Forks Bloodbank
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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink

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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty "It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink

Beitrag  Gast Mi 27 Aug 2008, 23:57

Vorwort

Diese Geschichte spielt aus Carlisles Perspektive und beginnt mit Edwards Verwandlung.
Fixieren wollte ich mich hierbei auf die Beziehung zwischen Carlisle und Esme, die meiner Meinung nach in allen Büchern viel zu kurz kommt.
Wie ihr euch denken könnt, gehört keiner der Charaktere mir, sondern Stephenie Meyer "It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 94952
Warum ich ausgerechnet aus Carlisles Perspektive schreibe? Weil er mein absoluter Lieblingscharakter der Serie ist.

Die Geschichte enthält Spoiler aus "Breaking Dawn",
wer dieses also noch nicht gelesen hat und nicht gespoilert werden will,
NICHT LESEN
!


Unter den Kapitelüberschriften steht in etwas kleinerer Schrift das Lied, das ich zum Schreiben des Kapitels höre und das sich auch zum Lesen empfiehlt, weil es (zumindest bei mir ^^) die entsprechende Atmosphäre unterstützt.
Gleichzeitig sind sie ein Link zu Youtube, wo ihr sie hören könnt "It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 94952
Den Namen der Kapitel findet ihr in den Bannern darüber, die ich individuell gestaltet habe!

klick ~ Ich freue mich über jeden Kommentar ~ klick




Prolog:
„Die unerbittliche Zeit“

My Immortal - Evanescence

Die Zeit vergeht langsam, wenn man allein ist. Alles, was man denkt, ist, wie man die Sekunden beschleunigen kann, wie man die Augenblicke wie Seiten eines Buches nach vorn blättern kann. Man hofft auf neue Erinnerungen für spätere Zeiten, Abenteuer. Könnte man nur diese ständige Monotonie verbannen aus der Welt, diesen Überdruss.
Die Zeit vergeht langsam, wenn man allein ist.
Und sie passiert zu schnell, wenn man zusammen ist. Man hat nur wenige Augenblicke der Zweisamkeit. Glücklichkeit schwindet zu schnell zu einer Erinnerung, die Vollkommenheit eines einzigen Augenblicks ist zu schnell vorüber, als dass man ihn vollwertig genießen konnte. Alles, was man sich wünscht, ist, dass man vergangene Momente erneut auskosten darf, wiederholt spüren darf.
Die Zeit passiert zu schnell, wenn man zusammen ist.
Ist das gerecht?
Die unerbittliche Zeit, das Biest, sperrt den Menschen zur Strafe in den schlimmsten Augenblick seines Lebens ein, in dem er für die restlichen Jahre seines Daseins gefangen war. Immer und immer wieder muss man sehen, was das Herz zerriss. Immer und immer wieder die Geräusche hören, die den Wahnsinn im Innern antreiben. Immer und immer wieder versuchen, alles zu verhindern. Immer und immer wieder scheitern.
Die Hölle ist die Wiederholung.
Für mich war es der Augenblick, in dem ich meine einzige und wahre Liebe verlor. Und ich hatte es nicht verhindern können.
Meine einzige und wahre Liebe, die tief in einen eindringt, einen nicht mehr loslässt und sogar in den Tod verfolgt.
Meine Geliebte, deren Tod ich verschuldet habe.
Ich muss ihn immer wieder miterleben, ihren Tod.
Die unerbittliche Zeit.
Zu lang war ich einsam gewesen.
Zu kurz waren wir zu zweit gewesen.
Und nun war es vorbei.
Die unerbittliche Zeit.


Zuletzt von singing_magpie am So 16 Nov 2008, 19:31 bearbeitet; insgesamt 34-mal bearbeitet

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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Kapitel eins

Beitrag  Gast Mi 27 Aug 2008, 23:59

"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 210
This is the Life - Amy MacDonald


Keine Tage würde ich mehr vermissen, als jene, in denen ich in Ohio praktizierte.
Ohio, wo ich sie traf.
Sie hatte sich ein Bein gebrochen und man hatte mich, einen der besten Ärzte in der Umgebung, gebeten, sie zu untersuchen. Sie war erst sechzehn Jahre jung gewesen.
Schon damals hatte ich gespürt, dass sie etwas Besonderes war, und eben das in mir auslöste – etwas Besonderes. Es war ein Gefühl der Neugierde, das ich lange nicht mehr verspürt hatte.
Ich war allein, aber einsam war ich nicht. Meine Arbeitskollegen hatten sich zaghaft, aber immerhin, an mich gewöhnt. Sie spürten, genauso wie sie, dass ich anders war.
Sie hatte es sofort bemerkt. In dem jenen kurzen Moment eines menschlichen Herzschlags, da sie mir in die Augen geblickt hatte, hatte sie gewusst, dass ich... besonders war.
Sie hatte sich das Bein bei einem Fall die Treppe hinunter gebrochen. Ich hatte lächeln müssen, als sie mir das berichtet hatte. Mir hätte es nichts ausgemacht – gewiss nicht. Ich wäre nicht einmal gestürzt. Meine Fähigkeiten waren besonders.
Ich war besonders.
Und sie war es auch. Zumindest für mich. Fürs sie, so jung, zart und so zerbrechlich hätte ich sofort verschwinden sollen, als sich das Besondere bemerkbar machte. In uns beiden. Damals wusste ich nicht darum, dass das Schicksal uns wieder zusammen führen und letztendlich auch trennen würde.
Ihr Name war Esme Ann Platt und sie lebte in Ohio, Columbus.
Als ich mir ihr vorstellte, umspielte ein zaghaftes Lächeln, ihre Lippen. „Dr. Carlisle Cullen. Ein sehr altmodischer Name. Aber er steht Ihnen.“
Wir hatten gelächelt.
Dort hatte ich sie zum ersten Mal getroffen. Genau sechs Wochen lang hatte ich alle drei Tage Hausbesuche gemacht. Und jene sechs Wochen reichten aus, um das Besondere zu spüren.
Aber diese sechs Wochen gingen schnell vorüber. Gemeinsam vergeht die Zeit viel schneller. Zeit bedeutete mir eigentlich nichts, zu viel war davon an mir vorüber gezogen – zweihunderteinundsiebzig Jahre gefangen im Körper eines Dreiundzwanzigjährigen, um genau zu sein – und doch waren jene sechs Wochen... besonders.
Aber sie wurde gesund und so musste ich gehen. Ich ging weit weg, verweilte nicht in Ohio, denn ich wusste, ich würde wieder zu ihr zurückkehren. Das durfte nicht geschehen, was ich kommen sah.
Und so entfernte ich mir von ihr.
Lebte weitere sieben Jahre.
Die Influenzepidemie forderte hunderte Tote. Darunter ein Ehepaar – Edward und Elizabeth Masen. Ihre Augen waren grün, wie das Gras, und ich wusste, dass sie ebenso wie ihr Mann bald sterben würde. In ihren letzten Atemzügen forderte sie von mir, dass ich ihren jungen Sohn, Edward Anthony Masen, retten solle, wie auch immer.
Ich hatte Angst, dass sie herausgefunden hatte, was ich war. Ihr Blick war so eindringlich, als sie flüsterte: „Retten Sie meinen Edward.“
Und so, wie es kommen musste, rettete ich ihn.
Er war der Grenze nah, die kein Wesen je zweimal überschritten hat. Wenige Atemzüge noch. Ich hörte den langsamen Puls, das kraftlose Herz, das verblassende Rauschen des Blutes in seinen Venen.
Blut.
Das Lebenselixier aller Wesen. Auch mir. Nur durch Blut konnte ich leben – beziehungsweise andere am leben erhalten. Ich kostete nur Tierblut. Menschenleben zu fordern für die endlose Zeit, die ich hatte, würde mein Dasein nur beschmutzen. Nie würde ich ein Menschenleben fordern.
Edward Anthony Masen zu retten, war das erste Besondere, was ich in mein Dasein tat – neben dem Retten zahlloser anderer Menschen. Denn ihn musste ich verwandeln. Zu einem meiner Art machen.
Ich brachte ihn zu mir nach Hause, wo ich ihn biss. Er litt furchtbare Schmerzen, die ich nur nachvollziehen konnte, und schrie. Jeder dieser gequälten Laute zerriss mich. Er tat mir furchtbar leid und ich hätte mich hassen können dafür, dass ich ihn an die Ewigkeit bannte. Aber noch mehr hätte ich mich gehasst, wenn ich ihn hätte sterben lassen.
Als seine Qual nachließ, und er die Augen zu einem neuen Leben öffnete, einem neuen Dasein in einer anderen, schönen, aber gefährlichen Welt, hatte das Grün seine Augen verlassen. Rot brannten sie, wie Feuer, und Feuer brannte auch in seiner Kehle.
Er hatte Durst.
Aber vor allem hatte er Angst.
Ich würde ihm helfen.
Edward.
Ich hatte es versprochen.


Zuletzt von singing_magpie am Di 23 Sep 2008, 19:17 bearbeitet; insgesamt 8-mal bearbeitet

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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Kapitel zwei

Beitrag  Gast Do 28 Aug 2008, 18:27

"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 310
Iris - Goo Goo Dolls


„Wo bin ich?“
Seine Stimme war klar und samten. Ich hörte die Verwirrung.
„In Sicherheit. Am leben.“, erklärte ich kurz. Seine feuerroten Augen blitzten auf, als der Durst stärker wurde.
„Aber... was ist geschehen?“, fragte er und sah mich beinahe wütend an. Ich presste die Lippen aufeinander. Ich atmete tief ein und aus, bevor ich sagte:
„Du bist einer meiner Art. Ich habe dich unsterblich gemacht.“
Sofort sprang er auf und betrachtete sich. „Un-unsterblich?“
Ich nickte. Erkenntnis leuchtete in seinen Augen auf.
„Und wie haben Sie das gemacht?“
Ich runzelte die Stirn. „Was meinst du?“
Er sah mich an, als hätte ich etwas völlig Offensichtliches übersehen.
„Sie tun es schon wieder!“
„Was tue ich, Edward?“, fragte ich nach und hob abwehrend die Hände.
„Sie sprechen, ohne die Lippen... da schon wieder!“
Dann erkannte ich, was geschehen war. Der Junge hatte eine Gabe: Er war in der Lage, Gedanken zu lesen.
Kaum hatte ich diese Worte gedacht, veränderte sich seine Mimik. Überraschung, Erkenntnis, Verwunderung.
„Was haben Sie aus mir gemacht? Welches Medikament...?“
Statt zu antworten, offenbarte ich, was ich seit jeher verborgen hatte.
„Vampir?“, flüsterte er lautlos.
Ich nickte und hatte die folgende Reaktion erwartet: Er kauerte sich hin, knurrte und bleckte die rasiermesserscharfen Zähne. Die Wut, die nichtverbrauchte Kraft und das neue Leben machten ihn zornig und gefährlich, also schloss ich die Augen.
„Was tun Sie da?“, grollte er und ich öffnete meine Augen wieder, blickte direkt in seine, die dunkelrot wie Glut funkelten. Überraschung spiegelte sich darin, Überraschung und Zorn.
„Du hast Durst.“, erklärte ich ihm und er kniff die Augen zusammen.
„Woher wissen Sie das?“
Ich überging die Frage. „Komm’, Edward, wir gehen jagen.“
Innerhalb eines menschlichen Lidschlags, befand ich mich am Fenster, er sah mich verdutzt an. „Wie haben Sie...?“
„Folge mir.“, unterbrach ich ihn und er runzelte die Stirn, fragte aber nicht weiter (kannte er die Antwort bereits?). Stattdessen befand er sich an meiner Seite. Ich spürte seine Unruhe, öffnete das Fenster und sprang hinaus, fiel etwa zwölf Meter und landete lautlos und sicher wie eine Katze auf dem Boden.
Edward sah mich an und ich nickte ihm zu. Er sollte mir folgen. Zögernd schwang auch er sich vom Fensterbrett. Ich wünschte, ich wüsste, was er dachte.
„Das wollen Sie nicht wissen.“, presste er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
Mit einem Mal weiteten sich seine Augen, er stieß einen erschrockenen Laut aus. Mit einem Aufschrei presste er sich die Hände auf die Ohren und ich konnte ihn gerade noch auffangen, bevor er auf den Boden prallte.
„Nein!“, schrie er, „Sie sollen aufhören!“
Ich runzelte die Stirn. Hatte ich einen Fehler gemacht? War die Verwandlung doch noch nicht abgeschlossen?
„Was fühlst du, Edward?“
Er wimmerte und krümmte sich, die Hände weiter auf die Ohren gepresst. „Diese Stimmen! Sie sind überall... Ich- ich... ich höre sie in meinem Kopf!“
Ich verstand. „Das sind die Gedanken der Menschen um dich herum. Du wirst dich daran gewöhnen! Komm mit mir jagen, Edward, bevor der Durst dich zu einem Monster macht.“
Er hielt inne und sah mich aus schwarzroten Augen an. „Monster?“
Ich half ihm auf und nahm ihn am Arm mit, während wir durch die Gassen Chicagos rannten. Raus aus der Stadt. Raus aus der Stadt! Bevor seine Instinkte zu mächtig wurden.
Unsere Geschwindigkeit machte uns für menschliche Augen unsichtbar. Eine Tatsache, die nützlich war. Wir allerdings, sahen die Welt weiter messerscharf: Jedes Detail, jeder noch so kleine Fleck entging uns nicht.
Für Edward, dessen Hand sich schmerzhaft um meinen Arm gekrallt hatte, war das alles neu. Er sah mehr. Er roch mehr. Er spürte mehr. Aber vor allem hörte er mehr.
Ich überlegte, wie es sein könnte, jeden einzelnen Gedanken zu hören, jeden noch so kleinen Wortfetzen.
„Was ist mit der Sonne?“, hörte ich Edwards Stimme, „Werde ich sterben, wenn ich sie spüre?“
„Nein.“, antwortete ich. Die Sonne tut uns nichts an. Sie lässt uns nur noch strahlender erscheinen. Eine Tatsache, die mich vor vielen Jahren geschmerzt hatte. „Wieso?“, fragte der Junge.
„Wieso was?“, entgegnete ich.
„Wieso wollten Sie sterben?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nicht jetzt. Jetzt musst du jagen.“
Wir blieben stehen. Der Wald war ruhig. Für menschliche Ohren. Edward und ich, wir hörten jeden Herzschlag, jedes Federschlagen, jeden noch so feinsten Laut. Sogar das Blut in den Venen jedes Lebewesens konnten wir rauschen hören.
„Jetzt jage.“, trug ich ihm auf, „Aber halte dich von menschlichem Blut fern. Nur die Tiere. Und möglichst viel, damit der Durst dich nicht überwältigt.“
Er verstand schnell. Er lernte schnell. Und ich war stolz, als er zurückkehrte, ohne unsere Identität offenbart zu haben.
Er hatte viel getrunken, was gut war. Die Neugeborenen, wie sie in unserer Welt hießen, waren gefährlich, unbezähmbar, wild und vor allem eins: Stark.
Stärker, als die ‚alten’ unserer Art, denn sie hatten viel Blut in sich.
„Jetzt erzählen Sie mir, wie das alles passieren konnte.“, forderte Edward und obwohl ich mich im Innern sträubte, begann ich meine Geschichte:
„Geboren wurde ich 1640 in London als Sohn eines Pfarrers, der mich streng nach den moralischen Werten der Kirche erzog. Und so war es das, was ich unter Hölle verstand, als ich im Alter von dreiundzwanzig Jahren Anno 1663 in einen Vampir verwandelt wurde. Die Schmerzen waren unerträglich. Und als ich erwachte wusste ich, dass ich Blut brauchen würde. Ich wusste alles über Vampire, auch wenn es mir niemand beigebracht hatte. Bücher, Legenden und vor allem der Hexenhammer hatten es mich gelehrt.
Aber Menschen zu töten war unerträglich. Ich konnte es nicht. Dennoch brauchte ich Blut! Und so riss ich mich zusammen, verbannte meine Instinkte in das Bewusstsein und kontrollierte sie. Ich überlegte mir, ob Tierblut nicht dieselbe Wirkung auf mich haben würde. Und so trank ich von den Ratten, den Katzen und streunenden Hunden. Es erhielt mich an dem Leben, das ich nie führen wollte. Als ich schließlich herausgefunden hatte, dass meine Triebe - die grundlose Wut, der Durst nach Menschenblut – zähmbar waren, überlegte ich, wie ich diesem Dasein ein Ende setzen konnte. Viel zu häufig habe ich es versucht – Gift, Messer, Wasser, Pfähle, Feuer... Letztendlich Sonnenlicht. Aber nichts hatte gewirkt. Auch nicht die Sonne. Sie ließ meine Haut nur leuchten, funkeln und glitzern, wie Diamanten im Licht.
Ich hielt mich lange im Verborgenen. Anno 1720 ging ich nach Italien und fand dort gleichgesinnte. Sie waren zivilisierte Vampire wie ich und als sie erfuhren, was mir angetan wurde (nämlich die Verwahrlosung und das Alleinlassen nach der Verwandlung), nahmen sie mich bei sich auf. Sie waren beeindruckt, dass ich der Versuchung menschlichen Blutes widerstehen konnte und dass ich es geschafft hatte, keinen einzigen Mord zu begehen. Ich lebte lang bei ihnen. Und als ich 1905 nach Ohio ging, praktizierte ich Medizin. Ich hatte überlegt, wie ich in diesem endlosen Dasein einen Nutzen finden konnte. Also studierte ich Medizin und wurde Doktor, half den Menschen in der Dämmerung und in der Nacht, tagsüber verbarg ich mich in Wäldern, wo ich jagte, damit ich meinen Patienten kein Leid zufügte. Auch jene mit offenen Wunden, aus denen das Blut nur so strömte, konnte ich heilen. Mit Gewissen, Hoffnung und Strenge.
1918 ging ich dann hierher, nach Chicago, und wurde Physiker.
Und jetzt sind wir hier.“
Edward verzog das Gesicht. „Ja.“, flüsterte er, „Jetzt sind wir hier.“
Ich seufzte und klopfte dem Jungen auf die Schulter.
„Es tut mir leid, Edward, dass ich dir so ein Dasein bereiten musste. Aber ich hatte deiner Mutter versprochen, alles zu tun, was in meiner Macht steht, um dich zu retten.“, murmelte ich und erinnerte mich an ihre grünen Augen.
Edward nickte und senkte den Kopf. „Sie sind tot.“
Ich nickte.
„Ich nehme an, du willst sie sehen?“
Aber er schüttelte den Kopf. „Dr. Cullen, ich bitte Sie“, sagte er eindringlich, „Bitte lassen sie mich nicht zu einem Monster werden.“
Ich konnte es nicht versprechen. Aber ich konnte ihm helfen.
„Nenn mich Carlisle.“
Der Junge ließ die Schultern hängen. „Dann bin ich ab sofort ein anderer Men... ein anderes Wesen.“
Ich lächelte ihm aufmunternd zu. „Du bist jetzt Edward Cullen, mein Junge.“
Seine Lippen zuckten. „Edward Cullen.“


