor meine geisteskranken Vorstellungen Wirklichkeit werden konnten, ging ich möglichst schnell in den Biosaal und versuchte, mich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren.
Aber ich hatte an diesem Tag wieder Unrecht.
Bella kam wie üblich in den Raum, ignorierte mich und ich sie, und setzte sich auf ihren Platz.
Doch zu meinem Bedauern nahm Mike Newton nicht seinen Platz ein, sondern setzte sich auf die Kante des Tisches vor Bella.
Ich konnte es seinen angespannten Gedanken entnehmen, das er ausgerechnet nun Bella fragen wollte, ob sie mit ihm zu diesem Frühjahrsball gehen wollte.
„Was ich dir sagen wollte“, fing er mit einem leicht nervösen Ausdruck an und senkte seinen Blick auf den Tisch, „Jessica hat mich gefragt, ob ich mit ihr zum Frühjahrsball gehe.“
„Echt? Toll!“, antwortete Bella enthusiastisch, als ob es ganz in ihrem Sinne wäre, „Ihr habt bestimmt einen super Abend zusammen.“
Mike, der eine andere Reaktion erwartet hatte, fing an, sich nervös zu kratzen.
„Na ja, die Sache ist… Ich hab ihr gesagt, ich weiß noch nicht.“
„Warum das denn?“, fragte Bella.
Mike wurde knallrot und ich konnte den kleinen plötzlichen Blutschub genau riechen.
„Ich war mir nicht sicher...also, ob du nicht vielleicht vorhattest, mich zu fragen.“
Ich sah unwillkürlich mit brennendem Interesse zu Mike hinüber und wartete auf Bellas Antwort. Ich wusste, es hatte mich nicht zu interessieren, aber irgendetwas in mir wollte die Antwort von ihr hören.
„Mike, ich finde, du solltest ihr zusagen“, sagte Bella schließlich.
„Hast du schon jemand anderen gefragt?“, fragte Mike zurück und warf mir einen schnellen Blick zu.
„Schön wär’s“, dachte ich grummelnd und versuchte, Mike keine Hassblicke zu zuwerfen.
„Nein, ich gehe überhaupt nicht hin.“
„Warum denn nicht?“ Mike schien gedanklich und sichtlich ziemlich enttäuscht zu sein, doch er wollte noch nicht aufgeben.
„Das ist der Samstag, an dem ich nach Seattle fahre“, erklärte Bella.
„Kannst du das nicht auf ein anderes Wochenende verschieben?“, fragte er hoffnungsvoll, doch ich sah in Bellas Gesicht, wie sie ihre Lippen schuldbewusst verschoben.
„Nein, tut mir Leid. Und du solltest Jess auch nicht länger warten lassen – das ist unhöflich.“
„Ja, du hast Recht“, murmelte er, verkniff sich eine weitere Bemerkung und ging niedergeschlagen zu seinem Platz.
Ich empfand kein Mitleid für ihn, doch irgendwie ging es mir genauso wie ihm – ich wusste nicht, ob Bella die Wahrheit gesagt hatte, oder nicht.
Ging sie an diesem Tag wirklich nach Seattle oder suchte sie nur eine Ausrede, um mit jemand anderen dahin zu gehen?
Bella schloss die Augen und presste ihre Finger gegen ihre Schläfen. Es war nur zu offensichtlich, dass sie sich schuldig fühlte.
Sie seufzte und dann bemerkte sie, dass ich sie anstarrte.
Obwohl sie meinen Blick erwiderte, sah ich nicht weg und sah ihr prüfend in die Augen. Doch wie immer war es vollkommen sinnlos – nichts konnte ich erfahren.
„Mr Cullen?“, rief mich Mr Banner plötzlich auf und ich hörte in seinen Gedanken sofort die Antwort.
„Der Krebs-Zyklus“, antwortete ich und wandte meinen Blick widerwillig zu Mr Banner.
Sofort spürte ich den Hauch eines Luftzugs und roch Bellas Blut, das in meine Richtung gewirbelt wurde. Wieder einmal hatte sie ihre Haare über ihre Schulter fallen gelassen, damit ich sie nicht anstarren konnte.

Den gesamten Rest der Stunde, dachte ich frustriert über das letzte Geschehnis nach, doch als es klingelte, wurde ich aus meinen Gedanken geworfen.
Bella griff sofort nach ihren Sachen, um sie einzupacken, doch ich wandte mich ihr zu.
„Bella?“, fragte ich unwillkürlich.
Langsam und widerstrebend drehte sie ihren Kopf in meine Richtung – niemand von uns sagte etwas.
„Was ist? Sprichst du wieder mit mir?“, sagte sie schließlich bockig und brach somit das Schweigen.
„Nein, eigentlich nicht“, gab ich zu. Meine Lippen zuckten, und ich versuchte dem plötzlichen Drang zu widerstehen, ein Lächeln preiszugeben.
Bella schloss ihre Augen, als ob sie sich über etwas ärgern würde, und bis ihre Zähne zusammen. Ich wartete.
„Was willst du dann, Edward?“, fragte sie immer noch mit geschlossenen Augen.
„Es tut mir Leid. Ich weiß, dass ich mich sehr unhöflich verhalte. Aber es ist besser so, wirklich“, antwortete ich mit meiner vollen Ernsthaftigkeit.
Sie öffnete wieder die Augen und starrte mich an.
„Ich hab nicht die geringste Ahnung, wovon du sprichst“, sagte sie reserviert.
„Es ist besser, wenn wir nicht befreundet sind. Glaub mir“, erklärte ich, ohne dabei die Nebenwirkungen aufzuzählen, die geschehen könnten, wenn sie in meiner Nähe war.
Menschen und Vampire sind zwei verschiedene Dinge, je weiter ich von ihr weg wäre, desto besser wäre es, nicht nur für mich.
Ihre Augen verengten sich, bevor sie mir antwortete.
„Nur blöd, dass dir das nicht früher aufgefallen ist“, zischte sie durch ihre Zähne, „Dann müsstest du jetzt nicht alles so schrecklich bereuen.“
„Bereuen? Was denn bereuen?“, fragte ich irritiert.
„Dass du nicht einfach zugesehen hast, wie der blöde Van mich zermatscht.“
Ich sah Bella ungläubig an und versuchte den Sinn aus ihren Worten zu schöpfen.
Eine Zeitlang war es still, bis ich schließlich verärgert meinen Mund öffnete.
„Du glaubst, ich bereue es, dir das Leben gerettet zu haben?“
„ Ich weiß es“, fauchte sie mich an.
„Gar nichts weißt du“, antwortete ich wütend.
Abrupt drehte sie sich weg, griff nach ihren Büchern, stand auf und ging zur Tür.
Doch sie blieb an der Türschwelle hängen und ließ ihre Bücher fallen.
Sie stand still im Türrahmen und ignorierte ihre Bücher auf dem Boden.
Ich stand sofort auf und sammelte ihre Bücher auf.
Sie seufzte, und wollte sich gerade bücken, um ihre Bücher aufzuheben, als sie bemerkte, dass ich ihr zuvorgekommen war. Ich reichte ihr ihre Bücher und sie nahm sie ab.
„Danke“, sagte sie frostig.
„Keine Ursache“, antwortete ich und sah ihr dabei zu, wie sie Richtung Sporthalle ging.

Der restliche Tag war buchstäblich die Hölle.
Ich wusste, ich hatte wieder einmal einen Fehler begangen und versuchte mir einzureden, dass es nicht meine Schuld war.
Mit großer Erleichterung ging ich am Ende der letzten Stunde zu meinem Volvo, als ich die Gedanken von Eric bemerkte.
Ich sah mich um und sah ihn an Bellas Transporter gelehnt auf sie wartend.
Offenbar hatte er dasselbe vor wie Mike und hoffte, dass sie bald auftauchen würde.
Ich sah, wie Bella auf ihren Transporter zuging und dann vor Eric stehen blieb.
Ich konzentrierte mich völlig auf die beiden und beobachtete sie.
„Hi, Eric“, sagte Bella.
„Hi, Bella“, antwortete er nervös.
„Was gibt’s?“, fragte sie ihn, während sie die Tür aufschloss.
„Äh, ich wollt dich fragen… ob du vielleicht Lust hättest, zum Frühjahrsball zu gehen… mit mir.“
Seine Stimme klang eigenartig heiser.
„Ich dachte, es ist Damenwahl“, meinte Bella entgeistert.
„Ja, stimmt“, gab Eric zu und fühlte sich unwohl in seiner Haut.
Mir tat Eric genauso wenig Leid wie Mike und irgendwie fand ich es amüsant, wie er sich vor ihr zum Affen machte.
Bella setzte ein gequältes Lächeln auf, bevor sie ihm langsam antwortete.
„Danke für deine Einladung, aber ich bin an dem Tag in Seattle.“
„Oh“, sagte er nervös. „Na ja, vielleicht ein andermal.“
„Klar“, erwiderte sie und ihr Gesicht nahm einen komischen Ausdruck an.
Eric ging niedergeschlagen zurück zur Schule und ich versuchte, mir ein Lachen zu verkneifen.
Ich konnte schon von weitem Kandidat Nummer 3 hören, denn Tyler schien genau auf dieselbe Idee gekommen zu sein, wie die beiden anderen.
Ich ging an Bellas Transporter vorbei, die Lippen aufeinander gepresst, und darauf achtend, nach vorne zu schauen.
Ich öffnete die Wagentür meines Volvos, stieg ein, drehte das Zündschloss um und fuhr rückwärts aus der Parklücke.
Ich blieb mit dem Wagen stehen und wartete darauf, dass Tyler, der mit seinem neuen Nissan Sentra direkt hinder Bella war, Bella nun auch fragen würde, ob sie mit ihm zum Ball ging.
Irgendwie interessierte es mich, wie sie nun auf ihr reagierte; schließlich musste sie wohl mit irgendwem zum Ball gehen, vorausgesetzt, dass das mit Seattle eine Ausrede war.
Ich beobachtete die beiden Wagen durch meinen Rückspiegel und warf meinen Geschwistern auch einen Blick zu, die gemächlich von der Caferteria kamen.
Tyler, der offenbar bemerkt hatte, dass der Stau noch eine Weile anhalten würde, stieg aus und ging zu Bellas Transporter.
Ich konnte nicht wirklich verstehen, was sie redeten, doch ich konnte genau Tylers Gedanken lesen und Bellas Mimik verfolgen.
Bella verzog das Gesicht, während Tyler weiter auf sie einredete.
Schließlich gab er es auch auf, und ich konnte deutlich in seinen Gedanken hören, dass er seinen Schlachtplan auf den Jahresabschlussball verlegte.
Ich fing erleichtert an zu lachen, als die anderen den Volvo betraten und mir einen seltsamen Blick zu warfen.
„Geht das schon wieder los“, grummelte Emmett und Alice, die wieder neben mir saß, schien meine Heiterkeit selbst zu erheitern. Sie kicherte.
Als alle saßen, brauste ich aus dem Schulgelände und ignorierte den starren Blick von Rosalie in meinem Nacken.

Innerlich war ich verwirrt über den heutigen Tag und ich wusste, dass ich etwas unternehmen musste.

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast So 04 Mai 2008, 00:59

Kapitel 10. Nächtlicher Besuch

„Irgendetwas stimmt mit dir nicht, Edward... Du bist so… verändert“, redete Esme besorgt auf mich ein, als ob ich an einer geistigen Störung litt.
Sie seufzte, wie sie es bereits zum hundertsten Mal tat und jedes Mal, wenn sie es tat, warfen die anderen ihr bemitleidenswerte Blicke zu.
Ich verdrehte die Augen und öffnete den Mund, um ihr auch bereits zum hundertsten Mal zu erklären, dass es mir gut ging.
„Esme, wirklich, ich bin so wie immer und mir geht es gut“, sagte ich seufzend und erwiderte einen Moment lang Rosalies finsteren Blick mit einem hämischen Lächeln.
Rosalie wusste, dass meine Veränderung sicherlich nichts Gutes heißen würde und vielleicht sogar in den Zusammenhang mit Bella stand; bei einem Punkt gab ich ihr sogar Recht.
„Nein, nein, eben nicht!“
Ich drehte meinen Kopf wieder zu Esme und starrte in ihre unnachgiebige Miene, die sich sofort hilfesuchend zu Jasper umdrehte, der auf dem anderen Ende des Sofas saß und halb gelangweilt in einer Zeitschrift blätterte.
Er hob langsam den Kopf und seufzte.
„Edward ist aufgewühlt, mehr sage ich nicht dazu.“
Sofort begann er auf einmal hochbeschäftigt in der Zeitschrift zu blättern und ich war mir in diesem Moment sicher, dass er auf meiner Seite stand.
Natürlich wollte mir Esme nichts böses, das würde sie auch nie wollen – jedoch konnte ich nicht über Dinge aussagen, aus denen ich selbst nicht schlau wurde und obwohl sie meine ‚Mutter‘ war, brauchte sie noch lange nicht alles zu wissen.
„Ist das eine brüderliche Auflehnung gegen einen Elternteil?“, fragte uns Esme tadelnd und zog ihre Augenbrauen nach oben.
Jasper und ich zuckten synchronisch mit den Schultern und ignorierten ihre Miene.
-…Edward…- , hörte ich eine sanfte Stimme deutlicher als alle anderen in meinen Kopf – es war Alice.
Ich drehte meinen Kopf nicht herum und dennoch wusste ich, dass sie in unserer Nähe stand - aber abseits genug, um nicht sofort die Aufmerksamkeit aller anderen auf sich zu ziehen.
-…Wir sollten reden, bitte…-
Alice hielt ihre Gedanken schleierhaft, in dem sie sich nur auf ihren Appell zu mir konzentrierte – das war genau das, das ich hasste. Ganz egal was sie von mir wollte, sie wollte mit mir unter vier Augen reden.
Aber wenn ich mir selbst ehrlich war, dann wollte ich es eigentlich nicht wirklich wissen, denn im Grunde würde es wieder auf dasselbe hinauslaufen. Das Gesprächsthema, auf das meine ganze Familie empfindlich reagierte und ihnen Unbehagen verursachte.
Ich unterdrückte ein Stöhnen der Frustration und riss mich zusammen, eine gute Entschuldigung zu verkünden.
„Tut mir sehr leid, aber ich werde nun auf mein Zimmer gehen. Ich wünsche euch noch einen schönen Abend“, sagte ich langsam mit einer solchen Autorität in der Stimme, dass es sicherlich niemand wagen würde, mich in meinem Zimmer zu stören.
Ich war jedoch nicht sicher, ob Emmett es nicht spaßeshalber versuchen würde mich zu reizen – für seinen Geschmack hatten wir schon zu lange keinen Kampf gehabt. Da sich Jasper seit Tagen gegen einen Kampf aussprach, da er schlichtweg keine Lust darauf hatte, war Emmett schlecht gelaunt. Und wenn Emmett schlecht gelaunt war, wusste man nie, was als nächstes passieren würde.

Ich schritt auf die Wendeltreppe zu und ging gemächlich nach oben in mein Zimmer.
Alice saß bereits gedankenversunken auf meinem schwarzen Sofa und hatte die Knie an ihren Körper gezogen.
„Edward“, begrüßte sie mich fast tonlos, ohne mich anzusehen.
Ich kam langsam näher und setzte mich neben sie, darauf bedacht, ihren Gedanken zu folgen, die jedoch viel zu schnell für mich waren.
„Weißt du, was ich in den letzten Tagen mache?“, fragte sie leise und starrte die Wand gegenüber an.
Das einzige was Alice konnte war das Vorhersehen – zweifelsohne hatte sie in meine Zukunft gesehen, aber warum schien sie so besorgt zu sein, wenn nun doch wieder alles war wie früher?
Genau genommen war nicht exakt alles wie früher, aber selbst mein seltsames Verhalten durch Bella sollte kein Grund zur Besorgnis sein. Zumindest dachte ich so.
„Nein, du weißt deine Fähigkeit die Gedanken vor mir zu verstecken auch sehr gut zu benutzen“, grummelte ich halb verärgert.
„Ich weiß. Ich dachte, du würdest vielleicht verärgert sein, wenn du erfahren würdest, wen ich beobachte.“
Sie biss sich kurz auf die Lippen.
„Hast du nicht mich beobachtet?“, fragte ich irritiert und wandte mein Gesicht ihr zu.
„Auch“, gab sie zu und ihre Stirn legte sich in Falten.
„Auch?“, fragte ich und zog eine Augenbraue nach oben. „Was soll das heißen?“
„Nun ja…“
Sie legte ihre Füße langsam auf den Boden ab und drehte ihren Kopf kaum merklich zu mir.
„Ich habe nicht nur dich beobachtet, sondern auch eine andere Person. Ich habe niemanden davon erzählt, da ich befürchtete, dass es von Neuem alte Wunden aufreißen würde… Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, deswegen tat ich es.“
Sie legte eine kurze Pause ein und faltete die Hände in ihrem Schoß.
„Ich habe dich und Isabella Swan beobachtet“, sagte sie schließlich und sah mir fest in die Augen.

Wenn ich etwas erwartet hatte, dann war es nicht das gewesen.
Alice Worte trafen mein Inneres, das konnte ich aus einem seltsamen Grund genau fühlen.
Ich fühlte ein wenig Wut für dieses Vergehen, dass sie einfach so Bella in alles gezogen hatte… Und auch ein wenig Besorgnis vor dem was sie gesehen hatte. Doch die Besorgnis galt nicht mir sondern Bella.
War es etwa für die anderen schon zu offensichtlich, dass ich Interesse an ihr hatte?
Entsprach es überhaupt der Wahrheit, dass ich Interesse an ihr besaß?

„Edward“, holte mich Alice aus meinen Gedanken zurück. „Willst du nicht wissen, was ich gesehen habe?“
„Wenn ich ehrlich bin – ja und nein“, antwortete ich ehrlich und starrte die Wand vor mir an.
„Ganz egal wie sich die anderen derzeit Verhalten, ganz egal was geschehen wird – wir werden immer deine Familie sein, das weißt du auch. Die anderen verhalten sich dir seit Tagen ein wenig schroff, aber das tun sie nur aus Besorgnis, vor allem du, der ihre Gedanken lesen kann, solltest das wissen“, fügte sie hinzu und legte eine Hand auf meine Schulter.
„Ich weiß“, murmelte ich tonlos und versuchte den Sinn aus ihren Worten zu erkennen.
„Es ist deine Entscheidung, Edward. Wir können dir dabei nicht helfen. Ich habe alle möglichen Möglichkeiten gesehen und deswegen frage ich dich, unter vier Augen.“
Ich spürte Alice durchdringenden Blick auf mir ruhen und ich drehte meinen Kopf wieder zu ihr.
Ihre Lippen bebten und ich konnte fast ihre Frage alleine von ihren Lippen und ihren Gedankenfetzen entschlüsseln.
„Willst du Bella weiterhin ignorieren? Sei ehrlich.“

Tief in meinem Inneren hatte ich von Anfang an gewusst, dass Alice diese Frage stellen würde.
Ging es nicht seit einer ganzen Weile nur um diese Frage?
‚Wird Edward Bella ignorieren oder nicht?‘
Es ist diese Frage, auf die ich keine Antwort weiß.
Den Grund, den ich für meine seltsamen Gefühle im Inneren suche, fand ich nicht.
Dies war auch der Grund, warum ich Esme keine Antwort geben konnte, da ich es selbst nicht wusste.
Diese Unwissenheit war einfach unerträglich – bedrohlich.
Ich musste ein für alle mal eine Lösung finden, um endgültig diese Farce zu beenden.
Ich hatte es lange genug aufgeschoben und nun schien der Zeitpunkt gekommen zu sein.

