Forks Bloodbank
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Rosie's Oneshots

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Beitrag  Rose_fan 4 ever So 30 Jan 2011, 01:58

Hier werde ich nach und nach meine Oneshots posten, die ich schreibe, wenn mich meine FF etwas anödet, was ab und an wirklich mal vorkommt, man glaubt es kaum. Rosie's Oneshots 94952
Natürlich ist es schon toll, wenn ihr ab hier noch weiterlest, aber ich würde mich noch viel mehr freuen, wenn ihr mir auch Kommentare im dazugehörigen Kommithread dalassen würdet: Klick mich
Naja, genug geschwafelt, weiter geht's mit dem ersten Resultat eines langweiligen Nachmittags:




Handlung: Wie wir ja alle wissen, fand Carlisle seine Esme, als sie aus lauter Trauer um ihren kleinen Sohn von einer Klippe sprang. Doch was dachte sie genau, als sie am Rand jener Klippe stand und ihrem Tod entgegen sah?


Erlösung

Tot.
Er ist tot, das war der einzige Gedanke, der mich beherrschte. Tot, mein kleiner Junge. Er war tot, ich hatte ihn verloren, für immer. Nie wieder würde ich seinen zarten Körper auf dem Arm halten und liebevoll an mich drücken. Nie wieder könnte ich den schnellen Schlag seines Herzens fühlen, nie wieder würde ich die Nacht damit verbringen, den leisen Atemzügen zu lauschen, die seinen Schlaf begleiteten. Es war aus, mein Glück, mein einziger Sohn hatte mich verlassen. Er war von mir gegangen, einfach so. Das, was ich mir immer mehr als alles andere auf dieser Welt gewünscht hatte. Das, was mir nach so langem Warten endlich geschenkt worden war, das war mir geraubt worden, nach so kurzer Zeit.
Ich hatte ihn nicht lange bei mir behalten dürfen. Drei Tage… Drei Tage, während denen ich glücklich gewesen war. Drei Tage, während denen ich den Himmel auf Erden erlebt hatte. Drei Tage mit IHM. Und jetzt war er tot, atmete nicht mehr. Sein kleines Herz hatte ihn im Stich gelassen, schlug nicht mehr, einfach so.
Nie würde ich ihn wachsen sehen, nie seine weichen Ärmchen um meinen Hals spüren. Nie würde er laufen, sein erstes bewusstes Lächeln hatte er nicht mehr erlebt.
Warum, war die einzige Frage, die ich mir stellte. Warum ich? Warum er? Warum jetzt? Was hatte ich getan, dass Gott mich so bestrafen musste? Warum hatte er mir die einzige Person genommen, die mir alles bedeutete? Warum hatte er mich allein gelassen? Denn das hatte er, ich war allein, so allein… Allein, obwohl schon seit Jahren verheiratet. Allein, trotz Mutter, die sich noch immer um mich sorgte. Allein, trotz Vater, der immer ein offenes Ohr für seine unglückliche Tochter hatte. Ja, alle hörten sie zu, doch keiner verstand. Alle versuchten sie zu helfen, doch alle scheiterten. Scheiterten, weil sie mir das, was ich brauchte, nicht geben konnten. Weil sie mir den einen Wunsch, den ich hegte, nicht erfüllen konnten.
Und jetzt war er tot und ich würde ihn nie wiedersehen. Niemals, auch mein Tod könnte uns nicht wieder vereinen, denn er war unschuldig und ich war es nicht. War es nicht und würde es nie sein. Das würde immer zwischen uns stehen, uns für immer und ewig trennen. Die Hölle war kein Platz für Kinder, aber für Selbstmörder. Für verzweifelte Frauen, die vor ihrem Leid davonliefen. Trotzdem gefiel mir die Vorstellung, den Schmerz nicht mehr spüren zu müssen. Alles zu vergessen, keine Bedeutung mehr in den Dingen zu sehen, die mir jetzt noch so unendlich wichtig erschienen. Mich einfach fallen zu lassen und mich nicht darum zu kümmern, dass unten niemand stand, um mich aufzufangen. Ich hoffte auf das Nichts, auf die Erlösung von meiner Last. In diesem Moment wünschte ich mir, dass Gott nicht existierte und mich der Tod wirklich erlösen würde, wünschte es mir von ganzem Herzen. Denn wenn dem nicht so wäre, würde ich zweifelsohne in der Hölle landen, außer Gott wäre gnädig mit mir. Nein, es konnte keinen Gott geben, sonst hätte er ihn gerettet. Hätte nicht zugelassen, dass so etwas Reines zerstört wurde. Und wenn es Gott nicht gab, dann gab es auch keine Hölle und unten wartete wirklich meine Erlösung.
Die Tränen versiegten und ich begann zu lächeln. Kein trauriges Lächeln, sondern ein überaus glückliches Lächeln, das zum erstem Mal seit seinem Tod bis zu meinen Augen reichte, die ihrem Schicksal erwartungsvoll entgegensahen.
Mein Kleid flatterte im Wind und ich zog meinen Mantel fester um mich, während ich sehnsüchtig in den mit Millionen von funkelnden Sternen übersäten Himmel sah. Es war eine wunderschöne, klare Nacht und plötzlich konnte ich mich auch wieder an ihr freuen. Ich dachte nicht mehr vernünftig, dachte nicht an Charles, nicht an meine Eltern, die sich Sorgen machen würden, wenn ich heute nicht mehr nach Hause käme, wenn ich nie mehr nach Hause käme. Dachte nicht daran, was Felicity dazu sagen würde, wenn sie erführe, dass ich mir das Leben genommen hatte. Felicity war meine beste und leider auch einzige Freundin und ich hatte seit dem Tag, an dem mein Leben mit einem Schlag zerstört worden war, nicht mehr mit ihr gesprochen. Trotzdem, sie würde zurechtkommen. Sie hatte einen Mann mit dem sie glücklich war und eine wunderhübsche kleine Tochter namens Celine, die sie bedingungslos liebte. Auch Charles würde mich überleben. Sicher schäumte er vor Wut, weil ich ihm davongelaufen war, aber er würde mit Leichtigkeit eine Neue finden, die er misshandeln konnte und meine Eltern… Meine Eltern hatten einander, zwar war ich ihre einzige Tochter und ich wusste aus eigener Erfahrung, wie grausam es war, sein Kind zu verlieren, und ich wollte ihnen diesen Schmerz ersparen, doch ich konnte es nicht. Es ließ sich nicht vermeiden, eine andere Lösung gab es nicht. Ich musste es tun.
Wenigstens würde es schnell gehen, ich musste nicht langsam und qualvoll dahinsiechen. Naja, qualvoll vielleicht schon… Ich zwang mich an etwas anderes zu denken und bewegte mich vorsichtig näher zum Rand der Klippe hin, auf der ich stand. Der Tod rückte mit jedem Schritt, den ich tat, näher, er stand unweigerlich bevor. Es war eisig kalt, meine Haut prickelte unangenehm, als würden tausend Nadeln sich in sie hineinbohren. Wenn ich noch länger hier stehen bliebe, würde ich erfrieren, soviel stand fest. So oder so, der Tod hielt mich in seinen Fängen, aber so seltsam es auch klingen mag, es war ein schönes Gefühl. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich mir hundertprozentig sicher, wie meine nahe Zukunft verlaufen würde und das könnte mir niemand mehr nehmen.
Ein Schritt, zwei Schritte, drei Schritte… Ich stand jetzt direkt an der Kante, ein winzig kleiner Schritt trennte mich vom Unausweichlichen. Ein Schritt und ich wäre erlöst, hoffentlich… Ich ignorierte die Stimme in meinem Kopf, die zweifelte und mich anschrie, ich solle keine Dummheiten machen und die sich mein Gewissen nannte und schloss die Augen. Spürte den Wind in meinen Haaren und fühlte die Träne, die mir über die Wange lief. Ich wusste, es war meine letzte.
Und dann sprang ich und flog. Flog meinem Ende entgegen…


Zuletzt von Rose_fan 4 ever am Mo 23 Mai 2011, 16:57 bearbeitet; insgesamt 2-mal bearbeitet (Grund : Überarbeitung)
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Beitrag  Rose_fan 4 ever So 06 Feb 2011, 21:02

Handlung: Da ich mich oft gefragt habe, wie es eigentlich genau zu Emilys Narben kam und was es überhaupt mit der ganzen Leah-Sam-Emily-Dreiecksgeschichte auf sich hat, habe ich vor einiger Zeit diesen Oneshot geschrieben. Also, wen es interessiert, einfach mal reinlesen!
(Sams POV).