Zuletzt von singing_magpie am Di 23 Sep 2008, 19:40 bearbeitet; insgesamt 9-mal bearbeitet

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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Kapitel drei

Beitrag  Gast So 31 Aug 2008, 02:17

"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 410
Someday Love - Trading Yesterday


Nicht nur für Edward Masen hatte sich alles geändert. Auch ich, der jetzt für eine lange Zeit jemanden an seiner Seite haben würde, hatte eine Veränderung empfunden. Eine Veränderung, die in mir eines der menschlichen Gefühle weckte: Freude.
Es war ein wunderbares Gefühl, ihn an seiner Seite zu haben; ihn, den man nicht umbringen konnte, wenn man eine falsche Bewegung machte.
Es war ein wunderbares Gefühl, ihm die Welt aus dem komplett anderen Blickwinkel zu erklären.
Es war ein wunderbares Gefühl, ihm zu zeigen, wozu er fähig war, was er lieber lassen sollte und wie das Leben in der Dunkelheit funktionierte.
Es war ein wunderbares Gefühl, seine Fähigkeiten zu schulen und zu studieren, ihn zu unterstützen.
Es war ein wunderbares Gefühl, einen Sohn zu haben – denn so sah ich ihn, so fühlte ich ihn. Meinen Sohn.
Stunde um Stunde verstrich.
Tag um Tag verstrich.
Woche um Woche verstrich.
Monat um Monat verstrich.
Und schließlich war es Silvester 1919.
Wir hatten Chicago längst verlassen und lebten in Ashlund, Wisconsin.
Edwards Kontrolle über sich selbst, sein Dasein als Neugeborener waren kontrollierbar; er hatte akzeptiert, dass er das Sonnenlicht nie wieder spüren würde. Dass er nie wieder in der Lage sein würde, ein menschliches Leben zu führen.
Er gab sich als mein jüngerer Bruder aus und hatte begonnen, Bücher zu lesen. Und er lernte schnell, schneller und wirkungsvoller, als er es in seinem Menschenleben wahrscheinlich getan hatte. Musizierte, schrieb Gedichte, lernte Sprachen. Weil er nicht wusste, wohin mit der Zeit. Was meine Gedanken betraf, hielten wir uns beide zurück. Er ging mit der Zeit nicht mehr darauf ein, ich versuchte, sie nicht schweifen zu lassen und lenkte mich mit der Physik und der Chemie ab.
Ich hatte meine Arbeit als Arzt vorerst abgelegt und wirkte also als Physiker im gemütlichen Ashlund. Wieder waren meine Schichten in die Nacht verlegt.
Edward und ich hatten ein kleines Haus am Stadtrand bezogen und als das Jahr sich dem Ende neigte, beschloss Edward, dass es an der Zeit war, dass ich ihm noch mehr erklärte.
„Was soll ich dir erklären?“
„Wie funktioniere ich?“
Eine Frage, die ich mir mehr als einmal gestellt hatte, in vierhundert Jahren. Eine schwierige Frage.
„Was hast du herausgefunden?“
Ich überlegte lange und so verlegte ich das Gespräch. Aber der Junge hatte ein Recht darauf zu erfahren, was er war und wie er funktionierte.
Deshalb bat ich ihn um seine Unterstützung, als ‚vampirische Laborratte’ für die Untersuchung. Ich versuchte vieles. Und fand doch nur wenig heraus.
Doch das, was ich ans Tageslicht brachte, beantwortete Edwards Frage nicht wirklich. Ich hatte herausgefunden, dass Vampire, nicht wie die Menschen dreiundzwanzig, vierundzwanzig Chromosomenpaare haben.
Das brachte Edward nicht viel. Und mir – ehrlich gesagt – auch nicht.
Und so bestand für Edward wieder die Zeit der Leere, wie ich sie genannt hatte. Die Zeit, in der man nicht weiß, was man tun soll. Die Zeit, in der man vor Langweile und Unlust am liebsten eingehen würde.
Aber ich hielt ihn aufrecht, gab mein Bestes, um ihn daran zu gewöhnen.
Während dieses Zeitstrangs, kam mir der Gedanke mit den Werwölfen.
Edward fing ihn selbstverständlich sofort auf und brachte ihn hervor. Mit geweiteten Augen starrte er mich an.
„Werwölfe?“
Ich runzelte die Stirn. So viel hatte ich noch nicht verraten wollen. Zu viel Verwirrung ging noch von ihm aus. Zu viel Unverständnis.
„Ich bin nicht verwirrt.“, gab Edward zurück und ich sah ihn zweifelnd und gleichsam auch belustigt an, als er einen schnellen Blick zu sämtlichen Untersuchungsinstrumenten warf, mit denen ich an ihm experimentiert hatte.
„Nein?“, fragte ich nach und er schüttelte lächelnd den Kopf.
„Nein.“
Dass er lächelte machte mir Mut. Vielleicht hatte ich ihn doch nicht verdammt. Vielleicht hatte ich doch das Rechte getan. Vielleicht hatte ich das Versprechen, das ich Elizabeth Masen vor fünf Monaten gegeben hatte, doch nicht gebrochen.
„Das hast du nicht.“, stellte Edward sofort klar und fing ein Bild von seiner Mutter in meinen Erinnerungen auf, das aufgeblitzt war, als ich mich an sie erinnert hatte.
„Das ist das Freundlichste, was ich je von dir gehört habe, Edward.“, bemerkte ich lächelnd und er lächelte zurück. Stolz.
Wir begaben uns zur Jagd.
Währenddessen verließen wir uns voll und ganz auf die Instinkte, besondere Fähigkeiten wurden verdrängt und so konnte ich meinen Gedanken unterbewusst nachgehen, ohne dass Edward etwas davon mitbekam, der ja ebenfalls rein instinktiv handelte.
Dass ich das Thema ‚Werwölfe’ indirekt verschoben hatte, hatte einen bestimmten Grund: Ich wusste noch nicht so genau, was die Werwölfe mit uns zu tun hatten.
Ich war ihnen schon begegnet, riesenhafte Wölfe, die sich während der Bewegung in ihre Menschen- beziehungsweise Tiergestalt verwandeln konnten.
Ein groteskes Schauspiel von purer Gewalt mit den Launen der Natur, die, meiner Meinung nach, bei diesen Wesen missverstanden wurde.
Es war der pure Instinkt, der sie uns hassen ließ, lautete meine Theorie. Ich glaubte nicht daran, dass sie uns aus reiner Gehässigkeit so hassten und teilweise auch terrorisierten. Ihre Natur war völlig anders – heißblütig zwar, aber ganz und gar nicht aggressiv. Sie waren keine Monster.
Was nicht bedeutete, dass sie nicht gefährlich waren. Zu viele Fälle hatte es gegeben, bei denen Menschen, Vampire und sogar ihresgleichen umgekommen waren, da sich einer von ihnen nicht genau unter Kontrolle gehabt hatte.
Kontrolle.
Das war das Elementarste in dieser Welt.
Kontrolle über Körper und Geist, über Bewusstsein und Instinkt, über human und animalisch.
Als unser beider Durst gestillt war, kam Edward zu meinem Glück nicht auf das Thema Werwölfe zurück, sondern wollte mit mir über sich sprechen.
Er hatte im Laufe der Wochen aufgeschnappt, wie ich über ihn nachgedacht hatte. Wie ich an seine Eltern, die ich behandelt aber schließlich nicht hatte am Leben erhalten hatte, gedacht hatte.
„Du hast mir viele Fragen beantwortet“, sprach er eines Morgens, als wir in Büchern versunken im Raum saßen, „Jetzt möchte ich deine beantworten.“
Ich blickte auf und blinzelte. Das hatte ich nicht erwartet.
„Ich weiß, dass du Dinge über mich wissen willst.“, stellte Edward klar und blickte mich dabei direkt an, „Und du hast dich zurückgehalten. Danke.“
Ich nickte und wollte mich wieder dem Fachbuch über elementare Physik und Chemie zuwenden, aber Edward erhob erneut die Stimme:
„Du hast mir deine Geschichte erzählt.“, sagte er, „Jetzt bin ich an der Reihe.“
Er hatte ja recht. Ich hatte mich häufig gefragt, was der Junge hinter sich hatte. Damit ich einigermaßen einordnen konnte, was ich wann nicht sagen oder denken sollte. Er hatte ja recht.
Aber ich wollte es gar nicht wissen. Ich hatte mir überlegt, wie ich es angehen sollte, wenn. Aber wenn ich ehrlich zu mir war, wollte ich nichts über ein Leben wissen, das ich beendet hatte. Ich wollte Edward nicht dazu zwingen, ihn daran erinnern zu müssen, was er verloren hatte. Was er durch mich verloren hatte.
Doch was war, wenn er darüber reden wollte? Vielleicht suchte er nur einen geeigneten Augenblick, sich selbst bestätigt zu fühlen. Vielleicht suchte er nur einen Grund.
„Nein.“, warf mir Edward die Worte eiskalt und hart entgegen, seine Augen glühten wütend, „Nein.“
Dieses eine Wort.
Nein.
Es schnitt tief.
Mit zügigen Schritten durchmaß er den Raum und verschwand in der Dämmerung. Ich wusste, er würde zurückkehren und ich wusste, er würde keine Dummheiten anstellen.
Und ich akzeptierte, was Edward nicht akzeptieren konnte. Und zwar, dass er immer noch schwach war. Dass er sich zurück zu seiner Familie wünschte.
Die einzigen Möglichkeiten für unsereins zu sterben, hatte ich auch in meinen Gedanken zurückgehalten.
War es selbstsüchtig? Ihn vor dem Tod zu bewahren, weil ich es leid hatte, einsam zu sein? Oder war es nur das Gewissen? Das Versprechen, das ich Elizabeth Masen wenige Atemzüge vor ihrem Tod gegeben hatte.
Hielten nur ihre verzweifelten Worte, die in meinem Unterbewusstsein eingebrannt waren, ihren Sohn am Leben?


Zuletzt von singing_magpie am Mi 24 Sep 2008, 19:12 bearbeitet; insgesamt 6-mal bearbeitet

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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Kapitel vier

Beitrag  Gast So 31 Aug 2008, 02:53

"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 411
Congratulations - Blue October


Ashlunds Küsten waren schön anzusehen, aber gefährlich. Wie das goldene Auge einer Schlange, bevor sie ihre Reißzähne ins Fleisch des Menschlichen schlägt. Ich kam oft hierher um nachzudenken. Es mochte romantisch-kitschig klingen, aber wenn ich nur das Rauschen des Meeres und das Singen der Möwen hörte, konnte ich zumindest verdrängen, was ich vergessen wollte. Den Schmerz –die zerstörte Hoffnung – die Erinnerung. Ich kehrte immer zum selben Ort zurück. Es war ein stiller Fleck, den die Menschen mieden, denn es war zu gefährlich: Ein kleiner Felsvorsprung, den man nur erreichen konnte, wenn man unzerstörbar war.
In der Ferne donnerte es.
Die Dämmerung zum Morgen war meine liebste Tageszeit, denn es handelte ich weder um den verbotenen Tag, noch um die gierige Nacht, in die ich verbannt worden war. Die Morgendämmerung kündigte den Tag an, das Helle. Die Dämmerung war sanft. Sie schmiegte sich an den Himmel wie die Flügel eines Schmetterlings, so zart. Sie legte sich über das Land wie die Umarmung einer geliebten Person.
Donner grollte und trug den Geruch von Regen heran.
Ich philosophierte. Verfiel in eine Mischung aus Melancholie und Traum vom Schönen. Ich empfand Leere und gleichzeitig Genugtuung.
Dank, dass ich die Dämmerung erleben durfte, immer und immer wieder.
Hoffnung, dass der Tag eines Morgens nicht mehr verboten war.
Trauer, dass es doch nie so sein würde.
Und eine Leere, die nie ausgefüllt werden würde. Nein, nicht ganz. Einen Teil hatte Edward ausgefüllt. Er war mir ein Sohn geworden, fürsorglich war er, etwas ungeduldig, wissbegierig und verständnisvoll. Er fragte nur, wenn er es für den richtigen Moment hielt und ich war dankbar, dass Elizabeth Masen einen so eindringlichen Blick gehabt hatte.
Dennoch war die Leere noch zu spüren. Wie ein Strudel verschluckte sie das Schönste eines Momentes, filterte es und ließ nur noch die Tatsache übrig, dass ich letztendlich doch allein war.
Regentropfen perlten über mein Gesicht.
Die Sonne warf einen ersten Sonnenstrahl über das Land und spiegelte sich im Meer. Der einzige Strahl, der durch die dichte, schwarze Wolkendecke drang, die sich am Horizont zu einer abstrusen Wand aufgebaut hatte. Ich spürte, wie meine Haut begann, unnatürlich zu schimmern. Noch würde es keinem Menschen auffallen. Erst, wenn der rote Feuerball sich vollständig aus dem Schwarzblau des Meeres erhoben hatte, würde die Anormalität auffallen.
Ich sog die frische Seeluft ein. Eine leichte Brise fuhr mir durchs Haar und trug den Duft von Blut heran.
Stirnrunzelnd konzentrierte ich mich auf den Menschenduft. Ich roch Angst und Trauer und Verzweiflung.
Wieder donnerte es. Diesmal lauter und ein Blitz zuckte über den Himmel.
Ich blickte zum Rand der Klippe, wo ich schließlich sah, was ich nicht erwartet hatte.
Am Abgrund stand sie. Das honigfarbene Haar umrahmte ihr blasses Gesicht, das von Trauer und Angst verunstaltet war, und wehte leicht im Morgenwind. Die dunklen Augen glitten unsicher über das Meer.
Ein schwaches Lächeln umspielte ihre Lippen.
Ich erkannte sie sofort.
Es war nicht der Geruch, der mich letztendlich auf sie aufmerksam gemacht hatte. Es war die Vertrautheit, die ich auf einmal gespürt hatte. Das Besondere.
Esme Ann Platt.
Sie weinte. Ausgezehrt sah sie aus, schwach und verletzlich.
Es versetzte mir einen Schock, sie so hoffnungslos zu sehen.
Ich blickte mich um und sprang unauffällig zurück auf die Ebene.
Zuletzt hatte ich sie in Ohio gesehen, vor zehn Jahren.
Sie hatte ein gebrochenes Bein gehabt. Sie war jung gewesen.
Zehn Jahre hatten sie kaum verändert – nur noch zarter war sie geworden. Oder täuschte das Morgenlicht?
Der Regen setzte ein und hatte bald eine undurchsichtige Wand aus Wasser und Nebel gebildet.
Ich überlegte, was ich tun sollte.
Was, wenn sie mich sah? Was, wenn sie mich erkannte?
Doch dazu sollte es nicht kommen.
Was ich sah, würde ich nicht vergessen.
Ein Windstoß hob sie leicht an, trug ihre Angst und ihre Hoffnungslosigkeit zu mir und stieß sie schließlich in die Tiefe.
Sofort stand ich am Rand der Steilwand, starrte nach unten, wo sie fiel.
Das Wasser verschlang sie, zog sie zurück in den Ozean und schlug sie schließlich mit voller Wucht gegen die Felskante. Ich hörte ihre Knochen splittern.
Unfähig, mich zu bewegen, starrte ich in die Tiefe. Lauschte nach ihrem Schrei um Hilfe. Nach ihren Herzschlag.
Letztendlich sprang ich ebenso hinab.
Ich spürte weder Wind noch Wasser, weder den Aufprall auf die Felsnadeln, die aus dem Wasser ragten, noch die Kälte des Meeres.
Wo war sie?
Ein Donner hallte von den Felswänden wider und dröhnte mir in den Ohren. Der Regen schlug hart auf die Steine, wie ein Code von Paukenschlägen. Schmerzhaft grollten sie in meinem Kopf.
Ich horchte nach ihrem Herzschlag. Witterte ihren Geruch.
Sah sie, wie sie leblos immer und immer wieder in den Wellen gegen die Wände geworfen wurde.
Rasch schwamm ich zu ihr und langte nach ihrem Körper, drückte ihn an mich und zog mich an der Steilwand hoch. Als Mensch hätte es mir das Fleisch von den Fingern gerissen, aber als Vampir war ich unzerstörbar.
Auf dem Plateau legte ich sie so vorsichtig ich konnte auf den Rücken. Ich durfte sie nicht zu sehr bewegen. So viele gebrochene Knochen. So viele offene Wunden. So ein schönes Gesicht.
Ein Herzschlag.
Einmal kurz.
Ba-Dom.
Mehr nicht. Ich hatte keine Zeit. Schnell musste ich handeln! Schnell, bevor es zu spät war.
Medizin half hier nichts mehr. Ihr ganzer Körper war von den Wunden, Kratzern und Brüchen entstellt, ihre Arme und Beine standen in einem unnatürlichen Winkel zum Körper und auch ihr Nacken schien unförmig.
Medizin konnte sie nicht retten.
Ba-Dom.
Ich ließ meinen Blick über sie gleiten. Der zerschundene Körper.
Und schließlich nahm ich ihr Handgelenk und legte es an meine Lippen.
Biss sie.
Kostete ihr Blut, wenn auch nur für wenige Sekunden. Dann das Gift.
Es färbte ihre Venen violett. Strömte mit einem letzten Herzschlag durch ihren gesamten Körper.
Ba-Dom.
Der letzte Herzschlag.
Krampfartig schlug sie die Augen auf und krallte sich an meine Arm, während sie mich aus schreckensweiten Augen ansah.
Dann schrie sie.
„Verzeih’“, wisperte ich und strich ihr das nasse Haar aus dem Gesicht, als ihr Körper erneut verkrampfte.
Ich musste sie hier wegbringen, bevor der Tag anbrach und jemand ihre Schreie hören könnte.
Edward würde mich finden. Er würde meinem Geruch folgen.
Ich musste sie hier wegbringen.
Irgendwohin. Nur weg!
Der Leuchtturm. Er war verlassen, die einzigen Bewohner waren Seemöwen und Schwalben. Niemand würde sie hören. Niemand würde sie dort suchen.
„Esme Ann Platt“, flüsterte ich während ich sie auf meinem Rücken dorthin trug, „So sehen wir uns wieder.“