„Ich weiß es nicht“, sagte ich zu Alice mit voller Ernsthaftigkeit, „Aber ich werde es herausfinden.“
„Gute Antwort“, sagte Alice und ein Lächeln umspielte ihre Lippen.
Ich stand von meinem Sofa auf und sah Alice einen Moment lang streng an.
„Kein Wort zu den anderen – nicht einmal zu Jasper.“
„Ich werde schweigen wie ein Grab“, schwor Alice leise kichernd.
Ich ging aus meinem Zimmer hinaus und hinunter Richtung Eingang.
Deutlich konnte ich die fragenden Blicke meiner Familie auf mir liegen spüren, als ich nach der Türklinke griff, die mich schließlich nach draußen führen würde.

Ich wusste nicht, was ich sonst tun konnte.
Ich war vielleicht auch ein wenig verzweifelt in meinem Inneren, wenn ich tatsächlich das tat, das ich vorhatte.
Leise und unbemerkt wie ein Raubtier bei Nacht lief ich durch den Wald von Forks, dorthin, wo ich meine Antworten erhalten würde.
Es gab keinen anderen Ausweg. Ich musste mir endlich Klarheit beschaffen.

Nach kurzer Zeit stand ich bereits ein wenig abseits von Forks vor einem kleinen Haus, das sicherlich schon bessere Zeiten gesehen hatte.
Es gab keinen Zweifel daran, dass Bella hier wohnte; ein Streifenwagen und Bellas Transporter standen vor der schmalen Einfahrt und ein leichter Geruch, wie ein Vorgeschmack, von Bellas Blut umspielte das Haus.
Langsam trat ich näher, darauf bedacht, nicht ins Licht der Straßenlampe zu fallen.
Mein Wahnsinn hatte mich am Ende doch so weit getrieben, dass der Verurteilte schließlich vor seinen Richter trat.
Langsam, fast mechanisch ging ich auf die Hauswand zu und sofort kam ich auf die absurde Idee, die Haustür einzubrechen.
Natürlich, es wäre höchst unklug von mir das zu tun. Eigentlich verstieß mein ganzes Handeln in diesem Moment alle Regeln – ich durfte nicht zu viel riskieren.
Über mir, in der ersten und einzigen Etage des kleinen Hauses lag ein Fenster, groß genug, dass ich hindurch schlüpfen könnte.
Es machte auch nicht gerade den stabilsten Eindruck; ich war mir sicher, dass ich das morsche Material leicht beiseite schieben konnte, ohne das Fenster in seine Einzelteile zu zerlegen.
Ich sprang hinauf und setzte mich einen kurzen Moment auf das schmale Fensterbrett.
Es war genauso, wie ich vermutet hatte – das Fenster war alt und ich konnte es leicht öffnen.

Einen kurzen Moment sah ich in das kleine Zimmer hinter dem Fenster und sofort wusste ich, wem dieses Zimmer gehörte.
Lautlos kletterte ich hinein und sah mich genauer um.
Die Wände waren hellblau angestrichen und die Decke hing schräg. Es gab nur wenige Möbel; ein Schreibtisch stand an der Wand, auf dem Schulbücher aufgestapelt waren und auf dem ein alter Computer stand.
Ein alt wirkender Schaukelstuhl stand in der Nähe eines Bettes, auf dem jemand schlief.
Diesen blumigen Duft hätte ich auch in meilenweiter Entfernung zuordnen können.
Langsam und auf lautlose Schritte bedacht ging ich hinüber zu dem Bett, in dem dieser Mensch schlief.
Ich beugte mich herab und sah in das helle, zarte Gesicht von Bella, die ruhig schlief.
Mein Hals begann ein stechendes Signal zu senden, doch ich schraubte das Bedürfnis nach unten – es war zweitrangig.
Unwillkürlich streckte ich eine Hand aus, um ihr Gesicht zu berühren, zog sie jedoch wieder schlagartig zurück, als mir bewusst wurde, was ich tun wollte.
Es war unbeschreiblich welche Welle von Gefühlen plötzlich meinen Körper durchströmten, während ich ihr zartes Gesicht betrachtete.
Ich wich zurück und setzte mich auf den Schaukelstuhl, um Bella weiterhin betrachten zu können, während sie schlief.

Es war seltsam.
Nachdem ich sie bei Nacht gesehen hatte, schien diese Verwirrtheit in mir eher zugenommen zu haben.
Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte.
Mein Verstand schien sich in Luft aufgelöst zu haben – als wäre nichts mehr in mir vorhanden außer dieser Welle von wärmenden Gefühlen.
Irgendetwas in mir war da, dass ich nicht kannte oder schon längst vergessen hatte.
Was sollte ich nun tun?

„Edward“, hörte ich eine leise, sanfte Stimme sagen.
Ich schreckte auf und starrte sofort wieder hellwach auf Bella, da sie die einzige sein konnte, die gesprochen haben könnte.
Sie hatte ihre Augen immer noch geschlossen, anscheinend schlief sie immer noch.
Fassungslos starrte ich sie weiter an, als ob ich es mir nur eingebildet hätte, dass sie meinen Namen genannt hatte.
War es vielleicht Wunschdenken gewesen?
„Edward“, wiederholte sie leise und ihre Lippen bebten leicht bei meinem Namen.
Sie drehte sich um und ein wohlnehmender Seufzer ertönte.

Diese glühende Wärme in mir, die rein gar nichts mit dem verführerischen Geruch ihres Blutes zu tun hatte, durchströmte meinen gesamten Körper und machte mich fast unfähig zu bewegen.
Ich hatte geglaubt, dass das Gefühl, das in mir auf kroch, als ich ihr reines Gesicht betrachtete schon mächtig war, doch dieses Gefühl war viel überwältigender.
Auf einmal schoss es mir in den Sinn, dass ich vielleicht doch nur ein Mensch war – tief in meinem Inneren.
Es kam mir so vor, als ob sich ein Schloss tief in mir alleine für Bella geöffnet hätte.
Alice… War es das gewesen, das sie gesehen hatte?
Wenn es so war, dann stand sie hinter mir.
Sie wollte, dass ich meine eigenen Entscheidungen traf, ganz egal was die anderen danach auch von mir denken würden.
Und sie hatte recht.
Es ging nicht wie ich bisher geglaubt hatte um meine Familie sondern nur um mich selbst.
Bei meinen Gefühlen zu Bella konnte niemand dagegen reden, denn meine Gefühle gehörten nur mir alleine.

Ich stand von dem Schaukelstuhl auf und trat wieder einige Schritte zu Bellas Bett hin, um noch einmal in ihr Gesicht schauen zu können.
Ich hatte die Gefühle zu ihr lange genug verdrängt.
War das, das ich bei Mike, Eric und Tyler gefühlt habe tatsächlich Eifersucht?
Wenn es so war, dann gab es nur eine Antwort und eine Entschuldigung für mein Verhalten.
Es konnte nicht so weitergehen, selbst wenn ich uns beide damit in den Abgrund stürzen würde.
Ich konnte Bella nicht mehr länger ignorieren.

Eines hatte ich zweifelsohne in dieser Nacht erkannt, da war ich mir absolut sicher.
Der Anblick ihres Gesichts, der selbst meine Begierde sie zu beißen verdrängte…
All diese Verwirrung in meinem Inneren, wenn etwas sie betraf…
Dieser Beschützerinstinkt, den ich für sie hegte…
Es gab nur eine Antwort dafür.

Ich liebte sie.

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast So 11 Mai 2008, 23:36

Kapitel 11. Verabredung

Ich kehrte zurück nach Hause mit einem triumphierenden Gefühl in der Magengegend, das man sicherlich auch an meinem Grinsen ablesen konnte.
Vielleicht war das ein Grund, warum sich vorahnend die Gesichter meiner Familie verdunkelten, als ich in unser Wohnzimmer betrat.
Alice zuckte in einer Ecke mit den Schultern und grinste mich genauso an – sie wusste bereits, wie ich mich entschieden hatte. Alle anderen, die immer noch auf brennenden Kohlen saßen und nicht wussten, was ich diese Nacht getrieben hatte, sahen mit fragenden Blicken von einem zum anderen, als erhofften sie sich dadurch Antworten.
Aber ich musste sie enttäuschen. Ich würde mit niemanden reden, bevor ich nicht mit Alice gesprochen hatte.
Wie auf Kommando schoss Alice von der Couch und hinauf Richtung meines Zimmers und ich folgte ihr, bevor irgendjemand auch nur den Mund aufmachen konnte, um mich aufzuhalten.
Ich schloss die Tür, setzte mich auf mein schwarzes Sofa und sah Alice‘ kleinen Freudentanz zu.
„Das macht mich so glücklich, weißt du das?“, sagte sie und sprang weiter auf und ab.
Ich wusste nicht genau, warum sie so glücklich darüber war, dass ich dabei war mich ins Unglück zu stürzen, aber es war mir im diesen Moment schlichtweg egal.
„Schön, dass du darüber so denkst – die anderen sicherlich nicht.“
Sie kicherte und setzte sich immer noch ungebremst neben mich.
„Ja, und?!“ Ihr Grinsen wurde noch breiter. „Das geht die anderen überhaupt nichts an, solange du dich richtig entscheidest… Ah, ich bin wirklich glücklich.“
Ich runzelte die Stirn und warf einen verstohlenen Blick zur Tür. Obwohl ich kein Gedankenfetzen von dem Rest meiner Familie vernahm, konnte ich mir nicht sicher sein, dass niemand vor meiner Tür stand und heimlich lauschte. Dafür war ich einfach zu aufgewühlt; es konnte mir so viel entgehen.
„Niemand lauscht“, sagte Alice schnell, als ob sie auch das Talent des Gedankenlesens beherrschen würde.
Als Antwort zuckte ich nur mit den Schultern.
„Nun sag schon, wie war es?“
-„Durch das Fenster geklettert, Zimmer inspiziert und natürlich Bella stundenlang beim schlafen zugesehen“-, fügte sie hemmungslos in ihren Gedanken hinzu, bevor sie schließlich wieder in schallendes Gelächter ausbrach.
„Du hast es sowieso bereits gesehen, warum soll ich es dir noch einmal erzählen?“
„Weil ich es gerne von dir erfahren möchte.“
„Da gibt es nicht viel zu erzählen“, erwiderte ich und schüttelte leicht den Kopf.
Selbst Alice musste nicht alle Gedankengänge in meinem Kopf erfahren, die ich in dieser Nacht hatte.
„Och, bitte bitte, Edward!“, jammerte sie und fiel mir um den Hals. „Bitte…! Bitte erzähl mir etwas über deinen Besuch! Nur ein Detail, komm schon!“
Ich seufzte. Wenn Alice sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte nichts und niemand sie davon abhalten – Pech für mich.
„Ich liebe sie, Alice, das ist alles. Und ich weiß auch, dass es den anderen überhaupt nicht gefallen wird.“
Vielleicht wäre ein wenig mehr Toleranz angebracht, wenn es um Menschen ging.
„Was wollen die anderen denn machen, Edward? Sie können dir nichts tun und ich bezweifle ernsthaft, dass sie Bella aus dem Weg räumen würden, nur weil du dich in sie verliebt hast. Eigentlich können sie euch gar nichts tun. Das einzige was sie können ist die Sache zu beobachten.“
Vielleicht hatte sie recht, vielleicht auch nicht – ich war mir nicht sicher, ob Rosalie es nicht in Erwägung ziehen würde, Bellas Lebensverhältnis zu beenden.
„Also, du wirst sie nicht länger ignorieren?“, fragte sie noch einmal nach.
„Nein, das kann ich nicht, auch wenn es moralisch nicht richtig ist.“
Sie tätschelte mir die Schulter, bevor sie schließlich aufstand.
„Du machst das schon.“
Die Frage war nur wie. Ich konnte unmöglich zu ihr gehen und sagen: ‚Hallo, tut mir leid, dass ich so gemein zu dir war, aber ich bin ein Vampir und der Geruch deines Blutes macht mich wirklich richtig wuschig, dass ich mich stark zusammenreißen muss, dich nicht zu töten. Nichtsdestotrotz: Willst du nicht einen Abend mit mir verbringen?‘ – das war so ziemlich das Letzte, das ich tun konnte.
Nein, sie durfte niemals erfahren, dass ich ein Vampir war… Es würde uns noch alle in Schwierigkeiten bringen.

Am nächsten Morgen schaffte ich es noch gerade rechtzeitig von der Jagd zu kommen, neue Kleidung anzuziehen und meine bereits ungeduldig wartende Familie in meinem Volvo zur Schule zu fahren.
Bisher ahnte noch niemand - außer Alice – was ich vorhatte, das mich wiederum noch vor einer Moralpredigt bewahrte, die allerdings sicherlich zum Abschluss des Tages folgen würde.
Wenn ich nicht bereits tot gewesen wäre, hätte ich mir Sorgen über mein bevorstehendes Begräbnis machen müssen.
Ich wartete, bis alle anderen ausgestiegen und Richtung Schulgebäude gingen, um dann die Einfahrt auf den Parkplatz zu beobachten.
Es dauerte eine Weile, aber dann fuhr Bella ihren roten Truck in die Parklücke, die am weitesten von mir entfernt lag. Mir kam es sogar so vor, als ob sie es mit Absicht tat.
Dennoch war ich fest davon entschlossen, meinen Schlachtplan fortzusetzen, den ich ausgedacht hatte.
Zuerst würde ich sie nach Seattle einladen, das schien mir am vernünftigsten, da sie dort ohnehin hinwollte.
Ich ging zu ihrem Truck hinüber und beobachtete, wie ihr geradewegs ihr Autoschlüssel aus der Hand rutschte und in einer Pfütze landete.
Aus reinstem Reflex griff ich sofort in die Pfütze und hielt ihr ihren Schlüssel hoch.
„Wie machst du das?“, fragte sie erstaunt.
„Wie mache ich was?“, fragte ich und ließ den Schlüssel in ihre geöffnete Hand fallen.
„Einfach so aus heiterem Himmel auftauchen“, ergänzte sie.
„Bella, was kann ich dafür, dass du ein außergewöhnlich unaufmerksamer Mensch bist?“
Sie sah einen Moment lang hinauf in meinem Gesicht, bevor wieder eine Spur Blut in ihr Gesicht schoss und sie den Blick abwandte.
Es war wirklich unerträglich, wie gut sie heute wieder roch; so gut, dass ich froh war, bereits in der Nacht noch einmal Jagen gegangen zu sein.
„Was sollte der Stau gestern?“, fragte sie vorwurfsvoll, immer noch woanders hinstarrend. „Ich dachte, du wolltest so tun, als würde ich nicht existieren, nicht mich bis aufs Blut zu reizen.“
Ich dachte einen kurzen Moment an die vergeblichen Versuche von Bellas Verehrern.
„Das war nur Tyler zuliebe. Ich musste ihm seine Chance lassen.“ Ich lachte.
Als ob er seine Chance genutzt hätte.
„Du…“ Sie rang nach Worten, doch anscheinend fand sie kein passendes, das ihre aufsteigende Wut beschreiben konnte.
„Außerdem tue ich nicht so, als würdest du nicht existieren“, fuhr ich fort.
„Das heißt, du willst mich tatsächlich bis aufs Blut reizen? Wenn ich schon Tylers Van überlebt hab?“
Das war es also was sie dachte. Vermutlich hatte ich es nicht anders verdient, dass sie tatsächlich dachte, dass ich es bereuen würde, ihr das Leben gerettet zu haben.
Ich hatte sie einfach viel zu lange ignoriert.
„Bella, was du sagst, ist komplett absurd“, antwortete ich mit einem kühlen Unterton in der Stimme.
Meine Bemerkung machte sie anscheinend nur noch wütender, ihre Hände zuckten und dann drehte sie sich um und ging davon.
„Warte“, rief ich, doch sie stampfte einfach weiter durch den Regen.
Ich lief ihr sofort hinterher, bevor sie sich schließlich endgültig aus dem Staub machen konnte.
„Es tut mir Leid, das war nicht nett. Nicht, dass es nicht wahr wäre, aber es war trotzdem nicht nett, es zu sagen.“
„Warum lässt du mich nicht einfach in Frieden?“, giftete sie, doch ich ließ mich nicht mehr aus der Fassung bringen.
„Ich wollte dich etwas fragen, aber du hast mich vom Thema abgebracht“, erklärte ich.
„Sag mal, hast du vielleicht eine gespaltene Persönlichkeit?“, konterte sie sofort.
„Jetzt fängst du schon wieder an.“
„Na schön. Was willst du wissen?“, gab sie schließlich mit einer Spur von Reue zurück, ohne aber ihr Tempo zu drosseln.
Sie hätte genauso gut vor mir wegrennen können – und eigentlich sollte sie es auch, spätestens in diesem Moment.
„Ich hab mich gefragt, ob du nächste Woche Samstag – du weißt schon, am Tag des Frühjahrsballs“, fing ich an, doch Bella blieb abrupt stehen und schnitt mir das Wort ab.
„Soll das vielleicht witzig sein?“
Ein Lächeln umspielte meine Lippen, was sie nur noch wütender machte, als sie in mein Gesicht sah.
Natürlich, sie hatte ernsthaft geglaubt, ich würde sie wie all ihre anderen Verehrer fragen, ob sie mit mir dorthin gehen würde – aber so niveaulos war ich nicht.
„Würdest du mich bitte ausreden lassen?“, bat ich.
Sie schien einen inneren Konflikt zu haben, doch anscheinend wollte sie sich meinen Vorschlag anhören. Sie verschränkte die Arme vor sich und wartete.
„Ich habe mitbekommen, dass du den Tag in Seattle verbringst, und wollte dich fragen, ob du mitfahren willst?“
Damit schien sie nicht gerechnet zu haben.
„Was?“
„Willst du mit nach Seattle fahren?“, drückte ich es ein wenig konkreter aus.
„Mit wem denn?“, fragte sie sichtlich verwirrt.
„Mit mir, wem sonst?“, antwortete ich so langsam und deutlich wie möglich, dass sie endlich den Sinn meiner Worte erschließen konnte.
Warum?“, fragte sie schließlich.
Weil ich dich verdammt nochmal besser kennenlernen will, fügte ich mir in meinen Gedanken hinzu.
„Ich hatte sowieso vor, in den nächsten Wochen nach Seattle zu fahren, und ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob dein Transporter die Strecke schafft.“
„Mein Transporter läuft prima, danke der Nachfrage.“
Offenbar war sie wieder beleidigt, denn sie lief wieder von mir weg.
„Aber schafft er die Strecke auch mit einer Tankfüllung?“, hakte ich weiter und hielt mühelos mit ihrem Schritt mit.
„Ich weiß nicht, was dich das angeht“, antwortete sie schnippisch.
„Die Verschwendung begrenzter Ressourcen geht jeden etwas an.“
„Ganz ehrlich, Edward, ich kapier’s nicht. Ich dachte, du willst nicht mit mir befreundet sein.“
„Ich habe gesagt, es wäre besser, wenn wir nicht befreundet wären, nicht, dass ich es nicht will.“
Oder viel eher, dass ich sogar mehr von ihr will, als nur Freundschaft.
„Ach so, vielen Dank – gut, dass wir das geklärt haben“, motzte sie weiter und lief weiter auf die Cafeteria zu.
„Es wäre…besonnener von dir, nicht mit mir befreundet zu sein“, erklärte ich. „Aber ich bin es leid, mich von dir fern zu halten, Bella.“
Ich musste an die Nacht zuvor denken, wie sie meinen Namen genannt hatte und eine heiße Welle überkam mich wieder. Ihr schien etwas ähnliches zu widerfahren, doch wenn ich nichts unternahm, würde sie mir schließlich einen Korb geben und darauf konnte ich verzichten.
„Fährst du mit mir nach Seattle?“, fragte ich wieder mit der angenehmsten Stimme, die ich parat hatte.
Sie nickte nur leicht und ich lächelte einen kurzen Moment. Das hieß dann ja wohl Ja.
„Du solltest dich wirklich von mir fern halten“, warnte ich. „Wir sehen uns in Bio.“
Dann drehte ich mich um und ging wieder zurück in die andere Richtung, zu meinem Kurs.

