Küsse des Schattens
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Re: Küsse des Schattens
Kapitel 25 – Blutrausch
Es war gerade einmal Mittag als Jazmin den Geruch eines Menschen wahrnahm. Sie sah Kyle fragend an. Sie hatte immer wieder in bestimmten Abständen die Wanderwege passiert, oben in den Bäumen gesessen oder sind tief in den Wald gerannt. Wenn sie oben in die Baumwipfel saßen, hatten Kyle sie immer wieder die Techniken gelehrt. Doch ohne praktische Erfahrung konnte sie das alles nicht anwenden. Erste Regel für den Anfang, keine blutig, verletzten Menschen. Zweite Regel, den Mensch unfähig für die Flucht machen. Also Bein oder Fuß brechen. Doch irgendwie hatte Jazmin ein schlechtes Gefühl. Kyle hatte ihr auch immer wieder ins Gewissen gesprochen. Immer wieder hat er ihr bewusst machen wollen, dass das erste Opfer ohne Zweifel sterben würde. Jazmin wollte aber niemanden weh tun, geschweige denn umbringen. Also begann sie zu zögern als sie den Menschen roch.
Kyle spürte ihre Zweifel. Und er selbst musste mit sich kämpfen, um sie nicht davon abzuhalten. Sie hatte immer ihren eigenen Kopf, deshalb hatte er sie so sehr geliebt. Und nun? Sie änderte sich, und das nur wegen eines unbedeutenden Menschen, der sie gar nicht verdiente. Was sollte dieser Mensch auch mit einem Vampir anfangen. Ihre Leichtgläubigkeit half ihm jedoch, einige Lügen aufrecht zu erhalten. Er sah den Menschen nun endlich. Mist, eine junge Mutter mit einem Ungeborenen. Nein, dass konnte er nicht von ihr verlangen. Er eilte zu Jazmin die bereits im Dickicht lauerte. Gerade als sie sich vor der jungen Schwangeren stürzen wollte, hielt Kyle sie fest. Jazmins Augen hatten sich bereits verändert und ihre kleinen unscheinbaren Fänge hatten sich nur einige Millimeter heraus gewagt. Kyle konnte nicht anders als sie lieblich anzusehen. Sie war einfach perfekt, auch wenn ihre Fänge einfach nicht wachsen wollten. Jaz sah ihn fragend an. Leiser flüsterte er.
„Hör‘ hin!“
Jazmin schloss die Augen und riss sie sofort auf, als sie das kleine zweite Herzen schlagen hörte.
„Sie ist schwanger!“
Kyle nickte und sah Jazmin zu, wie sich ihr Gesicht wieder normalisierte. Kurz darauf kam die Frau vorbei. Wahrscheinlich wusste die junge Frau noch nicht einmal dass sie schwanger war. Denn es war nichts zu sehen. Und sie bewegte sich auch ganz anders. Jazmin drehte sich mit dem Rücken gegen den Baum hinter dem sie sich versteckt hatte und legte ihren Kopf in den Nacken. Sie war eindeutig überfordert mit dieser Situation. Und es dauerte nicht lange bis sie wieder jemanden roch. Wieder begann Kyle mit seinen Tipps. Als er fertig war, zählte er einen Countdown. Kaum war er bei Null angelangt, trat Jazmin vor dem Baum. Sie wollte es schaffen. Sie wollte alles richtig machen.
Der Mann blieb angewurzelt stehen. Er starrte sie unvermittelt an und fing an zu reden.
„Hey Mädchen, geht’s dir nicht gut?“, der Mann klang besorgt. Kyle begann im Hintergrund zu lachen, was Jazmin stark verunsicherte und statt anzugreifen, sprang sie wie eine erschrockene Katze in die Baumwipfel. Der Mann kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das war das Zeichen für Kyle einzuspringen. Er löschte ihm die Erinnerungen an die letzten Minuten und kam dann zu Jazmin hinauf.
„Was war denn das?“, fragte er sie lachend. Doch Jazmin war überhaupt nicht zum Lachen zu Mute. Sie sah hinunter auf dem Weg und beobachtete den Mann, der immer noch regungslos und in Trance da stand.
„Willst du es noch mal versuchen?“ Jaz kräuselte ihren Mund und nickte zögernd. Dann ließ sie sich vom Ast fallen und blieb hinter dem Mann. Kyle landete vor ihm.
„Soll ich hier bleiben und aufpassen, dass er nicht flüchtet?“ Kyle konnte sich den leicht sarkastischen Unterton nicht verkneifen. Jaz streckte ihm die Zunge heraus und musste allerdings kurz darauf selbst über sich lachen. Kyle hob die Trance auf, und begann sofort mit dem Zähne fletschen. Der Mann wusste nicht wie ihm geschah, drehte sich sofort um und kam ins Straucheln weil auch Jazmin ihre Zähne zeigte, allerdings schien er mehr überrascht zu sein, dass sie hinter ihm war, als das er Angst vor ihr hatte. Tatsächlich, er fand Jazmin weniger Furcht einflößend und kehrte ihr sogar den Rücken zu. Kyle schaute an diesen Bodybuilder Typen vorbei und nickte ihr aufmunternd zu.
[Ü18 - Bereich --- private Veröffentlichung nur per Nachfrage]
Jazmin saß kurz darauf auf der anderen Seite des Weges. Ihr Blick war leer und starrte nur auf den toten Körper des Mannes. Kyle hatte ihr gesagt, dass sie ihn töten würde und sie hatte jegliche Kontrolle über sich verloren. Sie war so froh gewesen, dass es nicht die junge Frau gewesen war. Dennoch wurde ihr bei dem Anblick des Mannes schlecht. So übel hatte sie noch nicht einmal ein Tier zugerichtet. Sie hatte alles verloren. Sie konnte sich nicht einmal daran erinnern, was sie gedacht hatte, während sie in diesem Rausch war. Und dann wurden ihren Gedanken noch schlimmer. Sie hätte dies auch Aaron antun können. Sie war vor wenigen Tagen so nah dran gewesen. Michaela hatte sie noch nie herein gebeten und hätte sie es einmal getan, so wäre Aaron nun tot gewesen, sicherlich genauso zerfetzt wieder dieser Bodybuilder Typ. Auf einer Art und Weise war Jazmin froh gewesen, dass Zachury damals da war und sie weit fort geschafft hatte. Sie hätte sich keine Ruh gefunden. Nun kam Kyle zu ihr.
„Alles okay?“ Diese fürsorgliche Stimmlage brachte Jazmin fast um den Verstand. Wie sollte alles okay sein? Sie hatte soeben einen Menschen getötet. Ihn halb zerfetzt und er fragte sie ernsthaft, ob alles okay sei? Statt jedoch sauer zu sein und ihn anzuschreien, begann sie zu weinen. Kyle legte ihr den Arm um sie und zog sie an seine Schulter. „Mach dich nicht fertig, damit musste jeder von uns klar kommen. Wenn du fleißig weiter übst …“ Jazmins Kopf schnellte hoch.
„Bitte? Ich werde das nie wieder machen. Du hast wohl einen Schatten. Ich werde schon eine andere Möglichkeit finden, Aaron nah zu sein, ohne so mächtig auszuflippen.“
Kyle rollte mit den Augen und begann noch einmal.
„Jaz, überleg doch mal. Du bist bei Aaron schon einmal in solch einen Rausch geraten, ohne dass du Blut gerochen hattest. Hier warst du so lange konzentriert gewesen, bis du das Blut gerochen hattest. Du musst weiter machen, gerade jetzt, wo du weißt wie menschliches Blut schmeckt, wie es sich in deinem Körper ausbreitet, wie es dich verändert.“
Ohne noch weiter zu zuhören sprang Jazmin auf und rannte davon. Sie wollte allein sein. Sie musste das Geschehene erst einmal verarbeiten. Sie machte sich auf den Weg zu ihrem Lieblingsort.
Es war gerade einmal Mittag als Jazmin den Geruch eines Menschen wahrnahm. Sie sah Kyle fragend an. Sie hatte immer wieder in bestimmten Abständen die Wanderwege passiert, oben in den Bäumen gesessen oder sind tief in den Wald gerannt. Wenn sie oben in die Baumwipfel saßen, hatten Kyle sie immer wieder die Techniken gelehrt. Doch ohne praktische Erfahrung konnte sie das alles nicht anwenden. Erste Regel für den Anfang, keine blutig, verletzten Menschen. Zweite Regel, den Mensch unfähig für die Flucht machen. Also Bein oder Fuß brechen. Doch irgendwie hatte Jazmin ein schlechtes Gefühl. Kyle hatte ihr auch immer wieder ins Gewissen gesprochen. Immer wieder hat er ihr bewusst machen wollen, dass das erste Opfer ohne Zweifel sterben würde. Jazmin wollte aber niemanden weh tun, geschweige denn umbringen. Also begann sie zu zögern als sie den Menschen roch.
Kyle spürte ihre Zweifel. Und er selbst musste mit sich kämpfen, um sie nicht davon abzuhalten. Sie hatte immer ihren eigenen Kopf, deshalb hatte er sie so sehr geliebt. Und nun? Sie änderte sich, und das nur wegen eines unbedeutenden Menschen, der sie gar nicht verdiente. Was sollte dieser Mensch auch mit einem Vampir anfangen. Ihre Leichtgläubigkeit half ihm jedoch, einige Lügen aufrecht zu erhalten. Er sah den Menschen nun endlich. Mist, eine junge Mutter mit einem Ungeborenen. Nein, dass konnte er nicht von ihr verlangen. Er eilte zu Jazmin die bereits im Dickicht lauerte. Gerade als sie sich vor der jungen Schwangeren stürzen wollte, hielt Kyle sie fest. Jazmins Augen hatten sich bereits verändert und ihre kleinen unscheinbaren Fänge hatten sich nur einige Millimeter heraus gewagt. Kyle konnte nicht anders als sie lieblich anzusehen. Sie war einfach perfekt, auch wenn ihre Fänge einfach nicht wachsen wollten. Jaz sah ihn fragend an. Leiser flüsterte er.
„Hör‘ hin!“
Jazmin schloss die Augen und riss sie sofort auf, als sie das kleine zweite Herzen schlagen hörte.
„Sie ist schwanger!“
Kyle nickte und sah Jazmin zu, wie sich ihr Gesicht wieder normalisierte. Kurz darauf kam die Frau vorbei. Wahrscheinlich wusste die junge Frau noch nicht einmal dass sie schwanger war. Denn es war nichts zu sehen. Und sie bewegte sich auch ganz anders. Jazmin drehte sich mit dem Rücken gegen den Baum hinter dem sie sich versteckt hatte und legte ihren Kopf in den Nacken. Sie war eindeutig überfordert mit dieser Situation. Und es dauerte nicht lange bis sie wieder jemanden roch. Wieder begann Kyle mit seinen Tipps. Als er fertig war, zählte er einen Countdown. Kaum war er bei Null angelangt, trat Jazmin vor dem Baum. Sie wollte es schaffen. Sie wollte alles richtig machen.
Der Mann blieb angewurzelt stehen. Er starrte sie unvermittelt an und fing an zu reden.
„Hey Mädchen, geht’s dir nicht gut?“, der Mann klang besorgt. Kyle begann im Hintergrund zu lachen, was Jazmin stark verunsicherte und statt anzugreifen, sprang sie wie eine erschrockene Katze in die Baumwipfel. Der Mann kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das war das Zeichen für Kyle einzuspringen. Er löschte ihm die Erinnerungen an die letzten Minuten und kam dann zu Jazmin hinauf.
„Was war denn das?“, fragte er sie lachend. Doch Jazmin war überhaupt nicht zum Lachen zu Mute. Sie sah hinunter auf dem Weg und beobachtete den Mann, der immer noch regungslos und in Trance da stand.
„Willst du es noch mal versuchen?“ Jaz kräuselte ihren Mund und nickte zögernd. Dann ließ sie sich vom Ast fallen und blieb hinter dem Mann. Kyle landete vor ihm.
„Soll ich hier bleiben und aufpassen, dass er nicht flüchtet?“ Kyle konnte sich den leicht sarkastischen Unterton nicht verkneifen. Jaz streckte ihm die Zunge heraus und musste allerdings kurz darauf selbst über sich lachen. Kyle hob die Trance auf, und begann sofort mit dem Zähne fletschen. Der Mann wusste nicht wie ihm geschah, drehte sich sofort um und kam ins Straucheln weil auch Jazmin ihre Zähne zeigte, allerdings schien er mehr überrascht zu sein, dass sie hinter ihm war, als das er Angst vor ihr hatte. Tatsächlich, er fand Jazmin weniger Furcht einflößend und kehrte ihr sogar den Rücken zu. Kyle schaute an diesen Bodybuilder Typen vorbei und nickte ihr aufmunternd zu.
[Ü18 - Bereich --- private Veröffentlichung nur per Nachfrage]
Jazmin saß kurz darauf auf der anderen Seite des Weges. Ihr Blick war leer und starrte nur auf den toten Körper des Mannes. Kyle hatte ihr gesagt, dass sie ihn töten würde und sie hatte jegliche Kontrolle über sich verloren. Sie war so froh gewesen, dass es nicht die junge Frau gewesen war. Dennoch wurde ihr bei dem Anblick des Mannes schlecht. So übel hatte sie noch nicht einmal ein Tier zugerichtet. Sie hatte alles verloren. Sie konnte sich nicht einmal daran erinnern, was sie gedacht hatte, während sie in diesem Rausch war. Und dann wurden ihren Gedanken noch schlimmer. Sie hätte dies auch Aaron antun können. Sie war vor wenigen Tagen so nah dran gewesen. Michaela hatte sie noch nie herein gebeten und hätte sie es einmal getan, so wäre Aaron nun tot gewesen, sicherlich genauso zerfetzt wieder dieser Bodybuilder Typ. Auf einer Art und Weise war Jazmin froh gewesen, dass Zachury damals da war und sie weit fort geschafft hatte. Sie hätte sich keine Ruh gefunden. Nun kam Kyle zu ihr.