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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Kapitel fünf

Beitrag  Gast Mo 01 Sep 2008, 17:53

"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 510
Broken - Seether


Stundenlang saß ich an ihrer Seite, sah, wie sie sich veränderte, spürte ihre Angst und litt mit ihrem Schmerz. Der Durst brannte in meiner Kehle, aber ich konnte noch nicht weg. Das durfte ich nicht!
Esme Ann Platt.
Warum war sie gefallen? War sie gesprungen? Warum?
Was konnte dieser jungen Frau zugestoßen sein, dass sie in ihrem Leben keinen Sinn sah?
Sie hatte ein Kind geboren. Bei einer Untersuchung hatte ich dies herausgefunden. War das Kind der Grund ihres Todeswunsches gewesen? Oder die Tatsache, dass sie schwanger gewesen war? War das Kind unehelich und hatte sie mit dieser ‚Schande’ nicht leben können?
Zu viele Fragen. Und keine einzige Antwort! Ich war mir noch nicht einmal sicher, was den Todeswunsch betraf.
Aber was sonst sollte sie die Klippen hinabgestoßen haben? Ein Windstoß gewiss nicht. Und auch keine Erschütterung.
Ihre Schreie schmerzten mich. Nicht körperlich – seelisch. Ihr solch ein Leid zufügen zu müssen war unerträglich. War es auch schon bei Edward gewesen, aber bei ihr... Ich wusste nicht, was das bedeutete.
So viele Fragen.
Während der Geruch ihres Blutes langsam verblasste, wurde der Durst stärker, aber ich riss mich zusammen. Sie jetzt zu verlassen wäre das Dümmste, was ich hätte tun können.
Ich witterte Edward, wie er sich dem Leuchtturm näherte.
Als er eintrat sah er mich mit erzürnten Augen an.
„Warum hast du das getan?“, knurrte er und ich blickte ihm direkt in die Augen, als ich sagte, was ich nie hatte zugeben wollen:
„Ich weiß es nicht.“
Was das heißen sollte, fragte er mich.
Ich konnte ihm keine Antwort geben, außer derjenigen, dass ich sie nicht hätte sterben lassen können.
„Aber es war ihr Wunsch!“, begehrte Edward auf und ich runzelte die Stirn, „Warum hast du ihn ihr verweigert?“
Ganz einfach: Weil ich das Leben eines Wesens nicht verschulden wollte. Eine Tatsache, die mein Dasein nicht verkraftet hätte.
„Das hättest du nicht! Nun beendest du ihr leben, und nicht sie selbst!“, antwortete er.
„Nein. Das ist nicht wahr.“, gab ich zurück und blickte ihm direkt in die goldenen Augen, die wütend funkelten.
Sein Blick wurde weicher, als er das Chaos in meinem Innern vernahm. Die Fragen, die Erinnerungen, die Gedanken.
Lautlos formten seine Lippen die Worte. „Es war nicht richtig.“
Ich schüttelte den Kopf und hielt Esmes Hand, während sie erneut von einem Krampf geschüttelt wurde. Im Innern ihres Körpers hörte ich das Knacken und Knirschen der Knochen, die sich wieder zusammensetzten und verhärteten.
Ich hörte das zarte Herz immer schwächer schlagen.
Ich spürte, wie die Wärme aus ihrem geschundenen Körper wich.
Sie musste große Schmerzen erleiden. Was sie wohl denken musste?
„Sie hält dich für einen Engel.“, flüsterte Edward, „Sie sieht dich als ihr Licht in die Erlösung. Sie hat dich erkannt.“
Ich schloss die Augen. Ließ Edwards Worte wirken. Es war letztendlich nur noch mehr Verwirrung, die sie hinterließen. Ich spürte Edwards skeptischen Blick auf mir. „Du hast großen Durst.“, stellte er fest, „Ich könnte für dich über sie wachen.“
Er hatte recht, auch wenn ich mich dagegen sträubte. Ich konnte sie nicht im Stich lassen und sie das, was ich verschuldete, die Schmerzen, die Angst, die Qual, nicht allein durchstehen lassen.
„Ich achte auf sie.“, flüsterte Edward und legte seine Hand auf meine Schulter.
Zögernd erhob ich mich und nickte ihm einmal zu. Er lächelte kurz und ich verließ den Leuchtturm.
Ich konnte ihre Schreie bis zum nahen Waldrand hören und hoffte, die Bewohner Ashlunds würden sie nicht vernehmen.
Ihr Leid verfolgte mich sogar in den Wald hinein. Erst, als ich mich ganz meinen Instinkten hingab, der Intuition, vergaß ich sie für einen Moment. Aber als mein Durst gestillt war, spürte ich ihre Angst wieder in mir. Die Schuld ließ mich beinahe über den Boden fliegen, so schnell wollte ich zurück.
Als ich den Leuchtturm betrat, öffnete sie gerade die Augen zu ihrem neuen Dasein.
Blinzelnd richtete sie sich auf und keuchte.
Edward und ich hielten uns zurück, warteten.
Sie rieb sich über das Gesicht, bevor sie aufblickte und ihr Blick suchend durch das kreisrunde Zimmer glitt. Er ruhte schließlich auf mir.
„Dr. Cullen“, flüsterte sie und ich schluckte trocken.
„Sie sind in Sicherheit.“, antwortete ich und nickte langsam, während ich auf sie zukam. Ihre glutroten Augen funkelten.
„Ich weiß.“, lautete ihre Antwort.
„Und Sie haben Durst.“, fuhr ich fort und sie nickte wieder.
„Ich weiß.“
Edward trat hervor. „Sie weiß alles, Carlisle. Über sich und über uns.“
Ich runzelte die Stirn. „Aber woher...? Hat sie ein Gabe?“
„Nein“, entgegnete Edward knapp, „Es war merkwürdig, in ihren Gedanken zu lauschen. Sie hat jedesmal, als du sie berührt hast, einige neue Antworten gesucht und gefunden. Aber das ist nicht ihre Gabe! Es ist... ich würde beinahe behaupten eine Art... Verwandtschaft.“
Esme lachte kurz auf. Ein Geräusch, das einem Windspiel glich.
„Gedankenlesen? Gaben? Ich habe keine Ahnung von alledem. Ich weiß nicht um eure besonderen Fähigkeiten, noch um meine. Ich weiß nur, dass ich gerettet wurde und dass ich jetzt jemand... oder eher... etwas völlig anderes bin. Wie, warum und wozu... Das sind andere Fragen.“, stellte sie klar und ich zog eine Braue hoch.
„Sind Sie sich sicher?“
Ihre Antwort war eindeutig: „Ja, Doktor. Ich will nicht wissen, warum Sie mich gerettet haben, noch was Sie anschließend mit mir angestellt haben. Irgendwann später können Sie mir dies erzählen. Aber nicht jetzt.“
Ich warf einen Blick zu Edward, der zweifelnd die junge Frau betrachtete, die nun wirklich komplett anders reagiert hatte, als wir beide es erwartet hatten. War es ihr egal?
Ich reichte ihr die Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen und sie ergriff sie. Ihre Berührung ließ mich innerlich zusammenzucken. Was war nur los mit mir? Mir war es, als berührte ich zum ersten Mal eine Frau. Verwirrt schüttelte ich den Kopf und ich hörte Edwards amüsiertes Kichern.
Außerordentlich schnell hatte sich Esme an die schärferen Sinne gewöhnt; jeden einzelnen Regentropfen, wie sie draußen wie ein unaufhörlicher Trommelwirbel auf dem Boden zersprangen, jeden einzelnen Atemstoß, den ein Lebewesen tat, jede einzelne Duftspur, die es hinterließ, jedes Detail eines jeden Dinges oder Geschöpfes... Ich erinnerte mich gut an die ersten Stunden mit der Schärfe.
Es hätte mich in den Wahnsinn getrieben. Aber ich war stark genug gewesen, die Angst, die Unkontrollierbarkeit, das Unwissen und die Schuld zu bekämpfen – wenn auch ganz allein.
Die Volturi hatten meine Einsamkeit beendet, wenn auch nur für wenige Jahrzehnte.
Ich spürte Edwards Blick auf mir.
Ein neues Wort. Eine neue Geschichte. Ganz andere Erinnerungen. Manche erholsam, manche tödlich.
Weder die einen noch die anderen konnte ich komplett vor ihm verbergen.
Und doch gab es jetzt Wichtigeres, als sich um die Vergangenheit zu sorgen. Was zählte war die Gegenwart.
„Der Durst brennt so sehr“, grollte Esme, als die neuen Instinkte in ihr erwachten. Sie schien gereizt. Vielleicht sogar gefährlich.
Ihre Hand entglitt der meinen und öffnete die Tür des Leuchtturms.
Der Wind blies ihr neue Düfte ins Gesicht, strich ihr karamellfarbenes Haar aus dem Gesicht und ließ Regentropfen über ihr herzförmiges Gesicht perlen, sodass sie aussahen wie Tränen. Hätte sie geweint, wenn sie es gekonnt hätte?
Ein Blick zu Edward verriet die Antwort.
Ja.
Doch warum, wollte ich nicht wissen.
Es hätte den Schmerz ja doch nicht lindern können.


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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Kapitel sechs

Beitrag  Gast Mo 01 Sep 2008, 19:06

"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 610
Storm - Lifehouse


Ich musste Esme nicht unterstützen. Ich musste ihr nur klarmachen, dass sie sich vom menschlichen Geruch möglichst fernhalten sollte.
„Ich werde sie nicht anfallen.“, murmelte Esme daraufhin und hob das Kinn, um die verschiedenen Aromen des Waldes aufnehmen zu können.
„Ich rieche sie...“, flüsterte sie ehrfürchtig, „Jedes einzelne Wesen in meiner Nähe... Ich höre ihre Schritte! Ich kann sie... kann sie mit jedem Sinn wahrnehmen!“
Ich lächelte. Sie schien wie ein kleines Mädchen, das einen Berg voll Süßigkeiten geschenkt bekommen hatte. Ihre Reaktionen auf das Endlose waren ganz anders, als ich es angenommen hatte. Sie war wirklich schwer einzuschätzen. Ich hatte alles ganz anders kommen sehen, ab dem Moment, da meine Lippen ihr Blut gekostet hatten, wenn auch nur für wenige Sekunden. Entsetzen ihrerseits hatte ich kommen sehen, Angst, Wut. Aber nicht... Verzückung.
Die Tatsache, dass sie den Tieren ihr Leben rauben mussten, schien sie nicht im Geringsten zu berühren.
Aber vielleicht irrte ich mich. Ich hatte es schon einmal getan.
Die zwei wichtigsten Fragen, die mir durch den Kopf geisterten waren die, warum sie sich in den Tod gestürzt hatte und wieso sie mir sofort vertraute.
Edward hatte ganz anders reagiert: Misstrauen, etwas Angst und Wut hatte er zuerst empfunden. Erst, nachdem ich ihm Zeit mit mir gelassen hatte, hatten sich seine Gefühle gewandelt.
Sie jagte schnell und präzise. Sie zögerte nicht einen einzigen Moment, das schwache Rotwild zu erlegen.
Edward hatte gezögert.
Ich hatte gezögert.
Sie war besonders.
„Dr. Cullen“, murmelte sie, als wir unser Mahl beendet hatten und am Waldboden saßen. Sie hatte einen Moment Ruhe gebraucht um die vielen Eindrücke zu filtern und um ihre Gedanken ordnen zu können. Also ruhten wir.
„Dr. Cullen“, wiederholte sie und blickte auf ihre Hände, „Ich habe Fragen.“
Meine Mundwinkel zuckten. Natürlich hatte sie Fragen.
„Fragen Sie nur.“, forderte ich sie auf und machte mich auf die schlimmste aller Fragen bereit. Warum haben Sie mich gerettet?
Aber was Esme Ann Platt über die zarten Lippen kam war nur: „Wie lang war ich bewusstlos?“
Oh.
Das überraschte mich - wirklich!
Es dauerte einen Moment, bis ich antworten konnte. „Zwei Tage.“
Ihre Mimik verdüsterte sich einen Moment. Ich runzelte ebenfalls die Stirn.
Zögernd fuhr sie fort. „Waren Menschen bei der Klippe? Ich meine... nachdem ich...“
„Nein“, antwortete ich sofort. Es war schwierig, auf dieses Thema einzugehen. Für sie, als auch für mich.
„Und... Wurden in der Stadt Suchblätter ausgehängt, oder sowas?“, lautete ihre nächste Frage.
Edward hatte nichts dergleichen erwähnt. „Nein.“
Esmes Gesichtsausdruck wandelte sich erneut. Erst war da Erleichterung, dann Wut, dann Verletztheit. Obgleich sie eine Neugeborene war... sie war zerbrechlich. Wie eine Porzellanpuppe – die Schale scheint hart, aber wenn man zu fest drückt zerspringt sie in tausend Scherben.
„Dr. Cullen... Ich möchte nicht, dass sie nach mir suchen, obwohl mein Herz mir etwas anderes gebietet.“, erklärte sie und blickte mir mit den roten, traurigen Augen direkt in meine. Ich sah die Spiegelung meines mitfühlenden Gesichts darin und nickte.
Fragte nicht.
„Es muss furchtbar gewesen sein, das mit ansehen zu müssen.“, wisperte sie und hätte sie weinen können, sie hätte es getan. Ich wusste das.
Entgegnete nichts darauf.
„Aber ich möchte, dass sie dafür auch den Grund erfahren.“, fuhr sie fort und ihre Stimme wurde fester. Sang wie eine Nachtigall.
„Sie wissen, ich wurde 1895 in Columbus, Ohio geboren.“, begann sie ihre Geschichte.
Natürlich wusste ich das.
„Ich wurde streng erzogen, immer nach den Regeln, da gab es keine Ausnahmen. Ich sollte heiraten, wen man mir vorsetzte, für ihn sorgen, kochen, putzen, in die Kirche gehen und tat ich es nicht, wurde ich mit Verachtung und Schmerzen bestraft.
Und so heiratete ich einen schneidigen, gut verdienenden Soldaten – Charles Evensun, das war 1917, bevor der Krieg ausbrach. Er gab vor, mich zu lieben, ich gab vor, ihn zu lieben. Unsere Ehe schien perfekt.
Dann kam der Krieg und er trennte sich von mir. Keiner von uns beiden hatte Tränen in den Augen, als der Zug abfuhr, der uns womöglich für immer trennen sollte.
Monate vergingen, in denen ich Tag für Tag Zeitungsartikel über die Kämpfe sammelte, mich mit anderen Kriegsfrauen traf um mit ihnen über unsere ach so tapferen Männer zu sprechen, andere zu trösten und mich fälschlicherweise trösten zu lassen. Jeden Monat erhielt ich einen Brief und schickte ihm welche, manchmal auch ein Paket mit Bildern oder Kleidung, einigen Zeitungsausschnitten und mit angeblich vielen Küssen und Grüßen.
1919 war es, da kehrte er zurück.
Verkrüppelt. Mit nur einem Bein.
Die Verstümmelung hatte ihn aggressiv gemacht. Er litt unter Minderwertigkeitskomplexen und ich war diejenige, die diese abfangen musste. Immer, wenn er nachts betrunken zurückkehrte, steckte ich ein, dass ich ihn nicht genug liebte.
Meine Schmerzen schob ich auf seine Angst und seine Verzweiflung – er sah sich nicht mehr als Mann. Er tat mir furchtbar leid. Jedesmal, wenn ich ihn ansah, zerriss es mir das Herz und obwohl meine Freunde es mir rieten und sogar der Pater der Kirche von mir forderte, aus dem Bund der Ehe auszutreten – eine unmögliche Tat, aber der Pater war verständnisvoll -, blieb ich bei ihm.
Ihn zu verlassen hätte ich nicht verkraftet, und das nur, weil er es nicht verkraftet hätte.“
Ich schluckte. Ein mulmiges Gefühl beschlich mich. Hätte ich damals in Columbus bleiben sollen? Vielleicht hätte ich... nein. Gar nichts hätte ich ändern können!
Esme fuhr fort. Ihre Stimme hatte an Bitterkeit zugenommen.
„1920 war er so betrunken, dass er sich nicht beherrschen konnte. Statt mich zu schlagen wollte er anderes. Ich... ich konnte mich nicht gegen ihn wehren. Einerseits, weil er zu kräftig war. Andererseits, weil es mein Gewissen nicht zugelassen hat.
Und so kam es, dass ich schwanger wurde.
Das erste Mal seit zwei Jahren fühlte ich etwas wie Dankbarkeit, Liebe, Fürsorge. Ich wollte dieses Baby. Ich wollte es beschützen und behüten. Wollte es aufwachsen sehen.
Doch da kam mir die Erinnerung an Charles in den Sinn. Er würde dieses Kind ebenso schlagen, wie er mich schlug. Er würde dem Baby dasselbe antun, wenn ich gerade mal nicht zur Hand war.
Und so fasste ich mir endlich ein Herz und floh.
Kam nach Ashlund.
Gebar hier mein Baby.“ Ein schwaches Lächeln umspielte ihre Lippen, doch mit einem Mal war sie viel blasser geworden. Ich wusste, was jetzt kam. Wusste es, bevor sie die Worte aussprach.
„Es ähnelte Charles wie aus dem Gesicht geschnitten. So schön... Das war 1921.
Ich habe mein Kind so sehr geliebt. So sehr!“, wisperte sie heiser, „Und dann starb es. Und ich konnte nicht mehr leben.“
Reflexartig griff ich ihre Hand und drückte sie sanft. Sie blickte auf und lächelte kurz. Dieses Lächeln verriet so viel...
Ich entgegnete dieses und erhob mich. Half ihr auf.
„Wir sollten gehen.“, erklärte ich und sie nickte, atmete tief ein und aus und rannte dann mit mir durch das Dickicht.
Wir würden nicht lang in Ashlund bleiben.
Esme Ann Platts zerstochenes Herz würde das nicht halten können. Ich wollte es heilen.