Liebe, Blut & Schmerz

„Emily.“
„Nein.“ Ihre Stimme klang so hart, so bestimmt und doch so voller Schmerz.
„Bitte, hör mir zu“, flehte ich, aber sie wandte sich von mir ab und ging sicheren Schrittes davon, verließ mich… Mir war klar, dass meine Worte sie verletzt hatten, dass sie unter der ganzen Sache so sehr litt wie ich. Vielleicht sogar noch mehr.
Meine Beine setzten sich ganz von selbst in Bewegung; der Sand knirschte unter meinen Füßen, als ich ihr folgte. Sie ging in den Wald; ich ahnte, wohin sie wollte. Ich bewegte mich langsam, um den Abstand zwischen uns zu bewahren. Ich wollte mich nicht aufdrängen; mir war klar, dass sie allein sein wollte, doch ich konnte sie nicht einfach in Ruhe lassen, nicht, bevor sie nicht alles gehört hatte. Ihr Tempo steigerte sich; sie rannte schon fast. Ihre Bewegungen waren geschmeidig, wie die einer Katze; der Wind spielte mit ihren seidigen schwarzen Haaren, die sie heute offen trug. Ich beobachtete, wie sie sich zielsicher ihren Weg durch den Wald bahnte, den langen Rock gerafft, um sich nicht im Dickicht zu verfangen. Es wurde immer heller, die Bäume standen hier weniger dicht und durch das Blätterdach drangen einige verirrte Sonnenstrahlen. Plötzlich trat sie aus dem Wald heraus und drehte sich zu mir um; ihre Miene war unergründlich. Eine leichte Brise umwehte sie, zerrte an ihrer Kleidung; das Sonnenlicht wurde von ihrem Haar reflektiert und tauchte die ganze Szenerie in kräftiges Gold. So wunderschön.
Ich hatte Recht gehabt; ich kannte den Ort. Früher war ich oft hier gewesen, mit Leah, bevor all das passiert war. Wir hatten auf dieser Klippe gestanden und auf das Meer hinaus gesehen. Wenn das Wetter so schön war wie heute, war es ein unglaubliches Erlebnis gewesen, vor allem gegen Abend, wenn die Sonne sich langsam senkte, ein Stern nach dem anderen aufging und der Mond sich bei ruhiger See im Meer spiegelte. Sie hatte es geliebt und ich sie. Emiliy wusste das. Wusste, dass ich immer noch Gefühle für sie hatte, für meine kleine Lee-Lee. Doch diese Tage waren vorbei, die Zeiten, in denen wir glücklich gewesen waren, in denen es für mich nichts Wichtigeres gegeben hatte als sie. Sie hasste mich, hasste mich dafür, dass ich sie verlassen hatte, für eine andere. Und sie hatte Recht damit. Auch ich hasste mich für das, was ich ihr angetan hatte. Hasste mich, weil ich es ihr nicht erklären konnte, hasste mich für das, was ich war. Es tat so weh, ihren kalten Blicken zu begegnen, in denen früher immer so ein leidenschaftliches Feuer gebrannt hatte, und zu wissen, dass es meine Schuld war. Meine Schuld, dass sie nicht mehr lachte und das Feuer in ihren Augen erloschen war. Meine Schuld, dass sie niemanden mehr an sich heran ließ. Ich fühlte mich so schuldig und es tat mir so unendlich leid, doch was sollte ich schon anderes tun als weiterzuleben? Weiterzuleben mit der Frau, die jetzt alles für mich war. Mit der Frau, die mich akzeptierte, obwohl ein Monster in mir schlummerte und immer darauf lauerte, auszubrechen. Und jetzt hatte ich auch sie verletzt, unabsichtlich zwar, aber dennoch…
Vorsichtig ging ich auf sie zu, hob meine Hand und strich ihr zärtlich über die Wange. Sie zuckte bei der Berührung leicht zurück; es quälte mich, in ihre schmerzerfüllten Augen zu sehen. Ich wollte es ändern, dass sie sich so fühlte, doch ich konnte es nicht.
„Emily“, sagte ich sanft, ließ mir ihren Namen auf den Lippen zergehen, doch sie wandte sich ab, drehte mir ihren herrlichen Rücken zu und starrte aufs Meer hinaus.
„Sam.“ Nur ein Wort, doch allein der Klang sagte so viel über ihre Gefühle aus.
„Lass es mich erklären.“ Ich zwang mich dazu, ruhig zu bleiben, so aufgewühlt ich auch war.
„Nein.“ Nur ein Wort, doch es ließ mich beinahe zerbrechen. Ich atmete tief ein, zählte langsam bis zehn, bevor ich ihr antwortete.
„Bitte, es tut mir leid.“ Meine Stimme klang verzweifelt; ich hörte es selbst.
„Ich weiß.“ Sie drehte sich wieder zu mir um und sah mich an, so furchtbar traurig.
„Ich weiß auch, wie du sie ansiehst, Sam.“ Ja, ich konnte es nicht leugnen und ich hasste mich dafür.
„Emily, du weißt – “
„Dass du nichts dafür kannst?“, vervollständigte sie. „Ja, das weiß ich, Sam.“ Sie machte einen Schritt auf mich zu; ich verlor mich fast in ihren tiefbraunen Augen.
„Emily, ich liebe dich!“ Sie neigte den Kopf zur Seite und schaute mich einfach nur an.
„Und sie auch“, stellte sie fest. Ich nickte, ergab mich der Wahrheit.
„Obwohl du weißt, wie sehr du sie mit deinem Verhalten verletzt.“ Ich sah zu Boden, konnte sie einfach nicht länger ansehen. Sie beugte sich vor; ihre weichen Lippen streiften leicht meine Wange.
„Du musst es ihr sagen.“ Ich hob den Kopf; Entsetzen durchströmte mich, als ich den Sinn ihrer Worte erfasste.
„Emily, das geht nicht. Außerdem will sie es sowieso nicht hören. Sie hasst mich!“ Emily seufzte.
„Aber so kann das nicht weitergehen. Ich kann nicht mit dir zusammen sein, wenn das weiterhin zwischen uns steht. Ich mag sie; ich fühle mit ihr und ich halte es nicht aus, sie so unglücklich zu sehen und zu wissen, dass ich Mitschuld daran bin, dass sie so leiden muss. Leah war immer wie eine kleine Schwester für mich. Auch, wenn wir nicht so eng miteinander verwandt sind, so sind wir es doch“, erklärte sie. Ja, im Prinzip war fast der ganze Stamm irgendwie miteinander verwandt.
„Du musst es tun oder nimm sie.“ Ihre Stimme bebte, ebenso wie ihr feingliedriger Körper, als sie das sagte.
„Nein.“ Warum verstand sie es denn nicht? Wie sollte ich ihr begreiflich machen, wie sehr ich sie liebte?
„Wenn du es nicht tust, Sam… Du musst die Sache zwischen euch klären, ich … ich kann das nicht. Ich ertrage es nicht, zu sehen, wie weh es ihr tut. Es geht nicht mehr, ich…“ Ich sah, wie ihr die Tränen in Strömen über die hübschen Wangen liefen und fühlte ihren Schmerz. Sie sprach den Satz nicht zu Ende, doch ihre Augen sprachen für sich. Damit stellte sie mir ein Ultimatum. Entweder ich sprach mit Leah oder ich würde sie verlieren. Doch was sollte ich zu Leah sagen? Sie würde über mich hinwegkommen, hoffentlich. Ich wollte nicht wieder in den alten Wunden herumstochern, indem ich sie nochmals darauf hinwies, dass ich mich für Emily entschieden hatte. Außerdem würde sie den Grund nicht verstehen; ich durfte es ihr ja nicht sagen.
In mir brodelte es. Ich spürte, wie langsam die Wut in mir aufstieg und drohte, jeden Moment überzukochen. Ein unglaublicher Hass auf diejenigen, die mir und damit auch Leah und Emily das angetan hatten, überkam mich. Sie waren schuld daran, dass ich war, was ich war. Sie waren schuld daran, dass ich beiden wehtun musste. Sie, diese grauenhaften Blutsauger, die mit ihrem erneuten Auftauchen dafür gesorgt hatten, dass der Fluch zurückgekehrt war. Ich hasste sie für das, was sie mit mir machten, wollte sie auf der Stelle umbringen, ihre eiskalten Körper zerstören, indem ich ihnen einzeln die Gliedmaßen ausriss, und es Stück für Stück genießen.
„Geh zu ihr zurück, geh doch einfach“, schluchzte Emily weiter, doch ich schüttelte erneut den Kopf.
„Nein. Ich werde sie nicht noch mehr verletzen, indem ich ihr etwas vorspiele, das geht nicht. Ich kann Leah nicht so lieben, wie ich dich liebe, Emily.“ Mittlerweile sah sie nicht mehr ganz so traurig aus, eher wütend.
„Du bist so sein schrecklicher Heuchler, Sam! Redest von Liebe, obwohl du dabei ständig vor deinen Verpflichtungen davon rennst. Genau wie dein Vater!“
>Genau wie dein Vater!< Die Worte, die sie ausgesprochen hatte, vor denen ich mich immer gefürchtet hatte, hallten in meinem Kopf nach. Ich begann zu zittern; schnell trat ich einen Schritt zurück, als ich merkte, wie ich die Kontrolle verlor. Ich hob die Hand, um Emily von mir fernzuhalten, doch sie gab nicht auf und machte wiederum einen Schritt auf mich zu, damit ich ihr nicht entkam.
„Nein, Sam!“
Meine Augen weiteten sich bestürzt. Ich wollte sie von mir stoßen, doch mein Körper gehorchte mir nicht mehr. Ich wollte sie beschützen, aber ich war es, von dem die Gefahr ausging. Es ging so schnell; ich konnte nichts dagegen tun. Ich spürte nur das Reißen, das durch meinen Körper ging, sah die Angst in ihren Augen, als ich mich plötzlich verwandelte. Ich versuchte, es aufzuhalten, aber es war zu spät. Sie stand zu nah und das Monster in mir siegte über mich. Ich sah, wie meine Krallen über ihren Körper glitten. Sah, wie das Blut aus den tiefen Wunden strömte, die sich vom Haaransatz bis zum Kinn über ihre rechte Gesichtshälfte erstreckten. Drei lange blutrote Spuren meiner Krallen entstellten ihre einst so hübsche Wange. Die Wucht des Aufpralls ließ Emily fallen und hart auf dem Boden aufschlagen. Sie verlor fast sofort das Bewusstsein, das Blut lief ihr über das Gesicht und den Hals herunter, tränkte ihre helle Bluse. Ein klägliches Jaulen entfuhr mir, als ich sie so daliegen sah. Ein verzweifelter Ruf nach Hilfe, auf den hoffentlich jemand reagieren würde. Aber vielleicht hörte mich niemand…
Emily war völlig leblos, wie tot lag sie vor mir. Sie, die doch das Wichtigste in meinem Leben darstellte. Sie, für die ich immer gestorben wäre, ohne zu zögern. Emily so zu sehen und zu wissen, dass ich es war, der ihr das angetan hatte, zerriss mich fast innerlich. Das, was ich für sie empfand, war stärker noch als Liebe. Es war stärker als alles, was ich je für Leah empfunden hatte. Es war stärker als alles, was ein Mann überhaupt für eine Frau empfinden konnte. Doch jetzt war es vielleicht zu spät; jetzt hatte ich das getan, wovor ich mich immer gefürchtet hatte, seit ich die Schmerzen der Verwandlung das erste Mal gespürt hatte. Doch die Schmerzen, die ich jetzt spürte, waren schlimmer als jegliches Leid, das mir je widerfahren war. Das Gefühl, sie für immer verloren zu haben, übertraf alles. Ein fürchterliches Stechen, das mich daran hinderte zu atmen, machte sich in meiner Brust bemerkbar. Alles schnürte sich in mir zusammen; ich fühlte mich, als müsste ich jeden Moment ersticken.
Völlig verzweifelt ließ ich mich neben ihr auf dem Felsen nieder, rutschte näher an Emily heran, legte meinen schweren Kopf auf meine riesigen Pfoten und betrachtete, wie sie reglos dalag, um festzustellen, ob es nicht doch noch wenigstens einen Funken Hoffnung gab. Trotz all des Blutes war sie immer noch so wunderschön, dass es schmerzte. Was sollte ich nur ohne sie tun? Ich wusste, ich konnte ohne sie nicht einfach weiterleben. Sie war das Licht meines Lebens und wenn es erlosch, dann ich mit ihm. Sanft stupste ich sie mit meiner Nase an. Ich hatte kaum Hoffnung, dass sie noch lebte, doch ich wollte sie nicht einfach aufgeben. Ich beugte mich leicht über sie, stupste sie zärtlich an und fuhr leicht mit meiner Zunge über den unverletzten Teil ihres Gesichts, als ich plötzlich stutzte. Nein, das konnte doch nicht sein, nicht nach dem, was ich getan hatte. Dennoch, ich täuschte mich nicht. Ihre Brust begann sich wieder zu heben und zu senken, wenn auch ziemlich schwach und ihre Lider flatterten leicht, bis sich ihre Augen langsam öffneten.
„Sam?“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein leichter Hauch und trotzdem, sie war alles, was ich jetzt hören wollte.
>>Ja<<, dachte ich, in dem Bewusstsein, dass sie mich in dieser Gestalt nicht hören konnte.
>>Ich bin da. Ich werde immer da sein.<<