„Alles okay?“ Diese fürsorgliche Stimmlage brachte Jazmin fast um den Verstand. Wie sollte alles okay sein? Sie hatte soeben einen Menschen getötet. Ihn halb zerfetzt und er fragte sie ernsthaft, ob alles okay sei? Statt jedoch sauer zu sein und ihn anzuschreien, begann sie zu weinen. Kyle legte ihr den Arm um sie und zog sie an seine Schulter. „Mach dich nicht fertig, damit musste jeder von uns klar kommen. Wenn du fleißig weiter übst …“ Jazmins Kopf schnellte hoch.
„Bitte? Ich werde das nie wieder machen. Du hast wohl einen Schatten. Ich werde schon eine andere Möglichkeit finden, Aaron nah zu sein, ohne so mächtig auszuflippen.“
Kyle rollte mit den Augen und begann noch einmal.
„Jaz, überleg doch mal. Du bist bei Aaron schon einmal in solch einen Rausch geraten, ohne dass du Blut gerochen hattest. Hier warst du so lange konzentriert gewesen, bis du das Blut gerochen hattest. Du musst weiter machen, gerade jetzt, wo du weißt wie menschliches Blut schmeckt, wie es sich in deinem Körper ausbreitet, wie es dich verändert.“
Ohne noch weiter zu zuhören sprang Jazmin auf und rannte davon. Sie wollte allein sein. Sie musste das Geschehene erst einmal verarbeiten. Sie machte sich auf den Weg zu ihrem Lieblingsort.
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Re: Küsse des Schattens
Kapitel 26 – Enttarnte Lüge
Aaron fuhr so schnell er konnte. Nach etwa zehn Minuten fand er sich im Stadtzentrum von Knoxville wieder. Auf der Suche nach dieser Telefonzelle dachte er an Jazmin. Es war ihm vorgekommen als wäre es ein Traum gewesen als er sie küsste. Es tat einfach gut, obwohl er feststellen musste, wie sich alles in ihr angespannt hatte. Sie war überrascht, aber nicht abgeneigt. Obwohl das auf der Hand lag. Sie war fast jede Nacht da, kaum das Michaela im Bett verschwunden war. Allerdings merkte Aaron dies auch in den Knochen. Er fühlte sich in den letzten Tagen immer müde. Aber war das ein Wunder? Er zächte fast jede Nacht durch. Ob Jazmin lange blieb oder nicht. Wenn Jaz ging, konnte er nie richtig einschlafen. Es umgab sie ein Geheimnis, dass konnte er fühlen. Oder war es reine Einbildung? Immerhin war seine Tante fest davon überzeugt, dass sie ein besessenes Wesen sei.
Aaron begann zu grinsen, als er die Telefonzelle fand in der Geraldine sein sollte. Oder eben sich in der Nähe aufhalten sollte. Doch schon sein erster flüchtiger Blick sagte ihr, dass sie hier nicht mehr war.
Mist, fluchte er und schlug dabei auf sein Lenkrad. Aaron fuhr rechts ran und stieg aus. Vielleicht war sie ja in eines dieser Geschäfte gegangen. Doch auch hier fand er Geraldine nicht. Sein Griff in die Tasche beförderte sein Handy hervor. Keine Nachricht. Langsam wurde Aaron sauer. Was hatte sie noch gleich gesagt? Ach richtig ein Junkie, ob er ihr gefolgt war? Obwohl Aaron dies als eine Halluzination gehalten hatte und dies auf kleine bunte Pillen geschoben hatte, bekam er nun ein mulmiges Gefühl. Was wenn dieser Typ … Nein, so durfte Aaron nicht denken.
Er wählte ihre Nummer und hoffte sie würde auch rangehen. Es dauerte nicht lange, als Geraldine wirklich ran ging.
„Hey, wo bist du? Kannst du mir mal sagen, was der Scheiß soll? Bist du auch irgendeinen Trip oder was?“, Aaron hielt mit seiner Wut nicht hinter dem Berg. Doch genauso schnell er ins Telefon gemotzt hatte, musste er feststellen, dass Geraldine vor Angst in den Hörer flüsterte.
„Bitte Aaron, komm mich holen. Er läuft durch die Stadt und sucht nach mir.“ Ihre Stimme klang von Tränen und Angst verzerrt.
„Wo bist du? Ich komm dich holen.“
„Keine Ahnung. Ich bin einfach nur gerannt und in eine Gasse geflohen, als ich ihn kommen sah. Bitte komme schnell, ich hab Angst.“
„Okay, wo lang bist du, von der Telefonzelle aus?“
„Ich bin an eine Werbewand vorbei gerannt, danach an einer Kneipe und dann an einer Boutique vorbei. Die hatte echt hässliche Klamotten, das waren alles Sachen aus der letzten Saison. Und dann bin ich die Straße einfach hinunter gerannt und irgendwann sah ich diese dunkle Gasse und bin hier rein.“
So ernst die Situation auch sein mochte, ein grinsen bei der Beschreibung der Boutique konnte er sich nicht verkneifen. So war Geraldine eben, egal wie viel Angst sie hatte, an solchen Sachen konnte sie nicht vorbei sehen.
„Okay … rede mit mir während ich deiner Beschreibung folge. Wie hast du diesen Typen kennen gelernt? Und vor allem, eigentlich sieht man einem Junkie doch an, dass er einer ist oder …. Aua! Hey du Mistkerl, kannst du nicht aufpassen?“, Aaron wurde von einem Freak angerempelt und unterbrach das Gespräch mit Geraldine um zu fluchen. Doch dieser Typ scherte sich einen Dreck.
„Eine Entschuldigung ist wohl zu viel verlangt, oder was? Penner!“, schrie Aaron hinter ihm her, und als der Typ stehen blieb und sich umdrehte, traf ihn ein eiskalter Blick. Statt etwas zu sagen oder eine entschuldigende Geste zu machen, sah er ihn einfach nur an. Aaron musste zugestehen, dass der Typ gut aussah, aber irgendwas an ihm kannte er. Obwohl kennen etwas übertrieben war. Er hatte das Gefühl das er ihn schon einmal begegnet war. Doch ihm fiel nicht ein, wo und wann. Nun wandte sich der Typ ab und ging in gleichen Schritten davon.
Aaron schüttelte den Kopf, schüttelte sich das seltsame Gefühl ab und überlegte, warum er ihn überhaupt hinterher sah? Wieso war er stehen geblieben? Aaron sah zu seiner Hand und nahm das Telefon ans Ohr.
„Geraldine?“, fragte er und wartete darauf, dass sie sich meldete, doch es kam nichts. Er hatte nahm das Telefon vom Ohr und sah noch einmal auf das Display. Keine Zeitanzeige. Komisch, er hatte doch noch mit Geraldine telefoniert, oder etwa nicht? Wollte er sie erst anrufen?
Irgendwie schien das alles nicht zusammen zu passen. Plötzlich ergriff ihn eine Hand. Erschrocken wirbelte er herum und sah in Geraldines verweinte Augen. Doch ihr Blick war nicht mehr voller Angst, sondern voller Fragen.
„Aaron?“, fragte sie und wartete auf eine Bestätigung, denn er sah aus, als hätte er einen Geist gesehen. Als er endlich reagierte und aussah, als würde er langsam wieder zur Vernunft kommen begann Geraldine erneut. „Aaron, was ist los? Warum bist du nicht gekommen? Ich hab ewig gewartet. Ich dachte schon dir sei ebenso was passiert. Du hast gepöbelt und dann war alles ruhig. Ich hab nur noch die Autos gehört und ich dachte du seist weiter ohne daran gedacht zu haben, dass ich noch in der Leitung war. Was ist passiert?“
„Ich … äh … weiß nicht. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, dass ich jemanden angesprochen hatte. Wie … “
„Ich hab mir Sorgen gemacht und bin einfach los. Ich hab mindestens 10 Minuten gewartet, aber die Sorgen haben mich bald aufgefressen, deshalb bin ich dir entgegen gegangen. Und dann hab ich dich hier stehen sehen.“
„Wie lange bist du gelaufen?“
„Knapp 10 Minuten, warum?“
Aaron schüttelte den Kopf. „Komm setz dich ins Auto, ich fahr dich zu Tante Michaela.“
„Aaron nimms mir nicht übel, aber ich glaube ich sollte fahren. Du siehst irgendwie nicht zurechnungsfähig aus.“ Aaron nickte und setzte sich auf den Beifahrerplatz. Es musste schlimm sein. Normaler Weise hasste er Beifahrer zu sein so sehr, dass er im schlimmsten Zustand noch fahren wollte.
„Du musst mir nur sagen wie ich zu Tante Michaela komme.“
Während der Fahrt fing sich Aaron wieder und wurde wieder klarer bei Verstand. So klar, dass er kurz darauf mit Geraldine ins Streiten geriet, weil er wieder fahren wollte.
Den ganzen Abend beschäftigte ihn Geraldine. Sie wollte alles Mögliche machen und umso heftiger wurde das Gezicke der beiden Frauen. Tante Michaela war natürlich dagegen, dass sie einen Nachtausflug auf den Pferden machen wollte und Geraldine sah es nicht ein wie eine Gefangene im Haus zu bleiben. Aaron hingegen verschwand in sein Zimmer und machte das Licht aus. Er wartete auf Jazmin. Sie würde heute sicher wieder kommen. Sie musste es einfach denn immerhin hatten sie sich geküsst. Aaron legte sich auf sein Bett und gerade als er das Gefühl hatte, dass Jazmin gleich ans Fenster klopfen könnte, sprang die Tür mit einem Knall auf und eine wütende Geraldine platze herein. Aaron sprang vom Bett auf und rannte zum Fenster. Wenn Jazmin da sein würde, durfte sie nichts falsches Denken. Als er das Fenster öffnete, drang die spöttische Stimme von Geraldine zu ihn heran.
„Boah Aaron, so schlimm bin ich nun auch wieder nicht, dass du durch das Fenster flüchten musst.“
Doch Aaron reagierte nicht auf diesen Spruch. Er sah einfach nur in die Dunkelheit. Doch Jazmin war nirgends zu sehen. Hatte er sich die kleinen, leisen Geräusche von draußen nur eingebildet?
Geraldine setzte sich auf sein Bett.
„Hey Aaron, du machst den Eindruck als würdest du auf jemanden warten.“
Er lehnte sich wieder ins Zimmer und drehte sich zu seiner Schwester.
„Eigentlich ja. Sie kommt fast jeden Tag her.“
„Sie?“, fragte Geraldine gespannt und hob dabei die Augenbrauen.
„Ja, sie. Soweit ich weiß, stand ich bisher auf Mädels.“
„Ja, ja. Ist schon klar, aber ich dachte Brandy wäre noch aktuell. Ich meine als du los bist, warst du ein reines Wrack. Also jetzt will ich mehr von ihr erfahren. Immerhin scheint sie dir gut zu tun.“
Geraldine versuchte bei den letzten Sätzen nicht allzu enttäuscht zu klingen. Es war zwar schön, dass er sich wieder besser fühlte, aber eigentlich hatte sie gehofft, dass er sich durch ihr wieder besser fühlte. Sie konnte es nur schwer akzeptieren dass er eine andere gefunden hatte. Immerhin hatte sie ihn versucht durch die schwere Zeit hinweg zu helfen. In ihrer Kehle wuchs der Kloß und es viel ihr schwer ihre Tränen der Enttäuschung zurück zu halten. Je mehr sie darüber nachdachte, wurde es schlimmer. Und dann begann er von ihr zu erzählen.
Als er fertig war, stand sie wortlos auf und ging in den Flur hinaus. Sie hatte ihre Tränen zurückgehalten bis sie aus dem Zimmer war, doch plötzlich entwich ihr ein Schluchzen, als sie dabei war die Tür zu Aaron zu schließen. Inständig hoffte sie er hätte es überhört, dem war jedoch nicht so. Sofort drückte jemand die Tür wieder auf und Aaron sah sie an. Noch immer hatte sie ihm den Rücken zugewandt, doch es blieb nicht dabei. Er griff nach ihrem Arm und drehte sie zu sich. Sofort versuchte Geraldine ihr Gesicht abzuwenden, doch auch dies funktionierte nicht, denn Aaron hob ihr Kinn an.
„Hab ich dich verletzt?“, fragte er sie und musterte jede Mimik. Sie wusste, dass er jede Lüge als solche enttarnen könnte, dennoch versuchte sie es.
„Ich hab eben nur festgestellt, dass ich jetzt in Sicherheit bin und die Anspannung wegen diesem Typen lässt nun dadurch auch nach.“ Obwohl sie sich sicher war, dass Aaron ihre Lüge enttarnt hatte, sagte er nichts darauf. Er nahm sie in die Arme und flüsterte in ihr Haar, dass alles wieder gut sei. Als er sich von ihr löste, fragte er: „Willst du bei mir im Zimmer schlafen?“
„Nein, danke. Ich komm schon klar.“ Zum ersten Mal hörte Aaron eine Absage von ihr. Für gewöhnlich hatte sie solche Angebote gern entgegen genommen. Sie löste sich sogar freiwillig aus seiner Umarmung und ging in ihr Zimmer. Aaron ging sobald ins Zimmer als sich die Tür von Geraldine schloss. Eine dreiviertel Stunden blieb er noch auf, und als seine Uhr verriet wie spät es war, musste Aaron leidlich feststellen, dass Jazmin nicht mehr kommen würde.
Er nahm sich sein Handy vor und tippte eine kurze SMS.
Hey Jaz, scheinbar kommst du heute nicht mehr. Geh jetzt schlafen. Bis morgen vielleicht.
Dann ging er ins Bett. Schlafen konnte er trotzdem nicht. Seine Gedanken kreisten in seinem Kopf und das Geraldine ihn anlog und dazu noch so schlecht, machte es ihm auch nicht einfacher. Was war los mit ihr? Warum freute sie sich nicht für ihn? Er stand auf und ging in ihr Zimmer um diese Sache zu klären, eher könnte er nicht einschlafen.