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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Kapitel sieben

Beitrag  Gast So 07 Sep 2008, 17:55

"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 710
Disenchanted - My Chemical Romance


Edwards Blick ruhte auf mir, während ich meine Bücher packte. Er hatte alles, was er brauchte – Bücher, Kleidung und ein paar andere Habseligkeiten – bereits in einem großen Koffer verstaut.
Esme war erneut jagen, sie hatte großen Durst, also waren Edward und ich allein.
„Dass sie von ihm geschlagen wurde, ist nicht dir zu verschulden, falls du das denkst.“, sagte Edward und ich lächelte kurz. Langsam aber sicher kehrte die Freude zurück. Zu uns beiden.
„Das weiß ich.“, gab ich zurück und ließ mich mit einem schweren Seufzer auf der Couchlehne nieder, „Aber vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn ich da gewesen wäre.“
„Aber du kannst es nicht ändern.“, stellte Edward klar und ich nickte.
„Du hast ja recht.“, murmelte ich seufzend.
Er kicherte. „Ich weiß.“, neckte er, dann fuhr er ernster fort: „Du hast mir einmal gesagt, du wärst da, wenn ich etwas bräuchte. Nun brauche ich ... Geschichte. Ich will wissen, wie dieses Leben entstanden ist, ob wir Feinde haben, Freunde, wo und wann sie zu finden sind, ob wir...“
„Ich denke, ich weiß, was du mich fragen willst“, fuhr ich ihm dazwischen. Ich schmunzelte. Wo sollte ich anfangen?
„Am Anfang.“, schlug Edward vor.
„Es gibt keinen“, lautete meine Antwort und sie machte Edward neugierig.
„Wie jetzt?“
„Es heißt, die Menschen stammen vom Affen ab. Wovon wir abstammen, weiß niemand. Das ist ... einfach nicht da. Es gibt keinen Anfang. Das ist, als würdest du mich fragen, wie die Welt entstanden ist.“, erzählte ich, „Die Vampire waren einfach da, wie das Universum und das Nichts. Wir erscheinen dir unzerstörbar, nicht wahr? Steinharte Haut, übermenschliche Geschwindigkeit, unermessliche Kraft... Das ist das, was man sich als Mensch so sehr wünscht, wenn man mit Kugeln beschossen wird, zu spät kommt oder in eine Prügelei gerät.
Unsterblich, ja. Unbesiegbar, nein.
Selbstverständlich haben auch wir Feinde, wir stehen einfach nicht am Ende der Nahrungskette. Wir haben natürliche Feinde.
Die Werwölfe.“
Edwards Blick verriet viel. Neugier, Scheu, Angst, Faszination, Erwartung.
Ich wusste nicht, ob es richtig war, ihn jetzt darüber schon aufzuklären.
„Bitte, Carlisle.“
Seine Stimme war so flehend. So inständig. Edwards Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln, bevor ich überhaupt etwas gesagt hatte.
„Danke“, sagte er, bevor ich Luft holte.
Ich überlegte, wie ich beginnen sollte, erinnerte mich an das, was ich gelernt hatte.
„Seit Anbeginn der Zeit teilen sich Werwölfe, Menschen und Vampire diese Welt. Sie lebten in Frieden miteinander – wenn man das so nennen kann. Denn die Vampire tranken das Blut der Menschen und töteten sie. Das war der Lauf der Dinge. Und wurden sie zu gierig oder ihre Anzahl zu groß, wurden sie von den Werwölfen... nun ja – zurechtgewiesen. Doch irgendwann wurden die Werwölfe zu streng, die Vampire zu gierig und die Menschen zu widerspenstig. So begannen die Menschen, die Vampire zu jagen und spalteten sie in verschiedene Stämme, hetzten diese gegeneinander auf. Stachelten Vampire und Werwölfe auf.
Beinahe wäre unsere Gattung ausgerottet worden, aber eine Familie verbarg sich, erhielt unsere Gattung am Leben. Und so wurde es oberstes Gebot, die Identität der Vampire und Werwölfe, geheim zu halten vor den Menschen, die zu mächtig geworden waren. Sie lebten damals in Skandinavien, hatten es aber bald leid, dort zu leben. Sie zogen also nach Italien nach Volterra und bildeten somit die Volturi. Sie wachen darüber, dass keine Menschenseele um unsere oder der Identität der Werwölfe weiß.
Zu der Feindschaft zwischen Werwölfen und Vampiren kann ich weiter nicht viel sagen, zu viele Legenden ranken sich darum, aber ich kann dich nur inständig darum bitten, niemals – um unser aller Existenz – einem menschlichen Wesen, von uns zu erzählen.“
Edward spürte die Aufrichtigkeit in meinen Gedanken und nickte. Erleichterung verdrängte Besorgnis.
„Ich habe viel über die Werwölfe nachgedacht. Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass sie einfach nichts für ihre Wut gegen uns können, ebenso wie wir. Ich denke, dass sie missverstandene Wesen sind – um nicht wie ein Psychiater zu klingen – sie sind einfach nur sehr temperamentvoll.“, erzählte ich weiter, „Und stark. Sie sind die Wesen, die seit Anbeginn der Zeit leben, um uns zu töten, wenn sie nur einen Grund finden. Halte dich von ihnen fern. Ebenso werden sie es tun.
Was die Verwandlung der Werwölfe betrifft, gibt es eine einfache Regel:
Einerseits kann Adrenalin die Verwandlung beeinflussen – Wut, Hass, Verzweiflung... Zu viele des aufregenden Hormons bringt den Körper in Wallungen und zerfetzt ihn zu einem schulterhohen Wolf. Ich würde mir das Ganze wie ein See vorstellen, der von einem Deich gestaut wird. Das ist die Geduld. Und wirft man Steine in den See - extreme Gefühle (Adrenalin) - wellt sich dieser und diese Welle kann den See zum überlaufen bringen. So bricht der Deich.
Allein ihre Kraft reicht aus, um einen von uns zu zerreißen. Doch das Tödliche ist, dass sie im Rudel jagen. Wir sind ihnen dann schutzlos ausgeliefert.
Außerde gibt es die... 'Version', dass der Mannwolf selbst entscheiden kann, welchen Körper er annimmt.
Die andere Art der Verwandlung basiert auf dem Vollmond. Diese Art von Werwolf ist extrem stark, anpassungsfähig und vor allem gefährlich. Gefährlicher gar, als ein ganzes Rudel! Ihnen zu begegnen bedeutet den Tod – Waffenstillstand hin oder her, Krieg herrscht immer noch. Und ihnen ist das egal.
Was eine beeindruckende, allerdings auch relativ indiskrete Art der Kommunikation der Wölfe untereinander ist, ist das Gedankenhören und -sprechen."
Wie ich es erwartet hatte, neigte Edward überrascht den Kopf. "Wie jetzt?"
Lächelnd erklärte ich: "Sie sind als Rudel gedanklich untereinander verbunden. Sie nehmen jeden Gedanken, jede schnelle Idee des anderen war, und können so auch miteinander kommunizieren. Nur in ihrer wölfischen Gestalt natürlich.
Noch dazu gibt es den Zwang des Alphawolfes.
Jedes Rudel hat und braucht einen Anführer. Er führt sie an und sie sind ihm unausweichlich ausgeliefert. Was er bestimmt, ist unumgänglich."
Er verstand schnell. So viel musste ich nicht erklären. Aber er schluckte. Ich wusste, welche Frage ihm noch immer auf der Zunge brannte.
„Warum wir einander hassen?“, sagte ich schließlich schulterzuckend, „Weil die Zeit uns dazu bestimmt hat.“
Esme kehrte zurück. Inzwischen waren ihre Augen etwas klarer geworden. Ich lächelte kurz, als ich sie sah.
Sie hatte sich schnell an dieses Dasein gewöhnt.
Inzwischen duzten wir einander und wir hatten uns vorgenommen, sie als Edwards Schwester zu verkaufen. Vielleicht auch als meine Ehefrau. Der Gedanke ließ mich schmunzeln.
„Wir brechen morgen auf?“, fragte sie mit einem Blick auf den Koffer, „Wohin gehen wir?“
„Nicht weit weg.“, antwortete Edward, „Nur ein paar Meilen südlich von hier.“
Esme schien dies nichts auszumachen. Ich hatte das kleine Whitehill als unsere neue Heimat auserkoren, es lag in einem Tal an einem gewaltigen Wald und suchte für die Labore neue Physiker. Ein guter Ort zum Bleiben.
Das Schweigen, das jetzt herrschte, war kein unangenehmes. Im Gegenteil:
Es bedeutete viel, denn wir mussten nicht miteinander reden, um miteinander zu kommunizieren. Denn Schweigen bedeutet viel.


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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Kapitel acht

Beitrag  Gast Mo 08 Sep 2008, 23:13

"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 810
Bright Eyes - Art Garfunkel


Mit dem Winter kamen die Wolken, mit den Wolken der Regen, mit dem Regen die Kälte und mit der Kälte letztendlich der Schnee. Es wurde dunkler und somit konnten wir uns eher aus dem Haus und später dorthin zurück begeben. Wir begegneten häufiger den Menschen. Das tat uns allen gut, Edward am besten. Wenn er in menschlicher Geschwindigkeit durch die Straßen des kleinen Ortes schlenderte, konnte er sich menschlicher fühlen. Eine Tatsache, die mich einerseits erleichterte, andererseits auch besorgte. Er erzählte mir, was die Menschen von uns dachten und ich war überrascht: Die meisten mieden uns nicht, weil ihr Instinkt es ihnen gebot, sondern, weil ihnen unser Aussehen schon zu schön vorkam. Eine Tatsache, die Esme lachen ließ.
„So dachte ich auch das erste Mal, als ich mir ein Bein brach“, sagte sie augenzwinkernd und ich lächelte. Wir verstanden uns gut.
Als es Frühling wurde, spürte ich eine Veränderung. Nicht nur, was die Jahreszeit betraf. Es war etwas in mir, das von innen gegen meinen Körper presste, unbedingt hinaus wollte und mich am liebsten in Stücke gerissen hätte. Aber es war ein ... angenehmes Gefühl.
Als Edward einen ‚unabsichtlichen’ Blick deshalb auf meine Gedankenwelt warf, verzogen sich seine Lippen zu einem Lächeln. Ich fragte nach, aber er antwortete nicht darauf. Und so sehr es mich wurmte, so ließ ich ihn doch. Sollte er doch - sein? Mein? – Geheimnis bewahren.
Nicht nur ich wandelte mich. Esme auch. Ihre Augen hatten die typische Bernsteinfarbe angenommen und sie leuchteten, wenn die Frühlingssonne sich darin spiegelte. Natürlich hielten wir uns der Sonne fern, wenn Menschen in der Nähe waren, aber es war dennoch ein schönes Gefühl, die Wärme der Strahlen auf der Haut zu spüren.
So ging ich häufig gegen Mittag Richtung Wald und auf eine Lichtung, setzte mich in das Licht und gab mich meinen Gedanken hin. Dasselbe Prinzip, wie in Ashlund an der Klippe.
Wo ich Esme getroffen hatte.
An sie zu denken, war anders, als über Edward zu grübeln. Er war so... scheinbar. Esme dagegen – sie hatte eine Art, die mich immerzu schmunzeln ließ.
Die Sonne schien warm und kräftig, ihr Licht ließ meine Haut glitzern und flimmern, ein Schauspiel, das selbst meine alten Augen immer wieder faszinierte.
„Es fühlt sich so natürlich an“, hörte ich hinter mir, „Als ob es nie anders gewesen wäre.“
„Es war nie anders.“, flüsterte ich und wandte mich Esme zu, die mit geneigtem Kopf hinter mir stand, „Nur wir haben uns verändert.“
Sie lächelte und mit einem Mal spürte ich den Drang, sie zu berühren. Einfach nur meine Hand an ihre Wange zu legen. Warum tat ich es nicht? Da war Angst, aber auch Verunsicherung. Doch wovor bloß?
„Das ist wahr.“, antwortete sie und für einen winzigen Moment wusste ich nicht, wovon sie sprach.
„Die Sonne ist dieselbe“, murmelte ich und ging einen Schritt auf sie zu.
Esme schmunzelte und hob die Augenbrauen. „Ich habe früher nie so genau darauf geachtet, wie schön sie ist.“, erzählte sie, „Was für eine Verschwendung.“
„Das Sonnenlicht ist keine Verschwendung an uns“, entgegnete ich und blickte zum Himmel, „Es ist eines unserer Opfer, nie wieder die Sonne...“
„Psst“, flüsterte Esme und legte einen Finger auf meine Lippen. Und auf einmal spürte ich, was ich nie zu fühlen erwartet hätte. Ich wusste nur nicht, was es war.
„Ein Opfer ist die Sterblichkeit. Das Sonnenlicht können wir noch immer fühlen.“
Dann nahm sie meine Hand und umschloss sie mit den ihren. Ich spürte Wärme. Nicht die der Sonne, die im Vergleich zu dem Feuer, das mit einem Schlag durch meinen gesamten Körper strömte, wie ein weiches Glühen prickelte. Nein – dies war eine Wärme, die von Esme ausging, liebevoll und zärtlich und mich komplett ausfüllte. Ob sie die Hitze auch spürte?
Ein Blick auf ihr entspanntes, funkelndes Gesicht, das sie gen Sonne gerichtet hatte, mit geschlossenen Augen, verriet mir so wenig. Ob sie sich erinnerte? Oder waren ihre Gedanken in der Zukunft?
War ich in der Zukunft an ihrer Seite?
Und mit einem Mal ließ sie meine Hand wieder los und das Feuer erkaltete wieder in mir. Ein unschönes Gefühl.
„Als du mich gebissen hast“, begann Esme leise und blickte mir direkt in die Augen, sodass ich meine Züge darin erkennen konnte, „Da sah ich dich als einen Engel, der mich aus der dunklen Kälte in das warme Licht begleitet.“
Unnötig zu erwähnen, dass ich dies schon wusste. Es hätte den Augenblick zerstört.
„Ein Engel oder ein Dämon?“, fragte ich nach, „Denn nicht jedem beliebt das Ewige.“
„Edward ist jung. Er hatte noch Träume, Hoffnungen und Pläne, die ihm jetzt nicht mehr möglich sind.“, erklärte Esme und ihre Worte stachen wie Messer in mein Gewissen, „Aber ich habe vieles gesehen, erlebt und gespürt. Und ich war bereit für den Tod. Nur, dass ich ihn in Gestalt des ewigen Lebens erhalten habe.“
„Für Edward ist die Unendlichkeit ein Fluch.“, presste ich zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und ballte meine Hände zu Fäusten, um das schlechte Gewissen zu unterdrücken. Oder zumindest den Schmerz, den es mir bereitete. Esme runzelte die Stirn.
„Das mag sein, aber es ist unmöglich umzukehren, nicht wahr? Bald wird er verstehen. Und dann ist auch ihm die Unendlichkeit recht.“
Ich mied ihren Blick und ging ein paar Schritte. Weg von ihr, die mich so verwirrte, die meine gerade einigermaßen erfolgreich verdrängte Sorge um Edward wieder aufwühlte und die doch wie Balsam auf meinen Wunden heilte.
Als ich schließlich einen Blick zu ihr zurückwarf sah ich die Verwunderung in ihren warmen Augen, die Sorge und etwas, was ich nicht einordnen konnte.
Verdammt, was war nur mit mir los?
Ich war doch sonst nicht so begriffsstutzig und ungeduldig. Die Geduld hatte mir erst ermöglicht, Leben zu retten! Warum ließ sie mich jetzt im Stich?
Ein kühler Wind wisperte in den Bäumen und verdeckte die Sonne mit Wolken. In der Ferne hörte ich Donner. Die gewohnte Kälte kehrte zurück.
Die Kälte würde immer bleiben, ob die Sonne strahlte, oder nicht.