Zuletzt von Rose_fan 4 ever am Di 09 Okt 2012, 23:13 bearbeitet; insgesamt 10-mal bearbeitet (Grund : Wiederholte Überarbeitung aufgrund einiger Unstimmigkeiten)
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Rosie's Oneshots Empty Oneshot Nr. 3

Beitrag  Rose_fan 4 ever Fr 08 Apr 2011, 19:59

Handlung: Dieser Oneshot ist schon etwas älter und spielt zu der Zeit, als Bella sich in Bis(s) zur Mittagsstunde noch in ihrer "Taubheits-Phase" befindet. Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht mehr, warum ich das geschrieben habe, es ist wohl einfach so über mich gekommen. ;)
Der Oneshot ist aus Jessicas Sicht geschrieben und es geht um ihre Trennung von Mike.


Aus und vorbei

„Nein“, schluchzte ich. „Bitte… Tu mir das nicht an.“
„Jess, es tut mir doch auch leid, aber es geht nicht anders.“
„Warum?“ Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit konnte ich nicht sprechen. Meine Stimme war kaum mehr als ein leises, hilfloses Krächzen. Ich merkte, dass ihm meine Frage unangenehm war; er versuchte, sich vor einer Antwort zu drücken. Trotzdem, ich wollte, dass er mir antwortete, ich wollte die Wahrheit wissen. Er sollte es mir sagen, sollte mich anschreien… Alles war mir lieber als das; diese schreckliche Freundlichkeit machte mich völlig fertig. Ich wollte ihn hassen, doch wenn er mich weiterhin so gut behandelte, würde mir das nicht gelingen. Er schüttelte nur den Kopf und sagte dann schlicht und einfach und immer noch so verdammt freundlich: „Ich habe einfach keine Gefühle mehr für dich.“ Die Welt brach für mich zusammen, als er diese Worte aussprach. Ich nahm meine Umgebung nicht mehr wahr, starrte ihn einfach nur an.
„Mike…“ Zu mehr Worten war ich nicht fähig.
„Es tut mir leid.“ Es war nur ein Flüstern, doch es tat so unbeschreiblich weh. Schon länger hatte ich so was vorausgeahnt, aber nie hätte ich gedacht, dass es mich wirklich so mitnehmen würde, wenn er die gefürchteten Worte sagte. Das war nicht geplant gewesen; ich hatte nicht solch intensive Gefühle für ihn entwickeln wollen und keinesfalls sollte er mich jetzt verlassen. Ich merkte, wie er vor meinen Augen verschwamm, als mir Tränen in die Augen stiegen und begannen, stetig über meine Wangen zu laufen.
„Jess…“ Langsam hob er seinen Arm und fuhr mir mit dem Finger zärtlich übers Gesicht, um die salzigen Tropfen, die nun immer schneller flossen, abzuwischen. Ich wusste, es war das letzte Mal, dass er mich so berühren würde und so sog ich diesen Moment geradezu in mich auf. Ich fühlte die leichte Berührung seiner Fingerspitzen und genoss einfach den Augenblick, bis Mike vorsichtig meinen Arm nahm und mich aus dem kleinen Lokal, in dem sich das Ganze abgespielt hatte, herauszog, um mit mir zu seinem Auto zu gehen.
„Komm, ich fahre dich nach Hause.“ Ich seufzte leise. Sollte mein Traum wirklich so enden? Ein Gespräch, eine Autofahrt nach Hause und das war’s? Wie eine bunt schillernde Seifenblase, die nach einer gewissen Zeit einfach zerplatzte? So sollten meine Hoffnungen mit einem Mal schwinden?
Die ganze Fahrt über klammerte ich mich an meiner Handtasche fest und sagte kein Wort; ich konnte es selbst kaum fassen, war ich doch sonst nicht gerade für meine ruhige Persönlichkeit bekannt. Mike schwieg ebenfalls, das Radio war auch aus, nur das stetige Surren des Motors und das Prasseln der Regentropfen drangen durch die Stille. Es war kaum auszuhalten, aber ich brachte es nicht über mich, etwas zu sagen. Irgendetwas hatte meine Stimmbänder blockiert.
Ich wusste nicht, wie viel Zeit verging, aber irgendwann hielt Mike vor meinem Haus und ich öffnete die Beifahrertür. Doch bevor ich ausstieg, gestattete ich mir noch einen Blick auf ihn. Er wirkte bedrückt und sah schon wieder so aus, als wolle er sich entschuldigen, also machte ich mich langsam auf den beschwerlichen Weg in Richtung Haustür. Meine Beine waren schwer wie Blei und ich wollte ihn jetzt noch nicht verlassen, aber mir war klar, dass es sein musste. Ich schloss die Tür auf, brauchte zwei Anläufe, weil meine Hände so schrecklich zitterten, bevor ich hineinging und mich noch ein letztes Mal zu ihm umdrehte. Er hatte mir den Kopf zugewandt und wartete, bis ich drinnen war, dann schenkte er mir ein letztes Lächeln und fuhr davon.
Ich schloss die Tür hinter mir und ging schweren Herzens nach oben in mein Zimmer. Wie in Trance machte ich mich fertig und legte mich dann in mein Bett, um die Nacht damit zu verbringen, an die Decke zu starren und an ihn zu denken.
Warum wollte er mich nicht mehr? Was hatte ich falsch gemacht? Oder gab es eine andere, für die er sich interessierte? Bella konnte es dieses Mal nicht sein. Seit die Cullens weggegangen waren, hatte sie sich völlig gehen lassen und sprach auch mit niemandem mehr. Anfangs hatten wir ja noch versucht, den Kontakt zu ihr zu halten, aber inzwischen… Nun gut, Mike zeigte sich, was sie anging, besonders hartnäckig, aber dem hatte ich nie besonders viel Bedeutung zugeschrieben.
Ich schloss die Augen, versuchte sein Bild zu verdrängen, das sich immer wieder in meinen Kopf stahl, doch selbst als ich sie resigniert wieder öffnete, sah ich ihn immer noch vor mir. Sein Gesicht schlich sich immer wieder in meine Gedanken, so sehr ich mich auch dagegen wehrte, ich fand keine Ruhe.
Unruhig wälzte ich mich hin und her; erst in den frühen Morgenstunden fand ich in einen leichten Schlaf und als ich um sechs Uhr in der Früh beim Klingeln meines Weckers aufwachte, fühlte ich mich wie gerädert. Mein Kopfkissen war völlig durchnässt, ich musste wohl noch im Schlaf geweint haben. Völlig in Gedanken versunken griff ich mir irgendetwas aus meinem Kleiderschrank, machte mich fertig und ging dann, ohne die Schale Cornflakes, die meine Mutter mir hingestellt hatte, auch nur eines Blickes zu würdigen, aus dem Haus.
Auf dem Weg zur Schule war mir schon wieder zum Heulen zumute, doch ich lenkte mich ab, indem ich die Musik aufdrehte und lautstark mitsang. Trotzdem wäre ich auf dem Parkplatz fast in ein anderes Auto hineingefahren, als Mike aus dem seinen ausstieg. Er sah bekümmert aus, scheinbar hatte auch er in dieser Nacht nicht besonders viel Schlaf abbekommen. Naja, auf eine gewisse Weise war er schließlich selbst schuld, befand ich. Schließlich hatte er Schluss gemacht; ich hatte da rein gar nichts mit zu tun gehabt.
In diesem Moment hob er jedoch den Kopf und sah mich traurig an. Dieser einzige Blick aus seinen blauen Augen genügte, um die weniger netten Gedanken an ihn aus meinem Kopf zu verdrängen. Ich war einfach nicht fähig dazu, ihm länger Schlechtes zu unterstellen, auch wenn es ohne Zweifel besser für mich gewesen wäre. Dann hätte ich nicht so leiden müssen, aber so musste ich den Fehler wohl oder übel bei mir selbst suchen. Es fiel mir nicht gerade leicht, das zuzugeben, dennoch war dieser Schritt nötig. Ich musste mich selbst ändern, um zum Ziel zu gelangen.
Als Bella an Mike vorbeiging und er ihr etwas zurief, sah ich meine Hoffnung erneut schwinden, doch ich beherrschte mich. Ich durfte mich nicht unterkriegen lassen, wenn ich gewinnen wollte. Also straffte ich meine Schultern und ging in Richtung Schulgebäude. Ich schaffte es sogar, an Mike vorbeizulaufen, ohne ihn nennenswert anzustarren. Dabei konnte ich nur hoffen, dass er nicht bemerkte, wie mir die Tränen wieder in die Augen stiegen und, dass man die Konsistenz meiner Beine auch nicht fester als Wackelpudding hätte nennen können. Ich wollte nicht, dass er bemerkte, wie ich litt.
Denn eins hatte ich mir in dieser Nacht geschworen: Aufgeben kam für mich nicht in Frage.