Aaron fuhr so schnell er konnte. Nach etwa zehn Minuten fand er sich im Stadtzentrum von Knoxville wieder. Auf der Suche nach dieser Telefonzelle dachte er an Jazmin. Es war ihm vorgekommen als wäre es ein Traum gewesen als er sie küsste. Es tat einfach gut, obwohl er feststellen musste, wie sich alles in ihr angespannt hatte. Sie war überrascht, aber nicht abgeneigt. Obwohl das auf der Hand lag. Sie war fast jede Nacht da, kaum das Michaela im Bett verschwunden war. Allerdings merkte Aaron dies auch in den Knochen. Er fühlte sich in den letzten Tagen immer müde. Aber war das ein Wunder? Er zächte fast jede Nacht durch. Ob Jazmin lange blieb oder nicht. Wenn Jaz ging, konnte er nie richtig einschlafen. Es umgab sie ein Geheimnis, dass konnte er fühlen. Oder war es reine Einbildung? Immerhin war seine Tante fest davon überzeugt, dass sie ein besessenes Wesen sei.
Aaron begann zu grinsen, als er die Telefonzelle fand in der Geraldine sein sollte. Oder eben sich in der Nähe aufhalten sollte. Doch schon sein erster flüchtiger Blick sagte ihr, dass sie hier nicht mehr war.
Mist, fluchte er und schlug dabei auf sein Lenkrad. Aaron fuhr rechts ran und stieg aus. Vielleicht war sie ja in eines dieser Geschäfte gegangen. Doch auch hier fand er Geraldine nicht. Sein Griff in die Tasche beförderte sein Handy hervor. Keine Nachricht. Langsam wurde Aaron sauer. Was hatte sie noch gleich gesagt? Ach richtig ein Junkie, ob er ihr gefolgt war? Obwohl Aaron dies als eine Halluzination gehalten hatte und dies auf kleine bunte Pillen geschoben hatte, bekam er nun ein mulmiges Gefühl. Was wenn dieser Typ … Nein, so durfte Aaron nicht denken.
Er wählte ihre Nummer und hoffte sie würde auch rangehen. Es dauerte nicht lange, als Geraldine wirklich ran ging.
„Hey, wo bist du? Kannst du mir mal sagen, was der Scheiß soll? Bist du auch irgendeinen Trip oder was?“, Aaron hielt mit seiner Wut nicht hinter dem Berg. Doch genauso schnell er ins Telefon gemotzt hatte, musste er feststellen, dass Geraldine vor Angst in den Hörer flüsterte.
„Bitte Aaron, komm mich holen. Er läuft durch die Stadt und sucht nach mir.“ Ihre Stimme klang von Tränen und Angst verzerrt.
„Wo bist du? Ich komm dich holen.“
„Keine Ahnung. Ich bin einfach nur gerannt und in eine Gasse geflohen, als ich ihn kommen sah. Bitte komme schnell, ich hab Angst.“
„Okay, wo lang bist du, von der Telefonzelle aus?“
„Ich bin an eine Werbewand vorbei gerannt, danach an einer Kneipe und dann an einer Boutique vorbei. Die hatte echt hässliche Klamotten, das waren alles Sachen aus der letzten Saison. Und dann bin ich die Straße einfach hinunter gerannt und irgendwann sah ich diese dunkle Gasse und bin hier rein.“
So ernst die Situation auch sein mochte, ein grinsen bei der Beschreibung der Boutique konnte er sich nicht verkneifen. So war Geraldine eben, egal wie viel Angst sie hatte, an solchen Sachen konnte sie nicht vorbei sehen.
„Okay … rede mit mir während ich deiner Beschreibung folge. Wie hast du diesen Typen kennen gelernt? Und vor allem, eigentlich sieht man einem Junkie doch an, dass er einer ist oder …. Aua! Hey du Mistkerl, kannst du nicht aufpassen?“, Aaron wurde von einem Freak angerempelt und unterbrach das Gespräch mit Geraldine um zu fluchen. Doch dieser Typ scherte sich einen Dreck.
„Eine Entschuldigung ist wohl zu viel verlangt, oder was? Penner!“, schrie Aaron hinter ihm her, und als der Typ stehen blieb und sich umdrehte, traf ihn ein eiskalter Blick. Statt etwas zu sagen oder eine entschuldigende Geste zu machen, sah er ihn einfach nur an. Aaron musste zugestehen, dass der Typ gut aussah, aber irgendwas an ihm kannte er. Obwohl kennen etwas übertrieben war. Er hatte das Gefühl das er ihn schon einmal begegnet war. Doch ihm fiel nicht ein, wo und wann. Nun wandte sich der Typ ab und ging in gleichen Schritten davon.
Aaron schüttelte den Kopf, schüttelte sich das seltsame Gefühl ab und überlegte, warum er ihn überhaupt hinterher sah? Wieso war er stehen geblieben? Aaron sah zu seiner Hand und nahm das Telefon ans Ohr.
„Geraldine?“, fragte er und wartete darauf, dass sie sich meldete, doch es kam nichts. Er hatte nahm das Telefon vom Ohr und sah noch einmal auf das Display. Keine Zeitanzeige. Komisch, er hatte doch noch mit Geraldine telefoniert, oder etwa nicht? Wollte er sie erst anrufen?
Irgendwie schien das alles nicht zusammen zu passen. Plötzlich ergriff ihn eine Hand. Erschrocken wirbelte er herum und sah in Geraldines verweinte Augen. Doch ihr Blick war nicht mehr voller Angst, sondern voller Fragen.
„Aaron?“, fragte sie und wartete auf eine Bestätigung, denn er sah aus, als hätte er einen Geist gesehen. Als er endlich reagierte und aussah, als würde er langsam wieder zur Vernunft kommen begann Geraldine erneut. „Aaron, was ist los? Warum bist du nicht gekommen? Ich hab ewig gewartet. Ich dachte schon dir sei ebenso was passiert. Du hast gepöbelt und dann war alles ruhig. Ich hab nur noch die Autos gehört und ich dachte du seist weiter ohne daran gedacht zu haben, dass ich noch in der Leitung war. Was ist passiert?“
„Ich … äh … weiß nicht. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, dass ich jemanden angesprochen hatte. Wie … “
„Ich hab mir Sorgen gemacht und bin einfach los. Ich hab mindestens 10 Minuten gewartet, aber die Sorgen haben mich bald aufgefressen, deshalb bin ich dir entgegen gegangen. Und dann hab ich dich hier stehen sehen.“
„Wie lange bist du gelaufen?“
„Knapp 10 Minuten, warum?“
Aaron schüttelte den Kopf. „Komm setz dich ins Auto, ich fahr dich zu Tante Michaela.“
„Aaron nimms mir nicht übel, aber ich glaube ich sollte fahren. Du siehst irgendwie nicht zurechnungsfähig aus.“ Aaron nickte und setzte sich auf den Beifahrerplatz. Es musste schlimm sein. Normaler Weise hasste er Beifahrer zu sein so sehr, dass er im schlimmsten Zustand noch fahren wollte.
„Du musst mir nur sagen wie ich zu Tante Michaela komme.“
Während der Fahrt fing sich Aaron wieder und wurde wieder klarer bei Verstand. So klar, dass er kurz darauf mit Geraldine ins Streiten geriet, weil er wieder fahren wollte.
Den ganzen Abend beschäftigte ihn Geraldine. Sie wollte alles Mögliche machen und umso heftiger wurde das Gezicke der beiden Frauen. Tante Michaela war natürlich dagegen, dass sie einen Nachtausflug auf den Pferden machen wollte und Geraldine sah es nicht ein wie eine Gefangene im Haus zu bleiben. Aaron hingegen verschwand in sein Zimmer und machte das Licht aus. Er wartete auf Jazmin. Sie würde heute sicher wieder kommen. Sie musste es einfach denn immerhin hatten sie sich geküsst. Aaron legte sich auf sein Bett und gerade als er das Gefühl hatte, dass Jazmin gleich ans Fenster klopfen könnte, sprang die Tür mit einem Knall auf und eine wütende Geraldine platze herein. Aaron sprang vom Bett auf und rannte zum Fenster. Wenn Jazmin da sein würde, durfte sie nichts falsches Denken. Als er das Fenster öffnete, drang die spöttische Stimme von Geraldine zu ihn heran.
„Boah Aaron, so schlimm bin ich nun auch wieder nicht, dass du durch das Fenster flüchten musst.“
Doch Aaron reagierte nicht auf diesen Spruch. Er sah einfach nur in die Dunkelheit. Doch Jazmin war nirgends zu sehen. Hatte er sich die kleinen, leisen Geräusche von draußen nur eingebildet?
Geraldine setzte sich auf sein Bett.
„Hey Aaron, du machst den Eindruck als würdest du auf jemanden warten.“
Er lehnte sich wieder ins Zimmer und drehte sich zu seiner Schwester.
„Eigentlich ja. Sie kommt fast jeden Tag her.“
„Sie?“, fragte Geraldine gespannt und hob dabei die Augenbrauen.
„Ja, sie. Soweit ich weiß, stand ich bisher auf Mädels.“
„Ja, ja. Ist schon klar, aber ich dachte Brandy wäre noch aktuell. Ich meine als du los bist, warst du ein reines Wrack. Also jetzt will ich mehr von ihr erfahren. Immerhin scheint sie dir gut zu tun.“
Geraldine versuchte bei den letzten Sätzen nicht allzu enttäuscht zu klingen. Es war zwar schön, dass er sich wieder besser fühlte, aber eigentlich hatte sie gehofft, dass er sich durch ihr wieder besser fühlte. Sie konnte es nur schwer akzeptieren dass er eine andere gefunden hatte. Immerhin hatte sie ihn versucht durch die schwere Zeit hinweg zu helfen. In ihrer Kehle wuchs der Kloß und es viel ihr schwer ihre Tränen der Enttäuschung zurück zu halten. Je mehr sie darüber nachdachte, wurde es schlimmer. Und dann begann er von ihr zu erzählen.
Als er fertig war, stand sie wortlos auf und ging in den Flur hinaus. Sie hatte ihre Tränen zurückgehalten bis sie aus dem Zimmer war, doch plötzlich entwich ihr ein Schluchzen, als sie dabei war die Tür zu Aaron zu schließen. Inständig hoffte sie er hätte es überhört, dem war jedoch nicht so. Sofort drückte jemand die Tür wieder auf und Aaron sah sie an. Noch immer hatte sie ihm den Rücken zugewandt, doch es blieb nicht dabei. Er griff nach ihrem Arm und drehte sie zu sich. Sofort versuchte Geraldine ihr Gesicht abzuwenden, doch auch dies funktionierte nicht, denn Aaron hob ihr Kinn an.
„Hab ich dich verletzt?“, fragte er sie und musterte jede Mimik. Sie wusste, dass er jede Lüge als solche enttarnen könnte, dennoch versuchte sie es.
„Ich hab eben nur festgestellt, dass ich jetzt in Sicherheit bin und die Anspannung wegen diesem Typen lässt nun dadurch auch nach.“ Obwohl sie sich sicher war, dass Aaron ihre Lüge enttarnt hatte, sagte er nichts darauf. Er nahm sie in die Arme und flüsterte in ihr Haar, dass alles wieder gut sei. Als er sich von ihr löste, fragte er: „Willst du bei mir im Zimmer schlafen?“
„Nein, danke. Ich komm schon klar.“ Zum ersten Mal hörte Aaron eine Absage von ihr. Für gewöhnlich hatte sie solche Angebote gern entgegen genommen. Sie löste sich sogar freiwillig aus seiner Umarmung und ging in ihr Zimmer. Aaron ging sobald ins Zimmer als sich die Tür von Geraldine schloss. Eine dreiviertel Stunden blieb er noch auf, und als seine Uhr verriet wie spät es war, musste Aaron leidlich feststellen, dass Jazmin nicht mehr kommen würde.
Er nahm sich sein Handy vor und tippte eine kurze SMS.
Hey Jaz, scheinbar kommst du heute nicht mehr. Geh jetzt schlafen. Bis morgen vielleicht.
Dann ging er ins Bett. Schlafen konnte er trotzdem nicht. Seine Gedanken kreisten in seinem Kopf und das Geraldine ihn anlog und dazu noch so schlecht, machte es ihm auch nicht einfacher. Was war los mit ihr? Warum freute sie sich nicht für ihn? Er stand auf und ging in ihr Zimmer um diese Sache zu klären, eher könnte er nicht einschlafen.
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Re: Küsse des Schattens
Kapitel 27 – Der Neue
Die Ferien waren vorbei. Jazmin hatte sich nicht wieder gemeldet. Der Verdacht, Jazmin wäre da gewesen und hätte ihn mit Geraldine gesehen, war inzwischen so groß gewesen, dass Aaron sich die Frage immer wieder stellte. Wie musste es für Jazmin ausgesehen haben? Geraldine war nur die Nacht dageblieben. Er fühlte sich deshalb ebenso schrecklich. Warum war nur immer wieder derjenige der sich selbst im Weg stand. Statt Geraldine allein zu lassen, damit sie die Zurückweisung, mit der er ihr vor den Kopf gestoßen hatte, klar kommen konnte, ging er zu ihr ins Zimmer.
Kaum war er bei ihr, ging er geradewegs zu ihr. Sie stand am Fenster, bat ihn die ganze Zeit zu gehen. Aaron hatte ihre tränenerstickte Stimme wahrgenommen. Er wollte sie trösten, so wie sie es für ihn immer tat. Doch irgendwie konnte er es nicht so gut wie sie. Alles was sie in seinen Trauerstunden gemacht hatte, hatte er bei ihr angewendet, doch es klappte nicht. Geraldine hatte ihn immer wieder versucht wegzudrücken. Aaron hielt an ihr fest, versuchte sie zu beruhigen, bis sie ihn verbal Ohrfeigte und ihn zur Tür schob.
„Emotional verkrüppelter Typ“, so hatte sie ihn genannt. Sie war wütend auf ihn und er konnte sich schon denken, warum. Aaron war nicht der Klügste aber er kannte Geraldine. Sie hatte Liebeskummer. Und gerne hätte er gewusst, wer ihr das Leben so schwer machte. Er wusste, dass sie ihn liebte, aber so sehr konnte sie ihn nie lieben. Das war für Aaron unvorstellbar. Dieser Junkie würde es nicht ausgelöst haben. Sie war sicher deswegen hier her gekommen. Aaron beschloss, ihr jetzt erst einmal ein wenig Ruhe zu geben. Am nächsten Morgen wollte er mit ihr reden.