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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Kapitel neun

Beitrag  Gast Sa 20 Sep 2008, 17:57

"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 910
Time of your Life - Green Day


Whitehills sonnige Tage waren vorerst vorüber. Der Sturm rüttelte an den Fensterläden und Türen unseres Hauses am Stadtrand, teilweise leckte sogar das Dach. Und wir drei saßen stumm in unseren Zimmern.
Edward las in einigen meiner Bücher über Geschichte, Esme zeichnete und ich grübelte, wie ich es so oft tat. Vielleicht zu oft. Ich spürte schon seit längerer Zeit das Bedürfnis, mich einfach mal entspannen zu können, keine Sorgen zu haben, keine Angst. Das Merkwürdige war, dass ich nicht einmal wusste, wovor ich mich fürchtete. Wenn es überhaupt Furcht war, die sich meiner bemächtigt hatte... Diese Gefühle waren komplett neu für mich. Natürlich hatte ich schon Angst gehabt in meinem endlosen Leben – Angst vor dem Tod Anderer, Angst vor der Schuld daran, Angst, zu verlieren, was ich gewonnen hatte.
Aber keine dieser Fürchte war die Ursache meiner jetzigen. Ein skurriles Gefühl. Es füllte mich immer aus. Und es verschwand, wenn ich Edward oder Esme in meiner Nähe hatte.
Esme.
Sie sah mich häufig an, wenn ich ihr den Rücken zuwandte oder las oder etwas anderes tat, bei dem ich sie nicht sehen konnte. Aber ich spürte es. Und es war ein Gefühl, das die Angst verdrängte. Zumindest auch für eine kurze Zeit.
„Was ist mit dem Denali-Clan?“, wollte Edward wissen.
Er hatte sie als eine Erinnerung in meinen endlosen Gedankenwegen aufgeschnappt, als wir auf der Jagd gewesen waren. Auch Esme wurde hellhörig, als ich die Stimme erhob.
„Sie sind sehr gute Freunde von mir. Tanya, Irina, Kate, Eleazar und Carmen haben mich freundlich aufgenommen, als ich von den Volturi gegangen bin. Eleazar war auch einmal bei ihnen in Italien gewesen, aber wie ich hatte er nicht lange bei ihnen bleiben wollen. Der Denali-Stamm ist beinahe genauso alt wie die Volturi. Es sind nur fünf Jahre, die sie voneinander trennen – eine kurze Zeitspanne, die so wenig zählt, wie ein Sandkorn in der Wüste, wenn man ewig lebt.
Lange Zeit war ich ein Mitglied ihres Stammes in Alaska – sie sind übrigens ebenso wie wir Vampire, die sich von Tierblut ernähren. Tanya ist eine meiner engsten Freunde auf der Welt und ich bin dankbar, diese in ihr gefunden zu haben. Leider hatte ich lange keinen Kontakt mehr zu ihnen.“
„Vielleicht sollten wir sie besuchen.“, schlug Esme vor und ein banges Gefühl überkam mich. Wieso nur?
Edward kicherte leise und ich hätte wirklich zu gern gewusst, was in ihm – beziehungsweise mir – vorging.
Aber er blieb weiterhin verschlossen, legte den Schleier des Schweigens über ... meine Gedanken?!
„Sag mir Edward, was los ist.“, bat ich ihn später, als ich meine Arbeit im Physiklabor beendet hatte, „Sag mir, was mich innerlich zerfetzt.“
Edward schmunzelte amüsiert und ich lächelte ebenfalls. „Bitte!“
Schließlich seufzte er. „Ich weiß nicht, ob es klug wäre...“
„Sowas findet man nur raus, indem man es tut.“, beharrte ich und hob die Augenbrauen. Wieso wollte er es mir nicht sagen?
Wieso willst du es mir nicht sagen?
„Weil es eventuell den natürlichen ... Lauf der Dinge stören würde.“, lautete seine Antwort und ich hielt inne.
Der natürliche Lauf der Dinge? Schicksal?
Ich würde es erfahren. Nur die Ungeduld würde es zerstören, also wartete ich. Schalt mich dafür, so hektisch gewesen zu sein – entschuldigte mich bei Edward und Esme. Sie lachte und ihre etwas helleren Augen leuchteten. Ich hätte sie ewig betrachten können.
Irgendwann beschlossen wir, dass wir mal nach Alaska reisen sollten, um meine dortigen Freunde zu besuchen. Es war im Sommer 1921, als wir dort ankamen.
Tanya begrüßte mich herzlich und als ich ihr Edward und Esme vorstellte, leuchteten ihre blauen Augen kurz auf. Irina und Kate warfen sich vielsagende – mir allerdings unklare – Blicke zu und Edward erzählte von seiner Gabe.
Als Eleazar zu uns traf, weiteten sich dessen Augen. Seine Gabe, die Talente anderer Vampire zu identifizieren, hatte Edward sofort ertappt und er konnte nicht mehr von ihm ablassen.
Ich spielte mit dem Gedanken, Esme von ihm nach vielleicht sogar noch verborgenen, unerkannten Talenten zu durchsuchen, aber ich sprach ihn nicht darauf an. Stattdessen unterhielt ich mich lange mit Tanya und Carmen, der Gefährtin Eleazars, während Esme sich an Irina und Kate hielt.
„Warst du eigentlich noch bei den Volturi, als der Bürgerkrieg in Mexiko ausgebrochen ist?“, fragte mich Eleazar eines Tages und ich schüttelte den Kopf.
„Nein. Kurz vorher bin habe ich sie verlassen und bin durch Österreich, die Schweiz und Deutschland Richtung Skandinavien gereist.“
„Dort hast du auch Freunde?“, fragte Esme nach.
„Ja, ein paar wenige.“
„Unser Carlisle ist ein richtiger Weltenbummler.“, scherzte Kate und wir lachten.
„Ich hatte auch viel Zeit“, gab ich zu bedenken.
„À propos Zeit: Ich müsste dringend etwas trinken.“, warf Esme irgendwann ein und ich begleitete sie, auch mir brannte der Durst in der Kehle.
Der Schnee leuchtete im fahlen Licht des Mondes, das auch Esmes Haut matt schimmern ließ, und das sich in ihren Augen brach. Langsam wanderten wir durch den Schnee Richtung Wald und ich verfolgte sie mit meinen Blicken.
Ihre Bewegungen waren fließend und anmutig, ich hätte sie die ganze Zeit ansehen können, sie ließ mich Dinge für eine Zeit vergessen, die mir zusetzten. Schreckliche Dinge, die ich vielleicht sogar hätte verhindern können. Hauptsächlich bei den Volturi, aber auch schon in England hatte das Grauen gewütet. Es wütete alltäglich. Esme ließ mich sie vergessen. Nahm mir einen Teil der Angst und der Wut.
„Die Sterne sind wunderschön“, bemerkte sie. Ich hatte nicht mitbekommen, dass wir stehengeblieben waren und dass sie in den Himmel geschaut hatte.
Ihre Augen glänzten und ich lächelte.
„Ja“, antwortete ich, ohne einen Blick aufs Firmament geworfen zu haben.
Ich sah die Sterne in ihren Augen. Dazu musste ich nicht in den Himmel schauen.
Sie lächelte, dann gingen wir weiter.
Sogar für menschliche Verhältnisse waren wir sehr langsam.
Aber was bedeutete schon Zeit, wenn man die Ewigkeit hatte?


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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Kapitel zehn

Beitrag  Gast Sa 20 Sep 2008, 18:49

"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 1010
Stay - Emmy Rossum


„Als Mädchen habe ich häufig Schneeballschlachten ausgefochten, auch wenn es unanständig war.“, erzählte Esme während unseres Spaziergangs, „Ich bin danach immer völlig durchnässt nach Hause gekommen und habe jedesmal einen gewaltigen Ärger einstecken müssen.“ Sie lachte. „Aber es hat jedesmal wieder Spaß gemacht.“
Ich konnte nur zustimmen. Auch ich hatte in den Straßen Londons damals immer gern mit den Jungs aus der Nachbarschaft im Schnee gespielt. Mein Vater hatte zwar nichts gesagt, aber ich hatte gewusst, dass er dagegen gewesen war. Dennoch...
Langsam gingen wir weiter. Esmes Kichern ließ mich aufhorchen doch in dem Moment bekam ich einen Schneeball in die Seite geworfen. Mit einem schelmischen Grinsen balancierte Esme einen weiteren Klumpen in ihrer Hand und ich schüttelte neckend den Kopf.
„Was Schneeballschlachten betrifft habe ich an dir dreihundert Jahre mehr Erfahrung.“, bemerkte ich grinsend und bückte mich, um in den Schnee zu greifen, als mich der nächste Ball auf dem Oberarm traf. Sofort warf ich meinen in Esmes Richtung, traf sie am Bein und wir lachten.
Wie Kinder versuchten wir, einander mit Schnee zu bedecken. Der Schnee wirbelte auf und das Mondlicht brach sich darin, sodass er in abertausend Regenbögen auf uns nieder rieselte, sich in Esmes Haar verfing und dort glänzte wie Diamanten. Ich hörte ihr helles Lachen wie Glockenklingen in meinen Ohren und es ließ mich ebenfalls lachen. Etwas, das ich lange nicht mehr hatte tun können. Ausgelassen lachen. Einfach nur Glück erfahren.
Ein Windstoß wirbelte mehr Eiskristalle auf und wir hielten inne um die Regenbögen in den Himmel steigen zu sehen.
Esme, hörte ich ihren Namen in meinen Gedanken, einfach nur ihren Namen, immer und immer wieder.
Inzwischen war es tiefste Nacht und die letzten Nordlichter dieses Jahres streiften hellblau, grün und gelb über den Himmel. Ein gewaltiges Naturschauspiel, das mich daran erinnerte, wie sich das Leben anfühlte.
Esme.
Esme.
Esme.

Immer wieder Esme.
Ich sah zu ihr und unsere Blicke trafen sich. Ein Lächeln huschte über ihre Züge und ich erwiderte es.
Ein einmaliger Moment.
Der Durst machte ihn zunichte.
Hasserfüllt fiel er über mich her und ich spürte, wie das Feuer in meiner Kehle brannte und mich von innen zerfraß. Schnell schloss ich die Augen und versuchte, dem Drang zu widerstehen, einfach weg zu gehen und zu töten.
Verzweifelt blickte ich wieder zu Esme. Die Sorge in ihren Augen betäubte den Durst. Die hinterhältige Trockenheit in meinem Verstand schwand. Ihr Mitgefühl war, was die Bestie in meinem Innern zähmte.
„Unglaublich“, flüsterte ich, „Der Durst ist nichts im Vergleich mit diesem Moment.“
Sie lachte und hob die Brauen. „Ist es so schrecklich?“
Ich schüttelte schnell den Kopf. „Nicht schrecklich.“, widersprach ich leise, „Intensiv. Berauschend. Innig. Unendlich.“
Sie kam kichernd auf mich zu und legte ihre Hände auf meine Arme, zog mich an ihnen mit sich auf den Boden in den gewaltigen Schneehaufen, der uns bis zu der Hüfte reichte. Ihr Duft berauschte mich. Ich spürte ihren Körper warm und zart auf meinem.
Intensiv.
Ich strich ihr eine nasse Strähne aus ihrem Antlitz und ließ meine Hand dann an ihrer Wange verweilen. Langsam wie im Zeitraffer zog ich ihr Gesicht näher an meines. Ihr süßer Atem vermischte sich mit meinem, dann berührten meine Lippen die ihren.
Berauschend.
Das Gefühl, nach dessen Bedeutung ich gesucht hatte, wurde mir bewusst. Vier Monate hatte es gedauert. Unter meinen Lippen spürte ich, wie sie lächelte, bevor sie den Kuss erwiderte. Warm und sanft lagen ihre Lippen auf meinen, meine Hände berührten ihr wunderschönes Gesicht, ich spürte ihre Finger auf meinen Schultern.
Minuten vergingen. Sanfte Küsse. Verzehrendes Feuer, das mich vor Glück verbrennen ließ.
Innig.
„Ich liebe dich.“
Unendlich.


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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Kapitel elf

Beitrag  Gast Sa 20 Sep 2008, 22:47

"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 1110
Here comes the sun – The Beatles


Wir verabschiedeten uns von Tanya und ihrem Clan, versprachen, öfter von einander zu hören und den Kontakt nicht abbrechen zu lassen. Wir hatten beschlossen, im Zug zurück nach Whitehill zu fahren – es dauerte länger, aber es war bequemer. Wir lösten Tickets in Anchorage - bei der Frage nach unseren Ausweisen wechselten wir eindringliche Blicke. Selbstverständlich hatten wir Pässe. Nur waren sie gefälscht. Eine Tatsache, die in unseren Verhältnissen eigentlich sehr amüsant war.
Wie auch immer, wir legten sie vor, erhielten unsere Tickets und stiegen in den Zug.
Uns erwartete eine dreitägige Fahrt im Zug. Ein Zwischenstopp an der Alcan Border zu Kanada und ein weiterer in Regina, North Dakota.
Jedesmal für eine Stunde. Jedesmal jagten wir und zapften uns ein paar Blutvorräte in Thermosflaschen. Eine primitive und vor allem gefährliche – dennoch aber belustigend menschliche Art, zu reisen.
Die ganze Fahrt über wurden wir erstklassig mit menschlicher Nahrung versorgt, die wir so oft wie möglich irgendwie zurück auf den Versorgungswagen schmuggelten und hatten eine ganz vergnügliche Reise. Anders, langsam, aber gemütlich.
Die Landschaft zog an uns vorüber, der Zug fuhr durch Regen, Dunkelheit, Sonne und Tag und wir hatten uns nichts zu sagen.
Edward saß Esme und mir gegenüber und las ein Buch nach dem anderen, die Carmen und Kate uns gegeben hatten, und schien uns gar nicht zu beachten. Natürlich wusste er, was uns verband. Und natürlich war er erfreut darüber. Aber er gab vor, sich nicht dafür zu interessieren. Mir machte das nichts aus – ich hatte meine Prioritäten etwas anders geordnet. Inzwischen stand mein Sohn nicht mehr allein an erster Stelle. Da hatte sich jemand dazugesellt.
Irgendwann stand Edward auf, grinste, sagte „Ich mache mal einen auf menschlich“ und verschwand aus dem Abteil.
Vielleicht brauchte er Bewegung? Vielleicht hatte er einfach nur Durst und war draußen jagen und würde später wieder in den Zug steigen. Oder er musste ... einen auf menschlich machen?!
Lächelnd darüber griff ich Esmes Hand und küsste sie. Sie legte diese daraufhin an mein Gesicht, zog dieses zu sich heran und küsste meine Züge von der Stirn bis zum Mund, wo ihre Lippen lange verweilten.
Sie lachte und ihr Atem strich über mein Gesicht.
„Carlisle“, flüsterte sie. Meinen unbedeutenden Namen aus ihrem Mund zu hören schien so unwirklich.
„Sag mir“, murmelte sie, als sie von mir abließ und ihren Kopf auf meinen Arm legte, „Hat dich jemals ein anderes Wesen dieser Welt geliebt?“
Ich lachte. „Ich war ein Einzelgänger, bis ich Edward traf. Sowohl bei meiner Zeit bei den Volturi, als auch bei Tanya.“, erzählte ich wahrheitsgemäß, „Das scheint sich wohl geändert zu haben.“
„Sehr sogar.“, stimmte mir Esme zu und ich küsste ihr Haar.
Das Gefühl der Leere schien vollkommen verschwunden. Da war kein Loch in mir, das das Schöne eines jedes Moments verschluckte. Stattdessen war da etwas, das letztendlich das Gegenteil bewirkte. Es hob das Wunderbare hervor...
In dem Moment kehrte Edward zurück. Sein Haar war vom Wind struppig, seine Augen leuchteten, die Kleider waren nass und überhaupt schien er... zerzaust.
„Du warst draußen?“, fragte Esme nach und ihre Stimme klang besorgt.
„Ich konnte nicht mehr sitzen.“, bemerkte er schulterzuckend.
„Wahrscheinlich würde sich jede andere Mutter Sorgen machen, richtig?“, fragte sie nach und kicherte.
Edward grinste. „Wahrscheinlich.“
Ich erhob mich und streckte mich. „Ich kann nicht mehr sitzen...“, knurrte ich und Esme stimmte mir zu.
„Deshalb war ich draußen.“, antwortete Edward und nickte gen Fenster, „Warum tut ihr das nicht auch?“
„Du meinst, wir sollen...“ Esme kicherte. „Ausbrechen und abhauen?“
Und so wurde Edwards Vorschlag ein ernst gemeinter Plan. Wir packten unsere Sachen in die großen Taschen zurück, leerten die Thermosflaschen und schlichen uns aus dem Abteil, als alle anderen im Zug schliefen. Wir wanderten zum letzten Abteil, wo die Zugteile miteinander verbunden waren und die Schienen laut ratternd unter den Rädern des Zuges krachten.
Zuerst warfen wir die Taschen aus dem Zug, die mit einem leisen Poltern aufkamen. Dann sprang zuerst Edward ins Dunkle der Nacht. Anschließend reichte ich Esme die Hand, mit deren Hilfe sie über das Geländer stieg und sich abstieß. Als letztes sprang ich, landete lautlos wie eine Katze auf dem harten Boden, wich dem nahenden Zug aus und sog die frische Nachtluft ein.
Innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde war ich bei Edward und Esme angekommen, die unsere Taschen aufgelesen hatten.
„Hm“, schmunzelte Edward, „Das ist wirklich originell. Was, wenn sie unser Fehlen bemerken?“
Esme lachte: „Ich denke nicht, dass das ein großes Problem darstellen sollte.“
Ihre Sorglosigkeit war süß, aber ich konnte mich, so sehr ich sie liebte, nicht damit anfreunden.


