Gute Horrorfilme

Bei so einem Thema frage ich mich immer sofort, was eigentlich mit "gutem Horror" gemeint ist - und da sind die Ansichten sehr unterschiedlich.
Für den einen muss möglichst viel Blut fließen, so dass alle Protagonisten knietief darin waten können, für den nächsten ist der Begriff hingegen mit völlig anderen Dingen behaftet.

Für mich sind die besten Horrorfilme diejenigen, in denen man nicht unbedingt viele scheußliche Dinge sieht, sondern die, bei denen der psychologische Faktor im Vordergrund steht.
Filme, in denen das Blut spritzt und wo Eingeweide mit zunehmender Freude auf unterschiedlichste Weise entnommen werden, so was ist für mich kein Horrorfilm... da wird mir vielleicht schlecht, oder vielleicht langweilt mich der ganze Mist irgendwann, aber Albträume bekomme ich davon nicht, sondern ich finds halt mehr oder weniger ekelhaft.
Ein wirklich guter Horrorfilm spielt meiner Meinung nach mit den Erwartungen des Zuschauers und löst Ängste aus, ohne zu viele Einzelheiten zu zeigen.
Daher ist meiner Ansicht nach einer der besten Horror-Filme, den es gibt, „Psycho“ von Alfred Hitchcock aus dem Jahr 1960.

Für einen jungen Menschen, der diesen fast 50 Jahre alten Film heutzutage das erste Mal sieht, ist er wahrscheinlich langweilig, aber er birgt sehr viele Elemente, die damals völlig neu waren, und an denen sich heute noch viele Filmemacher orientieren und der nach wie vor für viele moderne Regisseure als Meilenstein gilt.
Wer sich für Filmkunst und Filmgeschichte interessiert, der kommt an „Psycho“ nicht vorbei.
Die musikalische Untermalung des Mordes ist so grandios, dass sogar heute noch fast jeder sie kennt –1000x kopiert, in ähnlicher Art für viele Filme eingesetzt, und vom Soundeffekt her Vorbild für unzählige Filmemacher – und das nach wie vor, seit 50 Jahren.
Also: Lacht nicht über "Psycho“, sondern versucht, ihn als bahnbrechenden Film zu sehen, dessen Dramaturgie, Soundeffekt und Kameraführung nahezu alle Filme des Horror-Genres auch heute noch beeinflussen.
So war es damals zum Beispiel ein absolutes Novum, dass die Hauptdarstellerin (Janet Leigh, die damals eine berühmte Schauspielerin war) ungefähr nach der Hälfte des Films ermordet wird.
Ich habe den Film das erste Mal gesehen, als ich 9 Jahre alt war (was immerhin schon über 30 Jahre her ist), aber noch heute habe ich ein blödes Gefühl, wenn ich in einem Hotelzimmer dusche.
(Zitat Wikipedia: Die Szene, in der die weibliche Hauptfigur unter der Dusche erstochen wird, zählt sowohl visuell als auch musikalisch zu den bekanntesten und meistzitierten Szenen der Filmgeschichte)
Diese Szene ist gerade mal gute 40 Sekunden lang, ist aber mit über 70 Filmschnitten gedreht worden - und man sieht nicht ein einziges Mal in dieser sehr kurzen Szene etwas grausiges - alle Grausamkeit ist der Fantasie des Zuschauers überlassen - einfach meisterhaft!!!

Wirklich empfehlen kann ich auch „Rosemaries Baby“ (von 1968, und somit auch nicht mehr so ganz taufrisch) – eines der ganz, ganz wenigen Werke, wo ich den Film besser finde als das Buch, aber auch hier gilt: das Grauen kommt auf leisen Sohlen, wer also gerne Blut spritzen sieht, ist bei diesem Film schlecht beraten.
Speziell „Rosemaries Baby“ ist sogar fast schon langweilig, bis man so langsam merkt, was sich da so anbahnt, und für mich ist das der Horror schlechthin:
Alles ist schön, alles ist gut, man wiegt sich in Sicherheit, obwohl sich um einen herum das Böse aufbaut.
(Zitat Wikipedia: Mia Farrow gelang mit diesem Film der Durchbruch als Schauspielerin. Die Meinung der Kritiker und des Publikums war und ist gespalten. Der Horrorfilm stieß vor allem in amerikanischen Kirchenkreisen auf massive Kritik und wurde vom National Catholic Office for Motion Pictures (NCOMP) wegen „Perversion fundamentaler christlicher Glaubensvorstellungen“ und „Verhöhnung religiöser Persönlichkeiten und Gebräuche“ mit dem Prädikat C für „Condemned“ („Missbilligt“) belegt. Dennoch wurde er zum Kassenmagnet.)