Jetzt im Nachhinein wurde ihm Tag für Tag klar, dass Geraldine einzig und allein wegen ihm nach Knoxville kam. Umso schrecklicher war es auch für ihn gewesen, dass auch sie Funkstille beibehielt. Weder Jazmin noch Geraldine. Er hatte beide verjagt, mit seiner Art.
Aaron saß am Tisch mit den anderen, als sein Handy in der Hosentasche vibrierte. Als er das Telefon heraus nahm, sah Michaela ihn schon musternd an. Schnell entschloss er sich, einen Blick auf die Nachricht zu werfen die er bekommen hatte. Es war nicht Geraldine. Als Absender war eine fremde Nummer angegeben. An der Vorwahl konnte er erkennen dass es ein Wegwerfhandy war. Er öffnete die Nachricht.
Sorry! V-JG 05
Aaron begann zu grübeln. Wer war das zur Hölle? Als sich seine Tante räusperte, sah er auf und klappte sein Handy zusammen. Es war alles seltsam. Was sollte diese SMS bedeuten? Aaron schob sich sein Toast in den Mund und stand auf. Sehr zur Missgunst von seiner Tante.
„Aaron“, tadelte sie ihn, „du hast genug Zeit um vernünftig zu frühstücken. Also tu dies bitte.“ Mit einem Augenrollen setzte er sich wieder auf den Stuhl. Er und seine Tante waren allein, da er in der Schulzeit später aufstehen konnte. Er dachte daran, wie der erste Tag werden würde. Er hasste es immer irgendwo neu hinzukommen. Vor allem wenn es um Schule ging. Diese Vorstellungsrunden waren immer das nervigste daran.
Nach einer halben Stunde saß er im Auto und folgte dem Navigationssystem, welches ihm direkt zur Schule bringen sollte. Aaron war schon einige Wochen aus der Schule. Aber das war nicht dass schlimmste an seiner momentanen Situation. Er würde in eine feststehende Klasse kommen, die sich alle schon mehrere Semester kannten und sich als eine geschlossene Gruppe vor ihm auftun würde. Aaron hatte schon immer Schwierigkeiten gehabt sich zu etablieren. Geraldine half ihn normaler Weise in solchen Sachen. Aber nun war er allein, allein auf sich gestellt.
Aaron fand sich fast eine Stunde zu früh ein. Die Parkplätze waren alle noch leer und er stellte sich auf einen der Hinteren. Er wusste von Seattle her, dass die vorderen Parkplätze den Beliebten galten. Daher stellte er sich erst gar nicht dorthin. Obwohl er der Meinung war, durchaus ein Anspruch auf einen der vorderen zu haben. Aber das würde sich erst in den nächsten Tagen zeigen. Immer hin musste er die Verantwortlichen erst davon überzeugen. Nach seiner Erfahrung hin dürfte es nicht allzu lange dauern. Nach einigen Minuten im Auto, beschloss Aaron auszusteigen und sich ins Sekretariat zu begeben. Er mochte nicht in den vollen Fluren nach seinem Klassenzimmer suchen. Das hasste er am allermeisten, denn das verriet ihn nun mal als den Neuen an der Schule.
Nachdem er sich im Büro des stellvertretenden Schuldirektors war und einige der Formulare noch ausgefüllt hatte, ging er auf die Suche nach seinem Zimmer. Es dauerte nicht lange und er hatte sich verlaufen. Klasse, dass konnte auch nur mir passieren, dachte er verärgert. Er irrte durch die Gänge die sich langsam mit Schülern füllten. Dann begegnete er jemanden der einfach zu alt war um noch Schüler sein zu können. Der Hausmeister.
„Sorry, ich suche hier den Raum 102, könnten Sie mir sagen, wo ich den finde?“
Der Hausmeister gab ihm eine kurze schnelle Beschreibung und ließ ihn stehen. Aaron war sauer. Warum hatte er nur solch ein schlechtes Gedächtnis? Somit irrte er noch ein wenig weiter herum, bis er den Raum endlich fand. In Zwischenzeit waren die Flure alle voll und er als Neuer aufgefallen. Stumm ging er in das Zimmer und beobachtete die Plätze. Auf einigen lagen schon Taschen und im hinteren Teil des Raumes standen einige Mädels zusammen. Der Raum war mit 5 Reihen bestückt und hatte sowohl vorn als auch hinten eine Tafel. Er sah sich weiter um, fand einen für ihn geeigneten Platz in der zweiten Reihe. Aus eigener Erfahrung wusste er, dass vorne und mittig fast immer freie Plätze beinhalteten. Es war schon fast ein ungeschriebenes Gesetz. Kaum hatte er sich dort niedergelassen, spürte er die Aufmerksamkeit der Mädels von der letzten Reihe. Sie tuschelten bereits und knobelten gerade aus, wer ihn ausquetschen sollte. Es traf eine der Blonden. Sie war hübsch, keine Frage, aber dennoch aus irgendeinem Grund interessierte sie ihn gar nicht. Wieder kamen seine Gedanken von Jazmin und Geraldine in den Sinn. Wie sollte er mit solch einen schlechten Gewissen noch an ein kleines Schäferstündchen mit dieser Blondine denken?
„Hey, bist du neu hier? Ich bin Shila.“ Aaron sah freundlicher Weise auf, blieb aber stumm, weil er irgendwie nicht in der Lage war nun etwas zu sagen, denn es war ganz offensichtlich dass er Neu hier war. Er lächelte sie aber an, zumindest versuchte er es. Aaron sah wieder auf den Tisch und entschloss sich, doch schon mal auszupacken, als Shilas schönklingende Stimme wieder ertönte.
„Wo du sitzt, sitzt aber schon einer. Wenn du hier vorne bleiben willst, musst du dich da rüber setzen.“ Sie deutete mit dem Finger auf den letzten Platz der Reihe. Toll, Fensterplatz. Wieder etwas mehr, was mich ablenken könnte, dachte er spöttisch. Er stand auf und ging zum freien Platz. Shila trottete ihm hinterher. Na toll, ein Klette. Aaron fühlte sich nun erstrecht schon genervt, zu allem Überfluss setzte sie sich auch noch neben ihm. Kurz darauf fiel ihm auf, dass auf dem Platz neben ihm eine kleine rosa Handtasche lag.
„Wie heißt du?“, fragte Shila schüchtern. Irgendwie machte es sie sympathischer. Immer mehr Schüler betraten den Raum. Aaron hatte ihr noch nicht geantwortet, denn er müsste sich doch eh vorstellen, also warum hundert Mal das Gleiche erzählen? Shila verstummte und ging wieder zurück zu ihren Freundinnen. Sicher würde sie ihnen erzählen, was für ein arroganter Typ er sei. Dies interessierte ihn allerdings nicht so wirklich. Er sah zur Tür, nicht um zu sehen, wer noch alles käme, sondern wann es endlich losgehen würde.
Doch er kam nicht dazu, denn genau in diesem Moment kam jemand herein, dessen Anwesenheit alles kälter werden ließ. Aaron hatte das Gefühl ihn zu kennen. Er war etwas kleiner als Aaron und hatte schwarze struppige Haare. Seine Haut war fast weiß, sah aber nicht geschminkt aus. Er hatte tiefgrüne Augen, die bei seinem Blick schon fast gefährlich wirkten. Sie flogen in den Raum umher und blieben mit einer tödlich wirkenden Präzision an kleinen Details hängen. Aaron kannte ihn nicht, hatte ihn auch noch nie gesehen und dennoch hatte er das Gefühl ihm mehrmals begegnet zu sein. Kurz hinter ihm kam noch jemand, mit den Selben beobachtenden, kalten und tödlich bringenden Augen. Sie waren jedoch in einem Schokoladenbraunton getaucht worden. Und obwohl braun eine wärmende Wirkung hatte, waren ihre Augen irgendwie kalt.
Sie war hübsch. Blonde Haare säumten ihr Gesicht, aber auch sie war bleich wie eine Kalkwand und damit dieser Eindruck noch verstärkt wurde, hatte sie ihre Augen Schwarzumrahmt. Der Typ hatte ebenfalls Eyeliner getragen, aber nicht so stark wie dieses Mädchen. Sie trug im Gegensatz zu dem Kerl auch etwas Farbe in ihren Klamotten. Sie trug eine schwarze Bluse mit vielen roten Kirschen darauf, eine rote Schleife um den Hals, eine im Haar und eine um ihren Oberschenkel gewickelt. Die letztere konnte er nur gut sehen, weil sie einen ultrakurzen Minirock trug. Seine Blicke konnten aber nicht alles darunter sehen, denn sie trug noch eine schwarze engmaschige Netzstrumpfhose. Das einzige was ihm an ihrer Erscheinung nicht gefiel waren die klobigen Stiefel die sie trug. Er hingegen war nur schwarz gekleidet. Schwarzes Hemd, schwarze Hose und schwarzer Schlips. Beide setzten sich in die letzte Reihe, neben den tuschelnden Mädels, die sich auch schon in Bewegung gesetzt hatten um von den Beiden nicht belauscht zu werden. Aaron blickte zurück auf seinen Tisch. Seine Gedanken schwirrten sofort wieder zu Jazmin. Denn das Mädchen hinter ihm erinnerte ihn sehr stark an sie. Warum hatte sie sich nicht mehr gemeldet? …
Weiter konnte er nicht mehr nachdenken, denn die Schulglocke läutete lautstark und der Raum füllte sich schlagartig. Shila kam zurück auf ihren Platz und beobachtete Aaron aus den Augenwinkeln.
Der Lehrer kam zu spät und entschuldigte sich sofort als er den Raum betrat.
„Entschuldigen Sie bitte meine Verspätung. Es gibt organisatorische Schwierigkeiten. Aber erst einmal schön dass sie alle wieder in die Schule gefunden haben …“, sofort ging ein murrendes raunen durch die Menge, „ … ich hoffe sie haben die Ferien gut für sie genutzt?! So nun zu den organisatorischen Teil der Begrüßung. Wie einige von euch wissen, geht es Mrs Baltimore noch immer schlecht. –“
„Ja, ihr Alter hat sie sitzen lassen und nun ist sie in der Klapse.“, wurde der Lehrer unterbrochen von einem Schüler, der wahrscheinlich weniger Kopf hatte, als in der Hose. Aaron schüttelte unmissverständlich den Kopf. Doch niemand bis auf Shila, schien dies aufgefallen zu sein.
„Vielen Dank für die Aufklärung Mr Scott. Aber so ist es nicht ganz. Jedenfalls, fällt für sie die Physikstunde aus und bevor sie …“, er musste die Stimme heben um die johlende Menge zu übertönen, „… sich zu früh freuen, haben wir eine Planänderung vorgenommen. Da der Begabtenkurs nur wenige Schüler beinhaltet, werden ihre Klasse und die A-plus-Class für diesen Zeitraum zusammengelegt. Dies bedeutet, immer wenn sie Physik hätten, werden sie ab den heutigen Tag Sport haben.“
Die Klasse wurde zunehmend unruhiger und Aaron nutzte die Zeit um sich umzusehen. Er wollte die zwei Freaks noch einmal in Augenschein nehmen. Aber kaum hatte er sie im Blick spürte er wieder diese seltsame Kälte. Sie sahen ihn jedoch nicht an. Beide unterhielten sich und Aaron war so weit vorn, dass er unter den Tisch sehen konnte. Das Mädchen hatte ihre schlanken Endlosbeine übereinander geschlagen und hielt unter dem Tisch ein Handy in der Hand. Er war verblüfft, wie schnell ihre Finger ohne auch nur hinzusehen über die Tasten flogen. Plötzlich überlief ihn ein eisiger Schauer und als er aufblickte, sahen ihn die Beiden unvermittelt an. Sofort drehte Aaron sich um. Doch die Kälte verschwand nicht. Sie blieb den ganzen Unterricht lang.
Die Ferien waren vorbei. Jazmin hatte sich nicht wieder gemeldet. Der Verdacht, Jazmin wäre da gewesen und hätte ihn mit Geraldine gesehen, war inzwischen so groß gewesen, dass Aaron sich die Frage immer wieder stellte. Wie musste es für Jazmin ausgesehen haben? Geraldine war nur die Nacht dageblieben. Er fühlte sich deshalb ebenso schrecklich. Warum war nur immer wieder derjenige der sich selbst im Weg stand. Statt Geraldine allein zu lassen, damit sie die Zurückweisung, mit der er ihr vor den Kopf gestoßen hatte, klar kommen konnte, ging er zu ihr ins Zimmer.
Kaum war er bei ihr, ging er geradewegs zu ihr. Sie stand am Fenster, bat ihn die ganze Zeit zu gehen. Aaron hatte ihre tränenerstickte Stimme wahrgenommen. Er wollte sie trösten, so wie sie es für ihn immer tat. Doch irgendwie konnte er es nicht so gut wie sie. Alles was sie in seinen Trauerstunden gemacht hatte, hatte er bei ihr angewendet, doch es klappte nicht. Geraldine hatte ihn immer wieder versucht wegzudrücken. Aaron hielt an ihr fest, versuchte sie zu beruhigen, bis sie ihn verbal Ohrfeigte und ihn zur Tür schob.
„Emotional verkrüppelter Typ“, so hatte sie ihn genannt. Sie war wütend auf ihn und er konnte sich schon denken, warum. Aaron war nicht der Klügste aber er kannte Geraldine. Sie hatte Liebeskummer. Und gerne hätte er gewusst, wer ihr das Leben so schwer machte. Er wusste, dass sie ihn liebte, aber so sehr konnte sie ihn nie lieben. Das war für Aaron unvorstellbar. Dieser Junkie würde es nicht ausgelöst haben. Sie war sicher deswegen hier her gekommen. Aaron beschloss, ihr jetzt erst einmal ein wenig Ruhe zu geben. Am nächsten Morgen wollte er mit ihr reden.
Jetzt im Nachhinein wurde ihm Tag für Tag klar, dass Geraldine einzig und allein wegen ihm nach Knoxville kam. Umso schrecklicher war es auch für ihn gewesen, dass auch sie Funkstille beibehielt. Weder Jazmin noch Geraldine. Er hatte beide verjagt, mit seiner Art.