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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Kapitel zwölf

Beitrag  Gast So 21 Sep 2008, 01:40

"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 1210
Cambierà – Neffa


Wir erreichten Whitehill am nächsten Abend. Dreiundzwanzig Stunden vor dem Zug. Und so wunderten sich meine Mitarbeiter, als ich am nächsten Morgen pünktlich zum Schichtwechsel im Labor stand.
„Wir haben einen früheren Zug genommen.“, lautete meine knappe Ausrede.
„Sie sehen erholt aus, Dr. Cullen.“, bemerkte mein Kollege, „War es ruhig im kalten Denali?“
„Ruhig ja. Aber nicht ereignislos.“, antwortete ich und betrachtete eine Probe unterm Mikroskop, „Wussten Sie, werter Kollege, dass die Nordlichter sogar vom Weltall aus sichtbar sind?“
Mein Mitarbeiter schien etwas verwirrt. Vielleicht war es überraschend, dass ich ein Gespräch mit ihm führen wollte, als wären wir alte Freunde. Vielleicht überraschte es ihn, dass ich überhaupt mit ihm sprach. Hatte ich sonst auch so wortlos dagestanden?
„V-Vom Weltall? Wirklich?“, stotterte er schnell, „Faszinierend.“
Ich stellte die Linse des Mikroskops auf menschliche Verhältnisse schärfer. „Faszinierend, wie diese Probe.“, bemerkte ich, wich zurück und ließ den jungen Mann einen Blick darauf werfen.
„Wirklich... Ist es das, wofür ich es halte?“, brachte er atemlos hervor.
Ich nickte grinsend. „Das denke ich doch, Herr Kollege, Sie sind ein kluger Mann.“
„Das muss ich dem... dem Amt melden, Dr. Cullen, das ist...“ Mehr konnte der wohl sehr aus der Fassung geratene Mann nicht hervorbringen, so schnell rannte er zum Telefon, riss den Hörer aus dem Anker und drehte wie besessen an der Wählscheibe. Das leise Rattern des Zahnrads hallte laut in meinen Ohren wider, wie der wilde Herzschlag des Doktors. Ich spürte, wie ich durstig wurde.
Zuletzt hatte ich gestern abgestandenes, wirkungsschwaches ‚Einmachblut’ aus der Thermosflasche zu mir genommen – kein großer Genuss und überhaupt nicht wirkungsvoll. Nur frisches Blut stillte den Durst.
„Entschuldigen Sie mich, Herr Kollege“, bat ich meinen Mitarbeiter, als er für wenige Sekunden Luft holte, „Aber ich fühle mich nicht wohl. Wäre es möglich...?“
Er nickte eifrig. „Aber natürlich, Dr. Cullen, die Fachgenossen vom Amt sind bald hier, da wird es nur stressig für Sie. Vielleicht haben Sie sich in Denali eine Grippe geholt.“
„Vielleicht.“, nickte ich und unterdrückte ein Grinsen. Stattdessen hängte ich meinen Kittel an den Haken, korrigierte eine Formel, die die Studenten vom Vortag hatten stehen lassen, an der Tafel und hatte das Labor schnell verlassen.
Auf dem Weg nachhause erlegte ich ein Wildschwein, dessen warmes Blut das Feuer in meiner Kehle stillte.
Zuhause erwartete mich Edward, von Esme keine Spur.
„Wo ist...?“
„Jagen. Sie hatte großen Durst.“, antwortete Edward, bevor ich die Frage überhaupt beendet hatte. Er stand zweifelnd vor einer großen Gerätschaft, die ich als Schreibmaschine identifizierte, und legte den Kopf schief.
Das ist eine Schreibmaschine, erklärte ich knapp und Edward rümpfte die Nase.
„Ich weiß. Aber warum steht sie dort?“
„Esme hat sie besorgt?“
„Jap.“
Mit einem schmunzelnden „Hmm“ stellte ich mich neben Edward und beäugte das große, hässliche Ding.
„Was hat sie vor?“, fragte Edward und ich zuckte die Schultern.
„Vielleicht will sie die Bibel übersetzen?“
Wir lachten, in dem Moment kehrte Esme zurück und meine Laune besserte sich um einiges. Edward registrierte dies in mir und grinste selbstgefällig, als ob mein Glück allein ihm zu verdanken wäre. War dem so?
„Liebste“, murmelte ich und ihr Lächeln ließ mich ebenso lächeln, „Wozu steht diese Schreibmaschine dort?“
Esme lachte ein glockenhelles Lachen und drückte mir und Edward einen Kuss auf die Wange. „Das, meine Herren, ist meine neue Freizeitbeschäftigung.“
Zwei wirklich sehr zweifelnde Blicke streiften sie, die die Augen verdrehte.
„Ihr beide habt sehr viel zu tun – Carlisle ist im Labor, Edward hat seeehr viele Bücher und jetzt habe ich das.“, erklärte sie und strich beinahe zärtlich über die verstaubte Tastatur. Das Ding musste an die dreißig Jahre alt sein.
„Also soo sehr viel hab ich auch nicht zu tun.“, bemerkte Edward und ich spürte wieder ein bekanntes Unbehagen, „Tag für Tag habe ich nichts anderes zu tun, als Bücher zu lesen.“
„Du wirst etwas finden, das dir genauso beliebt, wie die Literatur.“, munterte Esme ihn auf, „Dessen bin ich mir sicher.“
„Und was?“, knurrte Edward und das erste Mal kam er mir wie der Jugendliche vor, der er eigentlich noch war.
„Die Musik?!“, schlug Esme vor. Kluge, schöne Esme.
„Und mit welchen Instrumenten?“, gab er zurück und ich lachte.
Das wird das kleinste Problem sein, mein Junge.“, stellte ich klar, „An Geld mangelt es uns ja nicht.“
Und so kam es, dass wir uns zu Silvester 1922 ein schönes, kleines Klavier anschafften. Es war aus dunklem Ebenholz, die bleichen Elfenbeintasten waren etwas abgenutzt, aber dafür war der Ton samten wie Honig.
Edward saß zuerst nur stundenlang davor, wie eine Katze vor dem Mäuseloch, die darauf wartet, dass sich etwas bewegt. Eindringlich betrachtete er das schöne Klavier, als ob er von ihm wollte, dass es etwas tat. Beinahe schon kindisch war dieses Verhalten und Esme und ich machten uns etwas lustig darüber. Was wir nicht wussten war, dass er lernte.
Nicht durch Praxis. Durch die Theorie in seinem Bewusstsein.
Bücher hatte er gelesen. Viele Bücher über Musiktheorie und die Geschichte der Klaviere, hatte Werke von Mozart, Beethoven, Chopin und Mendelsohn-Bartholdy studiert und nun war es an der Zeit, dass er seine Finger rührte.
Was er allerdings noch immer nicht tat.
Nach drei Monaten hatte er jeden Tag nur vor dem Instrument gestanden, nicht einen Ton gespielt.
Noten hatte ich ihm besorgt. Von Edvard Grieg, ein erst vor wenigen Jahren verstorbener Komponist aus Norwegen – als kleiner Scherz der Vornamen wegen. Sie standen unbeachtet auf dem Pult.
Bis ich eines Tages aus dem Labor zurückkehrte und Musik hörte.
Edvard Griegs „Kobold“. Ein primitives Stück mit vielen Vorzeichen und Verminderungen, das allerdings einen eigentlich sehr schönen Zusammenhang ergab.
Wortlos sah ich Edward beim Spielen zu, wie er sich an seinem ersten Stück versuchte.
Nach drei Monaten sturen Anstarrens und Lesens und Erinnerns spielte er nicht etwa Tonleitern oder Akkorde, sondern gleich ein dreiseitiges, sechsfach vermindertes Stück mit beiden Händen und Pedaleinsatz.
Beeindruckend, auch für mich.
Ab dem heutigen Tag würde sich etwas ändern im Hause Cullen, denn die Musik war eingezogen.


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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Kapitel dreizehn

Beitrag  Gast So 21 Sep 2008, 02:27

"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 1310
Love Remains The Same – Gavin Rossdale


Besonders. Seit unserem ersten Treffen vor elf Jahren. Esme Ann Platt.
Meine angebliche verwitwete Schwägerin, oder so ähnlich. Edward konnte sich solche Geschichten besser ausdenken, als ich – was Familienverhältnisse betraf, war er sehr erfindungsreich.
Was unsere eigenen Familienverhältnisse anging, wussten wir allerdings nicht sehr gut bescheid. Einerseits war ich so viel wie Edwards Vater, aber andererseits war ich letztendlich nicht mehr als eine Art Onkel. Und Esme war eigentlich Edwards Mutter, doch sie war nur sechs Jahre älter als er. Theoretisch.
„Eigentlich ja nicht.“, erwiderte er stets, „Denn ich bin ja länger ein Vampir – also im... neuen Leben etwas älter.“
„Eigentlich bin ich auch uralt. Ein Greis!“, lachte ich und Esme kicherte.
„Und trotzdem sind wir eine Familie.“
Sofort stand Edward auf und spazierte lächelnd aus dem Zimmer. Esme kicherte und ich sah ihm fragend hinterher. Was war das? Hatte ich etwas Falsches gesagt?
„Es geht ihm gut.“, besänftigte Esme meine Befürchtungen und ich ließ mich seufzend auf dem großen Sofa nieder.
Esme setzte sich zu mir. „Ich weiß, es ist untypisch.“, flüsterte sie und sogar ich hatte Schwierigkeiten, sie zu verstehen.
„Was ist?“, fragte ich besorgt und strich ihr über das schöne Gesicht. Sie biss sich auf die Unterlippe und mied meinen Blick. Ich war mir sicher – wäre Blut durch ihren Körper geströmt, wäre sie rot geworden.
„Du sagst, wir wären eine Familie.“, murmelte sie und nahm meine Hand von ihrer Wange.
Kälte. Angst.
„Aber das sind wir nicht.“, fuhr sie fort und ihre Worte schnitten tief.
Meine Stimme blieb neutral. Da waren keine Anzeichen der Panik, die sich meiner bemächtigte. „Sind wir nicht?“ Da sprach die Doktorstimme, die den Patienten den Tod versicherte. Keine Gefühle zeigen. Nur die Diagnose. Unheilbar.
„Noch nicht.“
Sie sah mich an und ihre Finger verschränkten sich in meinen. Ich spürte, wie ich ruhiger wurde. Die Unsicherheit schwand. Wieso hatte ich gleich so extrem reagiert?
„Was willst du mir sagen, Esme?“, drängte ich sie, obwohl ich das nicht wollte. Zu nichts wollte ich sie drängen.
Ihr Blick wurde zärtlich, aber auch unsicher.
„Heiratest du mich?“
Heiratest du mich?
„Liebste, ich... Ich bitte dich, frag nochmal.“
„Heiratest du mich?“, fragte sie erneut und presste dann die Lippen aufeinander, bevor sie schnell sagte: „Das musst nicht... könnte verstehen, wenn... wenn du das nicht... Ich kann verstehen, dass... Warten ist...“
Doch bevor sie weiter vor sich hin stotterte, verschloss ich ihre Lippen mit einem Kuss. Mit einem langen, verzehrenden, prickelnden Kuss, der alles verbrannte, was den Moment zerstört hätte. Selbst, wenn ich es gewollt hätte, hätte ich mich nicht von ihr lösen können. Zu mächtig war die Leidenschaft, die uns aneinander bannte. Meine Finger fuhren über ihren Körper, ohne die Lippen voneinander zu lösen, ich spürte die Hitze durch mich pulsieren. Und ähnlich schien es ihr zu ergehen, denn ihre Hände ließen nicht von meinem Körper ab.
Es war nur ein winziger Moment, da mein Mund nicht auf ihrem lag, da sie fragte:
„Ist das ein Ja?“
Zwischen vielen Küssen antwortete ich: „Das ist mehr als ein Ja. Das ist ein Für immer!“
Gier steckte meinen Körper in Flammen, ließ mich nicht mehr klar denken.
Nur sie. Nur sie und ich. Nur wir.
Ich schmiegte mich an sie, bedeckte ihren Körper mit Küssen und konnte nicht aufhören, sie zu lieben.
„Esme“, wisperte ich, immer wieder „Esme“
Sie drückte mich an sich und verbarg ihren Kopf an meiner Brust, während meine Hände über ihren Rücken strichen und ich vor Freude und Glück am liebsten... Unmöglich, etwas zu finden, was mein Glück hätte ausdrücken können.
„Carlisle“, hauchte sie, „Ich bitte dich...“
Begierde. Liebe. Verlangen. Liebe.
„Ich liebe dich.“ „Ich liebe dich.“
Mit heißen Fingern strich ich über ihren Körper und die Sterne, so alt und fern, leuchteten mit einem Mal in einem neuen Licht.


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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Kapitel vierzehn

Beitrag  Gast Di 23 Sep 2008, 18:13

"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 1410
When you look me in the Eyes - Jonas Brothers


Unsere Familie schien vollkommen. Mutter, Vater, Sohn – wie es kleine Kinder spielen. Die Hochzeit war unauffällig und klein – nur Edward, Esme, der Pfarrer und ich. Es ging schnell, aber für mich hätte es nicht länger dauern müssen. So sehr ich daran glaubte, was mein Vater mir eingebläut hatte, so sehr wünschte ich mir doch, dass die endlos scheinenden Predigten etwas kürzer dauern würden. Edward hatte die gesamte Zeremonie über darüber gelacht, was in meinem Kopf vor sich ging. Letztendlich kamen die Worte, auf die ich gewartet hatte, seit wir die kleine Kapelle in Whitehill betreten hatten.
„Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“
Als ob ich das nicht oft genug tun würde. Ich hätte niemals aufgehört, hätte Esme nicht lachen müssen. Ihr Glück war ansteckend und sie fiel mir um den Hals.
Edward kicherte und ich warf ihm einen vielsagenden, vor allem dankbaren Blick zu.
Einen besseren Sohn kann ein Vater sich nicht wünschen.
Edward grinste breit und selbstgefällig.
Es regnete, als wir aus der kleinen Kapelle spazierten.
Weder Esme, noch ich hatten uns einen großen Aufwand gewünscht. Nur einen Ring am Finger zu tragen war das, was das Ganze offiziell gemacht hatte.