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast Mo 12 Mai 2008, 20:44

Kapitel 12. Gut und Böse

Der Vormittag war die reinste Qual.
Und das lag nicht an dem Unterricht – sondern an meiner seelischen Stabilität, wenn ich es überhaupt als ‚seelisch‘ bezeichnen konnte.
Ich hörte dem Unterricht nur mit einem Ohr zu und wenn man mir eine Frage stellte, vermutlich nur um mich aus meinem Grübeln zu werfen, dann durchsuchte ich schnell die Gedanken des Lehrers und meiner Mitschüler. Vermutlich war es einfach nur zu offensichtlich wie ich langsam in meine Gedankenwelt abdriftete.
Ich konnte mich einfach nicht innerlich beruhigen.
Was würde meine Familie nur dazu sagen, wenn sie wüssten, was ich getan hatte!
Alice wusste es vermutlich schon – aber die anderen?
Würden sie es respektieren, mich verachten? Ich tendierte zu Letzteres.
Aber ich hatte keine Wahl mehr.
Das einzige, das ich noch tun konnte war abzuwarten und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Ich hatte diese Sache hier begonnen; nun musste ich sie auch zu Ende bringen, egal welche Folgen das für mich oder sogar für Bella haben würden.

Als der Vormittag endlich überstanden war, machte ich mich auf den Weg zur Cafeteria.
Ich fürchtete mich ein wenig vor den Reaktionen der anderen, aber mein Entschluss stand fest.
Mitten auf dem Weg kam mir Mr Banner entgegen, der einen zufriedenen Eindruck machte. Ich brauchte nicht einmal genau hinzuhören um zu bemerken, was der Grund dafür war.
Er hielt sich offenbar derzeit für ein hochreifes Genie – und das auch nur, weil ihm die ‚exzellente‘ Idee gekommen war, in Bio die Blutgruppen zu ermitteln. Damit sank meine Laune auf einen Schlag beträchtlich. Den Drang nach Blut konnte ich unterdrücken, aber wenn alle Menschen in dem Raum sich in den Finger stechen würden, damit sie ihr Blut untersuchen konnten… Nein, am besten sollte ich gar nicht darüber nachdenken. Vermutlich würde ich durchdrehen und dann würde ein Massaker stattfinden…
Die Tatsache, dass ich nicht in die Biostunde konnte hieß, dass ich genauso wenig mit Bella sprechen konnte. Ein Umstand, den ich zutiefst bedauerte.
Vielleicht wurde ich tatsächlich wahnsinnig, immerhin begab ich mich freiwillig in die Hölle – wer würde das jemals freiwillig tun?

Alice war die erste, die ich von meiner Familie in der Cafeteria sah.
„Und?“, zwinkerte sie mir unauffällig zu. „Wie war es?“
Es war nur zu deutlich, worauf sie anspielte.
„Ich bin mit ihr verabredet“, erklärte ich sachlich, doch ich wusste, dass sich in meiner Stimme ein Hauch von Triumph verbarg.
„Gute Junge“, kicherte Alice, während sie den anderen zu winkte, die zu uns herüber geschlurft kamen.
„Na, Edward, was gibt es neues bei dir?“, fragte Emmett mit einem breiten Grinsen und stellte sich hinter uns in die Schlange zur Essensausgabe.
„Sieht so aus, als müsste ich Bio schwänzen“, sagte ich und zuckte mit den Schultern.
„Irgendetwas mit Blut?“, wollte Jasper wissen und Alice warf ihm sofort einen scharfen Blick zu.
„Ja.“
Ich wollte das Thema so schnell wie möglich abhaken, bevor wir noch sicherheitshalber Jasper in Ketten legen mussten.
Nachdem ich meine ‚Portion Attrappe‘ erhalten hatte, wartete ich noch darauf, dass die anderen ebenfalls ihre Portion bekommen hatten.
„Ich werde heute an einem anderen Tisch ‚essen‘“, sagte ich hastig, bevor ich es mir anders überlegte.
Alle außer Alice sahen mich überrascht an.
„Nerven wir dich etwa?“, wollte Emmett gespielt empört wissen, doch ich schüttelte kaum merklich den Kopf.
Sofort verfinsterte sich Rosalies Miene, die den richtigen Gedanken gefasst hatte.
-„Er will mit ihr essen, statt mit uns.“-

Ich setzte mich an einen leeren Tisch, weit weg von den anderen und betrachtete den Eingang zur Cafeteria. Eine kurze Zeit lang spürte ich die Blicke meiner Familie auf mir ruhen und lauschte ihren aufgewühlten Gedanken, bevor ich schließlich Bella und Jessica die Cafeteria betreten sah.
Beide stellten sich in die Schlange zur Essensausgabe und ich musterte Bella mit der größten Aufmerksamkeit. Irgendetwas schien sie ziemlich enttäuscht zu haben, das sah man ihr an, doch ich konnte nicht sagen, was es war.
Mein Starren war offensichtlich ziemlich auffällig, Jessica bemerkte verwundert meinen Blick in kürzester Zeit.
-„Warum sieht Edward Bella schon wieder so komisch an?“-, fragte sie sich selbst, bevor sie an Bella das Wort richtete.
Sofort schoss ihr Kopf in meine Richtung hoch und ich hob grinsend die Hand und winkte sie zu mir.
Die Ungläubigkeit stand nicht nur auf Bellas Gesicht geschrieben, sondern auch auf Jessicas.
Trotzallem kam Bella zu mir hinüber und blieb unsicher vor meinem Tisch stehen.
„Hast du Lust, mir Gesellschaft zu leisten?“, fragte ich lächelnd.
Sie befolgte meinen Aufruf und setzte sich mir gegenüber hin – doch ihr Blick blieb misstrauisch.
Von der kurzen Distanz konnte ich wieder ihren verführerischen Duft riechen…
Ich sah sie weiter an und wartete, dass sich ihr Misstrauen gelegt hatte.
„Das ist – ich weiß nicht – ich bin überrascht“, sagte sie schließlich.
„Na ja“, antwortete ich und überlegte im Stillen, ob ich tatsächlich das richtige tat. „Ich habe mir gedacht, wenn ich schon in die Hölle komme, dann wenigstens nicht ohne guten Grund.“
Die Sekunden verstrichen, bevor Bella wieder den Mund aufmachte.
„Ich habe keine Ahnung, was du damit meinst.“
„Ich weiß.“ Und das war gut so.
-„Was will nur Cullen von Bella?“- , hörte ich Mikes eifersüchtige Gedanken und lächelte in mich hinein.
Er war nicht der einzige, der solche Gedanken pflegte und das erheiterte mich.
Vielleicht sollten sie besser gut zusehen, damit sie sahen, wie man mit einem Mädchen redete – nicht das ich viel Erfahrung darin hätte, aber dafür hatten genug andere diese Erfahrungen in ihren Gedanken und Erinnerungen.
„Ich glaube, deine Freunde sind sauer, dass ich dich entführt habe“, sagte ich schmunzelnd.
„Sie werden’s überleben“, gab Bella knapp zurück.
„Was, wenn ich dich nicht mehr zurückbringe?“
Es war eine Frage, die ich genauso gut mir selbst stellen konnte.
Die ‚was-wäre-wenn‘-Fragen waren meist schmerzlicher als die Realität.
Sie schluckte.
„Du siehst besorgt aus“, sagte ich lachend.
„Besorgt nun nicht gerade“, sagte sie schnell. „Eher überrascht…“
„Ich sagte doch – ich bin es leid, mich von dir fern zu halten. Also habe ich es aufgegeben.“
„Aufgegeben?“, wiederholte sie verwirrt.
„Ja – aufgegeben, gut zu sein. Ab jetzt mache ich nur noch, was ich will, und lass den Dingen ihren Lauf.“
Selbst wenn das hieße, dass ich uns beide in die Hölle stürzen würde.
„Ich kann dir schon wieder nicht folgen.“
Ich lächelte – das meiste was ich sagte musste für sie tatsächlich ein reinster Wirrwarr sein.
„Ich verrate immer zu viel, wenn ich mit dir rede – das ist schon mal ein Problem.“
„Mach dir keine Sorgen, ich verstehe nicht das Geringste.“
„Das hoffe ich.“
„Also noch mal, so, dass auch ich es kapiere – sind wir nun Freunde oder nicht?“, fragte sie.
Ich sah sie skeptisch an.
„Freunde“, murmelte ich.
Meinte sie es wahrhaftig ernst? Wollte sie mich tatsächlich als ‚Freund‘ haben?
Würde sie mich auch noch akzeptieren, wenn sie wüsste, was ich war?
„Oder nicht“, fragte sie, um aus mir eine Antwort zu bekommen.
„Na ja, ich würde sagen, wir können es probieren, Aber ich sag dir gleich – ich bin kein guter Freund für dich.“
Ich lächelte sie an.
„Das sagst du ständig“, warf sie vorwurfsvoll ein.
„Genau – weil du mir nicht zuhörst. Ich warte immer noch darauf, dass du mir endlich glaubst. Wenn du klug bist, gehst du mir aus den Weg.“
Auch wenn ich diesen Umstand sehr bedauern würde – ich würde sie auf jeden Fall nicht zwingen, bei mir zu bleiben, ganz egal was ich wollte.
„Damit hätten wir dann auch die Frage meiner Intelligenz geklärt“, sagte Bella und kniff die Augen zusammen.
„Das heißt also, falls ich… nicht klug bin, können wir versuchen, Freunde zu sein?“, fasste sie zusammen.
„So ungefähr.“
Sie wich meinem Blick aus und heftete ihn auf die Limoflasche vor ihr.
„Was denkst du gerade?“, fragte ich.
Sie hob wieder ihren Kopf und sah mir in die Augen.
„Ich versuche herauszufinden, wer du wirklich bist.“
Das hatte ich bereits vermutetet – ich war viel zu unvorsichtig mit ihr.
„Und – warst du schon erfolgreich?“, fragte ich verbissen.
„Nicht sehr“, gab sie zu.
„Aber du hast so deine Theorien?“, fragte ich interessiert und lachte.
Das Blut schoss in ihr Gesicht und eine starke Welle ihres Geruchs blies mir entgegen.
„Du willst es mir nicht sagen?“, fragte ich und legte meinen Kopf schief, lächelnd, doch darauf bedacht, nicht zu sehr an ihr Blut zu denken.
Sie schüttelte kaum merklich den Kopf.
„Zu peinlich.“
„Das ist wirklich frustrierend, ehrlich“, beklagte ich mich und sah sie vorwurfsvoll an.
„Ach was“, widersprach sie hastig und kniff ihre Augen zusammen. „Was soll daran frustrierend sein – nur weil sich jemand weigert, dir zu verraten, was er denkt, obwohl er selbst die ganze Zeit kryptische Andeutungen macht, die offensichtlich zu nichts anderem da sind, als dich die ganze Nacht vom Schlafen abzuhalten, weil du nicht daraus schlau wirst? Ehrlich, was soll daran frustrierend sein?“
Ich verzog das Gesicht und mir wurde erst jetzt bewusst, dass sie noch nicht fertig war.
„Oder“, fuhr sie fort, „sagen wir mal, jemand macht ständig die eigenartigsten Sachen, rettet dir zum Beispiel an einem Tag unter unmöglichsten Umständen das Leben und behandelt dich am nächsten Tag wie eine Aussätzige, ohne irgendeine Erklärung abzugeben, obwohl er es versprochen hat – das ist auch nicht frustrierend.“

Ihre Moralpredigt hatte gesessen – auch wenn es nicht meine Absicht war, sie jemals zu verärgern.
„Kann es sein, dass du ganz schön sauer bist?“
„Ich hab was gegen Doppelmoral.“
Wir starrten uns eine Zeitlang an, bis ich den Tumult hinter Bella bemerkte.
Einige Meter weiter platzte Mike fast aus Eifersucht und war kurz davor, hierher zu marschieren und mich zur Rede zu stellen.
Ich kicherte.
„Was?“, fragte Bella verwirrt.
„Dein Freund denkt scheinbar, ich bin nicht nett zu dir, und jetzt überlegt er sich geradem ob er rüberkommen und unsere Auseinandersetzung beenden soll.“
„Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst“, antworte sie frostig. „Aber ich bin mir sicher, dass es nicht stimmt.“
„Es stimmt, verlass dich darauf. Ich habe dir doch gesagt, dass die meisten Leute leicht zu durchschauen sind.“
„Außer mir natürlich“, sagte sie mir Ironie in der Stimme.
„Genau, außer dir.“ Ich sah sie fragend an. „Ich frage mich, woran das liegt.“
Ich musterte ihre Augen wieder, um ein Zeichen ihrer Gedanken zu erhaschen, doch wie immer sah ich in eine tiefe Leere. Sofort wandte sie ihren Blick ab und machte sich daran, den Verschluss er Limonade aufzudrehen und einen Schluck zu trinken.
„Hast du keinen Hunger?“, fragte ich verwundert.
„Nein“, antworte sie sofort. „Und du?“
„Ich? Nein, ich habe keinen Hunger.“ Ich lachte in mich hinein.
Sie wusste nicht, in welchen Schwierigkeiten sie stecken würde, falls ich tatsächlich hungrig wäre.
„Kannst du mir einen Gefallen tun?“, fragte sie zögernd.
„Das kommt ganz darauf an“, sagte ich misstrauisch.
„Ich dachte nur… vielleicht könntest du mich beim nächsten Mal vorher warnen, wenn du beschließt, mich zu meiner eigenen Sicherheit zu ignorieren? Dann kann ich mich darauf einstellen.“ Sie sprach, ohne den Blick von der Flasche abzuwenden.
„Das kann ich wohl kaum abschlagen.“
Ich verkniff mir ein lachen, als sie verwirrt zu mir aufsah.
„Danke“, brachte sie hervor.
„Krieg ich im Gegenzug eine Antwort?“
„Eine.“
„Eine deiner Theorien?“, fragte ich verschwörerisch.
„Nicht das“, wich sie verlegen aus.
„Du hast mir eine Antwort versprochen, von Einschränkungen war keine Rede“, erinnerte ich sie.
„Und du hast selber Versprechen gebrochen“, sagte sie nun wieder angesäuert, aber ich überging ihre Anspielung.
„Nur eine Theorie – ich lache auch nicht“, versicherte ich ihr.
„Klar lachst du“, sagte sie ernst.
Das hasste ich daran, ihre Gedanken nicht zu kennen. Man wusste nie, wenn man etwas Falsches tat oder ob sie sogar auf der richtigen Spur war, meine Identität aufzudecken.
Ich sah sie verführerisch an – normalerweise klappte dies immer.
„Bitte“, flüsterte ich mit der verführerischsten Stimme, die ich aufbrachte und lehnte mich ein Stück zu ihr herüber.
Sie blinzelte und ich witterte einen leichten Sieg.
„Äh, was?“, fragte sie benommen – offenbar waren ihre Gedanken abgeschweift.
„Verrätst du mir bitte eine kleine Theorie?“
„Äh, also, hat dich vielleicht eine radioaktive Spinne gebissen?“, plapperte sie drauf los.
„Das ist nicht gerade originell“, spottete ich amüsiert.
Einen Vampir mit ‚Spider Man‘ zu vergleichen war dennoch eine recht erheiternde Angelegenheit.
„Tut mir Leid, mehr fällt mir nicht ein“, sagte sie beleidigt.
„Das war noch nicht einmal nah dran“, zog ich sie weiter auf.
„Keine Spinnen?“
„Keine Spinnen.“
„Und keine Radioaktivität?“
„Nein.“
„Mist“, seufzte sie.
„Kryptonit macht mir auch nichts aus“, sagte ich schmunzelnd.
„Du wolltest nicht lachen“, erinnerte sie mich.
Ich versuchte mein Lachen herunterzuschlucken.
„Irgendwann krieg ich es raus“, warnte sie mich.
„Ich wünsche, du würdest es nicht probieren.“ Ich wusste, dass meine Stimme ein wenig niedergeschlagen klang.
„Weil…?“, hakte Bella nach.
„Was, wenn ich kein Superheld bin? Was, wenn ich der Böse bin?“
Ich setzte wieder ein Lächeln als Maske auf, doch meine Gedanken huschten genau zu der Frage.
Wer konnte uns Vampire schon sortieren – wir waren alle dasselbe: Monster.
„Oh, verstehe“, murmelte sie leise.
„Ach, ja?“, fragte ich und meine Miene verfinsterte sich.
„Du bist gefährlich?“, fasste sie schließlich korrekt zusammen und ich hörte, wie ihr Puls enorm schneller wurde.
„Aber nicht böse“, flüsterte sie schließlich und schüttelte den Kopf, als ob sie die Tatsachen abschütteln wollte. „Nein, ich glaube nicht, dass du böse bist.“
„Du irrst dich“, antwortete ich mutlos.
Ich nahm die Verschlusskappe von Bellas Limo und ließ sie zwischen meinen Fingern kreiseln, um mich abzulenken.
Gut oder Böse – damals hatte ich geglaubt, ich würde zu den Guten gehören; doch letzten Endes war ich nicht mehr als ein gefühlskalter Mörder.
Bella sprang auf einmal auf und warf mich aus meinen Gedanken.
„Wir kommen zu spät“, sagte sie hastig und erinnerte mich daran, dass nun bald die Biostunde anfing.
Einen kurzen Moment huschte meine Gedanken zu Mr Banners Stundenidee.
„Ich gehe heute nicht zu Bio“, erklärte ich.
„Warum nicht?“, wollte Bella wissen und ich war mir fast sicher, dass eine Spur von Enttäuschung in ihrer Stimme mitschwang.
„Es ist gut für die Gesundheit, gelegentlich zu schwänzen.“
Ich lächelte und betrachtete ihr besorgtes Gesicht.
„Ich gehe jedenfalls hin.“
„Dann bis später.“
Sie zögerte einen Moment, doch als es klingelte lief sie hastig zur Tür.

Ich stand von meinem Tisch auf und Rosalie stellte sich mit wutverzerrtem Gesicht neben mich.
„Sag mir, dass das nicht dein ernst ist, Edward!“ Ein leises Fauchen entwich ihren Lippen.
Ich zuckte unbeteiligt mit den Schultern und ging Richtung Ausgang.
„Edward!“, rief sie mir hinterher, immer noch wütend. „Du weißt, dass das falsch ist! Sei nicht dumm! Du bringst uns noch alle in Schwierigkeiten!“
„Du kommst zu spät zum Unterricht“, erinnerte ich sie und trat nach draußen.
Im Hintergrund hörte ich noch ihre hasserfüllten Gedanken aber ich verdrängte sie aus meinem Kopf.