Aaron saß am Tisch mit den anderen, als sein Handy in der Hosentasche vibrierte. Als er das Telefon heraus nahm, sah Michaela ihn schon musternd an. Schnell entschloss er sich, einen Blick auf die Nachricht zu werfen die er bekommen hatte. Es war nicht Geraldine. Als Absender war eine fremde Nummer angegeben. An der Vorwahl konnte er erkennen dass es ein Wegwerfhandy war. Er öffnete die Nachricht.
Sorry! V-JG 05
Aaron begann zu grübeln. Wer war das zur Hölle? Als sich seine Tante räusperte, sah er auf und klappte sein Handy zusammen. Es war alles seltsam. Was sollte diese SMS bedeuten? Aaron schob sich sein Toast in den Mund und stand auf. Sehr zur Missgunst von seiner Tante.
„Aaron“, tadelte sie ihn, „du hast genug Zeit um vernünftig zu frühstücken. Also tu dies bitte.“ Mit einem Augenrollen setzte er sich wieder auf den Stuhl. Er und seine Tante waren allein, da er in der Schulzeit später aufstehen konnte. Er dachte daran, wie der erste Tag werden würde. Er hasste es immer irgendwo neu hinzukommen. Vor allem wenn es um Schule ging. Diese Vorstellungsrunden waren immer das nervigste daran.
Nach einer halben Stunde saß er im Auto und folgte dem Navigationssystem, welches ihm direkt zur Schule bringen sollte. Aaron war schon einige Wochen aus der Schule. Aber das war nicht dass schlimmste an seiner momentanen Situation. Er würde in eine feststehende Klasse kommen, die sich alle schon mehrere Semester kannten und sich als eine geschlossene Gruppe vor ihm auftun würde. Aaron hatte schon immer Schwierigkeiten gehabt sich zu etablieren. Geraldine half ihn normaler Weise in solchen Sachen. Aber nun war er allein, allein auf sich gestellt.
Aaron fand sich fast eine Stunde zu früh ein. Die Parkplätze waren alle noch leer und er stellte sich auf einen der Hinteren. Er wusste von Seattle her, dass die vorderen Parkplätze den Beliebten galten. Daher stellte er sich erst gar nicht dorthin. Obwohl er der Meinung war, durchaus ein Anspruch auf einen der vorderen zu haben. Aber das würde sich erst in den nächsten Tagen zeigen. Immer hin musste er die Verantwortlichen erst davon überzeugen. Nach seiner Erfahrung hin dürfte es nicht allzu lange dauern. Nach einigen Minuten im Auto, beschloss Aaron auszusteigen und sich ins Sekretariat zu begeben. Er mochte nicht in den vollen Fluren nach seinem Klassenzimmer suchen. Das hasste er am allermeisten, denn das verriet ihn nun mal als den Neuen an der Schule.
Nachdem er sich im Büro des stellvertretenden Schuldirektors war und einige der Formulare noch ausgefüllt hatte, ging er auf die Suche nach seinem Zimmer. Es dauerte nicht lange und er hatte sich verlaufen. Klasse, dass konnte auch nur mir passieren, dachte er verärgert. Er irrte durch die Gänge die sich langsam mit Schülern füllten. Dann begegnete er jemanden der einfach zu alt war um noch Schüler sein zu können. Der Hausmeister.
„Sorry, ich suche hier den Raum 102, könnten Sie mir sagen, wo ich den finde?“
Der Hausmeister gab ihm eine kurze schnelle Beschreibung und ließ ihn stehen. Aaron war sauer. Warum hatte er nur solch ein schlechtes Gedächtnis? Somit irrte er noch ein wenig weiter herum, bis er den Raum endlich fand. In Zwischenzeit waren die Flure alle voll und er als Neuer aufgefallen. Stumm ging er in das Zimmer und beobachtete die Plätze. Auf einigen lagen schon Taschen und im hinteren Teil des Raumes standen einige Mädels zusammen. Der Raum war mit 5 Reihen bestückt und hatte sowohl vorn als auch hinten eine Tafel. Er sah sich weiter um, fand einen für ihn geeigneten Platz in der zweiten Reihe. Aus eigener Erfahrung wusste er, dass vorne und mittig fast immer freie Plätze beinhalteten. Es war schon fast ein ungeschriebenes Gesetz. Kaum hatte er sich dort niedergelassen, spürte er die Aufmerksamkeit der Mädels von der letzten Reihe. Sie tuschelten bereits und knobelten gerade aus, wer ihn ausquetschen sollte. Es traf eine der Blonden. Sie war hübsch, keine Frage, aber dennoch aus irgendeinem Grund interessierte sie ihn gar nicht. Wieder kamen seine Gedanken von Jazmin und Geraldine in den Sinn. Wie sollte er mit solch einen schlechten Gewissen noch an ein kleines Schäferstündchen mit dieser Blondine denken?
„Hey, bist du neu hier? Ich bin Shila.“ Aaron sah freundlicher Weise auf, blieb aber stumm, weil er irgendwie nicht in der Lage war nun etwas zu sagen, denn es war ganz offensichtlich dass er Neu hier war. Er lächelte sie aber an, zumindest versuchte er es. Aaron sah wieder auf den Tisch und entschloss sich, doch schon mal auszupacken, als Shilas schönklingende Stimme wieder ertönte.
„Wo du sitzt, sitzt aber schon einer. Wenn du hier vorne bleiben willst, musst du dich da rüber setzen.“ Sie deutete mit dem Finger auf den letzten Platz der Reihe. Toll, Fensterplatz. Wieder etwas mehr, was mich ablenken könnte, dachte er spöttisch. Er stand auf und ging zum freien Platz. Shila trottete ihm hinterher. Na toll, ein Klette. Aaron fühlte sich nun erstrecht schon genervt, zu allem Überfluss setzte sie sich auch noch neben ihm. Kurz darauf fiel ihm auf, dass auf dem Platz neben ihm eine kleine rosa Handtasche lag.
„Wie heißt du?“, fragte Shila schüchtern. Irgendwie machte es sie sympathischer. Immer mehr Schüler betraten den Raum. Aaron hatte ihr noch nicht geantwortet, denn er müsste sich doch eh vorstellen, also warum hundert Mal das Gleiche erzählen? Shila verstummte und ging wieder zurück zu ihren Freundinnen. Sicher würde sie ihnen erzählen, was für ein arroganter Typ er sei. Dies interessierte ihn allerdings nicht so wirklich. Er sah zur Tür, nicht um zu sehen, wer noch alles käme, sondern wann es endlich losgehen würde.
Doch er kam nicht dazu, denn genau in diesem Moment kam jemand herein, dessen Anwesenheit alles kälter werden ließ. Aaron hatte das Gefühl ihn zu kennen. Er war etwas kleiner als Aaron und hatte schwarze struppige Haare. Seine Haut war fast weiß, sah aber nicht geschminkt aus. Er hatte tiefgrüne Augen, die bei seinem Blick schon fast gefährlich wirkten. Sie flogen in den Raum umher und blieben mit einer tödlich wirkenden Präzision an kleinen Details hängen. Aaron kannte ihn nicht, hatte ihn auch noch nie gesehen und dennoch hatte er das Gefühl ihm mehrmals begegnet zu sein. Kurz hinter ihm kam noch jemand, mit den Selben beobachtenden, kalten und tödlich bringenden Augen. Sie waren jedoch in einem Schokoladenbraunton getaucht worden. Und obwohl braun eine wärmende Wirkung hatte, waren ihre Augen irgendwie kalt.
Sie war hübsch. Blonde Haare säumten ihr Gesicht, aber auch sie war bleich wie eine Kalkwand und damit dieser Eindruck noch verstärkt wurde, hatte sie ihre Augen Schwarzumrahmt. Der Typ hatte ebenfalls Eyeliner getragen, aber nicht so stark wie dieses Mädchen. Sie trug im Gegensatz zu dem Kerl auch etwas Farbe in ihren Klamotten. Sie trug eine schwarze Bluse mit vielen roten Kirschen darauf, eine rote Schleife um den Hals, eine im Haar und eine um ihren Oberschenkel gewickelt. Die letztere konnte er nur gut sehen, weil sie einen ultrakurzen Minirock trug. Seine Blicke konnten aber nicht alles darunter sehen, denn sie trug noch eine schwarze engmaschige Netzstrumpfhose. Das einzige was ihm an ihrer Erscheinung nicht gefiel waren die klobigen Stiefel die sie trug. Er hingegen war nur schwarz gekleidet. Schwarzes Hemd, schwarze Hose und schwarzer Schlips. Beide setzten sich in die letzte Reihe, neben den tuschelnden Mädels, die sich auch schon in Bewegung gesetzt hatten um von den Beiden nicht belauscht zu werden. Aaron blickte zurück auf seinen Tisch. Seine Gedanken schwirrten sofort wieder zu Jazmin. Denn das Mädchen hinter ihm erinnerte ihn sehr stark an sie. Warum hatte sie sich nicht mehr gemeldet? …
Weiter konnte er nicht mehr nachdenken, denn die Schulglocke läutete lautstark und der Raum füllte sich schlagartig. Shila kam zurück auf ihren Platz und beobachtete Aaron aus den Augenwinkeln.
Der Lehrer kam zu spät und entschuldigte sich sofort als er den Raum betrat.
„Entschuldigen Sie bitte meine Verspätung. Es gibt organisatorische Schwierigkeiten. Aber erst einmal schön dass sie alle wieder in die Schule gefunden haben …“, sofort ging ein murrendes raunen durch die Menge, „ … ich hoffe sie haben die Ferien gut für sie genutzt?! So nun zu den organisatorischen Teil der Begrüßung. Wie einige von euch wissen, geht es Mrs Baltimore noch immer schlecht. –“
„Ja, ihr Alter hat sie sitzen lassen und nun ist sie in der Klapse.“, wurde der Lehrer unterbrochen von einem Schüler, der wahrscheinlich weniger Kopf hatte, als in der Hose. Aaron schüttelte unmissverständlich den Kopf. Doch niemand bis auf Shila, schien dies aufgefallen zu sein.
„Vielen Dank für die Aufklärung Mr Scott. Aber so ist es nicht ganz. Jedenfalls, fällt für sie die Physikstunde aus und bevor sie …“, er musste die Stimme heben um die johlende Menge zu übertönen, „… sich zu früh freuen, haben wir eine Planänderung vorgenommen. Da der Begabtenkurs nur wenige Schüler beinhaltet, werden ihre Klasse und die A-plus-Class für diesen Zeitraum zusammengelegt. Dies bedeutet, immer wenn sie Physik hätten, werden sie ab den heutigen Tag Sport haben.“
Die Klasse wurde zunehmend unruhiger und Aaron nutzte die Zeit um sich umzusehen. Er wollte die zwei Freaks noch einmal in Augenschein nehmen. Aber kaum hatte er sie im Blick spürte er wieder diese seltsame Kälte. Sie sahen ihn jedoch nicht an. Beide unterhielten sich und Aaron war so weit vorn, dass er unter den Tisch sehen konnte. Das Mädchen hatte ihre schlanken Endlosbeine übereinander geschlagen und hielt unter dem Tisch ein Handy in der Hand. Er war verblüfft, wie schnell ihre Finger ohne auch nur hinzusehen über die Tasten flogen. Plötzlich überlief ihn ein eisiger Schauer und als er aufblickte, sahen ihn die Beiden unvermittelt an. Sofort drehte Aaron sich um. Doch die Kälte verschwand nicht. Sie blieb den ganzen Unterricht lang.
amyfake78- ~Flying over tree tops with Edward~
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Re: Küsse des Schattens
Kapitel 28 – Abschied nehmen
Jazmin lag auf ihrem altmodischen Bett. Eigentlich war es noch nicht einmal alt. Eben nur auf alt gemacht. Sie hatte ihre Augen geschlossen und spürte wie sich etwas auf sie zu bewegte. Ihre zwei Katzen setzten sich auf ihre Beine und machten es sich gemütlich. Jazmin fühlte sich schlecht und müde. Seit einer Woche trainierte sie mit Kyle. Doch irgendwie sah sie keinerlei Besserung. Es wurde sogar Opfer um Opfer schlimmer. Jazmin öffnete die Augen. Es tat ihr so leid für die Menschen die sie auf dem Gewissen hatte. Jedes Mal hörte sie nur von Kyle, dass es einfacher werden würde. Doch das wurde es einfach nicht. Nie. Immer wenn Jazmin ihre Augen schloss, sah sie die Gesichter ihrer Opfer. Jedesmal wenn sie versuchte ihre Abstinenz nach menschlichem Blut hervor zu rufen, begann ihr Gehirn es zu vergessen. So sehr sie es wollte, so schwerer fiel es ihr. Der Geruch ließ sie willenlos werden. Kaum hatte sie einen Mensch gewittert, setzte alles in ihr aus. Doch viel mehr beschäftigte sie jetzt die Ausrede, wie sie Frank davon überzeugen sollte, dass sie nicht in die Schule musste. Es wäre fatal jetzt in ein Gebäude zu gehen, wo hunderte von Menschen sich aufhielten. Kyle und Abby waren bereits unterwegs gewesen, aber es würde nicht lange dauern und Frank würde bemerken dass sie sich noch hier unten befinden würde.
Jazmin setzte sich auf und sah ihren beiden Katzen zu, wie sie auf ihre Bewegung reagierten. Sie hatte schon länger nicht mehr in diesem Zimmer verweilt. Damals hatte sie sich den Fluchtbunker ausgebaut, in der Hoffnung das Zachury mit ihr hier leben würde. Doch wie sie nun genau wusste, er würde es nie tun. Seit zwei Tagen war er mit Alyson wieder unterwegs. Er hatte hier Geburtstag feiern wollen. Nur deshalb war er zurück gekehrt. Er wollte seinen 100. nur mit Freunden feiern. An dem Tag an dem gefeiert wurde, saß Jazmin auf der Terrasse und dachte darüber nach zu Aaron zu fahren. Frank hatte ihr einen Tag vorher ein neues Motorrad gekauft und liefern lassen. Er hielt nicht viel von solchen Dingern, aber Jaz liebte sie. Doch sie entschied sich dagegen. Sie hatte nach ihrem Training mit Aaron reden wollen. Wartete aber bis zum Abend. Michaela hätte sie nie in die Nähe von ihm gelassen. Als die Nacht angebrochen war, machte sie sich auf den Weg, doch sie kam nur bis zum ersten Zaun der ersten Koppel. Sie nahm den schwachen Geruch von Menschen wahr. Es waren alte und schwache Gerüche, aber sofort dachte sie an den Geschmack von menschlichem Blut und nur deshalb kehrte sie zurück.