Zuletzt von Rose_fan 4 ever am So 03 Jun 2012, 01:03 bearbeitet; insgesamt 5-mal bearbeitet (Grund : erneute Überarbeitung inklusive Veränderung des Endes)
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Rosie's Oneshots Empty Oneshot Nr. 4

Beitrag  Rose_fan 4 ever Fr 10 Jun 2011, 19:46

Handlung: Wie wurde Emmett zum Vampir? Richtig, er wurde von einem Bären angegriffen. Rosalie fand ihn und brachte ihn unter großer Anstrengung zu Carlisle, der ihn für sie verwandelte. Der folgende Oneshot ist aus Emmetts Sicht geschrieben und beinhaltet meine Interpretation dieser Geschehnisse.


Erinnerungen

Das menschliche Gehirn ist ein Sieb. Voller Löcher, durch die wichtige Details einfach hindurchgleiten. Die Erinnerungen an das menschliche Dasein verblassen daher mit der Zeit, werden von neuen, scharfen Eindrücken überschattet oder ganz verdrängt. Man kann versuchen, an ihnen festzuhalten, die meisten wählen jedoch den Weg des Vergessens. Aus welchem Grund sollte man auch ewig seine Altlasten mit sich herumschleppen? Schließlich meint ‚ewig‘ in diesem Fall genau das. Wir sind unsterblich und das sollten wir doch genießen, oder? Deshalb habe ich auch so meine Probleme damit, die Vampire zu verstehen, die krampfhaft am Vergangenen festhalten, auch wenn eine von ihnen die Frau ist, die ich über alles liebe, seit ich sie zum ersten Mal gesehen habe. Der größte Teil meines Menschenlebens liegt nur noch in undeutlichen Schemen vor mir und ich muss mich anstrengen, um die einzelnen Bruchstücke zusammenzusetzen, doch ich erinnere mich noch heute genau an den Moment, als ich erstmals in ihr engelsgleiches Gesicht blickte und felsenfest davon überzeugt war, tot zu sein…

Frühjahr 1935, Berge von Tennessee

Ich lebte für die Natur. Das Wandern durch die Berge, übernachten unter freiem Himmel bei jeder Wetterlage, das war etwas, das mir wirklich gefiel. Ich liebte das Risiko, das mir die scharfkantigen Felsen boten, liebte die Gefahr, die von der Anwesenheit der Bären ausging, und genoss das Gefühl, frei zu sein, tun zu können, was auch immer mir beliebte, ohne die Belehrungen von andern hören zu müssen.
Seit beinahe vier Stunden streifte ich nun schon durch die Smoky Mountains, auf der Suche nach Wild. Eine Nacht wollte ich noch hier verbringen, um dann morgen mit einer ordentlichen Ausbeute nach Gatlinburg zurückzukehren. Ich unternahm regelmäßig solche Streifzüge, um meine Familie zu versorgen, die auf mein Talent als Jäger und Fallensteller angewiesen war. Dabei spielte es aber nicht nur eine Rolle, dass diese Tätigkeit meine Pflicht war, ich machte sie auch noch äußerst gern. Das hier war meine Welt, ein Ort, an dem ich mich wohl fühlte. Diese Berge waren so was wie mein zweites zu Hause.
So in Gedanken versunken machte ich mich auf den Rückweg zu meinem Lager. Es war später Nachmittag; die Sonne würde in wenigen Stunden untergehen, und es nieselte. Die Feuchtigkeit machte den Abstieg von diesem Berg kompliziert; ein paar Mal glitt ich aus, konnte mich aber im letzten Moment vor dem Absturz bewahren. Ich empfand den Regen trotzdem als angenehm, zumal es verhältnismäßig warm war und das nasse Grün einen überaus angenehmen Duft verströmte.
Auf einem Felsplateau blieb ich einen Augenblick lang stehen. Von hier oben hatte man eine hervorragende Aussicht über das Tal, auf dem jetzt ein dünner Nebelschleier lag. Wie muss das erst bei klarem Wetter aussehen?, fragte ich mich, fasziniert von der Landschaft. Gerade wollte ich meinen Weg fortsetzen, als mir ein Spalt im Fels ins Auge fiel, der sich bei näherem Hinsehen als eine Art Höhleneingang entpuppte. Das musste ich genauer begutachten, entschied ich; vielleicht war die Höhle sogar groß genug, um mir in Zukunft etwas Schutz vor dem Regen zu bieten. Also trat ich näher heran, umrundete einige Felsbrocken und betrat die Höhle.
Das hätte ich besser nicht tun sollen. Ich hörte das furchterregende Knurren erst, als es bereits zu spät war und ich mich in den Klauen eines Bären wiederfand. Bei diesem Exemplar handelte es sich um einen besonders großen und wirklich angsteinflößenden Schwarzbären, den ich mit meiner Anwesenheit offensichtlich gestört hatte, schließlich war ich in sein Revier eingedrungen. Ich wusste kaum, wie mir geschah, als ich wenige Sekunden später auf dem Boden lag. Mühsam rappelte ich mich auf; weglaufen schien mir angebracht, wenn ich nicht als Bärenfutter enden wollte. So schnell mich meine Beine trugen lief ich hinaus, um zu fliehen. Fast wäre ich den Berg hinuntergestürzt; gerade noch rechtzeitig kamen meine Füße kurz vor dem todbringenden Abgrund zum Stehen. Hinter mir nahm ich ein wütend klingendes Brüllen wahr; voller Panik warf ich einen Blick zurück. Meine Augen weiteten sich vor Entsetzen, als ich sah, wie sich der Bär, der mich in Sekundenschnelle erreicht hatte, auf die Hinterbeine erhob. Seine schrecklichen Krallen waren jetzt direkt über mir.
Ich schloss die Augen. Mir war klar, dass nur ein Wunder mich jetzt noch retten konnte. Auf einmal merkte ich, wie ich im hohen Bogen durch die Luft flog. Ein messerscharfer Schmerz in der linken Schulter durchfuhr mich, als ich gegen einen Fels knallte. Ein erneutes Knurren erklang und ich sprang auf. Meine Schulter tat höllisch weh, doch ich ignorierte den Schmerz weitestgehend. Aufgeben kam keinesfalls in Frage; Feigheit war nie eine der Eigenschaften gewesen, die mich besonders auszeichneten, im Gegenteil. Zu Hause war ich schließlich bekannt für mein furchtloses und manchmal sogar kampflustiges Gemüt – sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Es blieb mir also nur noch eine Option und die lautete kämpfen. Bloß wie? Ich war immer schon gut im Ringen gewesen, der Nahkampf lag mir wirklich, doch gegen einen Bären? Mir war bewusst, dass ich da kaum eine Chance hatte, es wäre vollkommen zwecklos. Obwohl, vielleicht konnte ich das Tier ja lange genug ablenken, bis – ja, bis was? Bis jemand vorbeikam, der mich rettete? Wohl kaum! Ich hatte also die Wahl: Entweder sterben oder … sterben. Na toll!
Mühsam rappelte ich mich auf. Wenn ich schon sterben musste, was im Übrigen kein sehr angenehmer Gedanke war, dann doch wenigstens nicht wehrlos auf dem Boden liegend. Natürlich würde wahrscheinlich nie jemand erfahren, wie Emmett Mac Cartys verfrühter Tod nun konkret abgelaufen war, aber mir war wohler bei dem Gedanken, dass zumindest mein Bestes getan hatte. Kaum war ich zu diesem Schluss gekommen, ging ich auch schon auf den Bären los.
Etwas, das sich als Überraschung deuten ließ, zeichnete sich in seinen Augen ab, als er meinen verzweifelten Angriff mühelos abwehrte. Er fletschte die Zähne, fast als wolle er mich auslachen. Wütend knurrte ich zurück und stürzte mich erneut auf ihn, doch er schüttelte mich ohne Probleme ab.
Die Minuten verstrichen; ich merkte, dass sich der Schwarzbär langsam zu langweilen begann, mein Ende nahte. Ich meinte förmlich zu spüren, wie die Uhr meines Lebens ablief…
Ich sah den Hieb kommen, doch ich hatte nicht mehr die Kraft, ihm auszuweichen. Scharfe Krallen bohrten sich in meine Brust und hinterließen fünf tiefe Wunden. Keuchend lag ich mit geschlossenen Augen da und spürte, wie ich dem Tod mit jedem Tropfen Blut, den ich verlor, immer näher rückte. Ich hatte das Gefühl, als würde ich jeden Moment auseinanderfallen, so sehr brannte es. Völlig bewegungsunfähig und fast schon sehnsüchtig erwartete ich den letzten, erlösenden Schlag, der meinen Schmerzen ein Ende setzen sollte. Wenn es denn wirklich das Ende war…
In diesem Moment bereute ich es zum ersten Mal in meinem Leben zutiefst, dass ich nicht auf andere Weise meinen Beitrag zum Familienleben leistete. Was würden meine Eltern wohl dazu sagen, wenn sie wüssten, in welch prekäre Lage ich mich gebracht hatte? Schließlich hatte ich ihre wiederholten Mahnungen, ich solle vorsichtiger sein, ständig ignoriert.
>Mir passiert schon nichts<, hatte ich nur immer stur erwidert, wenn das Thema auf meinen Hang dazu, mich in gefährliche Situationen zu begeben, kam. Und jetzt das!
Ich merkte, wie meine Gedanken wirr wurden und mein Bewusstsein sich langsam verabschiedete, doch plötzlich hörte ich etwas, das sich wie ein zweiter Bär anhörte, der den anderen angriff. Wahrscheinlich kämpften sie um meinen fast toten Körper. Ein Knurren drang an meine Ohren, das sich noch viel furchterregender anhörte als der Bär, der mich angegriffen hatte. Ich war mir sicher zu fantasieren, denn für mich hörte es sich irgendwie anders an, nicht wie ein Bär, menschlicher… Doch das war natürlich kaum möglich. Kein Mensch der Welt hatte auch nur ansatzweise eine Chance gegen dieses Monster von einem Bären.
Die Kampfgeräusche erstarben abrupt und auf einmal hatte ich das Gefühl, zu fliegen. Sicher war ich tot, doch warum spürte ich die Schmerzen dann noch? Ich versuchte angestrengt, meine Augen zu öffnen und dann sah ich sie. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr daran, dass ich tot war, denn Lebenden war es selten vergönnt, wirkliche Engel zu sehen.
Ich befand mich in den Armen eines wunderschönen weiblichen Wesens. Es war wahrlich zu schön, um wahr zu sein. Lange Haare wie gesponnenes Gold umrahmten in seichten Wellen das engelsgleiche Gesicht. Ebenso goldene Augen blickten freundlich auf mich hinab und als sich die perfekt geformten Lippen zu einem Lächeln verzogen, war mir, als würden all meine Sorgen mit einem Mal von mir genommen. Ich kämpfte darum, meine Augen geöffnet zu halten; bis in alle Ewigkeit wollte ich dieses Engelsgesicht betrachten, wollte keine Sekunde der Zeit verschwenden, die mir noch blieb.
Selbst der Schmerz in meiner Brust rückte in den Hintergrund, während ich sie betrachtete. Ihre helle Haut war glatt wie Marmor; ich verfluchte in Gedanken den Regen, der mein Sichtfeld verschleierte und mich daran hinderte, sie genauer anzusehen.
Mittlerweile hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren und fragte mich, wie lange wir noch unterwegs sein würden. Warum waren wir noch nicht im Himmel angekommen? War er vielleicht weiter entfernt, als ich angenommen hatte? Und wenn es nicht der Himmel war, der auf mich wartete, wohin brachte sie mich dann? Und warum lief sie noch? Wenn der Himmel so weit weg war, warum erhob sie sich nicht einfach in die Lüfte? Soweit ich wusste, waren Engel doch in der Lage, zu fliegen…
Ich merkte kaum, wie die Landschaft an mir vorbeizog, so fixiert war ich auf ihr Gesicht. Allerdings wurde es immer schwieriger, wach zu bleiben; ich spürte, wie die Müdigkeit drohte, mich zu übermannen. Ihre fein geschwungenen Augenbrauen zogen sich leicht zusammen und sie biss sich mit ihren makellos weißen Zähnen auf die Unterlippe. Dieser Gesichtsausdruck wirkte besorgt und ich fragte mich, warum dem so war. Welche Sorgen konnte sie haben? Tot war ich doch sowieso schon. Ihre Gestalt verschwamm vor meinen Augen, aber ich gab nicht auf, kämpfte weiter gegen den Schlaf an.