So vollkommen mein Glück schien, so machte ich mir doch Sorgen um Edward, der seit der Heirat noch zurückgezogener schien, als er es eh schon war. Esme meinte, es sei an der Zeit, dass er erkannte, welche Hoffnungen er hegen darf, und welche er für immer vergessen kann.
Eine Tatsache, die mich nicht gerade fröhlich stimmte.
Ich erinnerte mich häufiger an Elizabeth Masens eindringlichen Blick, der mich dazu beschwor, ihren Sohn zu retten.
Hatte ich ihn letztendlich gerettet? Oder doch in eine Hölle verbannt?
Esme verstand mich, aber sie war derselben Meinung, wie die Seite in mir, die sich wünschte, einen anderen Weg gewählt zu haben.
„Er war zu jung.“, sagte sie jedesmal. Sie hatte recht.
Aber ich hatte ihn doch nicht sterben lassen können!
Ich hatte es doch versprochen...
„Aber war es richtig, ihm so jung in die Ewigkeit zu verbannen?“
So sehr ich sie liebte, manchmal waren ihre Worte kalt wie Eis. Und sie schmerzten tief und hinterließen Narben. Vielleicht bemerkte sie das nicht. Dafür ich umso mehr.
Es ist dasselbe Gefühl, das Eltern haben, wenn sie hören, dass ihr Kind einen Unfall hatte. Oder wenn man hört, wie viele Kinder jedes Jahr geraubt, vergewaltigt und getötet werden und man nicht weiß, wie lange es noch dauern wird, bis man das Eigene verliert. Als ob tausend heiße Messer die Seele spicken.
Ich spürte Esmes Hände an meinen Schläfen, die sie leicht massierte. Ich schloss die Augen.
„Ich weiß, dass du ihn liebst. Und ich weiß, dass meine Worte dich treffen.“, flüsterte sie und ihre Stimme klang wie Balsam auf meiner wunden Seele, „Und ich bin dankbar, jemanden wie Edward zum Sohn zu haben, da doch mein eigener nicht bei mir blieb.“ Ihre Hände strichen über meine Wangen zu meinen Schultern, wo sie verweilten. „Aber er ist jung. Siebzehn, Carlisle!“
„Ich weiß“, murmelte ich und öffnete die Augen, „Aber ich habe ein Versprechen eingehalten! Ich habe alles getan, was ich konnte, wie ich es versprochen hatte!“
Aus der Verzweiflung wurde Wut. Nicht auf Esme – niemals! – auf die Tatsache, dass ich es nicht geschafft hatte, ihn mit Medizin und nicht mit Vampirismus zu ... heilen. Ich hätte es nicht...
„Edward“, bemerkte Esme, als sie aufblickte und auch ich wandte meinen Blick zur Tür, wo er stand.
Sein Gesichtsausdruck war unergründlich, er ließ keine Emotionen zu.
„Ich wollte auf Wiedersehen sagen.“, sagte er tonlos.
Ich spürte, wie Esme verkrampfte und hielt ihre Hand.
„Du willst... uns verlassen?“, flüsterte sie und ihre Finger verschränkten sich in meinen. Ich erhob mich und straffte meine Schultern.
„Wirst du wiederkehren?“, fragte ich und Edward zuckte die Schultern. Esme drängte sich an meinen Arm, den ich tröstend um ihre Seite legte.
Ihre Stimme klang so unsicher und verzweifelt, dass es mir das Herz zerriss. „Aber... du kannst... Wir werden...“
„Wir sind immer für dich da.“, unterbrach ich sie ernst und Edward nickte mir zu. Wir sahen uns lange in die Augen. Sein Murmeln unterbrach schließlich die Stimme.
„Lebt wohl. Viel Glück.“
Dann war er verschwunden.

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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Kapitel fünfzehn

Beitrag  Gast So 28 Sep 2008, 16:25

"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 1510
Heal Me – Sunrise Avenue


„Wieso?“
„Er will versuchen, zu finden, was ihm fehlt.“
„Was fehlt ihm?“
„Das weiß niemand. Nicht einmal er.“
Ich hatte verstanden, warum Edward gehen wollte. Warum er letztendlich gegangen war. Es war nicht etwa jugendlicher Unfug gewesen, Einsamkeit oder der Drang, sich zu beweisen.
„Es ist gefährlich.“
„Nicht für einen Vampir, der Gedanken lesen kann.“
„Was, wenn er enttarnt wird?“
„Das wird er zu verhindern wissen.“
„Machst du dir keine Sorgen?“
„Natürlich tue ich das. Mehr, als dass ich über ihn nachdenke.“
„Warum hast du ihn nicht aufgehalten?“
„Ich hätte es doch nicht geschafft. Er wird sich schon zurechtfinden.“
„Hättest du es getan, wenn du...“
„Nein.“
„Warum?“
„Weil ich nicht darüber entscheiden kann, was das Beste für ihn ist. Das ist es, so nehme ich an, was er herausfinden will. Ob er noch dazu in der Lage ist, das Menschliche in ihm zu entdecken.“
„Er weiß nicht, wie menschlich er ist.“
„Das wird er herausfinden.“
„Carlisle, ich weiß nicht, ob das richtig war.“
„Es ist nicht leicht. Weder für uns, noch für ihn.“ Ich küsste ihre Stirn und legte meinen Kopf auf ihren Scheitel.
„Was hätte er wohl getan, wenn ich nicht dabei gewesen wäre?“
„Ich möchte nicht an ein Dasein ohne dich denken, Liebste. Was mich wundert ist, was wohl der Auslöser war, und ob er schon länger darüber nachgedacht hat, uns zu verlassen.“
„Ich hoffe, es waren nicht unsere Gespräche oder Gedanken. Darüber, ob...“
„Ob ich ihn nicht lieber hätte sterben lassen sollen?“
Diese Worte trafen mich tief. Meinen eigenen Sohn dem Tod vorwerfen... Der Schmerz in meinem Innern zerriss, was selbst Esmes Liebe nicht heilen konnte. Edward...
„Wir müssen uns damit zurechtfinden.“, sagte ich schließlich, „Wenn er wiederkommt, werden wir für ihn da sein. Ich werde warten. Und wenn es Jahrhunderte dauert.“
„Ich werde Tanya ein Telegramm schicken, dass unser Edward eventuell in...“
„Nein, tu das nicht. Sie wird sich um ihn kümmern, wenn er zu ihr kommt.“
„Ich wünschte, er hätte mir noch ein Stück auf dem Klavier gespielt. Wenigstens ein letztes...“
„Du tust so, als sei er für immer verloren.“
„Ich liebe ihn wie meinen Sohn, Carlisle. Doch deine Liebe zu ihm ist stärker, nicht wahr? Du kennst ihn besser, länger, inniger, als ich.“
„Das tue ich. Aber ich glaube, du und deine Gabe setzen deine Zuneigung meiner gleich. Ihn zu verlieren würde...“
„Meine Gabe?“
„Ich habe nachgedacht. Als du... noch ein Mensch gewesen bist, hattest du die besondere Eigenschaft, nicht hassen zu können. Nicht einmal den Mann, der dich geschlagen und misshandelt hat. Nicht einmal mich, der dich für immer an ein Leben in der Dunkelheit gebannt hat. Diese Eigenschaft prägt sich aus – ich vermute, deine Gabe ist jene, aufrichtig und leidenschaftlich lieben zu können. Abneigung ist dir fremd, Esme. Und ich bewundere dich dafür und kann dich nur noch mehr lieben.“
„Und so aufrichtig und leidenschaftlich liebe ich dich. Ich könnte dich niemals hassen, Carlisle, nicht einmal in hunderttausend Jahren. Wir sind eine Familie, die nur fünf Jahre angehalten hat, ehe die Ewigkeit sie zerrissen hat.“
„Wir sind nicht zerrissen. Wir sind nur entfaltet.“
„Wie lange wird es dauern?“
„Wir müssen weiterziehen. In den Westen.“
„In den Westen.“
„Ich liebe dich.“

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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Kapitel sechzehn

Beitrag  Gast So 28 Sep 2008, 17:16

"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 1610
The last Unicorn - Jimmy Webb


1929 zogen wir nach Utah. In das kleine Dorf genannt Whispersflight. Es befand sich mitten in einem Tal, genannt das Arches National Monument, umgeben von Wäldern, umrandet von den gigantischen, schneebedeckten Bergen. Obwohl es sehr warm und hell in Utah war, schoben sich doch meistens dichte Wolkendecken vor die Sonne, sodass unsere Haut niemals glitzerte. Manchmal schimmerte sie ein wenig, aber das registrierten die schwachen Menschenaugen nicht.
Mein Leben hatte sich so verändert.
Vor elf Jahren hatte ich in Edward einen Sohn gefunden, vor acht Jahren hatte ich die Liebe meines Daseins gefunden, sie geheiratet und vor erst drei Jahren hatte ich meinen Sohn wieder verloren.
In Whispersflight arbeitete ich als Arzt im Krankenhaus, das nur drei Kilometer entfernt in der Stadt Nohsdump. Das „Soul’s Sacred Place Hospital“ war eins der am besten ausgestatteten Krankenhäuser dieser Zeit und es fiel mir umso leichter, Leben der Menschen zu retten. Esme betrieb in Whispersflight eine kleine Parfümerie, sie begründete dies damit, dass sie gern die verschiedenen Zutaten aus den Düften erriet und meiner Nase außerdem mal einen anderen Geruch gönnen wollte.
„Aber du duftest für mich besser, als jedes Parfüm oder jede Blume der Welt es vermag.“, hatte ich ihr gesagt und sie hatte gelacht.
Das „Soul’s Sacred Place Hospital“ – kurz „SSP“ – war eine Art Oase der fortschrittlichen Medizin.
Bald schon hatte ich Aufstiegsmöglichkeiten genutzt und war nun Oberarzt der Neurochirurgie. Ich bemerkte selbstverständlich die heimlichen, manchmal aber auch offensichtlichen Blicke, die Schwestern oder Pflegerinnen mir zuwarfen, aber ich setzte meinen Ehering nicht einmal bei Operationen unter den Handschuhen ab, und somit sollten sie eigentlich wissen, dass sie... nun ja... keine Chance hatten.
Dennoch machte es mir Spaß, im SSP zu wirken. Die Atmosphäre hier war viel offener und entspannter als in den anderen Krankenhäusern, in denen ich geheilt hatte. Nicht so verklemmt und für sich.
So kam es eines Frühlingsabends, da ein Mädchen auf die Intensivstation kam. Ihr Kopf war mit vielen, dicken Verbänden umwickelt, ihr Gesicht war blau und violett geschwollen und sie hatte eine Halsstütze. Sie war vielleicht vierzehn Jahre alt und hatte schwarzes, lockiges Haar bis zur Schulter, braune Augen und hellbraune Haut. Sie war ein hübsches Kind und ich fragte mich, was geschehen war, dass sie in diesem Zustand ins Krankenhaus musste. In ihrer Akte stand etwas von einem Sturz die Treppe hinunter, aber ich konnte nicht glauben, dass solche Verletzungen von einem simplen Fall resultierten. Name, Alter und Herkunft des Mädchens waren unbekannt.
Als sie die Augen aufschlug, sah sie sich mit Schrecken in den Augen in dem kleinen, blassblauen Zimmer um. Ihr Atem ging schneller, als sie erkannte, dass sie sich kaum bewegen konnte, Schmerzen hatte und nicht wusste, wo sie sich befand.
„Ganz ruhig“, beruhigte ich sie, „Du bist in Sicherheit.“
Mit starrem Blick starrte sie mich an.
„Bin ich im ‚Soul’s Sacred’?“, fragte sie und ihre Stimme war warm wie Holz.
„Ja“, antwortete ich, „Ich bin Dr. Cullen. Wie ist dein Name?“
Das Mädchen runzelte die Stirn und ich sah, wie ihr Tränen in die Augen stiegen, die sie allerdings schnell weg blinzelte.
„Ich weiß nicht“, flüsterte sie und ich schmunzelte.
„Weißt du, was vor deinem Erwachen hier war?“
Eine Weile überlegte sie. Jetzt hätte ich Edward gut gebrauchen können.
„Ich weiß nur, dass ich unbedingt loslassen wollte. Aber ich konnte nicht. Dann... nichts mehr. Was ist los mit mir, Dr. Cullen?“
„Durch einen Sturz hast du dein Gedächtnis kurzzeitig verloren. Aber keine Angst, das wird nicht von Dauer sein.“, erklärte ich, „Kannst du dich vielleicht an irgendwelche Angehörigen erinnern? Freunde? Familie?“
Das Mädchen schüttelte langsam den Kopf, was ihr Schmerzen bereitete.
„Ich gebe dir ein Sedativum, damit die Schmerzen nachlassen... Am besten ist, du ruhst dich wenig aus. Ich komme nachher nochmal und werde dir ein paar Fragen stellen. Wenn was ist, drück auf den Knopf, dann kommen die Schwestern.“, erklärte ich und erläuterte noch ein paar andere, medizinische Sachen, bevor ich zurück in den OP ging, um einem Mann mittleren Alters die Kopfhaut vom Schädel zu schälen, den Knochen aufzubohren und einen Tumor zu entfernen. Eine knifflige Angelegenheit damals. Es gab ein paar Komplikationen, aber mit Hilfe vieler Hände konnte der Mann gerettet werden.
An diesem Abend kehrte ich nochmal zu dem Mädchen zurück, aber sie wusste nur noch, dass sie im Waisenhaus gelebt hatte.
„Das ist gut“, sagte ich, „Es gibt nicht viele Waisenhäuser in der Gegend. Zwei oder drei, wenn ich mich recht erinnere. Morgen werden wir wissen, wo du hingehörst.“
„Ich weiß nicht, ob das so gut ist.“, murmelte sie, wohl mit der Absicht, dass ich es nicht hörte, aber durch mein feines Gehör, das sogar ihren Herzschlag und das leise Säuseln des Blutes in ihren Venen vernahm, hatte ich alles verstanden.
„Ich werde mich mal umhören, aber noch nichts preisgeben, solange niemand nach dir fragt.“, erklärte ich und das Mädchen nickte leicht.
Das namenlose Mädchen.

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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Kapitel siebzehn

Beitrag  Gast Do 02 Okt 2008, 00:16

"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 1710
Yesterday - Paul McCartney


Das namenlose Mädchen gehörte zum ‚West Nohsdump Orphanage’ und trug wahrscheinlich den Namen Melinda. Der Leiter des Waisenhauses war Reverend Cosby aus Nohsdump und er war ein geiziger, alter, skrupelloser Mann, der Kinder als eine Plage ansah und sie auch entsprechend behandelte. Viele der Gräber auf dem Kinderfriedhof hatte man seiner Vernachlässigung zu verdanken – jeder wusste es, aber niemand sprach es aus und so wurde auch nichts unternommen.
Melinda musste geflohen sein, denn als ich nach einem verschwundenen Mädchen fragte, wurde er fuchsteufelswild und schrie: „Das kann ja wohl nicht wahr sein! Haben Sie die kleine Ratte etwa in Ihrem Krankenhaus?! Ich werde sie holen kommen, und dann kann sie was erleben!“
„Mr. Cosby“, sagte ich ruhig und wischte mir unauffällig den Speichen aus dem Gesicht, „Ich habe nie erwähnt, dass wir ein Mädchen mit Namen Melinda im SSP behandeln. Ich fragte nur nach einem verschwundenen Kind.“
Er runzelte die Stirn und musterte mich mürrisch von oben bis unten.
„Sie sind ziemlich jung für einen Arzt.“, bemerkte er, „Wann haben Sie begonnen, Medizin zu studieren?“
Vor zweihundert Jahren.
Ich ging nicht darauf ein. „Das tut jetzt nichts zur Sache, Mr. Cosby. Wie sieht das Mädchen aus, das Sie vermissen?“
„Dunkle Haare, dunkle Augen, etwa so groß und zwölf Jahre alt.“, grummelte er und ich wusste, dass es Melinda war, die unter meiner Obhut stand.
„Ich danke Ihnen“, sagte ich, „Dürfte ich mich im Waisenhaus ein wenig umsehen?“
Ich starrte ihm direkt in die Augen, in denen ich einen Anflug von Angst und Unruhe entdeckte. Er wusste, was geschehen würde, nachdem ich einen Blick in das heruntergekommene Haus geworfen hatte.
„Natürlich.“
Ich nickte ihm zu und ließ mir von ihm die Tür öffnen. Es war dunkel. Überall war es dunkel. Keine Bilder, keine Pflanzen, dreckige Fenster, keine Teppiche, nur blankes, schwarzgraues Holz, keine Basteleien von kleinen Kindern, kein Spielzeug.
Das war kein Ort für Kinder, dies war eine dunkle Höhle, in der alles verschlungen wurde, was Freude brachte.
Aus dem Obergeschoss ertönte Gepolter und der Reverend drängte sich an mir vorbei, stürmte die Treppe hoch und kurz darauf hörte ich Türen knallen und den Reverend brüllen. Daraufhin nur Schluchzen.
Stirnrunzelnd betrat ich die Küche, die groß, karg ausgestattet und dreckig war. Vergammelte Essensreste und dreckiges Geschirr.
Ein Junge stand an der Spüle und ließ braunes Wasser in das Waschbecken laufen. Als ich eintrat, starrte er mich hasserfüllt an. Unter seinen bösen Augen lagen tiefe Schatten und er hatte Beulen und Kratzer am Kopf. Entweder war er kopfüber die Treppe hinunter gesprungen, oder der Reverend...
„Wer sind Sie?“, fragte er und seine Stimme war rau wie Schmirgelpapier.
„Mein Name ist Dr. Cullen“, antwortete ich und ging auf ihn zu, doch er griff hastig in die Spüle und zog ein Messer hervor. Ich blieb stehen und hob die Augenbrauen.
Ich fragte nach seinem Namen. Langsam legte er das Messer zurück, bevor er antwortete: „Ebenezer Greyhound.“
„Wie lange bist du schon hier, Ebenezer?“
„Zwölf Jahre. Seit ich zwei bin. Meine Eltern sind an einer Epidemie gestorben. Meinem Onkel war ich egal und deshalb bin ich hier.“
„Kennst du Melinda?“
In dem Moment, in dem ich ihren Namen aussprach, begannen die Augen des Jungen, zu leuchten und der Hass darin verblasste augenblicklich.
„Melinda? Geht es ihr gut? Ist sie in Sicherheit?“
Er hatte seine Arbeit jetzt ganz vergessen, ließ Geschirr und Schwamm zurück in die Spüle fallen und ging auf mich zu.
„Also kennst du sie?“ Dumme Frage.
„Natürlich! Ich habe ihr geholfen, auszubrechen, sie wollte ihre Eltern finden und mich dann holen kommen. Aber wir wurden erwischt, aber sie konnte irgendwie raus. Aber ich wurde geschnappt und deshalb muss ich jetzt ein Jahr lang den Küchendienst machen.“, erklärte er schnell und ging noch einen Schritt auf mich zu. „Bitte“, flüsterte er eindringlich, „Sagen Sie mir, wie es ihr geht!“
Sachlich und ohne irgendwelche Emotionen schilderte ich dem Jungen, der sich wohl sehr um das Mädchen sorgte, die Situation.
„Sie hat eine Gehirnerschütterung und eine gebrochene Rippe, außerdem viele Prellungen und Blutergüsse. Ihr fehlt jede Erinnerung.“
Ebenezer erbleichte und ihm klappte der Mund auf. „Jede Erinnerung?“
„Sie wusste bis heute nicht, dass sie in einem Waisenhaus gelebt hat. Aber die Erinnerung kehrt langsam zurück. Wenn du sie so gut kennst, könntest du sie besuchen. Vielleicht hilft das ihrem Gedächtnis auf die Sprünge.“
„Ja, bitte, ja!“, rief Ebenezer und nickte eifrig, doch kurz darauf verstummte er.
„Was ist?“, fragte ich nach.
„Der Reverend wird es nicht erlauben.“, murmelte er und seine Stimme war schwer von Kummer.
Meine Idee war riskant. Sehr sogar. „Der Reverend muss es nicht erfahren.“, murmelte ich und die Augen des Jungen weiteten sich.
„Ich komme morgen Nacht, Ebenezer“, sagte ich, „Und wenn Melinda es wünscht, werde ich dich zu ihr bringen.“
Damit nickte ich ihm zu, verließ das verrottete Gebäude und nahm mir vor, große Geldmengen an eine Firma zu geben, die dieses Haus renovierte. Aber zuerst musste ich Ebenezer und Melinda vereinen. Ich wusste, dass sie einander sehr gern hatten und es war meine Pflicht, ihnen dabei zu helfen, einander wiederzufinden.