Richtig gruselig (und endlich, endlich, spritzt auch bei meinen Empfehlungen mal Blut, wenn auch aus Kostengründen nur in schwarz-weiß): „Night of the living Dead“ – einer der ersten sogenannten Splattermovies überhaupt und der meines Wissens nach sogar dieses Genre erst sozusagen "eingeläutet" hat.
Hier ist wieder das Schema der Bedrohung, und dass weder der Zuschauer noch der Protagonist weiß, wem er eigentlich noch trauen kann.
Dieser Film hat mich darum so sehr beeindruckt, weil er mit einfachsten Mitteln, Laiendarstellern und ohne jedes Budget gedreht wurde, und dennoch so eine bedrückende Atmosphäre vermittelt.
Dämliche Effekte und schlechte Schauspieler - und dennoch der beste und spannendste Splatter-Movie, den ich je gesehen habe.
(Zitat Wikipedia: Die Nacht der lebenden Toten (Originaltitel: Night of the Living Dead) ist ein US-amerikanischer Horrorfilm aus dem Jahr 1968 von George A. Romero. Er gilt als Kultfilm und wurde in die Filmsammlung des Museum of Modern Art aufgenommen. Seit 1999 ist der Film im National Film Registry eingetragen als erhaltenswertes Kulturgut.

Wirklich toll, auch ein Klassiker:
„Shining“ von S. Kubrick, mit Jack Nicolson in der Hauptrolle. (1980)
(Zitat „Lexikon des internationalen Films“: Nur an der Oberfläche ein effektvoller Horrorthriller, ist der Film eine virtuos inszenierte Studie über die Wechselwirkung von Wirklichkeit und Schein, Realität und Illusion, über die traumatischen Abgründe, die sich jenseits des gesunden Menschenverstandes auftun. Die konventionelle Fabel ist der Anlass für eine suggestive Symphonie des Schreckens, die den Zuschauer in seinen Genreerwartungen bestätigt und seinen Blick jedoch zugleich in die Irre führt.)
Allein schon der Sounddesigner hat meiner Meinung nach einen Oskar verdient… das Geräusch des Dreirads in den Gängen des Hotels… *grusel*)

Nightmare Teil 1:
Leider am Schluss ein geradezu lächerlich anzuschauendes Blutbad, aber die Story an sich, nämlich, dass die Albträume real sind, ist toll.
Wer ist nicht schon mal aus einem schrecklichen Traum aufgewacht und wusste nicht mehr, ob er noch träumt oder schon wach ist – und kaum breitet sich die Gewissheit in einem aus, dass man ja – gottlob – wach ist, schon stellt sich das als Irrglaube heraus.
Filmisch meiner Ansicht nach ab der zweiten Hälfte enttäuschend, thematisch grandios.

Zu guter letzt, nicht gerade „grauenhaft“, aber von der Story, der schauspielerischen Leistung als auch der Umsetzung beeindruckend:
„The Others“ , von 2001 mit Nicole Kidman“
Eine in sich wirklich schlüssige Story, die sich des „Gespenster-Film-Genres“ bedient, ohne dabei auch nur eine Sekunde lang platt oder einfallslos zu sein.
(Amazon: Alejandro Amenábars The Others verzichtet auf aufwändige Spezialeffekte zugunsten von Atmosphäre, Klang und Suggestion und bietet damit eine willkommene Rückkehr zu den Gruseltraditionen von Jack Claytons The Innocents und Robert Wises Bis das Blut gefriert.)

Wie gesagt: was ist ein Horrorfilm?
Für mich ist es ein Film, bei dem mir Angst wird, und nicht einer, bei dem ich mir ansehe, welche Möglichkeiten es gibt, einen Menschen auf möglichst unterschiedliche, schmerzhafte und abscheuliche Art zu zerteilen, mir geht es um das Gefühl, was vermittelt wird – und je weniger Scheußlichkeiten man sieht, desto besser finde ich in der Regel den Film.
Wer immer das genauso sieht, dem werden wahrscheinlich die o.g. Empfehlungen für einen „Horrorfilm“ wirklich helfen.

Lg,
Nirak