Nun fragte sich Jazmin ob sie es nicht doch geschafft hätte; als es an der Tür klopfte. Frank. Nun musste sie sich etwas ausdenken. Langsam öffnete sich die Tür.
„Jazmin?“, fragte Frank in die Dunkelheit. Jazmin machte sich nicht die Mühe zu antworten. „Was machst du hier? Es ist bereits 9 Uhr. Du solltest in der Schule sein.“
„Dad, ich … ich fühl mich nicht gut. Außerdem haben wir am ersten Tag nie Chemie. Abby und Kyle bringen mir heute auch alles mit. Bücher und Stundenpläne. Bitte, kann ich heute nicht zuhause bleiben?“
„Jazmin, ich weiß, dass es dir schwer fällt Zachury wieder gehen zu lassen, aber du musst damit auch irgendwann mal abschließen. Jazmin, du musst endlich akzeptieren dass er mit Alyson glücklich ist.“
„ER ist nicht glücklich mit ihr, und ich weiß das, weil er es mir gesagt hat. Aber er ist nicht Grund dafür, warum ich zuhause bleiben will.“
„Jazmin, bitte sei endlich ehrlich zu dir. Du musst. Sonst frisst dich das alles noch auf. Bleib zuhause, so lange du brauchst, aber kümmer dich dann bitte um sie. Ich muss los.“, Frank ging auf Jazmin zu und drückte sie, und während er dies tat, flüsterte er ihr ins Ohr: „Du schaffst dass schon, da bin ich mir sicher.“ Als er sich löste zwinkerte er ihr zu und ging hinaus. Jazmin war etwas irritiert. Was genau meinte Frank damit? Hatte Kyle ihm etwa doch erzählt, was sie versuchte? Oder war es einfach nur eine Geste des Verständnisses? Immer hin wusste er wie es ist einen geliebten Menschen zu verlieren. Gott, wie sehr Jazmin ihre Mutter vermisste.
Langsam stand sie auf und machte sich Licht. Leise setzte sie sich vor ihre kleine Kommode und holte ihre Erinnerungsbox heraus. Ihre Mutter war so schön gewesen. Mit einer leichten Berührung fuhr Jaz mit ihren Fingern über das Gesicht ihrer Mutter. Jede feine Linie des Fotos fuhr sie entlang und wünschte sich so sehr, dass sie wieder hier sein würde. Mit einem Kloß im Hals schloss sie die Box und stellte sie zurück. Gerade als sie ihr Zimmer verlassen wollte, bekam sie eine SMS, von Abby.
Hey Süße, Aaron ist auf unserer Schule. Wir sitzen 3 Reihen hinter ihm. Unser Physikunterricht wird mit eurem Sport zusammen gelegt. Mrs Baltimore hat sich noch immer nicht erholt.
Jazmin überlegte kurz ob sie antworten sollte, aber sie entschied sich dagegen. Sie verließ ihre kleine Wohnung und lief den unterirdischen Gang entlang. Bis sie zu einer weiteren Tür gelangte. Sie öffnete sie und trat in den Raum hinein, der von ein paar Kerzen erleuchtet wurde.
Die Schule war endlich vorbei und Aaron hatte seinen Status doch schon erreicht. Morgen würde er ganz vorne parken können. Als er die Schule verließ, hatte er fast die gesamte VIP-Meute um sich herum. Sechs Mädchen die ihrer Figur nach Cheerleaderinnen waren und fünf massige, männliche Muskelberge die demnach Footballplayer waren. Eines der Mädchen hatte Interesse an ihm und Aaron fand sie auch gar nicht mal so schlecht.
„Aaron, kannst du mich nach Hause fahren? Ich hab keine Lust, mit diesen ganzen Loosern in einem Bus zu sitzen, nur weil mein Daddy der Meinung ist, ich müsse eine seiner Lektionen lernen.“ Sie presste ihren Körper gegen Aaron und umklammerte seinen Arm, dabei sah sie ihm in die Augen und klimperte mit ihren schönen, langen, schwarzen Wimpern. Aaron legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie noch enger an sich.
„Na dann würd ich sagen, ab ins Auto.“ Er ließ sie aus seiner Umarmung frei und als sie sich löste, wanderte seine Hand hinunter zu ihrem wohlgeformten Arsch und gab ihr einen Klapps. Quietschend und Lachend hüpfte sie in die Richtung seines Autos. Die Anderen Mädels und Typen verschwanden in ihre Autos.
Unvorbereitet wurde ihm wieder eiskalt und ein Schauer lief ihm vom Rücken hinauf in den Nacken. Wieder hatte er das Gefühl angestarrt zu werden. Es war genau das Selbe wie im Klassenzimmer. Kurz vor seinem Auto konnte Aaron dieses Gefühl noch nicht von sich schütteln, deshalb drehte er sich um. Er versuchte es so unauffällig wie möglich zu machen und schaute sich nur halb um, aber diese Drehung reichte um zu erkennen, dass dieser Typ in Schwarz und seine Freundin ihn wieder anstarrten. Langsam begann es Aaron zu nerven, denn schon im Sportunterricht hatten sie ihn beobachtet.
„Hey, Aaron. Was ist los?“, erklang die Stimme von dem Mädchen, dessen Name er schon wieder vergessen hatte. Bevor er einstieg, warf er den Beiden Freaks einen bösen Blick zu, der ihnen sagen sollte, dass sie ihn in Ruhe lassen sollten. Als er im Wagen saß wurde es wieder etwas wärmer, obwohl er noch immer angestarrt wurde. Aaron startete den Motor und fuhr mit durchdrehenden Rädern davon. Das Mädchen neben ihm jaulte erfreut auf. Eine kurze Strecke fuhren sie auf der Hauptstraße und dann dirigierte das Mädchen ihn in eine kleine Seitenstraße. Kurz darauf wurde diese nur noch ein Waldweg der offensichtlich vom Förster genutzt wurde.
Aaron sah sie von der Seite an. Sie hingegen grinste ihn nur breit an und begann seinen Oberschenkel zu tätscheln. Langsam dämmerte es ihm, was sie eigentlich wollte. Für Aaron eine willkommende Abwechslung. Immer hin hatte er seid Geraldines Abfahrt keinen Sex mehr gehabt. Es sich selbst zu machen, fand er irgendwie armselig. Umso freudiger war es, als sie ihm dann sagte, er solle anhalten. Die Spur von dem Weg war schon ziemlich zugewachsen, sodass es unwahrscheinlich war, dass jemand hier lang käme. Kaum hielt er das Auto an, sprang das Mädchen schon hinaus, rannte um das Auto und zerrte ihn fast schon schnurrend aus dem Wagen. Aaron begann zu lachen und spürte schon die wachsende Erregung.
Er presste sie gerade gegen eine alte Eiche, als sein Handy klingelte. Er holte es küssender Weise aus seiner Hosentasche und schielte darauf. Seine Tante. Na toll, die wollte er jetzt sicher nicht sprechen. So mit drückte er den Anruf weg und wandte sich wieder dem Mädel voll und ganz zu. Doch kaum hatte er seine Hand unter ihren Rock geschoben, klingelte es noch einmal. Seine neue Taktik war, ignorieren. Doch nachdem das Handy noch Mal und noch Mal klingelte, ging er genervt ran.
Kyle sah dem scheppernden Geräusch hinterher. Ein leises Knurren entfloh seiner Kehle und bevor es noch lauter werden konnte, spürte er den Ellenbogen von Abby in seinen Rippen.
„Komm Kyle. Wir müssen los. Sie braucht neue Nahrung.“ Abby ging und zog Kyle hinter sich her. Wie konnte Abby nur so ruhig bleiben?, fragte sich Kyle die ganze Fahrt über. In seinen Händen hielt er sein Handy. Immer wieder tippte er ein paar Brocken hinein, die er am liebsten Jazmin geschickt hätte. Allerdings guckte Abby immer wieder auf das Display und sah ihn dann strafend an.
„Kyle, sie muss das selbst wissen. Es ist ihre Entscheidung. Auch wenn es schwer zu akzeptieren ist.“ Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, packte er das Handy ein und sah aus dem Fenster. Abby war die Einzige die offiziell eingeweiht war. Nur sie allein, wusste es genau, dass er Jazmin über alles liebte. Hilfe, konnte er kaum von ihr erwarten, denn Abby war der Meinung, dass alles aus einem bestimmten Grund geschieht. Schnaufend sah er den Bäumen zu, wie sie an ihnen vorbei zogen.
„Abby?“, fragte er und wartete darauf dass sie ihm zuhörte. „Warum glaubst du nicht daran, dass ich sie glücklich machen kann?“ Seine Stimme war zu einem halben Flüstern geworden.
„Kyle, ich glaube nicht dass du sie nicht glücklich machen kannst. Ich denke nur, dass das Schicksal dir vielleicht einen anderen Gefährten bereit gestellt hat. Sieh mal, mit uns ist es doch auch nichts geworden. Vielleicht lernst du noch das richtige Mädchen kennen. Aber wenn ich ehrlich sein soll, denke ich du hast sie schon kennen gelernt.“ Nun war Kyles Interesse geweckt, wen würde seine beste Freundin denn für ihn als richtiges Mädchen anerkennen? Kyle sah sie fragend an.
„Wen?“
„Ich weiß nicht. Ich habe nur ihren Geruch an dir wahrgenommen. Und ich habe eine Energie an dir wahrgenommen. Sie kam von der Nähe deines Herzens. Aber du hast sie nicht weiter getroffen. Irgendetwas an ihrem Duft passte einfach zu dir.“ Sie bog den Wagen in eine kleine Wohnsiedlung, wo Kinder auf der Straße spielten. „So wir sind da. Da können wir hin, wenn wir jemand geeignetes haben.“ Sie deutete auf eine kleine Dunkle Ecke an einer Hauswand, die von dicken Büschen umgeben war.
„Ich find das schrecklich“, sagte Kyle. Dabei sah er die Kinder an.
„Mir gefällt es auch nicht, aber sie haben das was Sie braucht. Und außerdem hält es sie am Leben. Diese Kinder können sich doch selbst an nichts erinnern und sterben tun sie auch nicht, genauso wenig wie Sie.“
Kyle schnaufte und nickte ihr zu. Sie hatte recht. Die kleine musste vor dem Tod bewahrt werden. Sie hatte doch noch alles vor sich. War doch egal, ob als Mensch oder Vampir. Sie könnte jetzt die Erfahrung machen, die ihr für immer verborgen geblieben wäre.
Kyle und Abby stiegen aus dem Auto und schauten sich um. Es dauerte nicht lange und sie hatten ein kleines Mädchen erspäht, welches abseits von den ganzen anderen saß. Unauffällig, so gut es eben ging, gingen sie auf das kleine Mädchen zu. Kyle fühlte sich in solchen Situation unbehaglich. Nicht dass es Abby leichter fiel, aber in solchen Sachen hatte Abby nun mal das bessere Händchen. Sie setzte sich zu der Kleinen, die mit ihrer Kreide, versunken auf dem Asphalt sah und etwas zeichnete. Sie blickte nur kurz auf, als Abby sich dazu setzte.
„Hey, was machst du da?“
„Malen.“, kam als knappe Antwort zurück.
„Oh ich hab das als kleines Kind auch immer gern gemacht. Darf ich?“ Abby zeigte auf die daneben liegende Kreide. Das Mädchen allerdings zuckte nur mit den Schultern.
Kyle fühlte sich immer schlimmer, je länger diese Sache immer dauerte umso schlimmer wurde das Gefühl von Schuld. Er sah zu den anderen Kindern, die noch immer Fußball spielten. Er behielt auch die Fenster im Blick. Mütter waren sicher gerade dabei das Abendessen für die Männer vorzubereiten und konnten jeder Zeit hinaus sehen, ob ihre Kinder noch da wären. Solche „dunklen Gestalten“ wie Abby und er es waren, würden natürlich sofort auffallen.
Aaron hatte eben das Mädchen aus dem Auto geworfen, als er vor ihrem Haus stand. Doch statt loszufahren, blieb er einfach dort stehen und sah hinaus auf die Straßen. Tot. Sie war einfach tot. Und dass nicht erst seit ein paar Stunden oder seit zwei Tagen. Nein, sie war seit knapp zweieinhalb Wochen von der Erde gegangen. Als er anfing zurück zu rechnen, wurde ihm bewusst, dass sie genau nach seinem Besuch gestorben sein musste. Er warf sich bei dieser Erkenntnis in den Ledersitz und warf den Kopf in den Nacken. Die Tränen die sich den Weg durch seine Augen kämpften, begannen zu brennen. Trübten seine Sicht und er konnte es kaum ertragen, an den Tag zurück zu denken.
Nach weiteren zwanzig Minuten wischte er sich die restlichen Tränen von seinem Gesicht und blinzelte um klar sehen zu können. Dann drehte er den Schlüssel im Zündschloss und machte sich auf den Weg zur Ranch. Die Eltern … die Eltern der kleinen Claire hatten ihn zum Begräbnis eingeladen. Wieso nur? War das der Wunsch von Claire gewesen? Aber nein, er konnte sich nicht vorstellen, dass Claire so weit voraus gedacht hatte. Hatte sie denn darüber nachdenken können? War sie so realistisch gewesen? So abgebrüht und offen gegenüber ihren eigenen Tod? Dies waren alles Fragen, die sie ihm niemals mehr beantworten könne.