Ich musste zwischenzeitlich doch das Bewusstsein verloren haben, denn auf einmal befand ich mich an einem ganz anderen Ort als zuvor und konnte mich nicht daran erinnern, wie ich dorthin gekommen war. Um mich herum war es ziemlich düster, es musste draußen bereits dämmern, und ich lag. Wo konnte ich nicht genau sagen, denn jede Bewegung schmerzte höllisch, so dass ich mich lieber ruhig verhielt. Alles, was ich sah, war das Holz der Decke über mir. Ich versuchte, mich auf meine Umgebung zu konzentrieren, um vielleicht durch mein Gehör meinen Aufenthaltsort herauszufinden. Hoffentlich war sie noch da…
„Bist du sicher?“, hörte ich da eine männliche, melodiöse Stimme zögerlich fragen. Es kam keine für mich hörbare Antwort, aber plötzlich kam ein Gesicht in mein Blickfeld. Es war nicht der weibliche Engel, der mich hierher gebracht hatte, auch wenn dieser Mann ihr auf gewisse Weise ähnlich sah, soweit ich im Dämmerlicht erkennen konnte. Seine Haut war ebenso blass wie ihre, seine Augen funkelten golden und er hatte kurzes blondes Haar. Auch er war überirdisch schön. Wenn sie ein Engel war, wer war dann er? Gott, schlussfolgerte ich, so musste es sein. Der Engel hatte mich zu Gott gebracht, der nun darüber urteilen würde, was mit mir geschehen sollte.
Ich bildete mir ein, etwas wie Mitleid in seinen Augen zu sehen, als er auf mich herunterblickte. Seine Besorgnis verstörte mich ein wenig; was würde jetzt passieren?
„Es tut mir Leid“, sagte Gott sanft und dann: „Schließ die Augen.“ Ich tat wie geheißen und erwartete meinen Richterspruch, der jetzt zweifelsohne folgen musste. Wie würde Gott sich entscheiden? Würde er sich mir gegenüber gnädig zeigen?
Doch nichts dergleichen kam. Stattdessen spürte ich kurzzeitig einen stechenden Schmerz an meinem Hals; es fühlte sich fast so an wie ein Biss. Allerdings verwarf ich diesen Gedanken gleich wieder, zumal die Qualen in meiner Brust so dominant waren, dass es mich nicht länger kümmerte.
Jedoch verschlimmerte sich das Stechen an meinem Hals mit der Zeit. Die Wunde begann schrecklich zu brennen. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber das Feuer breitete sich aus, als streiche jemand mit der Flamme eines angezündeten Streichholzes über meine Haut. Die Zeit verstrich und irgendwann spürte ich das teuflische Brennen im ganzen Körper. Das war nicht nur auf meiner Haut, es war in mir. Ich brannte lichterloh und wunderte mich schon, dass man nicht hören konnte, wie die Flammen an mir leckten und mich langsam auffraßen. Das Feuer verzehrte mich und ich hatte das Gefühl, vor Schmerzen vergehen zu müssen. Fast schon sehnsüchtig wartete ich darauf, dass mein Körper zu Asche zerfiel und damit meiner Qual ein Ende gesetzt wurde, doch das war mir nicht vergönnt. Gott war mir nicht gnädig gewesen; er hatte sich für die andere Variante entschieden.
Das überraschte mich nicht weiter, ich hatte es schließlich verdient, in der Hölle zu schmoren, nach dem Leben, das ich geführt hatte. Ich war schon immer ein Draufgänger gewesen, das war mir durchaus bewusst. Nie hatte ich auch nur ansatzweise das getan, was mir meine Eltern oder andere Autoritätspersonen geraten hatten; ich hatte sämtliche Leute, die mir nahestanden in so ziemlich jeder möglichen Hinsicht enttäuscht und meine Jagd-Qualitäten konnten das auch nicht mehr ausgleichen. Meine Freunde und ich waren zu Hause alles andere als beliebt, gingen wir doch Tätigkeiten nach, die die ehrbaren Einwohner der Kleinstadt, in der ich lebte, nicht recht billigten. Ihrer Meinung nach verbrachten wir weitaus mehr Zeit mit Alkohol und Glücksspiel als uns guttat. Auch den Frauen gegenüber war vor allem ich meist alles andere als zurückhaltend gewesen, sicher hatte ich so manchem jungen Mädchen das Herz gebrochen; sie hießen es erfahrungsgemäß nicht gut, dass ich oft mit mehreren von ihnen verkehrte, wenn sie es denn überhaupt herausfanden. Das meiste, was ich getan hatte, war also nur zu meinem eigenen Vergnügen gewesen, solch ausgeprägten Egoismus duldete Gott nicht, da war ich mir sicher.
Ein qualvolles Stöhnen entfuhr mir. Bisher hatte ich mich relativ still verhalten, hatte kaum einen Ton von mir gegeben, obwohl ich mich vor Schmerzen krümmte, doch jetzt hielt ich nicht länger stand. Die Wunden, die mir der Schwarzbär beigebracht hatte, spürte ich schon gar nicht mehr, das Feuer übertraf einfach alles.
Irgendwann entschloss ich mich aber dazu, dass eine Bewegung kaum mehr Schaden anrichten konnte. Also wandte ich den Kopf zur Seite und da stand sie. Den Rest des Raumes nahm ich kaum wahr, nur die Schönheit des Engels beherrschte meine Gedanken, ja, ich hatte fast das Gefühl, dass sogar der Schmerz durch ihren bloßen Anblick gelindert wurde. Ich sah sie an und als sie das bemerkte, huschte ein zauberhaftes Lächeln über ihr wundervolles Gesicht.
Die Minuten verstrichen. Es wurde gänzlich dunkel und wieder hell und ich wartete darauf, dass der Engel ging, doch das tat er nicht. Das wunderte mich. Wie konnte etwas so Wunderschönem nur erlaubt sein, mit mir in der Hölle zu bleiben? Ich wollte fragen, unterließ es dann aber. Ich war so dankbar dafür, dass sie bei mir blieb, anderenfalls hätte ich das vielleicht nicht durchgestanden. Immer wenn ich schrie, genügte allein ihr Anblick, um mich zu beruhigen. Ein Lächeln von ihr und ein Strom warmen Glücks durchfloss mich, der den Schmerz in den Hintergrund drängte. Ein Blick in ihre goldenen Augen und ich verlor mich völlig in ihrer Tiefe…
Zwischendurch kam Gott, um nach mir zu sehen; bei jedem seiner Besuche zitterte ich vor lauter Angst, dass er den Engel mit sich nehmen konnte, aber das tat er nie. Ich fing an zu glauben, dass diese Prediger, die von einem barmherzigen Gott sprachen, Recht haben könnten. Vielleicht war Gott mir ja wirklich gnädig. Vielleicht wollte er mich ja wirklich verschonen. Vielleicht hatte er diesen Engel zu meiner Rettung geschickt und vielleicht… Ich wagte kaum, es auch nur zu denken, aber:
Vielleicht war ich gar nicht tot, zumal ich spürte, wie sich der Schmerz langsam veränderte. Er verschwand nicht, nein, und er wurde auch nicht weniger, jedoch schien es, als würde das Feuer schrumpfen und sich dafür an anderen Stellen stärker konzentrieren. Es zog sich langsam zurück; ich fühlte, wie zuerst meine Zehen und Fingerspitzen frei waren, während die Hitze in meiner Brustgegend immer mächtiger wurde. Nach und nach wurde mein ganzer Körper freigegeben, doch mein Herz stand scheinbar in Flammen. Ich schrie qualvoll auf; es hatte den Anschein, meine Brust würde dem ungeheuren Druck nicht standhalten und zerspringen, während mein Herz immer schneller schlug, mir fast davon galoppierte. Ich stutzte; warum hörte ich plötzlich meinen eigenen Herzschlag so deutlich? Oder war dieses Klopfen am Ende etwas ganz anderes? Doch ich irrte mich nicht; es war mein Herz, das in meiner Brust immer schneller voranpreschte und dann, plötzlich, war es vorbei. Totenstille umgab mich, als mein Herzschlag mit einem Mal aussetzte und Panik überfiel mich. Was passierte jetzt mit mir? Mit dem Verlust meines Pulses ging auch das Feuer und plötzlich fühlte ich mich unglaublich gut, wenn auch ein wenig seltsam.
Aber dann hörte ich eine Stimme von solch lieblichem Klang, dass ich mit einem Schlag wieder abgelenkt war.
„Carlisle? Ich glaube, es ist vorbei.“
„Ja“, ertönte die Stimme, die ich eigentlich Gott zugeordnet hatte. „Du hast Recht.“ Ich lag immer noch auf dem Rücken, den Blick gen Decke gerichtet. Doch irgendwas war anders; ich sah das Holz irgendwie deutlicher, konnte jedes noch so kleine Detail der Maserung ausmachen. Ich sollte aufstehen, kam es mir in den Sinn, und kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht, stand ich auch schon. Vor mir befand sich der Engel, daneben Gott, den sie Carlisle genannt hatte, doch ihm schenkte ich kaum noch Beachtung. Jetzt, wo ich keine Schmerzen mehr hatte, war sie wenn möglich noch schöner. Das Licht der eben untergehenden Sonne, die durch das Fenster schien, warf goldene Reflexe auf ihr Haar und brach sich auf ihrer Haut, so dass sie funkelte wie Tausende Diamanten. Ich atmete tief ein. Eine Vielzahl von Gerüchen strömte auf mich ein, die ich vorher nie so intensiv wahrgenommen hatte. Im Vordergrund stand jedoch ein Duft, den ich nicht genau definieren konnte. Er erinnerte mich an einen warmen Frühlingstag, an den Geruch unzähliger verschiedener Blüten und Gräser und auf eine gewisse Weise auch an frischen Honig. Die Quelle dieses anziehenden Duftes war eindeutig sie und am liebsten hätte ich ewig hier gestanden, sie betrachtet und dieses unglaubliche Aroma eingeatmet, doch irgendwann entschied ich mich dazu, die Stille zu durchbrechen und die Frage zu stellen, die mir schon die ganze Zeit auf der Zunge lag:
„Wer seid ihr?“ Beinahe schlagartig wurde mir klar, dass ich die Frage falsch gestellt hatte. >Was seid ihr?<, wäre eher angemessen gewesen. Der Engel schien das ebenso zu sehen, denn ein belustigtes Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, bevor sie mir antwortete.
„Die Frage kann ich genauso gut dir stellen. Wie heißt du?“
„Emmett“, stellte ich mich vor. „Emmett McCarty.“
„Ich bin Rosalie und das“ – sie wies auf den Mann neben sich – „ist Carlisle.“ Nun, letzteres hatte ich ja schon gewusst, aber es freute mich, endlich ihren Namen zu erfahren. Rosalie… Kein Name hätte besser zu ihrer schönen Erscheinung gepasst als dieser.
„Aber das ist doch nicht alles, was du wissen wolltest, oder?“, fragte sie mich.
„Ihr seid keine Menschen.“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, sie konnten keine Menschen sein, das war unmöglich.
„Nein“, bestätigte Rosalie dann auch meine Vermutung.
„Was seid ihr dann?“
„Vampire.“ Ich brauchte eine Weile, bis ich den Sinn dieses Wortes erfasst hatte.
„Vam…pire?“, fragte ich zögerlich. Sie nickte nur. Nein, das konnte doch nicht sein! Ich hatte nie an die Existenz dieser Geschöpfe der Nacht geglaubt, aber wenn sie doch existierten, dann doch nicht so. Vampire waren für mich immer etwas Schreckliches gewesen, das man sich ausgedacht hatte, um Kindern Angst zu machen; nie hätte ich das Wort ‚Vampir‘ mit so etwas Schönem in Verbindung gebracht, wie mit den zwei Wesen, die vor mir standen.
„Aber…“ Ein leises, glockenhelles Lachen entfuhr ihr, ob meines Gesichtsausdrucks.
„Sonne macht uns nichts aus.“ Ah, mein Blick auf das Fenster war ihr also nicht entgangen. „Zumindest fügt sie uns keine Schmerzen zu. Wir können leider trotzdem nicht bei klarem Wetter nach draußen. Wie du siehst, hat das Licht diesen glitzernden Effekt auf unserer Haut, das würde natürlich auffallen, wenn wir uns unter Menschen aufhielten.“ Vampire glitzerten im Sonnenlicht? Ich lachte dröhnend auf; das war doch wirklich zu komisch. Warum hatten Menschen dann überhaupt Angst vor ihnen? Besonders gefährlich sahen sie doch wirklich nicht aus. Wie perfekte Versionen von Menschen eben, aber in keinster Weise furchteinflößend.
In dem Moment kam mir jedoch wieder dieses schreckliche Knurren in den Sinn, das ich gehört hatte, bevor Rosalie mich mitgenommen hatte; ich konnte es nach wie vor nicht einordnen, es hatte so anders geklungen…
„Du hast mich gerettet“, sagte ich. Ich merkte selbst, dass das beinahe erstaunt klang. Rosalie nickte lächelnd.
„Wie?“ Das war offensichtlich nicht die Frage, mit der sie gerechnet hatte, zumindest wirkte sie etwas verblüfft.
„Das war ein Bär“, führte ich meine Gedanken weiter aus. „Er war riesig und er hätte mich fast umgebracht, aber du…“
„Er hatte kaum eine Chance gegen mich“, entgegnete sie mir.
„Aber du … bis eine Frau!“ Einen Augenblick lang sah sie mich einfach nur an, dann begann sie, haltlos zu lachen. Den Kopf hatte sie in den Nacken gelegt und ihre Zähne blitzten amüsiert, als sie mich schamlos auslachte. Eigentlich hätte mich das beleidigen sollen, doch ich war viel zu überwältigt von dem wundervollen Bild, das sich mir bot. Dieses völlig losgelöste Lachen war das schönste Geräusch, das ich je gehört hatte, so dass mich eine gewisse Wehmut überkam, als es schließlich verstummte.
„Bei Vampiren gibt es keinen so großen Unterschied zwischen Mann und Frau. Es gibt Starke und weniger Starke unserer Art, unabhängig vom Geschlecht. Du wirst wahrscheinlich zu den Stärkeren gehören“, meinte Rosalie mit einem Blick auf meine muskulöse Statur.
„Ich?“, fragte ich verblüfft.
„Natürlich.“
„Was…?“
„Ich musste es tun“, schaltete sich jetzt Carlisle ein, der sich bis jetzt aus unserem Gespräch herausgehalten hatte. „Ich habe dich verwandelt. Es war die einzige Möglichkeit, dich zu retten, du hattest zu viel Blut verloren.“ Bei dem Wort ‚Blut‘ fiel mir etwas ein, das mich viel brennender interessierte.
„Aber Vampire… Trinken Vampire nicht…?“ Doch Carlisle schüttelte den Kopf.
„Wir töten keine Menschen. Wir ernähren uns nur von tierischem Blut.“ Das Ganze wurde ja immer seltsamer. Sie waren Vampire, aus irgendwelchen Gründen zweifelte ich nicht daran, dass sie die Wahrheit sagten, aber sie konnten sich im Sonnenlicht bewegen, töteten keine Menschen und zumindest in diesem Raum, der wie eine Art Arbeitszimmer aussah, waren keine Särge zu sehen. Was mich zum nächsten Punkt führte: Rosalie war die ganze Zeit nicht von meiner Seite gewichen und auch Carlisle war zu jeder Tages- und Nachtzeit verfügbar gewesen, de facto schliefen Vampire nicht. Seltsam.
„Hast du Durst?“, unterbrach Rosalie meine Gedankengänge besorgt. Durst? Jetzt, wo sie es sagte, spürte ich es auch. Meine Kehle stand scheinbar in Flammen, jedenfalls brannte sie fürchterlich. Rosalie schien meine Gedanken zu erraten oder vielleicht standen mir meine Schmerzen auch ins Gesicht geschrieben, jedenfalls blickte sie fragend zu Carlisle. Er nickte.
„Emmett“, begann sie. „Ich sagte gerade, dass wir keine Menschen töten, um zu überleben. Nun, es bleibt natürlich ganz dir überlassen, ob du es uns gleichtust oder den eher natürlichen Weg der Ernährung einschlägst.“
„Den natürlichen?“
„Menschenblut“, meinte sie mit ernster Miene.
„Ja, aber… Warum sollte ich das tun, wenn es doch auch anders geht? Ich meine, das sind doch immerhin Menschen. Vor ein paar Tagen war ich noch selbst einer! Ich kann doch nicht einfach unschuldige Menschen … töten?!“ Beschwichtigend legte Rosalie eine Hand auf meine Schulter, bevor sie weitersprach:
„Ist schon gut, ich versuche nur, dir klarzumachen, welche Wege dir offen stehen. Es ist bedeutend einfacher, sich von Menschen zu ernähren, eine enorme Selbstbeherrschung ist von Nöten, um so zu leben wie wir. Umso besser, wenn du dich trotzdem für letzteres entscheidest. Ich würde vorschlagen, wir warten, bis es ganz dunkel ist, dann gehen wir jagen, einverstanden?“ Ich nickte. Dann verstummten Beide und die Wartezeit begann. Um sie zu überbrücken, stellte ich weitere Fragen über das Dasein als Vampir, die mir Carlisle und Rosalie so detailliert wie möglich beantworteten. Unter anderem erfuhr ich, dass es noch zwei weitere Vampire gab, mit denen sie lebten. Carlisle hatte eine Frau namens Esme und Rosalie warnte mich vor Edward, von dem sie als ihrem Bruder sprach und der anscheinend Gedankenlesen konnte. Zuerst dachte ich, sie mache Witze, doch dann erzählte sie mir, dass es bei manchen Vampiren vorkam, dass sie mit ihrer Verwandlung solch ungewöhnliche Fähigkeiten entwickelten. Ich fand das ungemein spannend, doch nichtsdestotrotz verstrich die Zeit quälend langsam; die Sonne schien in Zeitlupe hinter den Baumwipfeln zu verschwinden und mit jeder Sekunde, die verstrich, verschlimmerte sich mein Durst, bis ich meinte, es nicht mehr auszuhalten. Doch glücklicherweise brach Carlisle genau in diesem Moment das Schweigen.
„Es ist soweit“, sagte er mit einem Blick aus dem Fenster und ging zur Tür. Rosalie sah mich auffordernd an und ich folgte ihr in die Nacht hinaus.