Sie hatte keine Ahnung – genau wie all die anderen.

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast So 25 Mai 2008, 18:23

Kapitel 13. Der Geruch von Blut

Ich drehte die Musikanlage meines Volvos auf und legte eine Debussy CD ein.
Die sanfte Musik würde mir sicherlich helfen, meine Gedanken noch einmal neu zu sortieren.
Ich lehnte mich gegen meinen Fahrersitz und betrachtete die Autodecke.
Alice hatte absolut recht – ich durfte mich nicht darum kümmern, was die anderen sagten, ansonsten würde ich nur von meinem Weg abkommen. Aber was brachte es mir, wenn meine Familienmitglieder mich verachteten?
Es war wirklich ein Teufelskreis.
Vielleicht war nun auch der Zeitpunkt gekommen, da ich mit Carlisle reden musste. Er würde mich verstehen, daran bestand gar kein Zweifel.
Was für einen Rat würde er mir jedoch geben?
Meine Lage war aussichtslos.
Egal welchen Weg ich gehen und welches Mittel ich benutzen würde, es würde immer auf ein gewisses Maß vom Abstoß bei den anderen auftreten.
Aber war meine Lage wirklich so unnatürlich?
Monster liebt Mensch. Gab es nicht schon genug Geschichten diesbezüglich?
Was war mit Carlisle und Esme gewesen? Oder mit Rosalie und Emmett? Hatte sie nicht schon ein zartes Band verbunden, als einer der beiden noch ein Mensch gewesen war?
Meine Situation war zwar vollkommen anders, da Bella die Wahl zwischen einem normalen Leben oder einem Leben voller Qual hatte, aber dennoch…
Seufzend überlegte ich, eine neue CD einzulegen – ich musste mir irgendwie meinen Kopf zu dröhnen und Debussy war dafür nicht das Richtige. Schließlich ließ ich es doch sein.
Ich spürte ein Maß des Bedauerns, dass ich mir nicht wie normale Menschen meine Ohren ruinieren konnte, um mich etwas zu betäuben. Es war jedoch auch gut möglich, dass ich einfach diese Qual liebte.

Ich verbrachte noch einige Zeit in meinem Volvo, bis ich schließlich ganz leicht einen Blutgeruch vernehmen konnte. Vermutlich stachen sich gerade alle in Bio in die Finger. Ich schüttelte leicht den Kopf.
Dass Menschen so etwas freiwillig taten…
-„Oh Gott, was mach ich nur!“-, hörte ich auf einmal die Gedanken von Mike in meinen Kopf schießen.
In höchster Alarmbereitschaft war ich sofort aus meinem Volvo ausgestiegen und spähte Richtung Cafeteria.
Mike zerrte etwas ziemlich lebloswirkendes um die Ecke – Bella.
Er legte sie vorsichtig auf dem Boden ab und war sichtlich nervös.
Was hatte er ihr nur getan? Wenn er ihr auch nur ein Haar gekrümmt hatte, dann könnte er schon einmal sein Testament schreiben.
„Bella?“, rief ich hinüber und beeilte mich, in einem normalen menschlichen Tempo herüber zu rennen.
„Was ist passiert – ist sie verletzt?“, fragte ich besorgt und betrachtete Bella zu meinen Füßen. Glücklicherweise atmete sie noch, wenn auch flach, doch ihr Gesicht hatte ein ungesundes grün.
„Ich glaube, sie ist einfach zusammengeklappt. Ich weiß auch nicht, was passiert ist, sie hatte sich nicht mal in den Finger gestochen“, antworte Mike und sah nervös zu ihr hinunter.
Ich roch den zarten Geruch von Blut an Mikes Finger. Offenbar hatte er sich in den Finger gestochen und Bella war aufgrund dessen umgekippt.
Ich seufzte erleichtert.
„Bella. Hörst du mich?“
„Nein“, stöhnte sie leise. „Geh weg.“
Ich lachte leise – das klang doch sehr nach der alten Bella.
„Ich war gerade dabei, sie zur Schwester zu bringen“, erklärte Mike. „Aber dann konnte sie nicht mehr weiterlaufen“, erklärte Mike.
„Ich bringe sie hin“, sagte ich überzeugt und ich unterdrückte ein Lachen. „Du kannst wieder zurückgehen.“
Mike sah mich einen Moment lang verdutzt und dann verärgert an.
„Nein“, protestierte er. „Ich soll das machen.“
Ich ignorierte ihn und hob Bella auf meine Arme. Behutsam hielt sich Abstand zu meinem Körper, damit sie nicht fror.
Bella sträubte sich und ihr Gesicht wurde um einiges blasser.
„Lass mich runter!“, bat sie, aber ich ging nicht darauf ein und lief einfach weiter Richtung Sekretariat.
„Hey!“, rief Mike, doch ich ließ ihn einfach stehen. Er würde seine Niederlage gegen mich schon noch verkraften.
-„Dieser verdammte Cullen!“-, fluchte er in seinen Gedanken.
Wie recht er mit dieser Aussage hatte, musste er ja nicht wissen.
„Du siehst furchtbar aus“, sagte ich grinsend zu Bella und betrachtete ihr immer noch bleiches Gesicht.
„Lass mich runter“, jammerte sie weiter.
„Du fällst also in Ohnmacht, wenn du Blut siehst?“, fragte ich beiläufig und ich musste mich anstrengen, nicht aufzulachen.
Sie antwortete nicht, stattdessen schloss sie ihre Augen und presste ihre Lippen zusammen. Entweder die Frage war ihr zu peinlich, oder ihr war immer noch schlecht.

Ich trat mit Bella auf meinen Armen ins Sekretariat ein.
Ms Cope wandte sich sofort in unsere Richtung.
„Ach herrje“, stieß sie hervor und öffnete die Tür zum Krankenzimmer.
Sanft legte ich Bella auf der Krankenliege ab und lehnte mich dann gegen die Wand am anderen Ende des schmalen Raumes.
Die Krankenschwester betrachtete mich eine Zeitlang verwundert.
„Ihr ist nur ein bisschen schwarz vor Augen geworden“, beruhigte ich sie und fügte hinzu: „Sie ermitteln Blutgruppen in Bio.“
„Einen gibt es jedes Mal“, pflichtete sie mir bei.
Ich unterdrückte ein Lachen.
Es war wirklich seltsam, dass Menschen so anfällig auf Blut reagierten.
„Du Ärmste, bleib einfach eine Weile liegen; es wird gleich besser werden“, sagte die Krankenschwester zu Bella.
„Ich weiß“, seufzte sie.
„Passiert das öfters?“, hakte die Krankenschwester besorgt nach.
„Manchmal“, gab Bella zu.
Ich hüstelte.
„Du kannst wieder zum Unterricht gehen“, sagte die Krankenschwester verärgert zu mir, als ob ich ein kleiner Störenfried sei.
„Ich soll bei ihr bleiben.“
Sie schürzte misstrauisch ihre Lippen, hakte jedoch nicht weiter nach und wandte sich stattdessen wieder zu Bella.
„Ich gehe etwas Eis für die Stirn holen, Kindchen“, sagte sie und eilte aus dem Raum.
„Du hattest Recht“, stöhnte Bella und schloss erschöpft die Augen.
„Normalerweise schon – aber womit speziell?“, fragte ich sie.
„Schwänzen ist tatsächlich gut für die Gesundheit.
Einige Sekunden verstrichen.
„Einen Moment hatte ich wirklich Angst“, gestand ich. „Ich dachte, Newton zerrt seine Leiche in den Wald, um sie zu vergraben.“
„Haha“, gab Bella ironisch zurück.
„Ehrlich – ich hab schon Leichen gesehen, die eine gesündere Gesichtsfarbe hatten als du.“ Mich selbst zum Beispiel, dachte ich in Gedanken. „Ich dachte schon, ich müsste deine Ermordung rächen.“
„Armer Mike. Er ist bestimmt sauer“, antworte Bella, aber es klang nicht wirklich reumütig.
„Er verabscheut mich zutiefst“, sagte ich fröhlich. Mit mir hatte Mike eben ernsthafte Konkurrenz.
„Das weißt du doch gar nicht“, widersprach sie.
„Ich habe sein Gesicht gesehen – das war eindeutig.“
„Wie hast du mich überhaupt gesehen? Ich dachte, du schwänzt?“ Das klang vorwurfsvoll.
Ich zuckte mit den Schultern.
„Ich saß im Auto und hab Musik gehört.“
Sie sah mich einen Moment lang verwirrt an.
Im nächsten Moment ging die Tür wieder auf und die Krankenschwester kam mit einer kalten Kompresse in der Hand herein.
„So, meine Liebe.“ Sie kam hinüber zu Bella und legte die Kompresse auf ihre Stirn. „Du siehst schon besser aus.“
„Ich glaub, mir geht’s wieder gut“, antwortete Bella und setzte sich auf.
Die Krankenschwester war von Bellas Meinung nicht sonderlich begeistert und hätte sie am liebsten ans Bett geschnallt.
Ms Cope kam nun auch wieder herein.
„Da kommt noch einer“, sagte sie.
Bella nutzte die Gelegenheit und sprang vom Bett auf und reichte der Krankenschwester die Kompresse.
„Hier, ich brauche sie nicht mehr.“
Mike kam in den schmalen Raum mit Lee Stephens, der ebenfalls am Biounterricht teilnahm.
Ich drückte mich an die Wand, damit ich den beiden Platz machen konnte und roch sofort das Blut.
„O nein“, murmelte ich und warf einen besorgten Blick auf Bella. „Geh raus, Bella.“
Sie sah mich verwirrt an.
„Vertrau mir – los“, ordnete ich an und tatsächlich stürzte sie aus dem Zimmer.
Ich folgte ihr verblüfft.
„Du hast tatsächlich auf mich gehört.“
„Ich hab das Blut gerochen“, antworte sie mit gerümpfter Nase.
„Menschen können kein Blut riechen“, widersprach ich sofort und hätte am liebsten für meine Worte meinen Kopf gegen die Wand gedonnert.
Bella schien diese Antwort nicht seltsam zu erscheinen.
„Ich schon – das ist es ja gerade, was ich nicht vertrage. Es riecht nach rostigem Metall… und Salz.“
Ich betrachtete sie einen Moment lang verwirrt.
„Was ist denn?“
„Nichts.“ Ich wandte mich sofort wieder von ihr ab.
Mike kam wieder aus dem Krankenzimmer und funkelte mich bösartig an.
-„Warte es nur ab, Cullen! Das wirst du noch büßen!“- Seine Gedanken sprühten Gift.
Dann wandte er sich wieder von mir ab und sah Bella besorgt an.
„Du siehst besser aus“, sagte er anklagend.
„Solange du deine Hand nicht aus der Tasche nimmst“, ermahnte sie ihn.
„Es blutet gar nicht mehr“, brummelte er. „Kommst du wieder zurück?“
„Soll das ein Witz sein? Da kann ich auch gleich hier bleiben.“
„Ja, wahrscheinlich“, antwortete Mike niedergeschlagen. „Also, wie sieht’s aus bei dir dieses Wochenende – kommst du mit? Zum Strand?“
Mike warf mir einige Male wütende Blicke zu und seine Gedanken erheiterten mich.
-„Was machst du, wenn ich als erster ein Date mit ihr bekommen würde, Cullen?“-
„Na klar, hab ich doch gesagt“, stimmte Bella zu.
„Wir treffen uns um zehn am Laden meines Vaters.“
Sein Blick wanderte noch einmal zu mir und ich fragte mich, ob er ernsthaft glaubte, dass es mich kümmern würde. Seine Gedanken bestätigten dies jedoch.
„Ich werde da sein“, versprach Bella.
„Dann bis gleich, bei Sport“, sagte er und ging unsicher zur Tür.
„Bis gleich.“
Mike ging mit hängenden Schultern nach draußen. Er hatte sie eingestanden, dass er diese Runde verloren hatte.
„Sport“, stöhnte Bella auf einmal. Sie konnte Sport wohl nicht sonderlich leiden.
„Ich kann das für dich regeln“, erwiderte ich. Ich kam nah zu ihr heran. „Setz dich dorthin und sei blass“, flüsterte ich ihr ins Ohr.
Sie tat wie geheißen und ich wandte mich abrupt ab, damit ich ihren exquisiten Duft wieder aus meiner Nase bekam.
„Ms Cope?“, fragte ich leise und natürlich drehte sich die Rothaarige sofort zu mir um - natürlich.
„Ja?“, fragte sie ein wenig ungläubig.
„Bella hat in der nächsten Stunde Sport, aber ich glaube nicht, dass es ihr schon wieder so gut geht. Ich denke, es ist das Beste, wenn ich sie nach Hause bringe. Meinen Sie, es wäre möglich, sie vom Unterricht zu entschuldigen?“, fragte ich in meiner angenehmsten Stimme.
Ms Cope schluckte einen Moment.
-„Reiß dich zusammen, er könnte dein Sohn sein…“-
„Brauchst du auch eine Entschuldigung, Edward?“, fragte sie schließlich.
„Nicht nötig, meine nächste Stunde ist bei Mrs Goff, sie hat bestimmt nichts dagegen.“ Zumindest, wenn ich sie in der nächsten Stunde umgarnen würde.
„Okay, ich erledige das. Und du, Bella, erholst dich, ja?“, rief sie ihr zu.
Bella nickte als Antwort schwach.
„Kannst du laufen oder soll ich dich wieder tragen?“, fragte ich Bella sarkastisch.
„Ich schaff das schon.“
Sie ging zu Tür und trat hinaus.
Es regnete ganz leicht, aber sie schien sich darüber zu freuen.
„Danke“, sagte sie, als wir gemeinsam aus der Tür traten.
„Gern geschehen.“
„Kommst du auch mit? Am Samstag, meine ich?“, fragte sie ein wenig hoffnungsvoll.
Ich war ein wenig verwundert, aber starrte immer noch in die Ferne.
„Wo genau fahrt ihr eigentlich hin?“
„Rüber nach La Push, an den Strand.“
Meine Augen verengten sich. Es war mir nicht erlaubt, La Push zu betreten, also war es unmöglich.
Schade eigentlich, es wäre sicherlich lustig mit Bella geworden.
Ich sah sie wieder an und lächelte leicht – ich hatte nicht vor, mir irgendetwas anmerken zu lassen.
„Ich kann mich nicht erinnern, eigeladen worden zu sein.“
Sie seufzte. „Doch. Gerade eben. Von mir.“
„Ich finde, wir beide haben den armen Mike in dieser Woche schon genug provoziert. Nicht, dass er uns noch durchdreht.“
Eigentlich hätte ich Mike nur zu gerne an den Abgrund der Verzweiflung getrieben…
„Ach was – Mike“, maulte Bella.

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast So 25 Mai 2008, 18:24

Wir steuerten zusammen den Parkplatz an und als Bella auf ihren Transporter zuging, hielt ich sie an ihrer Jacke fest.
„Wo willst du denn hin?“, fragte ich entrüstet.
„Nach Hause?“, fragte sie verwirrt.
„Hast du nicht gehört? Ich hab versprochen, dich sicher heimzubringen. Meinst du, ich lasse dich in diesem Zustand fahren?“
„Was denn für ein Zustand? Und was soll mit meinem Transporter passieren?“
„Ich sag Alice, dass sie ihn nach der Schule zu dir fahren soll.“
Vermutlich hatte sie es in diesen Moment schon vorhergesehen und freute sich darauf.
Ich zog an Bella zu meinem Auto.
„Lass mich los“, verlangte sie, während sie hinter mir her stolperte.
Ich ignorierte sie und ließ sie erst los, als wir bei meinem Volvo ankamen.
„Du bist so was von bestimmend!“, grummelte sie.
„Es ist offen.“
Ich setzte mich auf die Fahrerseite und wartete darauf, dass sie einstieg.
„Ich bin sehr wohl in der Lage, selber nach Hause zu fahren!“, protestierte sie.
Ich ließ das Fenster herunter und lehnte mich zu ihr.
„Steig ein, Bella.“
Sie warf einen kurzen Blick auf ihren Transporter.
„Ich hol dich sowieso wieder zurück“, drohte ich ihr.
Schließlich stieg sie ergeben ein und ich drehte die Heizung hoch, damit sie in ihren pitschnassen Sachen nicht fror.
„Das ist vollkommen unnötig“, sagte sie steif.
Ich bog vom Parkplatz auf die Straße.
Claire de lune?“, fragte Bella überrascht.
„Du kennst Debussy?“
„Nicht gut“, gab sie zu. „Meine Mutter hört viel Klassik zu Hause – ich kenne nur meine Lieblingsstücke.“
„Das ist auch eines meiner Lieblingsstücke.“
Es herrschte kurze Zeit Stille.
„Was ist deine Mutter für ein Mensch?“, fragte ich interessiert.
Bella wandte ihr Gesicht zu mir und sah mich verwundert an.
„Sie sieht aus wie ich, nur hübscher.“
Ich zog meine Augenbrauen hoch. Wenn das stimmte, dann musste ihre Mutter wahrhaftig ein übernatürliches Wesen sein.
„In mir steckt zu viel von Charlie“, fuhr sie fort. „Sie ist extrovertierter als ich, und mutiger. Sie ist unverantwortlich und ein klein wenig exzentrisch, und eine ziemlich unberechenbare Köchin. Sie ist meine beste Freundin.“ Sie stockte.
Es klang ein wenig so, als ob sie ihre Mutter hütete, wie ein kleines Mädchen. Sie war so sehr anders als die anderen Mädchen, die ich bisher getroffen hatte… Verantwortungsbewusster.
„Wie alt bist du Bella?“, fragte ich niedergeschlagen.
Mittlerweile waren wir bei ihrem Haus angekommen.
„Siebzehn“, antwortete sie verwirrt.
„Du wirkst nicht wie siebzehn.“
Bella fing an zu lachen.
„Was denn?“, fragte ich neugierig und sah sie an.
„Meine Mom sagt immer, dass ich mit 35 geboren wurde und seitdem auch nicht jünger geworden bin.“
Sie lachte erneut, aber dann seufzte sie. „Na ja, einer von uns muss ja erwachsen sein.“
Sie stockte wieder.
„Du wirkst aber auch nicht gerade wie ein typischer Schüler“, sagte sie schließlich.
Ich verzog das Gesicht. Es war wohl das Beste, das Thema zu wechseln.
„Also – warum hat deine Mutter Phil geheiratet?“
Ich erinnerte mich noch genau an unser Gespräch in Bio und mir viel jedes kleinste Detail ein.
Bella schien ein wenig verwirrt zu sein.
„Meine Mutter… ist sehr jung für ihr Alter. Ich glaube, dass sie sich mit Phil sogar noch jünger fühlt. Auf jeden Fall ist sie verrückt nach ihm.“
Sie schüttelte den Kopf, als ob sie es selbst nicht nachvollziehen könnte.
„Und – hat sie deinen Segen?“
„Spielt das eine Rolle?“, konterte sie. „Ich will, dass sie glücklich ist… und er ist das, was sie will.“
„Das ist sehr großzügig… Ich frage mich…“ Ich stockte.
„Was?“, hakte Bella nach.
„Ob sie wohl genauso großzügig wäre, wenn es um dich geht?“, beendete ich meinen Satz. „Was meinst du – wäre es ihr egal, wen du dir aussuchst?“
Ich sah sie eindringlich an. Zum Glück konnte sie unmöglich die volle Bedeutung aus meiner Frage schöpfen.
„Äh, glaub schon“, stammelte sie. „Allerdings ist sie meine Mutter – das ist ein bisschen was anderes.
„Aber niemand allzu Beängstigendes, nehme ich an“, stellte ich fest.
Sie grinste.
„Was meinst du mit beängstigend? Zwei Dutzend Piercings im Gesicht und Tätowierungen bis zum Kinn?“, fragte sie ironisch.
„Zum Beispiel. Aber nicht nur.“
„Was noch?“, hakte sie nach.
Vielleicht ein blutsaugender Vampir – wie mich.
„Glaubst du, ich könnte beängstigend sein?“, fragte ich und zog meine Augenbraue hoch.
„Hmmm… ich würde sagen, du könntest beängstigend sein, wenn du es darauf anlegst.“
Wie recht sie damit hatte – sie hatte wirklich Verstand.
„Und hast du jetzt vor mir Angst?“, fragte ich ernst.
„Nein.“
Ich lächelte.
„Erzählst du mir etwas über deine Familie?“, fragte sie.
„Was willst du denn wissen?“, erwiderte ich wachsam.
„Die Cullens haben dich adoptiert?“
„Ja.“
Sie schien einen Moment zu zögern. „Was ist mit deinen Eltern passiert?“
„Sie sind vor vielen Jahren gestorben“, sagte ich ganz sachlich und war verwundert über mich selbst. Offenbar war es einfach schon zu lange her, dass es mich nur noch recht wenig bekümmerte… Nicht einmal an ihre Gesichter konnte ich mich klar erinnern – es war eine Schande.
„Das tut mir Leid“, murmelte sie sofort.
„Ich erinnere mich kaum an sie. Carlisle und Esme sind seit langem meine Eltern.“
„Und du liebst sie“, stellte sie fest.
„Ja.“ Ich lächelte.“Ich kann mir keine besseren Menschen vorstellen als die zwei.“
Und das stimmte sogar – selbst wenn sie keine Menschen mehr waren. Besonders Carlisle verdankte ich soviel, ich wusste nicht, was ich ohne ihn wäre.
„Du hast großes Glück.“
„Ja, ich weiß.“
„Und dein Bruder und deine Schwester?“, fragte sie weiter.
Ich warf ein Blick auf das Armaturenbrett und stelle fest, wie schnell die Zeit vergangen war.
„Mein Bruder und meine Schwester, genauso wie Jasper und Rosalie, werden ziemlich sauer sein, wenn sie im Regen auf mich warten müssen“, sagte ich hastig.
„Oh, tut mir Leid, du musst los.“ In ihrer Stimme schwang Bedauern mit.
„Und du willst wahrscheinlich deinen Transporter hier stehen haben, bevor Chief Swan heimkommt, um nicht in die Verlegenheit zu kommen, ihm von der heutigen Biostunde erzählen zu müssen“, fügte ich mit einem Grinsen hinzu.
„Ich bin sicher, er weiß längst Bescheid – es gibt keine Geheimnisse in Forks“, sagte sie seufzend.
Ich lachte, wenn auch ein wenig nervös.
Was würde wohl passieren, wenn irgendjemand aus Forks bemerken würde, was wir waren?
„Viel Spaß am Strand… prima Wetter zum Sonnen“, sagte ich ironisch und sah hinaus in den Regen.
„Sehen wir uns nicht morgen?“, fragte sie enttäuscht.
„Nein. Emmett und ich beginnen das Wochenende etwas früher.“
„Was habt ihr vor?“, hakte sie nach.
„Wir gehen wandern, in der Goat Rocks Wilderness, südlich von Mount Rainier.“
Zumindest, wenn Emmett sich nicht widersträubte mit mir jagen zu gehen, nachdem was alles geschehen war.
„Oh, na ja, viel Spaß“, sagte sie und täuschte eine Begeisterung vor; in Wirklichkeit klang ihre Stimme enttäuscht.
Meine Lippen zuckten sicherlich wieder verdächtig.
„Tust du mir einen Gefallen am Wochenende?“
Ich sah sie direkt an und starrte in ihre rehbraunen Augen.
Sie nickte.
„Sei bitte nicht beleidigt, aber du bist offensichtlich einer dieser Menschen, die Unfälle magisch anziehen. Also… versuch bitte, nicht in den Ozean zu fallen oder dich von irgendwas überfahren zu lassen, ja?“
Ich lächelte.
„Mal sehen, was sich machen lässt“, fauchte sie plötzlich verärgert und sprang aus dem Auto.
Als ich wegfuhr lächelte ich noch immer und fuhr mit Höchstgeschwindigkeit zurück zur High School.