Langsam sah er die ersten Koppeln von der Ferne und ihm wurde zunehmend schlechter. Michaela hatte ihm nur gesagt dass eine Trauerkarte für sie kam und ein Brief für Aaron, dessen Absender Claires Eltern zu vernehmen waren. Kurz vor der langen Geraden, hielt er den Wagen noch einmal an. Er musste es einfach. Einfach noch mal tief durch atmen. Obwohl er Claire nur einen Tag lang kannte, war es ihm sehr nah gegangen. Sicherlich lag es auch daran, dass sie noch so jung war und nicht länger leben durfte.
Aaron gab wieder Gas und fuhr zum Haus. Der Betrieb lief weiter. Nicht so wie es bei Chayenne war, wo der Betrieb einen Tag lang zum Stillstand gekommen war. Klar, Claire war ja auch nicht mit einem Angestellten zusammen gewesen. Aaron spürte wie ihm die Wut in den Bauch stieg. Aber eigentlich war er nur unendlich traurig gewesen. Als er ins Haus ging, kam ihm Nathan entgegen.
„Gott, du siehst beschissen aus. Haben dich die Schüler nicht mit Kusshand begrüßt, oder was?“ Der spöttische Ton in Nathans Stimme brachte Aarons Fass zum überlaufen. Er hatte ihn damals in Ruhe gelassen, als es ihn dreckig wegen Chayenne ging. Aaron warf sich auf Nathan und schlug auf ihn ein wie als würde er einen Boxsack bearbeiten. Während er auf ihn einprügelte, kamen ihm die Tränen und er wurde nur noch viel wütender. Nicht weil Claire tot war, sondern weil Nathan seine Emotion zum entladen brachte. Aaron betrachtete seine Tränen als Schwäche. Noch immer schlug er auf ihn ein und Nathan versuchte sich brüllend zu befreien. Irgendwas riss an Aaron und er hörte nur gedämpft die Stimmen von Frauen. Als ihn langsam die Kraft verließ, spürte er wie er von Nathan gezogen wurde. Der Duft von Pferd und süßlichem Parfüm verriet Aaron dass er nun in den Armen von Janine lag. Sofort vergrub er sein Gesicht in ihre Haare. Er wollte nicht sehen, wie er Nathan zugerichtet hatte.
Es waren zwei Tage vergangen, als Aaron auf Nathan gestürzt war. Im Nachhinein tat es ihm doch irgendwie leid. Nathan hatte nichts gewusst. Seine Tante hatte noch nichts gesagt. Eigentlich hatte sie vor gehabt, die traurige Nachricht am Essenstisch mitzuteilen. Doch durch den tollen Wutausbruch von Aaron wussten nun alles bescheid.
Aaron betrachtete sich im Spiegel. Der schwarze Anzug machte ihn noch schlanker und eigentlich noch blasser. Obwohl er in den letzten zwei Tagen sich beruhigt hatte, viel es ihm noch immer schwer an Claire zu denken ohne in Tränen auszubrechen. Er strich sich den Anzug noch einmal glatt, als er im Spiegel sah, wie sein Handydisplay aufleuchtete. Langsam ging er hinüber und nahm es in die Hand. Eine Nachricht von Geraldine.
Hey, Brüderchen. Wollte dir nur sagen, dass es mir gut geht. Tut mir leid, dass ich auf deine Nachrichten nicht reagiert habe. Musste mir über einiges klar werden. Freu mich darauf von dir zu hören und dich bald wieder zu sehen. Bye
Ohne weiter darüber nachzudenken, drückte er die SMS weg und warf das Telefon wieder aufs Bett. Kurz überprüfte er seine Schuhe und verließ darauf hin das Zimmer. Seine Tante wartete bereits auf ihn und beide gingen hinaus zum Wagen. Der Weg würde lang werden, aber es war beiden nicht daran gelegen sich zu unterhalten. Aaron hatte ein ungutes Gefühl gehabt, die Beerdigung mit zu machen. Aber Claires Eltern hatten ihn regelrecht bearbeitet. Also hatte er nachgegeben und war nun auf dem Weg mit seiner Tante zur Beerdigung.
Jazmin lag auf ihrem altmodischen Bett. Eigentlich war es noch nicht einmal alt. Eben nur auf alt gemacht. Sie hatte ihre Augen geschlossen und spürte wie sich etwas auf sie zu bewegte. Ihre zwei Katzen setzten sich auf ihre Beine und machten es sich gemütlich. Jazmin fühlte sich schlecht und müde. Seit einer Woche trainierte sie mit Kyle. Doch irgendwie sah sie keinerlei Besserung. Es wurde sogar Opfer um Opfer schlimmer. Jazmin öffnete die Augen. Es tat ihr so leid für die Menschen die sie auf dem Gewissen hatte. Jedes Mal hörte sie nur von Kyle, dass es einfacher werden würde. Doch das wurde es einfach nicht. Nie. Immer wenn Jazmin ihre Augen schloss, sah sie die Gesichter ihrer Opfer. Jedesmal wenn sie versuchte ihre Abstinenz nach menschlichem Blut hervor zu rufen, begann ihr Gehirn es zu vergessen. So sehr sie es wollte, so schwerer fiel es ihr. Der Geruch ließ sie willenlos werden. Kaum hatte sie einen Mensch gewittert, setzte alles in ihr aus. Doch viel mehr beschäftigte sie jetzt die Ausrede, wie sie Frank davon überzeugen sollte, dass sie nicht in die Schule musste. Es wäre fatal jetzt in ein Gebäude zu gehen, wo hunderte von Menschen sich aufhielten. Kyle und Abby waren bereits unterwegs gewesen, aber es würde nicht lange dauern und Frank würde bemerken dass sie sich noch hier unten befinden würde.
Jazmin setzte sich auf und sah ihren beiden Katzen zu, wie sie auf ihre Bewegung reagierten. Sie hatte schon länger nicht mehr in diesem Zimmer verweilt. Damals hatte sie sich den Fluchtbunker ausgebaut, in der Hoffnung das Zachury mit ihr hier leben würde. Doch wie sie nun genau wusste, er würde es nie tun. Seit zwei Tagen war er mit Alyson wieder unterwegs. Er hatte hier Geburtstag feiern wollen. Nur deshalb war er zurück gekehrt. Er wollte seinen 100. nur mit Freunden feiern. An dem Tag an dem gefeiert wurde, saß Jazmin auf der Terrasse und dachte darüber nach zu Aaron zu fahren. Frank hatte ihr einen Tag vorher ein neues Motorrad gekauft und liefern lassen. Er hielt nicht viel von solchen Dingern, aber Jaz liebte sie. Doch sie entschied sich dagegen. Sie hatte nach ihrem Training mit Aaron reden wollen. Wartete aber bis zum Abend. Michaela hätte sie nie in die Nähe von ihm gelassen. Als die Nacht angebrochen war, machte sie sich auf den Weg, doch sie kam nur bis zum ersten Zaun der ersten Koppel. Sie nahm den schwachen Geruch von Menschen wahr. Es waren alte und schwache Gerüche, aber sofort dachte sie an den Geschmack von menschlichem Blut und nur deshalb kehrte sie zurück.
Nun fragte sich Jazmin ob sie es nicht doch geschafft hätte; als es an der Tür klopfte. Frank. Nun musste sie sich etwas ausdenken. Langsam öffnete sich die Tür.
„Jazmin?“, fragte Frank in die Dunkelheit. Jazmin machte sich nicht die Mühe zu antworten. „Was machst du hier? Es ist bereits 9 Uhr. Du solltest in der Schule sein.“
„Dad, ich … ich fühl mich nicht gut. Außerdem haben wir am ersten Tag nie Chemie. Abby und Kyle bringen mir heute auch alles mit. Bücher und Stundenpläne. Bitte, kann ich heute nicht zuhause bleiben?“
„Jazmin, ich weiß, dass es dir schwer fällt Zachury wieder gehen zu lassen, aber du musst damit auch irgendwann mal abschließen. Jazmin, du musst endlich akzeptieren dass er mit Alyson glücklich ist.“
„ER ist nicht glücklich mit ihr, und ich weiß das, weil er es mir gesagt hat. Aber er ist nicht Grund dafür, warum ich zuhause bleiben will.“
„Jazmin, bitte sei endlich ehrlich zu dir. Du musst. Sonst frisst dich das alles noch auf. Bleib zuhause, so lange du brauchst, aber kümmer dich dann bitte um sie. Ich muss los.“, Frank ging auf Jazmin zu und drückte sie, und während er dies tat, flüsterte er ihr ins Ohr: „Du schaffst dass schon, da bin ich mir sicher.“ Als er sich löste zwinkerte er ihr zu und ging hinaus. Jazmin war etwas irritiert. Was genau meinte Frank damit? Hatte Kyle ihm etwa doch erzählt, was sie versuchte? Oder war es einfach nur eine Geste des Verständnisses? Immer hin wusste er wie es ist einen geliebten Menschen zu verlieren. Gott, wie sehr Jazmin ihre Mutter vermisste.
Langsam stand sie auf und machte sich Licht. Leise setzte sie sich vor ihre kleine Kommode und holte ihre Erinnerungsbox heraus. Ihre Mutter war so schön gewesen. Mit einer leichten Berührung fuhr Jaz mit ihren Fingern über das Gesicht ihrer Mutter. Jede feine Linie des Fotos fuhr sie entlang und wünschte sich so sehr, dass sie wieder hier sein würde. Mit einem Kloß im Hals schloss sie die Box und stellte sie zurück. Gerade als sie ihr Zimmer verlassen wollte, bekam sie eine SMS, von Abby.
Hey Süße, Aaron ist auf unserer Schule. Wir sitzen 3 Reihen hinter ihm. Unser Physikunterricht wird mit eurem Sport zusammen gelegt. Mrs Baltimore hat sich noch immer nicht erholt.
Jazmin überlegte kurz ob sie antworten sollte, aber sie entschied sich dagegen. Sie verließ ihre kleine Wohnung und lief den unterirdischen Gang entlang. Bis sie zu einer weiteren Tür gelangte. Sie öffnete sie und trat in den Raum hinein, der von ein paar Kerzen erleuchtet wurde.
Die Schule war endlich vorbei und Aaron hatte seinen Status doch schon erreicht. Morgen würde er ganz vorne parken können. Als er die Schule verließ, hatte er fast die gesamte VIP-Meute um sich herum. Sechs Mädchen die ihrer Figur nach Cheerleaderinnen waren und fünf massige, männliche Muskelberge die demnach Footballplayer waren. Eines der Mädchen hatte Interesse an ihm und Aaron fand sie auch gar nicht mal so schlecht.
„Aaron, kannst du mich nach Hause fahren? Ich hab keine Lust, mit diesen ganzen Loosern in einem Bus zu sitzen, nur weil mein Daddy der Meinung ist, ich müsse eine seiner Lektionen lernen.“ Sie presste ihren Körper gegen Aaron und umklammerte seinen Arm, dabei sah sie ihm in die Augen und klimperte mit ihren schönen, langen, schwarzen Wimpern. Aaron legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie noch enger an sich.
„Na dann würd ich sagen, ab ins Auto.“ Er ließ sie aus seiner Umarmung frei und als sie sich löste, wanderte seine Hand hinunter zu ihrem wohlgeformten Arsch und gab ihr einen Klapps. Quietschend und Lachend hüpfte sie in die Richtung seines Autos. Die Anderen Mädels und Typen verschwanden in ihre Autos.
Unvorbereitet wurde ihm wieder eiskalt und ein Schauer lief ihm vom Rücken hinauf in den Nacken. Wieder hatte er das Gefühl angestarrt zu werden. Es war genau das Selbe wie im Klassenzimmer. Kurz vor seinem Auto konnte Aaron dieses Gefühl noch nicht von sich schütteln, deshalb drehte er sich um. Er versuchte es so unauffällig wie möglich zu machen und schaute sich nur halb um, aber diese Drehung reichte um zu erkennen, dass dieser Typ in Schwarz und seine Freundin ihn wieder anstarrten. Langsam begann es Aaron zu nerven, denn schon im Sportunterricht hatten sie ihn beobachtet.
„Hey, Aaron. Was ist los?“, erklang die Stimme von dem Mädchen, dessen Name er schon wieder vergessen hatte. Bevor er einstieg, warf er den Beiden Freaks einen bösen Blick zu, der ihnen sagen sollte, dass sie ihn in Ruhe lassen sollten. Als er im Wagen saß wurde es wieder etwas wärmer, obwohl er noch immer angestarrt wurde. Aaron startete den Motor und fuhr mit durchdrehenden Rädern davon. Das Mädchen neben ihm jaulte erfreut auf. Eine kurze Strecke fuhren sie auf der Hauptstraße und dann dirigierte das Mädchen ihn in eine kleine Seitenstraße. Kurz darauf wurde diese nur noch ein Waldweg der offensichtlich vom Förster genutzt wurde.
Aaron sah sie von der Seite an. Sie hingegen grinste ihn nur breit an und begann seinen Oberschenkel zu tätscheln. Langsam dämmerte es ihm, was sie eigentlich wollte. Für Aaron eine willkommende Abwechslung. Immer hin hatte er seid Geraldines Abfahrt keinen Sex mehr gehabt. Es sich selbst zu machen, fand er irgendwie armselig. Umso freudiger war es, als sie ihm dann sagte, er solle anhalten. Die Spur von dem Weg war schon ziemlich zugewachsen, sodass es unwahrscheinlich war, dass jemand hier lang käme. Kaum hielt er das Auto an, sprang das Mädchen schon hinaus, rannte um das Auto und zerrte ihn fast schon schnurrend aus dem Wagen. Aaron begann zu lachen und spürte schon die wachsende Erregung.
Er presste sie gerade gegen eine alte Eiche, als sein Handy klingelte. Er holte es küssender Weise aus seiner Hosentasche und schielte darauf. Seine Tante. Na toll, die wollte er jetzt sicher nicht sprechen. So mit drückte er den Anruf weg und wandte sich wieder dem Mädel voll und ganz zu. Doch kaum hatte er seine Hand unter ihren Rock geschoben, klingelte es noch einmal. Seine neue Taktik war, ignorieren. Doch nachdem das Handy noch Mal und noch Mal klingelte, ging er genervt ran.