Carlisle und Rosalie hatten mich an den Rand eines nahegelegenen Waldes gebracht. Die Gegend kam mir nicht im Geringsten bekannt vor; wir waren anscheinend wirklich weit weg von zu Hause.
„Und jetzt?“, wollte ich ungeduldig wissen.
„Jetzt“, meinte Rosalie, „jagen wir. Folge mir, wenn du kannst.“ Und mit diesen Worten war sie bereits zwischen den Bäumen verschwunden; nur ihr betörender Duft lag noch in der Luft. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen – sofort preschte ich los und ließ Carlisle hinter mir. Zuerst war ich ein wenig überrascht, wie schnell die Landschaft an mir vorbeizischte, doch ich ließ mich nicht lange davon beirren, zumal mein neues Sehvermögen dafür sorgte, dass meine Sicht durch das Tempo überhaupt nicht beeinträchtigt wurde. Bald konnte ich vor mir Rosalies schlanke Gestalt ausmachen und im Null-Komma-Nichts hatte ich sie auch schon eingeholt. Ich grinste ihr triumphierend zu, als ich an ihr vorbeizog. Auch sie erhöhte ihre Laufgeschwindigkeit, aber anscheinend konnte sie trotzdem nicht mit mir mithalten, denn sie blieb immer weiter zurück. Ich hörte sie meinen Namen rufen und blieb stehen, damit sie zu mir aufschließen konnte.
„Ich hab dich geschlagen“, gluckste ich, als sie endlich wieder neben mir stand.
„Ja“, nickte sie. „Vampire sind kurz nach ihrer Verwandlung am stärksten. Die Wirkung lässt jedoch innerhalb des ersten Jahres nach, als wart’s nur ab, wir sprechen uns wieder!“
„Schade… Aber ich wette, ich bin dann immer noch stärker als du!“
„Wir werden sehen“, lachte Rosalie. „Jetzt sollten wir uns dennoch wichtigeren Dingen zuwenden, laufen kannst du später immer noch.“
„Jagen?“
„Jagen“, bestätigte sie. „Bleib mal einen Moment ganz still. Und dann schließe deine Augen.“ Ich tat wie geheißen; erstaunt merkte ich, wie leicht mir diese völlige Bewegungslosigkeit fiel, damit hatte ich vorher oft Probleme gehabt. Wenn mir in seltenen Fällen meine Beute entwischt war, dann war das meist auf mein ständiges Gezappel zurückzuführen gewesen.
„Und jetzt horche“, fuhr Rosalie fort. „Sag mir, was du hörst.“ Ich lauschte gespannt. Die Nacht war nicht halb so still, wie ich vermutet hatte. In den Büschen raschelte es geheimnisvoll und ich konnte überall das Trippeln kleiner Füße von scheinbar nachtaktivem Kleingetier wahrnehmen. Das unangenehme Kratzen in meinem Hals wurde derweil immer schlimmer und instinktiv lauschte ich auf etwas, das meinen Durst möglicherweise löschen konnte. Ich konnte zwar das sanfte, stetige Plätschern eines Baches ausmachen, doch seltsamerweise reizte mich das Wasser nicht besonders. Also richtete ich mein Gehör auf etwas noch weiter Entfernteres aus und dann, plötzlich, hörte ich es: Das dumpfe Schlagen eines schweren Herzens, das dickes Blut durch die Bahnen pumpte.
„Da ist etwas. Etwa eine Viertelmeile westlich vom Bach.“
„Ja“, stimmt Rosalie zu. „Atme nun tief ein. Der Wind wird den Geruch hierher treiben. Was riechst du?“ Ich folgte ihren Anweisungen und nahm einen Atemzug. Am deutlichsten trat Rosalies blumiger Honigduft hervor, aber ich wusste, dass es nicht das war, was ich suchte. Also streckte ich meine Sinne weiter aus, bis ich zu der Stelle kam, an der ich das starke, einzelne Herz ausfindig gemacht hatte. Es war ein satter, warmer Geruch, der mir von dort in die Nase stieg. Üppig und ziemlich verlockend. Auf eine gewisse Weise kam er mir bekannt vor, seltsam verfremdet zwar, aber dennoch…
„Ein Bär?“, fragte ich ungläubig und riss meine Augen auf.
„Du hast es erfasst. Was für ein glücklicher Zufall, hier in der Gegend gibt es nicht besonders viele.“
„Welch eine Ironie…“, murmelte ich. „Und was mache ich jetzt?“
„Lass dich einfach von deinen Instinkten leiten. Tu genau das, was du willst.“ Ich atmete erneut ein; wieder überfiel mich dieser kräftige Geruch und eine Welle des Durstes überrollte mich. Ich wollte nichts weiter als endlich dieses Brennen loszuwerden, also folgte ich der Fährte. Immer weiter ging es nach Norden; in geduckter Jagdhaltung rannte ich in Richtung Bär. Ich spürte, dass Rosalie hinter mir war, ließ mich aber nicht von ihrer Anwesenheit ablenken. Ich passierte den Bach und hielt mich dann westlich, bis ich zu der Lichtung kam, auf der sich der Bär aufhielt.
Das Tier schreckte auf, als es mich auf sich zustürzen sah. Entsetzen spiegelte sich in seinen dunklen Augen und für einen kurzen Moment hielt ich inne. Noch nie hatte ich ein so großes Tier so verängstigt erlebt. Der Bär nutzte diesen Augenblick des Zögerns, seine Krallen glitten über meinen Körper und zerfetzten das, was von meiner Kleidung übrig war auch noch, als er versuchte, sich zu verteidigen, doch von meiner Haut glitten sie einfach ab, hinterließen nicht den kleinsten Kratzer. Ich musste handeln, schließlich hatte ich nur die eine Wahl: Mensch oder Tier. Mittlerweile rasend vor Durst hielt ich den Bären mühelos in Schach, während meine Zähne zielstrebig seine Kehle suchten und fanden. Dann biss ich zu. Ich spürte nicht den geringsten Widerstand; meine Zähne waren messerscharf. Blut strömte in meine Kehle, als ich gierig zu saugen begann. Der Geschmack war ziemlich ungewohnt, aber wenigstens war es etwas Heißes und Nasses, das das kratzige Gefühl in meinem Hals linderte. Schon bald leistete der Bär keinen Widerstand mehr und seine Schmerzensschreie endeten in einem gequälten Laut.
Ich stieß den blutleeren, toten Kadaver von mir und richtete mich auf. Sobald ich von dem Tier abließ, loderte mein Durst auf einmal wieder auf. Wie konnte das sein? Immerhin hatte ich gerade einen mittelgroßen Schwarzbären leergetrunken. Rosalie kam lächelnd auf mich zu.
„Gut gemacht“, lobte sie mich.
„Ich hab immer noch Durst“, quengelte ich.
„Das ist anfangs völlig normal. Du solltest noch mehr trinken, etwas Wild lässt sich sicher noch auftreiben.“
Diesmal übernahm sie die Führung; ich blieb ihr dicht auf den Fersen. Schon bald stießen wir auf eine kleine Herde schlafender Wapitis. Noch bevor sie uns bemerkten, machte Rosalie einen grazilen Sprung und erlegte einen großen Hirsch; ich tat es ihr nach. Urgh. Das Blut schmeckte nicht einmal halb so gut wie das des Bären vorhin, aber naja, wenn ich meinen Durst loswerden wollte, musste ich wohl damit Vorlieb nehmen. Ich trank und nach drei weiteren Tieren stellte sich endlich eine Art Sättigungsgefühl ein. Der Durst war noch immer präsent, aber solange ich nicht daran dachte, ließ es sich aushalten.
Rosalie trank noch; es war faszinierend, sie dabei zu beobachten. Auf sehr obskure Weise war es ein idyllisches Bild, wie sie sich über das Tier beugte, die Zähne in seinem Hals versenkt. Sie leerte noch den letzten Rest Blut, erhob sich dann und wandte sich wieder mir zu. Ihr Anblick war schlichtweg atemberaubend. Das blütenweiße Kleid, das sie trug, war von der Jagd ganz unberührt geblieben, während von meiner Kleidung praktisch nichts mehr übrig war. Zu allem Überfluss war ich noch völlig blutverschmiert. Rosalie musterte mich von oben bis unten; ein belustigtes Grinsen huschte über ihr Gesicht.
„Das müssen wir wohl noch ein bisschen üben“, stellte sie fest.
„Stimmt, aber das sollte zu schaffen sein. Wir haben ja Zeit.“
„Ja, die haben wir wirklich.“ Als sie diese Worte sprach, schlich sich eine Traurigkeit in ihre schönen Augen, die ich nicht recht einzuordnen wusste.
„Rosalie?“, fragte ich, um sie abzulenken.
„Ja?“
„Warum hast du mich gerettet?“ Sie zögerte, dann machte sie ein paar Schritte auf mich zu, so dass sie direkt vor mir stand, keine Handbreit mehr entfernt.
„Deshalb“, flüsterte sie und ehe ich auch nur ahnen konnte, was sie vorhatte, lagen ihr Lippen schon auf meinen.