Ganz egal was die anderen dachten – ich würde weiterhin bei Bella bleiben.
Die Liebe hatte eine magnetische Anziehungskraft, genauso wie der unnatürliche Drang, sich selbst zu bestrafen.
Doch selbst in der Hölle konnte es ein wenig Hoffnung geben.

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast Fr 06 Jun 2008, 01:28

Kapitel 14. Goats Rock Wilderness

„Bereit für den Aufbruch, Bruder?“, fragte Emmett, während er noch einmal unsere Wanderungsrequisiten durchging.
„Eigentlich nicht“, gab ich seufzend zu und betrachtete ihn bei der Arbeit.
Die Ausrüstung gehörte nur zu der normalen Täuschung - für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir unterwegs auf einen Menschen stoßen würden.
Doch das, was mich wirklich nervös machte, war weder mein Durst, der sich langsam stechend in meiner Kehle bemerkbar machte, noch der bevorstehenden Wutanfall von Rosalie, weil ich dafür gesorgt hatte, dass ihre Frisur ruiniert war, sondern das Zurücklassen von Bella.
Seit dem ich sie abgesetzt hatte kroch in mir immer mehr das Gefühl der Angst hinauf. Das Schlimme daran war, dass ich es einfach nicht verdrängen konnte, egal was ich tat.
Zuerst hatte ich es mit einer Runde Schach mit Alice versucht, die allerdings so schnell beendet gewesen war, dass davon kaum die Rede sein konnte.
Am liebsten wollte ich gar nicht über das Wochenende hinweg verschwinden, doch der pulsierende Schmerz in meinem Hals sagte mir etwas anderes.
Emmett schulterte seinen großen Rucksack auf den Rücken und grinste mich an.
„Mach nicht so ein Gesicht, Edward. Du siehst aus, als würdest du lieber verdursten anstatt jagen zu gehen“, witzelte er, als er mein besorgtes Gesicht sah. Wie recht er damit hatte wollte ich ihm lieber nicht sagen.
„Na ja“, sagte ich schließlich, um den Verdacht von mir abzulenken. „Ich mache mir nur ein wenig Sorgen um die Bären. Vielleicht schlafen sie noch.“
Emmett lachte und ich konnte mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.
„Idioten“, murmelte Alice, die neben uns stand und unser Werk inspizierte. „Ich hoffe ihr beiden macht den Aufsehern nicht zu viel Ärger!“, fügte sie mit einem tadelnden Blick an Emmett gewandt hinzu, der nur die schulterzuckte.
Beinahe hätte ich gelacht, als ich Emmett Vorhaben in Alice‘ Kopf sah und seine Gedanken bestätigten das ganze.
„Ein wenig Spaß wird wohl erlaubt sein“, erwiderte er ohne eine Spur von Reue.
Alice kicherte und ich konnte nichts anderes, als mit einzustimmen – das war typisch Emmett.

Das Naturschutzgebiet der Goats Rock Wilderness befand sich im Herzen von Washington und nahm dort einen großen Teil der Fläche ein.
Ich hatte die Landschaft immer gut im Gedächtnis; es gab viele kleine Wälder, Seen und Berglandschaften. Es war im Großen und Ganzen ein nahezu perfekter Ort für alle tüchtigen Wanderer, die nicht nur die Landschaft genießen wollten, sondern auch Freude am Bergsteigen hatten.
Die frische Luft und die faszinierende Atmosphäre waren für mich genug Gründe, weswegen ich dort gerne war – wenn auch meistens nur zur Jagd.
Ich fuhr mit meinem Volvo in die Nähe des Gebietes und parkte ihn irgendwo auf einem leeren Parkplatz. Von nun an war es besser, wenn Emmett und ich zu Fuß gingen und das taten wir auch.
Emmett transportierte unsere Ausrüstung, während ich die ganze Zeit über wachsam die Umgebung nach Gedanken absuchte.
Natürlich war es recht unwahrscheinlich, dass sich ein Mensch hinein verirren würde, da an vereinzelten Stellen in der Nähe des Berges immer noch Schnee lag und so manche recht gefährliche Tiere aus ihrem Winterschlaf erwachten.
Einmal war es vorgekommen, dass sich tatsächlich eine kleine Gruppe bestehend aus fanatischen Wanderern und Naturfreaks zu weit in das Gebiet hinein gewagt hatten und dadurch fast Opfer von Emmetts starken Heißhunger auf Blut wurden, doch ich hatte es gerade noch so geschafft, ihn festzuhalten, bis sich der kleine Trupp wieder entfernt hatte.
An diese alte Geschichte erinnerte ich mich immer mit einem Kopfschütteln, da es für mich einfach unbegreiflich war, wie ein Mensch – wenn auch unwissend – so lebensmüde sein konnte.
Seit diesem Vorfall waren wir noch mehr darauf Bedacht was sie Sicherheitsvorkehrrungen angingen, damit wir nicht durch ein kleines Missgeschick einen Menschen in die ewigen Jagdgründe beförderten.
Emmett war diese Sache nicht im Mindesten peinlich und er betonte auch immer wieder, dass er ja nichts dafür konnte, wenn diese kleine Gruppe von ‚selbstmörderischen Menschen‘ ausgerechnet in seine Nähe kam, als er bereits versucht hatte, Blut zu ordnen.
„Schon eine kleine Stoßtruppe von Menschen geordnet?“, wollte Emmett hämisch wissen, als wir tiefer in die Wälder liefen.
„Noch nicht.“ An meinem Mundwinkel zuckte es. „Aber pass auf, dass sie sich nicht als Bären tarnen“, fügte ich ironischer Weise hinzu und nun konnte ich es nicht mehr verhindern, dass ich leise lachte.
„Sehr witzig, Bruder.“

In meinem Magen kribbelte es und ich konnte nichts anderes tun, als jede Minute auf meine Uhr zu starren.
12 Stunden seit dem ich Bella verlassen hatte – ein halber Tag.
Ich seufzte und versuchte wieder einen klaren Gedanken in meinem Kopf zu fassen.
Was sollte nur daraus werden, wenn ich bereits nach 12 Stunden Angst hatte, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte?
Alleine der Gedanke daran versetzte mir einige Stiche in meinem Inneren die so viel schlimmer waren als das immer stärker werdende Ziehen in meinem Hals.
Emmett warf mir ab und zu besorgte Blicke zu und er wusste genau, dass ich mit den Gedanken ganz woanders war – und es tat mir leid, dass ich nicht gerade der gesprächigste auf der Jagd war.
Manchmal versuchte er mich in ein Gespräch zu locken, doch ich schaffte es nicht, es lange am laufen zu halten, ohne dass ich irgendwas im Inbegriff war den Namen ‚Bella‘ zu benutzen.
„Sag mir eines, Edward“, verlangte Emmett zu wissen, als wir einen kurzen Moment in mitten des Waldes Stopp machten. „Ich bin kein Gedankenleser, deswegen möchte ich wissen, was du denkst. Du bist abwesend und das merke ich – und eigentlich kann ich mir auch denken, wieso.“
„Ich weiß“, murmelte ich und entschied mich schließlich dazu, es Emmett persönlich zu sagen, da er schon seit vielen Minuten auf der richtigen Spur war. „Es geht um Bella, weißt du. Ich mache mir Sorgen um sie. Ständig passiert irgendetwas, wenn sie in der Nähe ist, als ob sie das Unglück anziehen würde. Ich habe einfach Angst, dass ihr etwas zustößt, während ich nicht auf sie aufpassen kann.“
„Ah, Liebeskummer“, seufzte Emmett theatralisch tief, so dass ich im einen Schlag in seine Rippen verpasste.
Er grinste nur frech und rieb sich seine Rippen. „Hey, so behandelt man nicht seinen Bruder!“ Er lachte.
„Sag mir lieber was ich tun soll“, bat ich, während wir in normaler menschlicher Geschwindigkeit umher gingen.
„Frag mich nicht so etwas. Rose ist ein Sonderfall, das solltest du am besten wissen. Aber ich schätze, du wirst nicht drum herum kommen, dass du dein Juwel ab und zu aus den Augen lässt – immerhin willst du sie versehentlich nicht beißen.“
„Das stimmt“, pflichtete ich ihm bei. „Aber die Gefühle sind alle noch so seltsam neu für mich. Irgendwie habe ich Heimweh und zwar nach ihr und dann ist diese stetige Angst vorhanden.“
Ich seufzte schwer. Das Gegenmittel gegen Bella musste erst einmal erfunden werden; vielleicht wusste Carlisle Rat, wie man nervige Dinge wie eine Bakterie loswird.
„Ich würde sagen das ist normal. Nun, es wäre normal bei einem Menschen, aber bei einem Vampir weiß ich’s nicht“, antwortete Emmett grüblerisch und zuckte mit den Schultern. „Wie heißt es noch gleich? Ausprobieren geht über Studieren!“ Er grinste breit.

Nach einiger Zeit brannte uns beiden der Hals und wir sahen zu, dass wir langsam geeignete Opfer finden würden.
„Ha!“, stieß Emmett plötzlich freudig hervor und spannte demonstrativ die Muskeln seiner Arme. „Dort hinten ist ein Bärenlager!“
Ich musste mir bei Emmetts Anblick das Lachen verkneifen; er wirkte wie ein kleiner Junge, der den nächsten Spielplatz erblickte.
Ich spähte durch das Gebüsch hindurch und meine Nase blähte sich ein wenig auf. Es waren etwa acht Bären – nur eine kleine Gruppe, aber sie sollten reichen.
„Sieht aus, als würden sie sich ausruhen“, flüsterte ich Emmett herausfordernd zu.
„Oh nein! Nicht mit mir“, grummelte Emmett und ließ mit einem lautlosen Geräusch die Ausrüstung fallen, um sich die Ärmel seines Hemds zurückzuziehen.
„Was hast du vor?“, fragte ich unnötiger Weise und war nun angestrengt darum bemüht, nicht laut loszulachen und somit Emmetts Spaß zu verderben.
„Das wirst du sehen“, antwortete er und seine Augen leuchteten gefährlich auf.
Ich entschied mich dazu, das Spektakel erst einmal zu beobachten, bevor ich selbst eingriff.
Emmett steuerte zielsicher einen Bären an, der faul unter einem kleinen Felsvorsprung lag und baute sich demonstrativ vor ihm auf.
„Hey“, begrüßte er den alten Bär, der träge seine Augen öffnete, um den Störenfried zu betrachten, der ihn so eben aus seinem Nickerchen gerissen hatte.
Er gähnte erst einmal, bevor er sich langsam aufrichtete und Emmett wütend und empört anknurrte.
„Alter, entschuldige, dass ich dich aus deinem letzten Schläfchen gerissen habe – aber so macht das ja keinen Spaß!“ Emmett grinste entschuldigend und der alte Bär, so wie die anderen Bären um ihn herum waren nicht sonderlich begeistert von seinem eindringen in ihr Gebiet und knurrten ihn wütend an.
Ein Mensch sollte zu diesem Zeitpunkt sein Testament bearbeiten – nicht jedoch ein Vampir.
Emmett trat noch einen Schritt auf dem Bären zu und tätschelte ihn beruhigend.
„Ich hoffe, ich werde dich nicht allzu grob behandeln“, fügte Emmett hinzu und der Bär knurrte gefährlich auf.
Er hob seine mächtige Pranke, um Emmett damit zu erwischen, doch dieser fing die Pranke einfach mit einer Handbewegung ab.
„Wer wird denn hier gleich unfreundlich werden? Schon einmal etwas von Gastfreundschaft gehört?“
Ich prustete und kam mit langsamen Schritten hinüber zu Emmett.
Die Bären musterten mich mit wütenden Blicken und ich hob die Hand zur Begrüßung.
„Junge, die sind vielleicht mies drauf!“, bemerkte Emmett kopfschüttelnd. „Zwar etwas träge und verschlafen, aber im Großen und Ganzen keinen Respekt vor Gästen!“
„Wie recht du hast“, stimmte ich ihm schmunzelnd zu und ging zu einem Bären, der besonders schmackhaft roch, um sein Fell zu kraulen.
„Wird Zeit, dass wir ihnen Respekt beibringen!“, grinste Emmett und bleckte seine Zähne.
Der Bär vor Emmett wich instinktiv zurück und auch die anderen Bären witterten eine Falle – doch es war bereits zu spät für sie. Sie schabten auf dem Boden, knurrten abwehrend und tapsten einige Schritte zurück, doch wir würden uns nicht vertreiben lassen.
„Vier für dich – vier für mich“, sagte Emmett Hände reibend und ich musste lachend ablehnen.
„Einer reicht mir.“
Ein letztes Mal überprüfte ich die Umgebung und als ich mir sicher war, dass keine Menschenseele in der Nähe war, gab ich Emmett das Zeichen.

Wir waren wie Katze und Bär – ein unschlagbares Team.
Ich trieb die Gruppe zusammen, während Emmett angriff und sobald Emmett einen erwischt hatte und die anderen Bären versuchten zu flüchten, umkreiste ich sie schnell wieder.
Aus Gnade töteten wir nur zwei, allerdings verletzten wir einige, da sie natürlich ihre Bärenkameraden schützen wollten – doch es war vergebens.
Manchmal fühlte ich mit den Tieren mit – war es tatsächlich besser Tiere zu töten als Menschen?
Immerhin waren sie auch Lebewesen, wenn auch nicht Intellektuell so weit wie sie.
Wir tranken unsere Opfer blutleer und entschlossen uns dazu, die restliche Zeit noch durch das Gebiet zu streifen und falls uns noch ein Leckerbissen über den Weg laufen sollte, dann würden wir uns daran bedienen.

Emmett und ich überhielten uns über alle möglichen Dinge, doch immer wieder schlich sich Bella in meine Gedanken.
Was war, wenn sie gerade am Strand war und eine große Welle kommen würde? Bei ihrem Glück war das nicht einmal unrealistisch.
„Bella“, sagte ich ohne nachzudenken und Emmett machte ein Gesicht, als hätte er mich am liebsten geschlagen – und genau das hatte er für eine Sekunde lang vor.
„Man, Edward! Wenn ich noch einmal den Namen ‚Bella‘ höre, dann gehe ich nie wieder mit dir jagen!“, beschwerte er sich und funkelte mich böse an. „Sie wird es überleben, also mach dir nicht so viele Gedanken über sie.“
Egal was Emmett auch sagte, ich konnte nichts anderes, als an sie denken.
Mein Mensch, meine Versuchung, meine Hölle, meine Hoffnung.
Vielleicht war sie mir vorherbestimmt – oder zumindest hoffte ich das, selbst wenn es falsch war.

Das Glitzern des Sees vor mir erinnerte mich im Sonnenuntergang an Sterne und Flammen.
Es waren die Sterne, die mir so oft Trost gespendet hatten, wenn ich es brauchte und sonst niemand für mich da war. Und die Flammen der untergehenden Sonne erinnerten mich an Bella – an das Feuer der Hölle, an die heiße Versuchung und ihrem leichten Temperament.
Ganz leicht musste ich lächeln, als ich in diesen Gedanken schwelgte, bevor die Besorgnis wieder die Kontrolle über mich nahm und mir keine ruhige Sekunde mehr überließ.