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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Kapitel achtzehn

Beitrag  Gast So 16 Nov 2008, 19:30

"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink 1810
Wonderland - Sunrise Avenue


„Er hat sie verloren, als sie gemeinsam ausbrechen wollten. Nun kann sie sich nicht an ihn erinnern und er ist in dem Waisenhaus gefangen, wie ein Verbrecher.“
Esmes Blick nach zu urteilen, konnte sie mit den beiden mitfühlen. Tröstend strich ich mit den Fingern über ihre Wange. Sie streckte sich auf dem Bett, das wir uns teilten, um uns schlichtweg auszuruhen und...
„Und du willst sie vereinen.“, sagte sie leise.
„Ebenezer war so aufrichtig und Melinda so verzweifelt... Sie haben es nicht verdient, voneinander getrennt zu sein.“
Esmes Lächeln ließ mich ebenfalls Glück empfinden. Ich liebte sie so sehr.
„Was hast du vor? Wie willst du Ebenezer aus dem Waisenhaus holen? Der Reverend bewacht es, wie ein Gefängnis.“
„Es ist ein Gefängnis.“, gab ich bitter zurück und drehte mich auf den Rücken. Erschöpft starrte ich zur Decke, während mir die Erinnerungen des heutigen Tages weiter durch das Bewusstsein geisterten. Die zugigen Fenster, die schimmligen Wände, das Weinen der Kinder, Ebenezers verzweifelter Blick...
„Wie willst du den Jungen da rausholen?“
„Ich hole ihn morgen Nacht. Er sagte, er wollte aus dem Fenster in seinem Zimmer klettern und auf dem Dach der Terrasse davor warten, bis ich komme. Dann bringe ich ihn hierher, sofern du damit einverstanden bist. Ich habe gesehen, in welchem Zustand er ist – abgemagert, schwach und angsterfüllt.“
„Wir müssen ihn aufpäppeln. Und wir müssen etwas gegen den Reverend unternehmen.“, beschloss Esme und ich küsste ihre Hand.
„Du bist so verständnisvoll und gütig und liebenswert... Ich weiß gar nicht, wie ich jemals ohne dich weiterleben könnte.“
„Dann lassen wir es nicht zu, Liebster.“
„Es sind jetzt acht Jahre vergangen, seit ich dich verwandelt habe.“, erinnerte ich mich und küsste ihre Lippen. Es war immer noch unglaublich, was für eine Wirkung die winzigsten Berührungen in mir auslösten. Ein überwältigendes Gefühl.
„Zwei Jahre ist es her, dass Edward uns verlassen hat.“
„Wo er wohl sein mag?“, überlegte ich.
„Ich denke nicht, dass er in Denali ist. Vielleicht ist er nach Europa oder gar Asien gezogen.“
Ich warf einen Blick aus dem Fenster. Bis Mitternacht war noch Zeit. Esme schien dasselbe zu denken und das Feuer in ihren karamellfarbenen begann zu lodern, ebenso wie die Sonne zwischen uns, die uns fiebern ließ.
Als die Nacht vollkommen schwarz war, rannte ich zum Waisenhaus und verbarg mich an besagter Stelle vor der Terrasse im Gebüsch. Es dauerte nur wenige Sekunden nach den Glockenschlägen der nahen Kirche, da hörte ich Schritte im Innern des Hauses, ein quietschendes Fenster, schneller Atem und die knarrenden Schritte auf dem Dach der Veranda. Ein Schatten krabbelte aus dem Fenster, über die Ziegel und ließ sich an der Regenrinne hinunter gleiten.
Ich trat aus dem Schatten und ging ein paar Schritte auf Ebenezer zu, der erschrak, weil er mich nicht kommen gehört oder gesehen hatte.
„Dr. Cullen, kann ich zu Melinda? Bringen Sie mich ins Krankenhaus? Ich habe alle meine und ihre Sachen dabei.“, flüsterte er und deutete auf einen Rucksack, den er geschultert hatte.
Ich betrachtete ihn kurz. Er hatte Schläge einstecken müssen. Schon morgen früh würde ich der Polizei melden, wie es um die Kinder im Waisenhaus stand.
„Ebenezer“, sagte ich und sah dem Jungen in die Augen, „Kannst du ein Geheimnis für dich bewahren?“
Der Junge nickte zögernd und erwiderte meinen Blick. Ich wusste, dass er es ernst meinte.
Dann nahm ich ihn huckepack und rannte in vampirischer Geschwindigkeit durchs Dickicht, über Dächer, durch Gassen und auf Straßen, der Junge klammerte sich an meinen Körper, kein Wort kam ihm über die Lippen.
Erst, als wir vor Esmes und meiner Wohnung standen, löste sich sein Würgegriff, der mir natürlich nichts ausmachte, und er schnappte nach Luft.
„Ebenezer“, murmelte ich und öffnete die Tür, „Das bleibt unter uns, ja?“
Seinem schwachen Nicken nach zu urteilen, ging es ihm nicht mehr so gut, wie eben und ich fragte mich, ob ich vielleicht doch etwas zu schnell gelaufen war.
Esme erwartete uns bereits und als sie das bleiche und verdatterte Gesicht des Jungen sah, wanderte ihr Blick zu mir. Sofort wusste sie, was geschehen war.
Ich versuchte, zu lächeln, aber ihr Gesichtsausdruck strafte mich. Sie wusste um den Schmerz, der mir dieser Blick bereitete, und kam sofort auf mich zu, drückte mir einen flüchtigen Kuss auf die Lippen, dessen Wirkung noch lange anhielt. Wie Feuer brannte ihre Berührung. Angenehmes Feuer, natürlich.
„Das ist also Ebenezer“, sagte Esme und ging zu dem Jungen, der sich auf einem der zwei Stühle niedergelassen hatte, die wir besaßen. Seinem Blick nach zu urteilen, hielt er sich selbst für verrückt.
„Es tut mir leid“, flüsterte sie und ich hätte sie am liebsten nie mehr aus meinen Armen gegeben für das viele Verständnis, die Güte und die Wärme, die sie dem völlig fremden Jungen schenkte. Stattdessen trat ich an ihre Seite und legte ihr einen Arm um die Hüfte und zog sie unauffällig an mich heran.
Ebenezer blickte auf und nickte.
„W-Wo ist Melinda?“, brach es aus ihm heraus und ich antwortete, dass sie noch im Krankenhaus läge, aber dass wir sie morgen besuchen könnten.
„Kann ich nicht jetzt zu ihr?“, fragte er verzweifelt. Er musste sie wirklich gern haben.
„Es ist besser, wenn ihr beide euch noch ausruht. Du siehst... naja...“ Ich lächelte leicht. „Du siehst furchtbar aus.“
Der Junge lachte kurz und etwas frustriert auf. „Das täten Sie auch, wenn Sie mit einem...“ Er verstummte und ich, als auch Esme, versteifte.
„Du kannst auf dem Sofa schlafen, wenn du magst“, sprang Esme schließlich ein und brachte den Jungen ins Wohnzimmer, wo er schnell einschlief. Es gab wohl nicht so bequeme Matratzen im Waisenhaus.
„Er ist furchtbar zugerichtet“, flüsterte sie traurig, während wir im Bett lagen und der Nacht lauschten, „Sagst du der Polizei bescheid? Dem Jugendschutz?“
Ich nickte und nahm eine ihrer Haarsträhnen zwischen die Finger und strich damit über ihr Gesicht.
„Wo mag Edward sein?“, flüsterte sie und ich seufzte.
„Drei Jahre sind keine Zeit in einer Familie“, erwiderte ich, „Aber sie sind eine Ewigkeit, wenn jemand fehlt.“
Die unbarmherzige Zeit.
Esmes Lippen berührten meine. „Du bereust es nicht, oder?“, fragte sie.
„Nein. Kein bisschen.“, antwortete ich fest und strich über ihren wunderschönen Körper.
Und für die nächsten Stunden war das das Letzte, was wir sprachen.

Am nächsten Morgen, nachdem Esme und ich in der Dämmerung gejagt hatten, weckte ich Ebenezer mit dem ersten Tee, den ich seit dreihundert Jahren aus privaten Gründen gekocht hatte und einem Stück Gebäck aus der Bäckerei gegenüber, und brachte ihn anschließend ins Krankenhaus.
Als wir Melindas Zimmer betraten, war ihr Bett leer und eine Schwester strich die frische Bettwäsche glatt.
„Wo ist Melinda?“, stieß Ebenezer hervor. Ich ahnte es bereits.
„Sie ist auf der Intensiv“, antwortete die Schwester und ihr Blick wanderte zwischen mir und dem Jungen hin und her.
„Ein Freund der Patientin“, antwortete ich und sie nickte.
„Wir hatten versucht, Sie zu erreichen, aber die Leitung war besetzt.“, erklärte sie mir und ich verdrehte die Augen. Wenn das Telefon für die neue Nähmaschine weichen musste und somit die einzige Steckdose in der Wohnung verwendet war, konnte die Leitung nur besetzt sein.
Schade, dass die ‚Beeper’ erst ein paar Jahrzehnte später erfunden werden würden.
Ebenezer neben mir, begann, zu zittern, aber seine Stimme war fest: „Auf der Intensiv?“
„Sie hatte einen Anfall und liegt im Koma. Wir wissen nicht, wann sie aufwacht. Dr. Cullen, wenn Sie nach ihr sehen könnten? Ihr Kollege hat sich um sie gekümmert, aber Ihre Kompetenz...“
„Danke, ich werde sie mir mal ansehen.“
Und insgeheim wusste ich, dass Melinda nicht mehr aufwachen würde.
Ebenezer ging langsam hinter mir her. Ich spürte seine Angst. Gern hätte ich Esme an meiner Seite gehabt, damit sie ihn trösten konnte und meine Schuldgefühle lindern konnte. Das Mädchen, das dort mit eingefallenen Wangen, blasser Haut und geschlossenen Augen, lag, ähnelte nicht dem, das ich gestern Morgen betreut hatte. Sie hatte sich so sehr verändert. So viel schwächer sah sie aus. Wie...
„Wird sie sterben?“, fragte Ebenezer, als ich ihre Pupillen auf Lichtreaktionen testete, Lymphknoten und Schwellungen abtastete und mir ihre Werte ansah.
Sie sahen nicht gut aus. Zu dem Gedächtnisverlust, den vielen Prellungen und Quetschungen, dem Fieber, der Gehirnerschütterung und den gebrochenen Knochen kamen eine starke Anämie und das Koma dazu. Wenn nicht ein Wunder kam, würden wir sie verlieren. Sie würde nicht wieder aufwachen.
Ich wollte dem Jungen sagen, sie würde wieder aufstehen, ihn wiedererkennen und alles vergessen, was ihr angetan wurde, dass sie wieder lächeln würde... aber ich musste ihm die Wahrheit sagen.
„Ebenezer, Melinda ist...“
„Sie wird nicht mehr aufwachen, richtig?“, unterbrach mich der Junge. Es war keine Frage, und wäre es eine gewesen, hätte er die Antwort in meinen Augen gelesen.
„Das ist sehr wahrscheinlich.“
In die seinen stiegen Tränen und er war nicht in der Lage, sie zu unterdrücken, wie manch anderer Junge es getan hätte.
Als er an ihr Bett trat und ihre dünne Hand nahm, verließ ich das Zimmer.
Das Ganze hatte ich mir ziemlich anders vorgestellt.

Und das Schuldgefühl am Rückfall und letztendlichem Zerfall des Kindes und ihrem geplanten, zukünftigen Glück mit dem Jungen ließ meine Seele bersten. Ich sehnte mich nach Esme und ihren warmen Worten, die wie Balsam heilen konnten.
Und ich wünschte mir meinen Sohn an meine Seite. Seine ehrliche Güte und Aufrichtigkeit, die Herzlichkeit, die sein Geist versprühte, hatten mich über manch schicksalhaften Verlust hinweggetröstet.
Ich hatte Melinda gesagt, ich würde ihr helfen.
Als Arzt ein Versprechen zu geben, war niemals gut. Und einen Patienten ins Herz zu schließen ebenso wenig. Ich sandte ein Stoßgebet zum Himmel, in dem ich um Vergebung bat, und darauf hoffte, das Mädchen eines Tages wieder aufwecken zu können.
Trotz der dicken Wände hörte ich das Schluchzen des Jungen und wie es langsam verstummte, weil keine Tränen mehr da waren, die er weinen konnte.
Ich ging weiter meiner Arbeit nach, operierte im Gehirn irgendeiner Frau herum, half, eine weitere tödliche Nachricht zu diagnostizieren und hielt mich während meiner Pause in der Notaufnahme auf, wo ich den Opfern eines Zugunglücks die Wunden pflegte. Und hing in Gedanken immer dem Mädchen und dem Jungen nach, deren Schicksal ich hätte wenden können.
Erst, als ich mir sicher war, dass die Notaufnahme niemanden mehr beherbergte, der nicht auch von den Schwestern behandelt werden konnte, ließ ich mich seufzend auf einem der Plastikstühle nieder und starrte an die gegenüberliegende Wand.
Eine der Schwestern ließ sich neben mir nieder und seufzte ebenso schwer.
„Sie hatten wohl auch keinen erfolgreichen Tag.“, begann ich, um menschlich zu wirken, ein Gespräch und sie schüttelte den Kopf.
„Ja... Heute ist einer der Tage, an denen man morgens lieber nicht aufgestanden wäre.“, murmelte sie und starrte mich von der Seite an. Ich hörte, wie ihr Blut und ihr Puls in Wallungen geraten und drehte gedankenverloren den Ring an meinem Finger, da ich kein besonderes Interesse an ihr hegte, außer dem des Kollegen. Ich spürte ihre Enttäuschung, ignorierte dies geflissentlich und schloss die Augen für einen Moment. Irgendwann stand die Schwester wieder auf und ging, es mussten nur ein paar Minuten gewesen sein.
„Dr. Cullen“, hörte ich Ebenezers Stimme dann, irgendwann, nachdem weitere Minuten vergangen waren, „Melinda, sie... sie ist aufgewacht!“
Binnen eines Lidschlags stand ich vor dem Jungen, der mich mit großen, freudestrahlenden Augen ansah. Ich folgte ihm ins Krankenzimmer von Melinda, die sich tatsächlich aufgesetzt hatte und bei vollem Bewusstsein war. Es waren doch nur ein paar Stunden vergangen! Als hätte sie geschlafen und war aus einem Albtraum aufgeschreckt.
Nach ein paar Untersuchungen stellten wir fest, dass sich ihr Gedächtnis zwar etwas regeneriert hatte, aber dass das Fieber verschwunden war. Und ihre Anämie war zwar ausgeprägt, aber sie würde sich heilen lassen, ebenso wie die Knochenbrüche und die Prellungen.
„Erkennst du mich?“, fragte Ebenezer und Melinda starrte ihn eine Weile an. Ich zog mich lautlos zurück, und konnte dann doch noch Melindas Antwort hören.
„Ja“, lautete sie.

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"It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink Empty Re: "It's about Time" ~ Update 16/11: Kapitel 18 + Musiklink

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