Ich stehe am Fenster, betrachte die untergehende Sonne und warte auf meinen Engel. Rosalie ist den ganzen Tag mit Alice in Seattle zum Shoppen gewesen und sollte eigentlich bald heimkehren.
In diesem Moment öffnet sich die Tür und sie betritt das Zimmer, beladen mit unzähligen Einkaufstüten.
„Emmett?“ Ich drehe mit zu ihr um und sehe ihr liebevoll in die goldenen Augen.
„Was ist los? Warum stehst du hier so alleine?“, will sie wissen. Ihre Stimme klingt etwas besorgt. Lächelnd gehe ich auf sie zu und schließe sie in die Arme.
„Nichts, Süße, ich habe nur nachgedacht“, beruhige ich sie.
„Du hast was?“ Rosalie lacht.
„Nachgedacht.“ Auch mir entfährt ein dröhnendes Lachen, als mir bewusst wird, was ich gerade gesagt habe.
„Und worüber hast du nachgedacht?“, fragt sie mich.
„Über uns. Ich habe daran gedacht, wie du mich damals gerettet hast. Und an unsere erste Nacht zusammen.“ Ein verträumtes Lächeln stielt sich auf ihr Gesicht, als sie ebenfalls in Erinnerungen versinkt.
„Das war wunderschön.“
„Genau wie du“, sage ich, während ich ihr eine weiche Haarsträhne aus dem Gesicht streiche. Ihre Hand liegt auf meiner Brust und beginnt langsam, mein Hemd aufzuknöpfen.
„Aber bitte lass dieses Mal mein Kleid ganz“, murmelt Rosalie leise, während sie mir vorsichtig das Hemd von den Schultern streift.







































































Zuletzt von Rose_fan 4 ever am Di 19 Jul 2011, 23:46 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet (Grund : Kleinere Änderungen/Ergänzungen)
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Rosie's Oneshots Empty Oneshot Nr. 5

Beitrag  Rose_fan 4 ever Do 18 Aug 2011, 13:28

Handlung: Dieser Oneshot beschreibt eine Szene aus Bis(s) zur Mittagsstunde, wie Edward sie erlebt hat. Und nein, es geht nicht darum, wie er Bella verlässt, obwohl die Überschrift darauf hinweisen könnte. Hier geht es um seine Gedanken und Gefühle, bevor er in Volterra vor allen Leuten ins gleißende Sonnenlicht treten will, um die Aufmerksamkeit der Volturi auf sich zu ziehen und sich auf diese Weise umzubringen.