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast Fr 13 Jun 2008, 03:42

Kapitel 15. Sonnige Tage

Als wir Sonntagabends zurückkehrten, lagen Emmetts Nerven flach.
Ich hatte mein bestes getan, um ihm nicht zu sehr auf die Nerven zu fallen, jedoch war es mir nicht besonders gelungen.
Es waren Zeitpunkte, an denen ich am liebsten meinen Kopf gegen eine Wand oder einen Baum gescheuert hätte – aber es immer unterließ, da ich nicht die halbe Gegend demolieren wollte; beziehungsweise rechtliche Schritte von den jeweiligen Verwaltern entgehen wollte, auch wenn man mich vermutlich nie gefasst hätte.
Das Erste was Emmett tat, als wir ankamen, war sich lauthals über meine Anwesenheit beim Jagen zu beschweren und zu sagen, dass ich dieses Mal unmöglich gewesen sei; und das Erste, was ich tat, war bei Alice Bellas Befinden zu erfahren.
Alice kicherte nur vergnügt, da sie es natürlich schon in der Zukunft gesehen hatte, da ich seit Stunden an nichts anderes mehr dachte.
„Keine Sorge“, meinte sie lachend. „Bella geht es gut.“
Die Erleichterung stand mir im Gesicht geschrieben, auf jeden Fall erklärte dies ihre ständigen Kicheranfälle und den boshaften Blick von Rosalie.
Sie war mittlerweile ziemlich die Einzige, die nichts mit meinen Gefühlen für Bella anfangen konnte.
In ihren Gedanken spiegelte sich immer noch purer Hass wider – der Grundstein für ihre Eifersucht.
Ich fand, dass es eine gute Lektion für sie war, dass sich nicht alles nur um sie dreht und ich Bella auch vor ihr vorzog. Ihr Verhalten grenzte schon nahe an dem eines kleinen Mädchens, die ihren großen Bruder zwar liebte, aber für Außenstehende immer nur Neutralität zeigte – aber wenn es darauf ankam, war sie höchst besorgt oder rasend vor Eifersucht.

Ungeduldig wartete ich den Sonnenuntergang und die Nacht ab, um mich endlich bei Bella einzuschleichen.
Als ich bestimmt zum tausendsten Mal einen Blick auf meine Uhr geworfen hatte, bewegte sich der Zeiger endlich auf ein Uhr morgens – die perfekte Zeit für mich.
Ohne weitere Worte sprang ich von meinem Sofa auf und verließ sofort in Eiltempo das Haus und rannte im Schutz der Dunkelheit durch Forks.
Kaum nachdem ich ihr Haus erreicht hatte, sprang ich hastig zu ihrem Fenster hinauf und öffnete es lautlos.
Ihr Zimmer war noch genauso wie vorher und irgendwie beruhigte es mich zu wissen, dass sie hier in Sicherheit war.
Meine Jagd hatte meine Empfindlichkeit gegenüber ihrem Blut stark abgeschwächt, so dass ich ihre Präsenz sogar genießen konnte.
Ich trat zu ihrem Bett vor, um betrachtete Bella beim Schlafen.
Ihr Gesicht war mir zugewandt und das fahle Licht, dass spärlich durch den klaren Nachthimmel und durch das Fenster schien, ließ ihr Gesicht noch blasser und leuchtender erscheinen, als es eigentlich war.
Sie schlief ruhig; ruhiger als das letzte Mal, als ob sie eine traumlose Nacht hätte - als ob irgendetwas sie aufgewühlt und ihr sämtliche Kraft geraubt hätte.
Ich fragte mich, ob sie vielleicht über mich grübelte; ob sie vielleicht etwas über mich herausgefunden hatte – jetzt, nachdem sie in La Push gewesen war.
Es war höchst unwahrscheinlich, doch selbst wenn dies nicht der Fall war, dann sollte die mittlerweile bemerkt haben, dass ich nicht normal war.
Zu meinem Unglück hatte ich auch noch selbst dazu beigetragen, dass sie wohl Verdacht schöpfte, auch wenn ich mir dessen nie ganz sicher sein konnte.
War sie aufmerksam genug, um mein Geheimnis zu lüften? Und wenn das der Fall sein sollte, wie würde sie reagieren?
Es war eine Frage, die schon lange an mir nagte.
Vielleicht würde sie es nicht glauben – vielleicht doch; und wenn, dann würde sie mich wohl entweder der Polizei vorsetzen, da ich unbestreitbar eine Gefahr für die Bevölkerung darstellte; oder sie würde sich einfach von mir abwenden.
Es waren keine sehr positiven Optionen – doch ich selbst hatte auch kaum welche.
Die Möglichkeit mich von ihr abzuwenden war schon lange vergangen, sie auch verwandeln wollte ich nicht.
Was blieb mir also großartiges übrig?
Mein Blick heftete sich auf ihre Handballen, die leichte Abschürfungen aufwiesen und fast hätte ich gelacht. Es war mir seltsam vorgekommen, dass sie das Wochenende offenbar ohne große Verletzungen überstanden hatte, doch nun hatte sich meine Vorahnung bestätigt, wenn auch ziemlich abgeschwächt.
Ich widerstand mit Mühen dem Impuls, sie wieder einmal zu Berührung und meine Sehnsucht nach ihr machte es mir nicht gerade leichter, zu widerstehen.
Ich setzte mich wieder auf den Schaukelstuhl in der Ecke, betrachtete sie und grübelte nach.
Als die Sonne bereits wieder aufging, erhob ich mich enttäuscht von dem Stuhl und sprang aus dem Fenster, bevor Charlie aufwachen würde.
Mir blieb noch genug Zeit, um nach Hause zurückzukehren und deswegen lief ich in einem relativ normalen Tempo durch Forks.


Ich verfluchte diesen Montag, kaum nachdem mir Alice den höchst bedauerlichen Umstand mitgeteilt hatte: Sonne. Nichts als diese verdammte, brennende Sonne am Himmel.
Faktisch gesehen hieß das, dass wir nicht zur Schule konnten, das wiederrum hieß, dass ich nicht Bella sehen und mit ihr sprechen konnte.
Warum musste dieses Ding ausgerechnet heute scheinen?
Ich glaube schon beinahe an eine göttliche Bestrafung; doch konnte man tatsächlich für das, was man vor 80 Jahren getan hatte, immer noch bestraft werden?
Wohl kaum – in diesem Fall hieß es wohl ‚Ironie des Schicksals‘.
Die Einzige, die wirklich Mitleid mit mir hatte, war Alice. Sie legte mir tröstend die Arme um die Schulter, um mir sofort den nächsten Schlag auszuteilen: Morgen sollte die Sonne ebenfalls scheinen.
Anscheinend hatte sich das Wetter gegen mich verschworen.
„Macht nichts, Edward“, sagte sie tröstlich. „Übermorgen sieht es wieder besser für dich aus.“
„Vielen Dank auch“, grummelte ich zurück und es tat mir sofort Leid – Alice war zwar ein Wetterfrosch, aber sie hatte keinen Einfluss darauf.
„Zu viele Sorgen sind auch nicht gesund für dich“, fügte sie hinzu. „Vielleicht solltest du das Schicksal einfach walten lassen.“
„Das mache ich doch die ganze Zeit – zumindest fast. Ab jetzt lasse ich die Dinge laufen und mache alles auf meine Weise, selbst wenn es falsch ist.“
„Das ist doch schon einmal was“, stimmte sie mir zufrieden zu und lenkte ihre Aufmerksamkeit kurz dem Fernseher zu, bei dem ein Nachrichtensprecher bereits die unheilvolle Ankündigung wiederholte.
Am liebsten hätte ich ihn in die Mangel genommen.

Was tat man also an diesen sonnigen Tagen, wenn man nicht die langweilige Schule besuchen konnte?
Die Antwort war wohl: noch mehr langweilen.
Das Leben wurde mir offenbar langsam recht überdrüssig, zumindest wusste ich nicht recht, was ich mit meiner Zeit anfangen sollte.
Die Schulbücher kannte ich größtenteils auswendig; alle anderen Bücher, die sich mittlerweile in einem separaten Raum angesammelt hatten, ebenfalls und noch dazu hatte ich bestimmt jeden Film gesehen, den Emmett aufbewahrte.
Er war vor allem auf Vampirfilme spezialisiert, was mir sogar wenige male, nach einer langen Nacht, fast in meinem Kopf einbrannte, dass es eventuell recht gefährlich für mich wäre, bei Tageslicht hinauszugehen. Zumindest blieb dieser Gedanke etwa zwei Sekunden in meinem Kopf haften, bis mir einfiel, dass dies nicht möglich war.
Ich schüttelte den Kopf und suchte nach einer sinnvolleren Tätigkeit.
Vielleicht Klavierspielen?
Ja, es erschien mir als eine gute Lösung für meine Langeweile.
Bisher hatte es mir immer Freude bereitet und zweifelsohne würde es auch dieses Mal der Fall sein.
Zielsicher steuerte ich meinen Konzertflügel an und setzte mich auf den zugehörigen Hocker, bevor ich nachdachte, was ich überhaupt spielen wollte.
Debussy? Mozart? Was gab es noch alles? Das meiste davon hatte ich bereits so oft gespielt, dass manche Stücke mittlerweile recht wenig Bedeutung für mich hatten.
Das Hauptproblem war jedoch, dass ich kaum einen klaren Gedanken fassen konnte.
Bella – das einzige, das ich in den letzten Tagen denken konnte, umkreiste nur sie.
In meinem Kopf befanden sich Bilder, Abzüge von ihrer Gestalt und ihr blumiger Duft kreiste stetig umher.

Noch bevor ich darüber nachdenken konnte und ein sanftes Lächeln auf meine Lippen huschte, spielten meine Finger eine Melodie, die ich nicht kannte – aber mein Herz erwärmte.
Es war eine fremdartige Melodie; etwas, das bisher nie dagewesen war und nun so präsent war, dass mein ganzer Körper davon in Besitz ergriffen wurde.
Es war mein Lied – das Lied von Bella.
Es war das Lied, das alle meine Gefühle zu ihr ausdrückte - all diese innerliche Verwirrung bei ihrem zärtlichen Anblick, alle meine Gedanken und mein Herz, das sich ausschüttete.
Ich brauchte kein Papier, um die Melodie aufzuschreiben. Irgendwie wusste ich, dass ich es tief in mir hatte, so wie auch die Gefühle für Bella niemals verschwinden würden.
Noch nie hatte ich zuvor ähnliches empfunden oder gedacht; noch nie hatte mich eine Person dazu inspiriert, ein Stück zu komponieren.
Aber vielleicht lag es daran, dass es Bella war.
Sie war etwas Besonderes.

Den ersten Tag bekam ich damit herum, dass ich vor meinem Klavier saß und in Gedanken schwelgte.
Niemand störte mich, denn sie wussten alle, dass ich meine Ruhe haben wollte – und darüber war ich sehr dankbar.
Leider erfüllte sich Alice‘ Vorhersage und zu meinen bedauern kam mit dem nächsten Morgen auch wieder ein strahlender Sonnenschein.
Frustriert verbrachte ich den Vormittag in meinem Zimmer und stellte meine Stereoanlage an. Glücklicherweise schien es auch niemand so recht zu stören, dass ich sie auf volle Lautstärke gedreht hatte – umso besser.
Den Mittag über saß ich zusammen mit Jasper und Emmett auf der Couch und sah mir diverse Talkshows an.
Es grenzte schon an der Lächerlichkeit, wie sich manche Menschen so schamlos preisgaben oder ihre kleinen Probleme erzählten. Jasper hingegen fand die Sendung anscheinend recht interessant; er nickte des Öfteren und Emmett hielt sich neben mir seinen Bauch fest, weil er sich vor Lachen schüttelte.
Ich konnte ihr Interesse nicht so recht teilen, weswegen ich mich nach einiger Zeit auch wieder erhob und beschloss, Esme beim Putzen zu helfen.
Lächelnd bewaffnete sie mich mit einer Sprühflasche, einem Eimer mit Wasser und einem Lappen.
„Ich finde es ja so nett von dir, dass du mir hilfst, Edward“, sagte sie seufzend und begutachtete ihr bisher geleistetes Werk.
„Ich habe ohnehin nichts zu tun“, erklärte ich und begann die Fenster zu wischen.
Als Antwort erhielt ich nur ein strahlendes Lächeln, aber dies war zusammen mit ihren Gedanken genug, um ihren großen Stolz auf mich zu bemerken.
„Ich finde es so mutig von dir, dass du dich mit Bella einlässt“, erwähnte sie ganz beiläufig in ihrem Mutterton.
Es war etwas, das sie mir schon lange sagen wollte – dass sie glücklich war, dass ich offenbar nun jemand gefunden hatte, den ich liebte oder es zumindest solange tat, bis die unvermeidliche Trennung bevorstand.
„Ich weiß, dass es falsch ist“, murmelte ich und warf den Lappen in den Eimer. „Ich setze sie zu großen Gefahren aus.“
Esme nickte verständnisvoll.
„Ich verstehe dich. Aber ist es nicht immer noch das größte Glück auf Erden, wenn man sich verliebt und bei dieser Person sein kann? Ich denke, das macht vieles wett.“
Ich verdrehte die Augen. Ich mochte Esme wie eine Mutter – aber ich war nicht naiv genug um zu glauben, dass meine Beziehung zu Bella eine Zukunft hatte.
„Edward.“
Sie wandte sich mir zu und ich sah in ihr Gesicht.
„Glaubst du tatsächlich, dass dich in irgendeiner Weise Schuld trifft?“, fragte sie mich tadelnd.
„Nein“, antwortete ich ohne zu zögern. „Ich habe vielleicht einiges falsch gemacht, aber das hat jeder.“
Sie nickte. „Ja, und genau deswegen hast du die Chance wie jeder andere auch, Edward. Auch du hast die Möglichkeit jemanden zu lieben, ganz egal, wer sich euch in den Weg stellt.“

Ich dachte über Esmes Worte nach.
Es war richtig und zugleich falsch. Aber hatte ich mich nicht schon längst entschieden?
Ich hatte meine Chance – wenn ich mich in die Hölle stürzen wollte, dann war dies meine Sache.
Und Bella war die Erste und Einzige, für die ich dieses Wagnis eingehen wollte.
Ich lief gedankenverloren im Haus umher, als Alice mich schließlich am Ärmel zupfte.
„Edward“, sagte sie. „Ich dachte es würde dich interessieren, dass Bella in diesem Moment mit Jessica und Angela nach Port Angeles fährt. Da du dir ja immer so Sorgen machst, dachte ich…“
„Gibt es irgendwelche Vorkommnisse dort?“, fragte ich sofort besorgt.
„Nein, aber ich wollte dir trotzdem Bescheid geben.“
Ich nickte, aber aus irgendeinem Grund war ich zugleich nervös.

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast So 15 Jun 2008, 18:23

Kapitel 16. Suche in Port Angeles

Ich ließ die Ortsgrenze von Forks hinter mir und fuhr mit Höchstgeschwindigkeit Richtung Port Angeles.
Ich wurde zunehmend nervöser und fragte mich, was der Auslöser dafür sein könnte.
War sie in Gefahr? Oder war es schlichtweg die Besorgnis um sie?
Was auch immer dieses mulmige Gefühl in mir war – es war mir unangenehm und ich konnte nichts anderes machen, außer an Bella zu denken.
Sie war vollkommen schutzlos und bei ihrem Glück würde sie in den nächst besten Schwerverbrecher hineinlaufen – abgesehen natürlich von mir. Was dann weiter geschehen würde, wollte ich mir lieber erst gar nicht ausmahlen.
Doch wie sollte ich sie finden? Mein Talent Gedankenzulesen war vollkommen nutzlos bei ihr und solange ich nicht in ihrer Nähe war, würde es mir schwerfallen, ihren Geruch zu ordnen. Ein weiteres Problem war, dass die Sonne immer noch brannte und ich es nicht riskieren konnte, sie zu Fuß zu suchen.
Hatte Alice nicht erwähnt, dass Bella mit Jessica und Angela unterwegs war? Das hieß also, wenn ich die beiden fand, dann wäre Bella sicherlich bei ihnen.
Meine beste Spüroption war Jessica – sie hatte mich so oft angeschwärmt, dass ich ihre Gedanken gut kannte und keine Probleme haben würde, sie zu ordnen.
Als ich die Ortsgrenze von Port Angeles passierte, fuhr ich weiter und konzentrierte mich währenddessen auf Jessicas Gedanken.
Es war schwieriger als ich vermutet hatte, selbst wenn weniger Touristen anwesend waren als in der Hauptsaison.

-„… und diese Schuhe! Ich muss…“-
-„… Paul ist so ein Idiot! Wenn er doch nur…“-
-„… kommt denn niemand, obwohl ich…“-
-„… Buch sieht interessant aus. Vielleicht…“-
-„…italienisches Restaurant! Ich muss…“-
-„…soll sie denken was sie will…“-
-„… nein… Ich habe vergessen…“-


Die Gedanken der Menschen waren ein einziges Chaos.
Ich fuhr in das Zentrum der Stadt und dann stieß ich beim Lauschen der Gedanken tatsächlich auf das, was ich hören wollte.
-„…und Bella wollte uns also nicht dabei haben…“-
Es waren Jessicas Gedanken.
Reflexartig speicherte ich ihre Gedanken ab und fuhr in die Richtung, in der ihre Stimme immer deutlicher in meinem Kopf wurde.
Tatsächlich fand ich sie zusammen mit Angela und war enttäuscht, dass ihre Gedanken die Wahrheit gesprochen hatten und Bella nicht bei ihnen war.
Beiläufig und ohne Aufmerksamkeit zu erregen fuhr ich an den beiden vorbei und lauschte einen Moment weiter ihren Gedanken.
Ich untersuchte nun Angelas, da Jessica im Begriff war, über andere Menschen zu lästern und keinen Gedanken mehr an Bella verschwendete.
-„…das nächste Mal lieber mit zum Buchladen, vielleicht…“-
Buchladen – ein gutes Stichwort.
War ich nicht an einem vorbeigefahren?
Ich konzentrierte mich noch einen kurzen Moment und erhaschte einen Blick auf ein Bild in Angelas Gedanken.
Ohne Zweifel war das verschwommene Bild eines Ladens der gemeinte Buchladen, zu dem Bella gegangen war. In der Tat befand sich dieser ein wenig außerhalb des Zentrums – da war ich mir ganz sicher.

Unauffällig fuhr ich in eine Parklücke und wendete meinen Volvo sofort wieder, um in die andere Richtung zu fahren.
Doch als ich an den seriösen Buchladen mit allen möglichen Heilungsbüchern ankam, fragte ich mich, ob Bella dort wirklich hinein gegangen war. Dem Regal in ihrem Zimmer zu deuten, las sie lieber Klassiker und Romane und nicht solche möchte-gern spirituelle Bücher.
Ich verweilte einen Moment an Ort und Stelle und rümpfte meine Nase, um ihren Geruch zu ordnen.
Der blumige Duft von Bella konnte ich an dem Buchladen haften riechen, jedoch schien sie dort nicht lange geblieben zu sein – dafür war der Duft zu schwach.
Wohin konnte sie sonst gegangen sein? Das Einkaufszentrum lag genau in der anderen Richtung, in die ihr Duft ging.
Mir blieb nichts anders übrig, als ihren schwachen Geruch zu folgen, jedoch brach dieser zwei Straßen weiter südlich abrupt ab.
Ich fluchte leise und trommelte mit meinen Fingern auf das Lenkrad.
Wo zum Teufel steckte sie?
Aber ich war mir sicher, dass sie bald umkehren würde. Die Sonne würde bald untergehen und sie würde sicherlich noch vor der Nacht wieder Zuhause sein – was auch sehr gut für sie war, in Anbetracht der Menschen, die nachts auf den Straßen herumliefen.