Das Ende

Ich hatte gedacht, sie zu verlassen wäre schon das Ende gewesen. Die ganzen letzten Monate hatte ich angenommen, es könne gar nicht mehr schlimmer kommen, doch erst jetzt merkte ich, wie falsch ich damit gelegen hatte. Bei Rosalies Anruf war ich überrascht gewesen; sie war schließlich das wahrscheinlich einzige Mitglied unserer Familie, das mit der jetzigen Situation vollkommen zufrieden war und somit kaum einen Grund hatte, außerhalb meiner seltenen Besuche mit mir zu sprechen, jedoch war diese Überraschung schon bald einem entsetzlichen Schmerz gewichen. Einem Schmerz, mit dem ich nicht zu leben gedachte.
Ich hatte gedacht, ich hätte sie schon verloren, als ich sie verlassen musste, doch nun hatte sie mich verlassen und zwar endgültig. Es gab keinen Weg mehr, um sie wiederzusehen; Himmel und Hölle trennten uns auf ewig voneinander.
Ich hatte gedacht, ohne mich und meine Familie gäbe es in Forks keinerlei Gefahr mehr für sie, schließlich hatte sie mir versprochen, nichts Dummes oder Waghalsiges zu tun und ich hatte ihr geglaubt. Hatte völlig darauf vertraut, dass sie sich daran halten würde. Ihr Versprechen hatte mich die Bedrohung unterschätzen lassen, die sie für sich selbst darstellte. Es war ein unverzeihlicher Fehler meinerseits gewesen, sie einfach mit sich allein zu lassen, aber ich hatte wirklich gedacht, sie käme darüber hinweg. Dass sie die Zerstreuung fände, die zu finden für mich bereits von Anfang an aussichtslos gewesen war. Ich hätte damit rechnen müssen, dass sie ihr Versprechen früher oder später brechen würde, schließlich hatte ich kaum das Recht gehabt, überhaupt Bedingungen zu stellen. Ja, sie zu verlassen war wahrlich falsch gewesen. Ein Fehler, dessen schreckliche Folgen mich hierhin getrieben hatten, aber jetzt war es zu spät, um noch irgendetwas in Ordnung zu bringen; ich hatte zu lange gewartet.
>Er ist auf der Beerdigung.< Jacob Blacks Worte hallten noch immer in meinem Kopf nach. Ich hatte Rosalie nicht glauben wollen, als sie mir die Nachricht von Bellas Tod überbrachte; hatte inständig gehofft, sie triebe nur einen ihrer ‚Späße‘ mit mir, doch diese fünf Worte aus Jacob Blacks Mund hatten ausgereicht, um sämtliche Hoffnung in mir mit einem Schlag zu zerstören. Warum nur hatte sie das getan? Wie hatte sie auch nur einer der haarsträubenden Lügen Glauben schenken können, die ich ihr aufgetischt hatte? So oft hatte ich beteuert, wie sehr ich sie liebte, und ein paar wohlgewählte Lügen hatten genügt, alles einfach zunichte zu machen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, einfach zu springen? Eindeutig war es ihre Absicht gewesen, ihrem Leben ein Ende zu setzen und das, obwohl es für sie zumindest aus meiner Sicht gerade erst angefangen hatte.
Vor meinem geistigen Auge lief meine Zeit mit Bella noch einmal ab. Von unserer ersten ‚Begegnung‘ in der Cafeteria über den Moment, als ich erfahren hatte, dass sie von unserem Geheimnis wusste, die Jagd nach James und letztendlich ihr verhängnisvoller achtzehnter Geburtstag und unser Gespräch im Wald. Wir hatten so eine wundervolle Zeit miteinander verbracht…
Ich war gegangen, um sie zu beschützen. Es war für mich die einzige Möglichkeit gewesen, um ihr das Leben zu ermöglichen, das sie verdiente, oder nicht? Wenn ich daran dachte, was sie getan hatte, wenn ich mir vorstellte, wie sie sich von dieser Klippe stürzte, durchfuhr mich ein messerscharfer Schmerz, als hätte mir jemand eine Klinge direkt zwischen die Rippen gestoßen. Ich konnte nicht atmen, wenn ich daran dachte, wie ihr lebloser Körper auf dem Wasser trieb. Meine Bella. Meine wunderschöne, leichtsinnige Bella. Die Bella, die in Ohnmacht fiel, wenn auch nur ein Tropfen Blut vergossen wurde. Die Bella, die stolperte, wo es nur ging und die sich in ihrer Unbeholfenheit so liebevoll um ihren Vater kümmerte. Die Bella, die mich zum Lachen brachte, die mich immer wieder überraschte. Die Bella, mein Mädchen, war tot.
Jetzt war es bald soweit. Nur noch wenige Minuten mussten vergehen, bis die Sonne im Zenit stand. Ich verschwendete keine Zeit damit, noch einmal über mein Vorhaben nachzudenken. Ein Leben in der Gewissheit, dass Bella tot war, dass ich derjenige war, der sie in den Selbstmord getrieben hatte, kam für mich gar nicht erst in Frage.
>>Mist, wo ist nur…<<
>>Warum kann sie nicht mal…<<
>>Oh, sie hatte Recht, er ist wirklich…<< Die Stimmen um mich herum bildeten ein einziges Durcheinander, sowohl die gesprochenen Worte, als auch die mehr oder weniger heimlichen Gedanken; sie alle stürmten auf mich ein und verschmolzen zu einem unverständlichen, aufdringlichen Summen. Ich blendete sie soweit aus, dass sie lediglich noch ein Hintergrundgeräusch bildeten, das mich nicht weiter beeinflusste; die letzten Minuten meines Daseins wollte ich wenigstens soweit genießen, wie es mir vergönnt war.
Ich rief mir ihr Bild in Erinnerung, ein letztes Mal, bevor ich starb oder was immer unsereins dann tat. Die zarte, helle Haut, das Gefühl ihrer samtigen Lippen auf meinen, die Tiefe ihrer schokoladenbraunen Augen aus denen die Liebe leuchtete, wenn sie mich ansah… Ich dachte daran, wie es gewesen war, zärtlich über ihre warme Wange zu streichen, leicht durch die Fülle ihrer dunklen Haare zu fahren und bei jeder dieser Berührungen dieses unglaubliche Glück zu verspüren. Ich dachte an all das, was ich die letzten Monate vermieden hatte, was ich versucht hatte, zu verdrängen. All das, was ich verloren hatte, als ich gegangen war. Ein letztes Mal erinnerte ich mich an ihren blumigen Duft, von keinem Parfum verursacht, sondern allein von ihr selbst herrührend, der ursprünglich der Grund dafür gewesen war, dass ich auf sie aufmerksam wurde…
Ein tiefer, wummernder Schlag, der den Boden unter mir zum Erzittern brachte, dröhnte über die Piazza. Endlich war es soweit: Die Uhr schlug zwölf. Langsam ging ich ein paar Schritte, bis ich genau am Eingang der dunklen Gasse stand, in der ich mich aufgehalten hatte. Knopf für Knopf öffnete ich das Hemd, das ich trug, und ließ es zu Boden gleiten – ein kleiner Haufen weißen Stoffs zu meinen Füßen. Dann schloss ich die Augen. Ich wollte nicht sehen, was gleich passierte. Ich wollte sterben, ja, aber mit ihrem Bild vor Augen. Bella sollte das letzte gewesen sein, was meine Augen gesehen hatten, bevor ich für immer gehen musste. In Gedanken zählte ich die Glockenschläge. Zwei, drei, vier, fünf… Ich wollte bis zum zwölften Schlag warten, ehe ich in die Sonne trat und all diesen Leuten offenbarte, was ich war. Das würde die Dramatik meines Unterfangens erheblich steigern und konnte somit nur von Nutzen sein. Sechs, sieben, acht, neun…
„Nein!“ Der Schrei durchbrach meine Gedanken. Er war laut, verzweifelt und unverkennbar.
„Edward, sieh mich an!“ Ein Lächeln stahl sich bei Bellas Stimme, deren Klang mir so vertraut war, dass ich sie unter Tausenden erkannt hätte, auf mein Gesicht. Was für eine wunderbare Halluzination, die mir mein Unterbewusstsein da bescherte; es gab mir genau das, was ich in diesem Moment am meisten brauchte. Immer noch lächelnd hob ich einen Fuß, um endlich den letzten Schritt meines Lebens zu tun. Den Schritt, der mich ins Sonnenlicht und damit direkt in den Tod führen würde.
Etwas prallte gegen mich. Etwas, das sich anfühlte, wie… Nein, das war unmöglich! In dem Moment, als die Uhr bereits zum zehnten Mal schlug, öffnete ich die Augen – und erstarrte. In meinen Armen hielt ich meine wundervolle Bella und sie fühlte sich viel zu echt an, um wirklich nur eine von meinem Unterbewusstsein heraufbeschworene Halluzination zu sein. Wie war das möglich? War ich etwa schon tot? Doch wenn ich wirklich tot war, dann konnte ich mich doch kaum in der Hölle befinden, oder nicht? Eine herrliche Erkenntnis überkam mich bei diesem Gedanken:
„Erstaunlich", sagte ich, verwundert und belustigt zugleich. „Carlisle hatte Recht.“
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