Ich parkte in der Nähe des Ladens und lehnte mich gegen meinen Sitz.
Es gab eigentlich keinen Grund zur Besorgnis, doch das mulmige Gefühl in mir wollte nicht verschwinden.
Mir waren die Hände gebunden, was die Suche nach ihr anging. Weder konnte ich ihren Geruch ordnen, noch ihre Gedanken hören – und vermutlich war es das, was mich beunruhigte.
Ich begann wieder den Gedanken der Touristen um mich herum zu durchforsten, doch ich wusste, dass ich wohl kaum Erfolg haben würde. Die Menschen hatten eben keine Augen für wahre Schönheit und würden Bella sicherlich nicht sonderlich beachten.

-„…mittlerweile ist es Abend, ich sollte…“-
-„…und ich dachte, sie würde…“-
-„…ist echt lecker…“-
-„…dabei war das Wetter…“-


Die Gedanken waren genauso wirr wie zuvor und es war zwecklos, sie zu durchsuchen.
Ich drehte wieder das Zündschloss um und fuhr mit meinem Volvo aus der Parklücke, um meine Suche fortzusetzen. Ich war niemand, der so schnell aufgab und war fest entschlossen, sie zu finden – nebensächlich wo sie war.
Die Menschenmassen strömten alle hinaus aus Port Angeles oder in das Zentrum – doch von Bella fehlte immer noch jede Spur.

Ich nahm mir jeden einzelnen Menschen vor, als wäre ich bei einem Kreuzverhör und jeder wäre ein Verdächtigter, doch meine Suche blieb vergebens.
Die Sonne ging bereits unter und ich fragte mich im Stillen, ob Bella mittlerweile vielleicht nicht schon längst wieder bei Jessica und Angela war. Vielleicht war ich einfach zu unaufmerksam gewesen, auch wenn ich dies bezweifelte.
Ich stieg gerade aus, um meine Suche zu Fuß fortzusetzen, als ich die Gedanken eines jungen Mannes in einer Seitenstraße hörte.
-„… weiter treiben, irgendwann kann sie nicht mehr davon laufen. Dann gehört die Süße uns…“-
Sofort wandte ich meinen Kopf zu ihm und sah deutlich den lüsternen Blick in seinem Gesicht und in seinem Kopf schwebte das Bild von einem Mädchen – Bella.
Der Mann hatte dunkle Haare und sah schmuddelig aus – ein typischer Kleinverbrecher. Was mich jedoch noch mehr um Bellas Besorgnis beunruhigte was, dass er in Mehrzahl sprach beziehungsweise dachte und nicht alleine in der Ecke stand.
Wie sollte sich Bella gegen eine große Anzahl von ihnen verteidigen? Das war vollkommen unmöglich.
Ich knurrte leise und presste meinen Kiefer mit der größten Selbstbeherrschung zusammen und ermahnte mich selbst, nicht auf den Mann zu zugehen.
Doch wenn es nach mir ging, würde er nicht mehr lange leben – und seine ganzen Freunde auch nicht.
Am liebsten hätte ich ihn zu Boden geworfen und seine Kehle durchbissen, doch ich musste mich beherrschen – damit half ich Bella auch nicht.
Der Mann wandte sich mit seinen Freunden ab und ging durch die Seitenstraße hindurch – er wollte zu ihr.
Hastig stieg ich in meinen Volvo und startete ihn sofort, um in die Richtung des Zielorts des Mannes zu fahren.


Der südliche Teil von Port Angeles bestand nur aus Lagerhäusern und stumm fragte ich mich, was Bella hier nur wollte.
Vielleicht war sie auf der Flucht vor diesen Verbrechern. Sagte dieser Mann in seinen Gedanken nicht, sie würden sie in die Enge treiben?
Ich fletschte die Zähne und drückte das Gaspedal durch.
Wenn sie Bella auch nur ein Haar krümmen würden, dann würde Blut fließen – und zwar ihres.
War es nicht nebensächlich, wenn ich wieder zum Mörder werden würde? Damit hätte ich zwar mich selbst und Carlisle betrogen – aber was kümmerte das mich, wenn ich dadurch Bella retten konnte?
Genauso plötzlich wie der Gedanke kam, schüttelte ich ihn wieder ab.
Nein, solange Bella noch am Leben war, würde ich niemanden etwas tun.

Mein Ziel war nahe – und ich besaß eine Todeswut.
Ich umklammerte krampfhaft mein Lenkrad und ich wusste, dass wenn ich noch ein wenig mehr zudrückte, es jeder Zeit zersplittern könnte.
Ich bog um die Kurve und sofort sah ich sie – Bella und die Männer.
Bella stand an eine Wand gedrängt und wirkte höchst konzentriert, während die Männer um sie herum sie lüstern ansahen und derbe Kommentare riefen - widerwärtig.
Ich hätte sie am liebsten allesamt überfahren.
Ich machte einen Schlenker um sie herum und blieb quietschend neben Bella stehen. Sofort öffnete ich die Beifahrertür.
„Steig ein“, kommandierte ich wütend und funkelte durch die Scheibe die Männer wütend an.
Diese kleinen Bastarde. Sie konnten sich alle glücklich schätzen, mir vor 80 Jahren nicht über den Weg gelaufen zu sein; damals hätte ich sie ohne mit der Wimper zu zucken umgebracht.
Bella stieg mit einer Flutwelle von ihrem blumigen Duft ein und schlug die Tür hinter sich zu.
Sie war glücklicherweise unverletzt.
Sofort trat ich das Gaspedal durch und wäre beinahe in die Gruppe der Männer gerast, zu schade, dass ich mich im letzten Moment wieder fing und auf der Straße weiterfuhr.
Am liebsten wäre ich an Ort und Stelle geblieben und hätte die Männer einen nach den anderen bearbeitet – die Hälfte qualvoll ermordet und den Rest langsam in den Tod getrieben.
Ich verabscheute solche Menschen schon mein Leben lang – solche Art von Menschen brauchte die Welt nicht. Das war ein Grund gewesen, warum ich eine Zeitlang Menschen jagte, weil ich dachte, die Ermordung von Verbrechern würde keine Sünde darstellen – doch sie tat es.
Nichts rechtfertigte Morde, das wusste ich und dabei war es egal, wie ehrenhaft die Absichten waren.
Und obwohl ich dies genau wusste wünschte ich diesen kleinen Bastarden den Tod.

Ich musterte Bella einen Moment lang aus den Augenwinkeln und sah ihre Ungläubigkeit im Gesicht.
„Schnall dich an“, kommandierte ich wieder, als ich ihre Hände betrachtete, die krampfhaft in den Sitz gekrallt waren.
Ich gab noch mehr Gas und es war mir absolut gleichgültig, ob ich ein paar Straßenschilder mit mir riss.
Ich wollte einfach nur weg von diesen Männern – weg von meinem Morddrang und Bella einfach die Sicherheit vor ihnen geben.
„Ist alles okay mit dir?“, fragte sie plötzlich heiser.
„Nein“, antwortete ich schroff und starrte verbissen die Straße an. Ich nahm einen Weg aus Port Angeles hinaus und hielt abrupt an.
Wir waren meiner Meinung nach mittlerweile weit genug entfernt, um reden zu können, ohne dass ich irgendetwas in meinen Händen zerquetschen wollte wie einen armseligen Käfer.
„Bella?“, fragte ich kontrolliert.
„Ja?“
„Ist alles in Ordnung mit dir?“ Ich sah sie immer noch nicht an und stellte fest, dass meine Gedanken immer noch zu den Männern flüchteten. Diese kleinen…
„Ja“, krächzte sie leise, als ob sie unter einem Schock stehen würde.
Ich fürchtete einen Anfall meinerseits und das war auch für Bella nicht besonders gesund.
Ablenken – das war schon immer ein Schlüsselwort zur Selbstbeherrschung.
„Lenk mich bitte ab“, forderte ich sie auf.
„Wie bitte – was?“, fragte sie verwirrt.
Ich atmete gereizt aus.
„Du sollst irgendetwas Unwichtiges plappern, bis ich mich wieder beruhigt habe“, erklärte ich genervt.
Ich drückte meine Finger auf meine Nase, um den plötzlichen intensiven Geruch von Bellas Blut auszublenden.
Ich spürte allerdings, wie das Gift unkontrolliert meinen Hals hinunterlief. Verdammt. Ich schloss meine Augen.
„Äh“, fing sie an. „Ich werde wohl morgen früh vor der Schule Tyler Crowley überfahren müssen?“
„Warum?“, fragte ich.
„Er rennt rum und erzählt allen, dass er mit mir zum Jahresabschlussball geht – entweder er ist wahnsinnig, oder er versucht immer noch, Wiedergutmachung zu leisten, weil er mich fast totgefahren hätte letzten... Na ja, du weißt ja, wann, jedenfalls scheint er zu denken, dass der Abschlussball irgendwie die korrekte Art ist, das zu tun“, plapperte sie los.
Ich hörte ihr still zu und versuchte mich auf ihre Worte zu konzentrieren, doch es gelang mir nicht wirklich.
„Deshalb dachte ich mir, wenn ich ihn auch fast totfahre, sind wir quitt, und er kann aufhören, Buße zu tun“, fuhr sie fort. „Ich habe wirklich keine Lust auf irgendwelche Rivalitäten, und wenn er mich in Ruhe lässt, hört Lauren vielleicht auf, Gift zu sprühen.“
Was Lauren anging, war ich mir nicht so sicher. Das Mädchen brauchte die Lästereien wie Luft zum Atmen.
„Kann allerdings sein, dass ich Schrott aus seinem Sentra machen muss. Ohne Auto kann er schließlich auch niemanden zum Ball ausführen, richtig?“, beendete sie ihren Vortrag.
„Stimmt, ich habe auch schon davon gehört“, stimmte ich ihr zu und mahlte mir in Gedanken aus, was Tyler wohl sagen würde, wenn ich mit Bella zum Jahresabschlussball gehen würde.
„Du? Wenn er vom Hals abwärts gelähmt ist, kann er auch nicht zum Ball gehen“, präzisierte sie ihren Plan.
Ich seufzte und öffnete langsam die Augen.
„Geht’s dir besser?“, fragte sie besorgt.
„Nicht so richtig“, antwortete ich.
Zumindest sah ich derzeit von meinem Plan ab, sie zu Tode zu foltern.
Ich lehnte mich wieder gegen meinen Sitz und starrte die Decke an.
„Was ist los?“, flüsterte sie.
„Gelegentlich fällt es mir schwer, mich zu beherrschen, Bella“, flüsterte ich zurück.
Ich drehte meinen Kopf und sah zum Fenster hinaus.
„Aber es wäre sicher keine gute Idee, jetzt umzudrehen und diese Typen zur Strecke zu bringen. Diese widerlichen…“ Ich brach meinen Satz abrupt ab und fluchte innerlich.
„Zumindest“, fuhr ich fort, „ist es das, wovon ich mich zu überzeugen versuche.“
„Oh.“
Eine Zeitlang herrschte Schweigen im Auto, doch dann öffnete Bella mit einem Blick zum Armaturenbrett den Mund.
„Jessica und Angela werden sich Sorgen machen“, sagte sie leise. „Ich war mit ihnen verabredet.“

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast So 15 Jun 2008, 18:24

Ich ließ wieder den Motor an, wendete den Wagen und fuhr zurück Richtung Stadt.
Ich überprüfte Jessicas und Angelas Gedanken um festzustellen, wo sie sich befanden. Sie hielten sich offenbar in einem italienischen Restaurant namens ‚La Bella Italia‘ auf und waren im Begriff zu gehen.
Ich parkte meinen Volvo in einer schmalen Lücke vor dem Restaurant und genau in diesem Moment verließen Jessica und Angela das Restaurant und liefen mit großer Eile davon.
„Woher wusstest du denn, wo…?“, setzte Bella an, doch dann schüttelte sie den Kopf.
Ich dachte mir bereits, dass Bella vorhatte, den beiden zu folgen, also musste ich handeln.
Falls Bella nicht mehr bei mir sein würde, dann wäre ich alleine und könnte alles tun, was ich wollte – ein fataler Umstand.
Ich warf dem Restaurant neben mir einen kurzen Blick zu und öffnete auch schon meine Tür.
„Was hast du vor?“, fragte Bella.
„Ich lade dich zum Essen ein“, erwiderte ich mit einem schwachen Lächeln und wartete ungeduldig auf sie auf dem Bürgersteig.
„Würdest du bitte Jessica und Angela aufhalten, bevor ich sie auch noch suchen muss? Ich glaube nicht, dass ich mich ein zweites Mal beherrschen könnte, wenn ich deine Freunde von vorhin wiedersehen würde“, sagte ich kühl zu ihr, kaum nachdem sie die Autotür zugeschlagen hatte.
Sie erschauderte einen Moment.
„Jess!Angela!“, schrie sie in ihre Richtung und winkte, als die beiden sich zu uns umdrehten.
Ihre Verwirrung belustigte mich.
-„… Was macht Cullen bei Bella?…“-
Sie kamen argwöhnisch auf uns zu.
„Wo warst du?“, fragte Jessica Bella.
„Ich habe mich verlaufen“, gestand sie. „Und dann hab ich Edward getroffen.“
Sie machte eine kleine Handbewegung in meine Richtung.
„Wäre es in Ordnung, wenn ich euch Gesellschaft leiste?“, fragte ich mit meinem sanftesten Tonfall und nahm amüsiert ihre verdatterten Mienen auf.
„Äh…na klar“, hauchte Jessica, die anscheinend unfähig war, etwas anderes zu sagen.
„Ehrlich gesagt, Bella, wir haben schon gegessen, während wir gewartet haben“, gestand Angela. „Sorry.“
Bella zuckte nur gleichgültig mit den Schultern.
„Macht nichts, ich hab sowieso keinen Hunger.“
„Ich finde, du solltest etwas essen“, erwiderte ich leise und wandte mich an Jessica, die leichter zu bearbeiten war, wie Angela. „Hättet ihr etwas dagegen, wenn ich Bella später nach Hause fahre? Dann müsst ihr nicht warten, bis sie gegessen hat.“
„Äh, nö, eigentlich nicht…“, murmelte sie vor sich hin und beobachtete Bella aufmerksam.
„Okay“, fügte Angela schnell hinzu. „Bis morgen dann, Bella… Edward.“
Sie schnappte sich Jessicas Hand und zog sie zu ihrem Auto, das auf der anderen Straßenseite stand.
Wir warteten, bis sie wegfuhren und dann wandte sich Bella mir zu.
„Ehrlich, ich hab wirklich keinen Hunger“, beharrte sie.
„Tu mir den Gefallen“, bat ich.
Ich ging zielstrebig zum Eingang des Restaurants und hielt ihn ihr auf.
Seufzend kam sie herüber und betrat zusammen mit mir das Gebäude.

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Beitrag  Gast So 22 Jun 2008, 19:50

Kapitel 17. Dinner for two

Das Restaurant war aufgrund der Nebensaison nicht besonders voll und eher klein gehalten.
Kaum nachdem wir eingetreten waren, kam auch schon die Wirtin herüber – eine hochgewachsene junge Frau mit blonden Haaren, die mich sofort mit höchst interessiertem Blick musterte.
-„… gutaussehender junger Mann! Vielleicht könnte ich...“-
Ich versuchte bestmöglich ihre Gedanken aus meinem Kopf zu halten, jedoch brachte mich ihr argwöhnischer Blick auf Bella dazu, doch noch einmal ihren Gedanken zu lauschen, nur um festzustellen, dass sie tatsächlich eifersüchtig auf sie war.
Mittlerweile hätte ich es eigentlich wissen müssen, wie die meisten Frauen auf mich reagierten, anstatt es jedes Mal von Neuem festzustellen.
„Ein Tisch für zwei Personen?“, fragte ich sie mit meiner sanftesten Stimme.
Die Wirtin musterte Bella noch einmal und ihre Gedanken verleiteten mich fast dazu, sie zu bearbeiten.
-„…eine durchschnittliches Mädchen und noch nicht einmal besonders hübsch…“-
Menschen hatten wirklich überhaupt keine Ahnung, was wahre Schönheit bedeutete – aber das war nicht mein Problem.

Sie brachte uns zu einem Tisch für vier Personen im belebtesten Teil des Lokals.
Wenn sie glaubte, dass ich mich mit so einem Tisch zufrieden geben würde, bei dem Bella und ich sicherlich nicht in Ruhe reden konnten, dann hatte sie sich bitter getäuscht.
Ich schüttelte leicht den Kopf.
„Vielleicht etwas, wo man ein wenig ungestörter sitzt?“, fragte ich mit ernster Stimme und drückte ihr unauffällig und ohne sie zu berühren einen Schein in ihre fast geschlossene Hand.
Bella, die schon die Hand an der Stuhllehne hatte und die Wirtin, die der Schein in ihrer Hand aufgefallen war, sahen mich beide verwirrt an.
„Ja, sicher“, antwortete sie immer noch ein wenig überrascht und führte uns hinter eine Trennwand, wo in einem kleinen Kreis ein paar Separees angeordnet waren, die allesamt leer waren.
„Wie ist es hier?“, fragte sie, um festzustellen, ob mir der Platz dieses Mal genehm war.
„Perfekt“, antwortete ich und lächelte sie an.
Ungläubigkeit huschte auf ihr Gesicht und sie war wie benommen.
„Ähm. Die Kellnerin wird gleich da sein.“
Dann ging sie immer noch benommen davon.
„Das solltest du wirklich nicht tun“, kritisierte Bella tadelnd. „Das gehört sich nicht.“
Verwirrt wandte ich mich wieder ihr zu.
„Was gehört sich nicht?“
„Leute so aus der Fassung zu bringen – wahrscheinlich muss sie sich jetzt in der Küche erst einmal beruhigen.“
Ich sah sie verständnislos an.
„Ich bitte dich“, sagte sie ungläubig, „du willst mir doch nicht erzählen, dass du nicht weißt, wie du auf Leute wirkst.“
Natürlich wusste ich, wie ich auf die meisten Menschen wirkte, doch Ausnahmen gab es immer wieder.
Ich legte meinen Kopf schief und sah sie neugierig an.
„Ich bringe Leute aus der Fassung?“ Es hörte sich für mich fast wie eine rhetorische Frage an.
„Ist dir das noch nicht aufgefallen? Dachtest du, alle kriegen so schnell, was sie wollen?“
„Bringe ich dich auch aus der Fassung?“, konterte ich und betrachtete sie interessiert.
„Des Öfteren“, gab sie zu.
Ich wusste nicht ganz, wann ich das jemals geschafft haben sollte – denn eigentlich war sie diejenige, die mich ständig verwunderte. Aus irgendwelchen Gründen schien ihr unbehaglich zumute zu sein, und ich fragte mich wieso.

-„...meine Güte, er sieht wirklich so gut aus…“-
Die Gedanken schoben sich plötzlich in meinem Kopf und ich musste mich nicht einmal umsehen, um zu wissen, von wem diese primitiven Gedanken kamen – und es interessierte mich auch nicht im Geringsten.
Die Kellnerin stand vor unserem Tisch und musterte mich, jedoch war es mir schlichtweg egal.
„Hallo, ich heiße Amber – was kann ich euch zu trinken bringen?“, fragte mich die Kellnerin übertrieben herzlich.
Ich sah Bella auffordernd an.
„Ich nehme eine Cola“, antworte sie unsicher, sodass es fast wie eine Frage klang.
Ich konnte schlecht feststellen, ob sie Angst vor mir hatte, ob sie immer noch unter Schock stand oder ob ihr meine Gesellschaft nicht genehm war.
„Zwei Cola“, verbesserte ich, ohne den Blick von ihr abzuwenden.
„Kommt sofort“, versicherte die Kellnerin und ließ uns wieder alleine.
„Was?“, fragte Bella, die meine offensichtliche Musterung bemerkt hatte.
„Wie fühlst du dich?“, fragte ich leicht besorgt.
„Okay“, erwiderte sie, doch sie machte einen verwunderten Eindruck.
„Dir ist also nicht schwindelig, schlecht, kalt…?“, hakte ich nach.
„Wieso?“ Offenbar verstand sie wirklich nicht, worauf ich hinaus wollte und ich fragte mich im Stillen, ob sie vielleicht doch zäher war, als ich vermutet hatte.
Ich schmunzelte leicht.
„Na ja, ehrlich gesagt warte ich darauf, dass du einen Schock bekommst.“
Ich lächelte sie aufrichtig an und im selben Moment schien Bella ganz unauffällig nach Luft zu schnappen.
„Ich glaub, das wird nicht passieren“, sagte sie schließlich. „Ich war schon immer gut darin, Unfreundliches zu verdrängen.“
„Trotzdem, ich habe ein besseres Gefühl, wenn du etwas im Magen hast“, beharrte ich.
Die Kellnerin erschien wieder mit unseren Getränken und einem Korb Grissini.
„Habt ihr schon gewählt?“, fragte sie.
Natürlich wandte sie sich beim Servieren wieder mir zu, doch ich beachtete sie nicht – mein Blick blieb immer noch auf Bella geheftet.
„Bella?“, fragte ich sie.
Sie warf einen schnellen Blick auf ihre Karte und schien das erst beste Gericht zu wählen, das sie sah.
„Ähm… Ich nehme die Pilzravioli.“
„Und du?“, hörte ich die Stimme der Kellnerin.
„Für mich bitte nichts.“
„Sag Bescheid, wenn du’s dir anders überlegst“, sagte sie und nahm enttäuscht mein Desinteresse wahr.
Ich sah immer noch Bella an, die den Blick auf der Tischkante gerichtet hatte und fragte mich, woran sie dachte. Das Cola stand immer noch unberührt vor ihr und sie schien auch nicht vorzuhaben, daraus zu trinken, obwohl sie eigentlich seit Stunden nichts mehr getrunken haben konnte.
„Trink was“, forderte ich sie sanft auf und sie hob gehorsam den Kopf, um an ihrer Cola zu nippen.
Offenbar bemerkte sie erst jetzt ihren Durst, denn sie schluckte gierig in langen Zügen das Glas leer. Ich schob meine Cola zu ihr herüber und sofort griff sie nach diesem.
„Danke“, sagte sie leise und ihr Körper begann leicht zu zittern.
„Ist dir kalt?“, fragte ich besorgt.
„Liegt nur an der Cola“, erklärte sie ausweichend und ein Frösteln durchzog wieder ihren Körper.
„Hast du keine Jacke dabei?“, fragte ich tadelnd und rief mir die schnelle Kränklichkeit der Menschen in Erinnerung.
„Doch“, erwiderte Bella und warf einen Blick auf den leeren Sitz neben ihr. „Mist – die liegt in Jessicas Auto.“
Ich zog meine hellbraune Lederjacke aus und reichte ihr sie.
„Danke“, sagte sie wieder und zog meine Jacke über ihren Pullover.
Ich fragte mich, ob sie wohl bemerken würde, wie ungewöhnlich kalt die Jacke eigentlich war.
Aufmerksam musterte ich sie und bemerkte ein leichtes Zittern, als sie die Jacke angezogen hatte.
„Dieses Blau sieht hübsch an dir aus – es passt so gut zu deinem Teint“, lobte ich Bella und sie senkte überrascht den Blick.
Das Blut schoss wieder in ihr Gesicht und es gefiel mir – selbst wenn der Geruch ihres Blutes dadurch drastisch zunahm.
Da sie immer noch keine Anstalten machte, sich ohne Aufforderung zu bedienen, schob ich ihr den Brotkorb herüber.
„Ehrlich, ich krieg keinen Schock“, protestierte sie.
„Das solltest du aber – jeder normale Mensch würde einen kriegen. Du siehst völlig unbeeindruckt aus.“
Mit besorgtem Blick sah ich in ihre Augen und versuchte ihre Gedanken zu erahnen, auch wenn ich wie sonst auch keinen Erfolg haben würde.
„Ich fühle mich eben sehr sicher mit dir“, murmelte sie und ich runzelte die Stirn.
Es war ein ernsthaftes Problem, wenn sie tatsächlich so dachte, wie sie es gesagt hatte.
Mein Innerstes wollte mehr als ihre bloße Zuneigung und freute sich über ihre Worte, während meine Gute Seite mich warnte.
Ich hatte niemals wirklich bedacht, dass Bella vielleicht so etwas Ähnliches fühlte wie ich und zweifelsohne würde das sie noch mehr in Schwierigkeiten bringen, als sie ohnehin schon besaß.
„Das wird immer komplizierter“, murmelte ich leise, mehr zu mir selbst.
„Normalerweise hast du bessere Laune, wenn deine Augen so hell sind“, sagte sie schließlich nach einer Weile.
Ich sah verblüfft auf.
„Wie bitte?“
„Wenn deine Augen schwarz sind, bist du unausstehlich – daran hab ich mich schon gewöhnt. Ich hab eine Theorie dazu.“
„Noch eine Theorie?“, fragte ich argwöhnisch und war insgeheim beeindruckt von ihrer Auffassungsgabe.
„Hm-mhh“, bejahte sie und kaute auf der Brotstande herum.
„Ich hoffe, du warst ein bisschen einfallsreicher als beim letzten Mal… oder klaust du deine Ideen immer noch aus Comics?“, fragte ich spottend und zeigte den Ansatz eines Lächelns, während ich sie immer noch misstrauisch beobachtete.
„Na ja, nein, aus einem Comic ist sie nicht, aber alleine bin ich auch nicht draufgekommen“, gab sie zu.
„Und?“, hakte ich nach.

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Mitternachtssonne // Kapitel 19 Empty Re: Mitternachtssonne // Kapitel 19

Beitrag  Gast So 22 Jun 2008, 19:50

Just in diesem Moment kam die Kellnerin hinter der Trennwand hervor und brachte Bellas Essen.
Sie hätte wahrhaftig keinen schlechteren Zeitpunkt aussuchen können, doch dafür waren solche Menschen doch bekannt – als nervige, neugierige Subjekte, die einen immer zum falschen Zeitpunkt störten.
Erst jetzt fiel mir auf, dass ich mich unbewusst zu Bella hinüber gebeugt hatte und richtete mich abrupt auf.
Die Kellnerin kam zu uns herüber und stellte einen Teller vor Bella ab.
Meiner Meinung nach sah das Essen wenig appetiterregend aus, aber das lag vielleicht auch nur an meinem langen Entzug vom menschlichen Essen.
„Hast du’s dir überlegt?“, fragte sie wieder. „Möchtest du wirklich nichts?“
„Vielen Dank, aber wir hätten gern noch etwas Cola.“
Ich deutete mit der Hand auf die leeren Gläser vor uns und hoffte, sie damit schnell abwimmeln zu können.
„Okay“, sagte sie und ging tatsächlich ohne weitere Worte.
„Du wolltest mir gerade etwas erzählen“, erinnerte ich Bella, kaum nachdem die Kellnerin außer Hörweite war.
„Später, im Auto. Aber nur, wenn…“ Sie hielt inne.
„Ach, du hast Bedingungen?“, fragte ich misstrauisch und zog eine Augenbraue hoch.
„Sagen wir mal so – ich hab natürlich ein paar Fragen.“
„Natürlich“, stimmte ich zu.
Die Kellnerin kam wieder mit den Colas zu unserem Tisch, aber glücklicherweise ging sie sofort wieder von dannen.
Bella nahm einen großen Schluck Cola.
„Na dann los“, drängelte ich sie.
Sie zögerte noch einen Moment, bevor sie wieder sprach.
„Wie kommt es, dass du in Port Angeles bist?“
Ich senkte meinen Blick und schob meine Hände ineinander.
Natürlich – ich würde ihr ganz gewiss von Alice‘ Spionage Aktion erzählen und ihr im Anschluss auch noch sagen, dass ich so in Sorge um sie war, dass ich ihr unbedingt nach Port Angeles folgen musste.
„Nächste Frage“, antwortete ich knapp.
„Aber das ist doch die einfachste“, protestierte sie.
„Die nächste, bitte.“
Bella machte einen frustrierten Eindruck und begann erst einmal, eine kleine Teigtasche von ihrem Teller zu probieren. Sie nippte noch einen Moment an ihrer Cola, bevor sie den Blick wieder zu mir hob.
„Na gut, prima.“ Sie funkelte mich verärgert an. „Sagen wir mal, rein hypothetisch, versteht sich, jemand… ist in der Lage… Gedanken zu lesen – er weiß also, was die anderen Leute denken, mit ein paar Ausnahmen.“
„Mit einer Ausnahme“, korrigierte ich, „-hypothetisch.“
Wieder einmal war ich von ihrer Kombinationsgabe beeindruckt. Wie lange würde es noch dauern, bis sie wusste, wer ich wirklich war?
„Okay, also mit einer Ausnahme. Wie funktioniert das? Wo sind die Grenzen? Wie würde dieser Jemand… jemand anderen… genau im richtigen Augenblick finden? Woher wüsste er, dass sie in Gefahr ist?“
Ihre Fragen trafen genau unsere jetzige Situation und ich wunderte mich plötzlich, ob sie die Fragen einfach nur für sie sinnlos aneinander reihte oder ob sie fragte, weil sie mich durchschaut hatte.
„Rein hypothetisch?“, hakte ich nach.
„Genau.“
„Also, wenn… dieser Jemand…“
„Sagen wir mal, er heiß Joe“, fiel sie mir ins Wort.
Ich grinste gequält und fragte mich, was sie im Sinn hatte.
„Also gut, Joe. Wenn Joe gut aufpasst, muss das Timing gar nicht genau stimmen.“
Ich schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen.
Eigentlich gab es keinen Sinn, dass ich diese Vorstellung immer noch vor ihr abzog, schließlich schien sie ziemlich genau zu wissen, was vorging.
„Nur du könntest in einer so kleinen Stadt in Gefahr geraten. Wahrscheinlich hättest du ihre Verbrecherstatistik für die nächsten zehn Jahre verdorben“, sagte ich schließlich.
„Moment mal, haben wir noch von einem hypothetischen Fall gesprochen?“, fragte sie trocken.
Ich lachte leise und erinnerte mich an etwas, das ich vor kurzer Zeit in ihrem Zimmer entdeckt hatte.
„Ja, du hast Recht“, stimmte ich ihr zu. „Sollen wir dich Jane nennen?“
„So wollte ich schon immer mal heißen – woher wusstest du das?“
Sie beugte sich zu mir hinüber und in diesem Moment fragte ich mich ernsthaft, ob es richtig war, sie so im Dunkeln zu lassen.
Doch welchen Sinn hatte meine Moral?
„Du kannst mir vertrauen, Edward“, sagte sie leise und streckte eine Hand nach meinen aus.
Ich ließ sie zur Seite gleiten und sie zog ihre Hand wieder zurück.
„Ich weiß gar nicht, ob ich noch eine Wahl hab“, flüsterte ich leise. „Ich habe mich geirrt – du bist viel aufmerksamer, als ich es wahrhaben wollte.“
„Ich dachte du hättest immer Recht.“
„Das dachte ich auch.“ Ich schüttelte wieder meinen Kopf. „Aber was dich betrifft, hab ich mich in noch einer anderen Sache geirrt. Du ziehst nicht nur Unfälle an – das trifft es nicht ganz. Du ziehst jede Art von Ärger an. Wenn es irgendeine Gefahr im Umkreis von zehn Meilen gibt, begegnest du ihr mit hundertprozentiger Sicherheit.“
„Und du rechnest dich selbst zu den Gefahren?“
„Ohne jeden Zweifel.“ Ich betonte kühl jedes einzelne Wort.
Bella ignorierte meine abweisende Haltung und streckte ihre Hand wieder über den Tisch aus. Ich zuckte instinktiv zurück, als ich ihre warmen, weichen Fingerspitzen auf meinem Handrücken spürte – aber es war angenehm.
„Danke. Das war schon das zweite Mal.“ Ihre Stimme bebte vor Dankbarkeit.
„Wir lassen es besser nicht auf ein drittes Mal ankommen, okay?“
Ich entzog ihr meine Hand und schob sie unter die Tischfläche.
„Ich bin dir nach Port Angeles gefolgt“, gestand ich und lehnte mich zu ihr hinüber. „Ich hab vorher noch nie probiert, jemand zu beschützen, und es ist mühsamer, als ich gedacht hätte. Aber das liegt vermutlich daran, dass du es bist. Die meisten Menschen scheinen ohne größere Katastrophen durchs Leben zu kommen.“
Ich hielt inne und sah sie prüfend an – zu meiner Verwunderung formten sich ihre Lippen zu einem Lächeln.
„Hast du dich eigentlich mal gefragt, ob vielleicht beim ersten Mal, bei der Sache mit dem Van, meine Tage schon gezählt waren und du ins Schicksal eingegriffen hast?“, fragte sie.
„Das war nicht das erste Mal“, antwortete ich mit fast tonloser Stimme. Ich richtete den Blick auf die Tischplatte, bevor ich weitersprach. „Deine Tage waren gezählt, als ich dich das erste Mal gesehen habe.“
Wir schwiegen eine Weile und dann sah ich wieder hinauf in ihr Gesicht.
„Erinnerst du dich?“, fragte ich sie leise und ernst.
„Ja“, sagte sie ruhig.
„Und trotzdem sitzt du jetzt hier.“ Ich zog eine Augenbraue nach oben.
„Ja, jetzt sitz ich hier… wegen dir.“ Bella stockte. „Weil du heute irgendwie wusstest, wo du mich finden würdest.“
Ich kniff meine Augen zusammen und betrachtete sie.
Wie viel konnte ich verraten, ohne mich gleich bloßzustellen?
„Du isst, ich rede“, schlug ich vor und musterte ihren Teller.
Als Antwort folgte Bella nur meinem Vorschlag und begann zu essen.
„Es ist schwieriger, als es sein sollte – dir auf der Spur zu bleiben“, fuhr ich fort. „Normalerweise kann ich jemanden sehr leicht finden, vorausgesetzt, ich hab schon mal seine Gedanken gehört.“
Ich stoppte kurz meine Ausführung und betrachtete Bella besorgt, die in der Bewegung erstarrt war. Erst als sie wieder begann, sich zu bewegen, fuhr ich fort.
„Ich hatte Jessica sozusagen auf dem Schirm, ohne allzu genau aufzupassen – wie gesagt, nur du könntest in Port Angeles in Gefahr geraten. Zuerst fiel mir gar nicht auf, dass ihr euch getrennt hattet. Als ich dann mitbekam, dass du nicht mehr bei ihr warst, bin ich zu dem Buchladen gefahren, den ich in ihren Gedanken sah. Mir war klar, dass du ihn nicht betreten hattest und weiter in südlicher Richtung unterwegs warst. Und ich wusste, dass du bald umkehren musstest. Also hab ich einfach auf dich gewartet und wahllos die Gedanken der Leute, die unterwegs waren, durchsucht – um zu sehen, ob du jemanden aufgefallen bist, der mich zu dir hätte führen können. Es gab eigentlich keinen Grund zur Besorgnis… aber irgendetwas machte mich nervös…“
Ich erinnerte mich nur zu deutlich an diese Besorgnis in mir und diese… ja, fast Verzweiflung, als ich Bella gesucht hatte.
„Ich begann im Kreis zu fahren… und weiter nach Stimmen zu hören. Dann ging endlich die Sonne unter, und ich wollte gerade aussteigen, um dir zu Fuß zu folgen. Und dann…“
Ich brach meinen Satz abrupt ab und biss meine Zähne aufeinander.
Die Gesichter der Männer konnte ich klar vor mir sehen – genauso wie ihre widerwärtigen Gedanken.
Ich richtete den Blick auf die Decke und versuchte angestrengt, mich wieder zu beruhigen.
„Dann was?“, flüsterte Bella, um mich aus meiner Starre zu lösen.
„Dann hörte ich, was ihnen durch den Kopf ging“, knurrte ich leise. „Ich sah dein Gesicht in seinen Gedanken.“
Ich schob eine Hand über meine Augen und versuchte mich zu beherrschen.
„Es war so… schwer, du kannst dir nicht vorstellen, wie schwer, dich nur ins Auto zu laden und sie… am Leben zu lassen.“ Meine Stimme bebte. „Ich hätte dich mit Jessica und Angela fahren lassen können, aber ich hatte Angst, dass ich nach ihnen suchen würde, wenn du nicht mehr bei mir wärst“, verriet ich flüsternd.

Die Stille brach erneut über uns aus – niemand sagte etwas und auch niemand bewegte sich.
In dieser Zeit der Ruhe beruhigte ich mich wieder einigermaßen und versuchte an alles, nur nicht an die Männer zu denken, die Bella bedroht hatten.
„Bist du soweit?“, fragte ich schließlich nach einer Zeit und sah auf, um ihren Blick zu suchen.
„Ich bin soweit“, antwortete sie.
Die Kellnerin tauchte vor uns auf.
„Alles in Ordnung? Habt ihr noch einen Wunsch?“, fragte sie an mich gerichtet.
„Danke, wir würden gern zahlen“, antwortete ich immer noch gedämpft.
Sie war einen Moment lang benommen und wunderte sich über meinen plötzlichen Stimmungswechsel.
Ich hob den Blick und sah sie auffordernd an – das erste Mal, dass ich sie richtig ansah.
„Äh… j-ja klar“, stotterte sie sofort und zog eine kleine schwarze Ledermappe aus der Vordertasche ihrer Schürze hervor und reichte sie mir. „Bitte schön.“
Ich zog schnell einen Schein hervor, schob ihn in die Mappe und gab sie der Kellnerin zurück.
„Stimmt so.“ Ich lächelte und erhob mich.
Bella tat dasselbe und ich betrachtete sie dabei.
„Einen schönen Abend noch“, wünschte die Kellnerin scheinheilig.
Als Bella und ich zur Tür gingen, hörte ich einen Seufzer ihrerseits und sah interessiert zu ihr hinunter.
Sie heftete ihren Blick auf das Pflaster und schien so zu tun, als ob nichts gewesen wäre.
Wir gingen zu meinem Volvo und ich hielt ihr die Beifahrertür auf, bis sie eingestiegen war, bevor ich schließlich selbst auf der Fahrerseite einstieg.
Ich ließ den Motor an und drehte die Heizung hoch, damit sich Bella nicht erkältete und fuhr aus der Parklücke hinaus, Richtung Freeway.
„Und jetzt“, sagte ich bedeutungsvoll, „bist du dran.“

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