Kyle sah dem scheppernden Geräusch hinterher. Ein leises Knurren entfloh seiner Kehle und bevor es noch lauter werden konnte, spürte er den Ellenbogen von Abby in seinen Rippen.
„Komm Kyle. Wir müssen los. Sie braucht neue Nahrung.“ Abby ging und zog Kyle hinter sich her. Wie konnte Abby nur so ruhig bleiben?, fragte sich Kyle die ganze Fahrt über. In seinen Händen hielt er sein Handy. Immer wieder tippte er ein paar Brocken hinein, die er am liebsten Jazmin geschickt hätte. Allerdings guckte Abby immer wieder auf das Display und sah ihn dann strafend an.
„Kyle, sie muss das selbst wissen. Es ist ihre Entscheidung. Auch wenn es schwer zu akzeptieren ist.“ Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, packte er das Handy ein und sah aus dem Fenster. Abby war die Einzige die offiziell eingeweiht war. Nur sie allein, wusste es genau, dass er Jazmin über alles liebte. Hilfe, konnte er kaum von ihr erwarten, denn Abby war der Meinung, dass alles aus einem bestimmten Grund geschieht. Schnaufend sah er den Bäumen zu, wie sie an ihnen vorbei zogen.
„Abby?“, fragte er und wartete darauf dass sie ihm zuhörte. „Warum glaubst du nicht daran, dass ich sie glücklich machen kann?“ Seine Stimme war zu einem halben Flüstern geworden.
„Kyle, ich glaube nicht dass du sie nicht glücklich machen kannst. Ich denke nur, dass das Schicksal dir vielleicht einen anderen Gefährten bereit gestellt hat. Sieh mal, mit uns ist es doch auch nichts geworden. Vielleicht lernst du noch das richtige Mädchen kennen. Aber wenn ich ehrlich sein soll, denke ich du hast sie schon kennen gelernt.“ Nun war Kyles Interesse geweckt, wen würde seine beste Freundin denn für ihn als richtiges Mädchen anerkennen? Kyle sah sie fragend an.
„Wen?“
„Ich weiß nicht. Ich habe nur ihren Geruch an dir wahrgenommen. Und ich habe eine Energie an dir wahrgenommen. Sie kam von der Nähe deines Herzens. Aber du hast sie nicht weiter getroffen. Irgendetwas an ihrem Duft passte einfach zu dir.“ Sie bog den Wagen in eine kleine Wohnsiedlung, wo Kinder auf der Straße spielten. „So wir sind da. Da können wir hin, wenn wir jemand geeignetes haben.“ Sie deutete auf eine kleine Dunkle Ecke an einer Hauswand, die von dicken Büschen umgeben war.
„Ich find das schrecklich“, sagte Kyle. Dabei sah er die Kinder an.
„Mir gefällt es auch nicht, aber sie haben das was Sie braucht. Und außerdem hält es sie am Leben. Diese Kinder können sich doch selbst an nichts erinnern und sterben tun sie auch nicht, genauso wenig wie Sie.“
Kyle schnaufte und nickte ihr zu. Sie hatte recht. Die kleine musste vor dem Tod bewahrt werden. Sie hatte doch noch alles vor sich. War doch egal, ob als Mensch oder Vampir. Sie könnte jetzt die Erfahrung machen, die ihr für immer verborgen geblieben wäre.
Kyle und Abby stiegen aus dem Auto und schauten sich um. Es dauerte nicht lange und sie hatten ein kleines Mädchen erspäht, welches abseits von den ganzen anderen saß. Unauffällig, so gut es eben ging, gingen sie auf das kleine Mädchen zu. Kyle fühlte sich in solchen Situation unbehaglich. Nicht dass es Abby leichter fiel, aber in solchen Sachen hatte Abby nun mal das bessere Händchen. Sie setzte sich zu der Kleinen, die mit ihrer Kreide, versunken auf dem Asphalt sah und etwas zeichnete. Sie blickte nur kurz auf, als Abby sich dazu setzte.
„Hey, was machst du da?“
„Malen.“, kam als knappe Antwort zurück.
„Oh ich hab das als kleines Kind auch immer gern gemacht. Darf ich?“ Abby zeigte auf die daneben liegende Kreide. Das Mädchen allerdings zuckte nur mit den Schultern.
Kyle fühlte sich immer schlimmer, je länger diese Sache immer dauerte umso schlimmer wurde das Gefühl von Schuld. Er sah zu den anderen Kindern, die noch immer Fußball spielten. Er behielt auch die Fenster im Blick. Mütter waren sicher gerade dabei das Abendessen für die Männer vorzubereiten und konnten jeder Zeit hinaus sehen, ob ihre Kinder noch da wären. Solche „dunklen Gestalten“ wie Abby und er es waren, würden natürlich sofort auffallen.
Aaron hatte eben das Mädchen aus dem Auto geworfen, als er vor ihrem Haus stand. Doch statt loszufahren, blieb er einfach dort stehen und sah hinaus auf die Straßen. Tot. Sie war einfach tot. Und dass nicht erst seit ein paar Stunden oder seit zwei Tagen. Nein, sie war seit knapp zweieinhalb Wochen von der Erde gegangen. Als er anfing zurück zu rechnen, wurde ihm bewusst, dass sie genau nach seinem Besuch gestorben sein musste. Er warf sich bei dieser Erkenntnis in den Ledersitz und warf den Kopf in den Nacken. Die Tränen die sich den Weg durch seine Augen kämpften, begannen zu brennen. Trübten seine Sicht und er konnte es kaum ertragen, an den Tag zurück zu denken.
Nach weiteren zwanzig Minuten wischte er sich die restlichen Tränen von seinem Gesicht und blinzelte um klar sehen zu können. Dann drehte er den Schlüssel im Zündschloss und machte sich auf den Weg zur Ranch. Die Eltern … die Eltern der kleinen Claire hatten ihn zum Begräbnis eingeladen. Wieso nur? War das der Wunsch von Claire gewesen? Aber nein, er konnte sich nicht vorstellen, dass Claire so weit voraus gedacht hatte. Hatte sie denn darüber nachdenken können? War sie so realistisch gewesen? So abgebrüht und offen gegenüber ihren eigenen Tod? Dies waren alles Fragen, die sie ihm niemals mehr beantworten könne.
Langsam sah er die ersten Koppeln von der Ferne und ihm wurde zunehmend schlechter. Michaela hatte ihm nur gesagt dass eine Trauerkarte für sie kam und ein Brief für Aaron, dessen Absender Claires Eltern zu vernehmen waren. Kurz vor der langen Geraden, hielt er den Wagen noch einmal an. Er musste es einfach. Einfach noch mal tief durch atmen. Obwohl er Claire nur einen Tag lang kannte, war es ihm sehr nah gegangen. Sicherlich lag es auch daran, dass sie noch so jung war und nicht länger leben durfte.
Aaron gab wieder Gas und fuhr zum Haus. Der Betrieb lief weiter. Nicht so wie es bei Chayenne war, wo der Betrieb einen Tag lang zum Stillstand gekommen war. Klar, Claire war ja auch nicht mit einem Angestellten zusammen gewesen. Aaron spürte wie ihm die Wut in den Bauch stieg. Aber eigentlich war er nur unendlich traurig gewesen. Als er ins Haus ging, kam ihm Nathan entgegen.
„Gott, du siehst beschissen aus. Haben dich die Schüler nicht mit Kusshand begrüßt, oder was?“ Der spöttische Ton in Nathans Stimme brachte Aarons Fass zum überlaufen. Er hatte ihn damals in Ruhe gelassen, als es ihn dreckig wegen Chayenne ging. Aaron warf sich auf Nathan und schlug auf ihn ein wie als würde er einen Boxsack bearbeiten. Während er auf ihn einprügelte, kamen ihm die Tränen und er wurde nur noch viel wütender. Nicht weil Claire tot war, sondern weil Nathan seine Emotion zum entladen brachte. Aaron betrachtete seine Tränen als Schwäche. Noch immer schlug er auf ihn ein und Nathan versuchte sich brüllend zu befreien. Irgendwas riss an Aaron und er hörte nur gedämpft die Stimmen von Frauen. Als ihn langsam die Kraft verließ, spürte er wie er von Nathan gezogen wurde. Der Duft von Pferd und süßlichem Parfüm verriet Aaron dass er nun in den Armen von Janine lag. Sofort vergrub er sein Gesicht in ihre Haare. Er wollte nicht sehen, wie er Nathan zugerichtet hatte.
Es waren zwei Tage vergangen, als Aaron auf Nathan gestürzt war. Im Nachhinein tat es ihm doch irgendwie leid. Nathan hatte nichts gewusst. Seine Tante hatte noch nichts gesagt. Eigentlich hatte sie vor gehabt, die traurige Nachricht am Essenstisch mitzuteilen. Doch durch den tollen Wutausbruch von Aaron wussten nun alles bescheid.
Aaron betrachtete sich im Spiegel. Der schwarze Anzug machte ihn noch schlanker und eigentlich noch blasser. Obwohl er in den letzten zwei Tagen sich beruhigt hatte, viel es ihm noch immer schwer an Claire zu denken ohne in Tränen auszubrechen. Er strich sich den Anzug noch einmal glatt, als er im Spiegel sah, wie sein Handydisplay aufleuchtete. Langsam ging er hinüber und nahm es in die Hand. Eine Nachricht von Geraldine.
Hey, Brüderchen. Wollte dir nur sagen, dass es mir gut geht. Tut mir leid, dass ich auf deine Nachrichten nicht reagiert habe. Musste mir über einiges klar werden. Freu mich darauf von dir zu hören und dich bald wieder zu sehen. Bye
Ohne weiter darüber nachzudenken, drückte er die SMS weg und warf das Telefon wieder aufs Bett. Kurz überprüfte er seine Schuhe und verließ darauf hin das Zimmer. Seine Tante wartete bereits auf ihn und beide gingen hinaus zum Wagen. Der Weg würde lang werden, aber es war beiden nicht daran gelegen sich zu unterhalten. Aaron hatte ein ungutes Gefühl gehabt, die Beerdigung mit zu machen. Aber Claires Eltern hatten ihn regelrecht bearbeitet. Also hatte er nachgegeben und war nun auf dem Weg mit seiner Tante zur Beerdigung.
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Re: Küsse des Schattens
Kapitel 29 – Ein seltsames Geschenk
Die Autofahrt zog sich zäh in die Länge. Die Musik die aus dem Radio kam, fing schnell an zu nerven und als wenn sie Gedankenlesen könnte, schaltete Michaela das Radio ab. Doch irgendwie war das auch nicht viel besser. Immerhin war es jetzt Totenstill. Genau, das traf es genauestens. Totenstill.
Sie waren noch keine halbe Stunde unterwegs und Aaron hatte das Gefühl schreien zu müssen. Er hatte sich schon etwas dabei gedacht, als er bei den Humpfrays anrief um abzusagen. Doch Claires Mutter war nicht davon abzubringen. Immer wieder begann sie auf Aaron einzureden. Wie sehr sich das Claire wünschen würde. Wie sehr sie seine Nähe genossen hatte. Wie sie von ihm geschwärmt hatte, als sie freudestrahlend von ihrem Aufenthalt auf der Ranch erzählte. Es war ihr egal gewesen, dass sie einen Schwächeanfall erlitten hatte. Sie hatte auf einem Pferd gesessen. Nur das zählte für sie und nichts anderes.
Bei diesem Gedanken, dass Claires größter Wunsch noch in Erfüllung gegangen war, fiel ihm das Schlucken unendlich schwer und obwohl er gegen die Tränen ankämpfte, bahnten sie sich einen Weg. Aaron legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Immer wieder sah er sie auf dem Pferd. Ihre großen leuchtenden Augen und immer wieder hörte er ihre kleine kichernde Stimme. Er konnte es noch immer nicht fassen, dass sie gegangen war. Das sie ihn nie wieder besuchen würde. Das sie die Erde mit einem Alter verlassen musste, wo sie doch noch ihr ganzes Leben vor sich haben sollte. Die Bilder vom Krankenhaus schoben sich vor seinem Auge. Wie blass sie gewesen war. Wie zerbrechlich sie war, man konnte unter ihrer dünnen Haut die feinen bläulichen Adern sehen. Warum war der Herrgott so grausam? Sie war doch noch ein Kind. Ein kleines unschuldiges Kind. Ein Kind, welches keine Freuden mehr erleben konnte, keine ersten Schreibversuche in einer überfüllten Schulklasse. Sie durfte auch keine Erfahrung machen, was Jungs anging. Aaron war sich sicher, dass sie die Männerherzen hätte Reihenweise brechen können. Doch all dies blieb ihr verwehrt.
Obwohl er die Augen so kräftig zukniff, wie er konnte, gelang es einigen Tränen herauszukommen. Michaela sah stur gerade aus. Sie hatte alles mitbekommen, doch sie wusste Aaron würde es nicht wollen, wenn sie ihn nun darauf ansprach. Also ließ sie ihn. Ihr brannte so viel auf dem Herzen, doch sie schluckte alles hinunter. Nach einigen weiteren Kilometern hatte sich Aaron beruhigt. Michaela wollte ihn etwas ablenken, also versuchte sie ein lockeres Gespräch anzufangen. Doch Aaron reagierte nicht. Also ließ sie ihre Stimme fallen und konzentrierte sich wieder auf die Straße. Sie hasste es. Sie konnte in solchen Situationen nie etwas richtig machen. Egal wie sehr sie ihnen Mut machen wollte. In den letzten Jahren waren viele gestorben. Zu viele. Sie erinnerte sich an einen schrecklichen Unfall auf der Landstraße. Sie war in dieser Nacht ausgeritten. Damals war es ruhig gewesen, es starben wenige. Die Dämonen waren ruhig und bescheiden, aber seit diesem Tag, waren sie unersättlich gewesen. Obwohl sie vielen Beistand geleistet hatte, konnte sie noch immer nicht helfen. Keinen Trost spenden. Sie hatte diese Einfühlsamkeit nicht. Als Michaela damals ausgeritten war, hatte sie einiges gesehen, was sie hätte lieber nicht sehen wollen.
Es war kurz vor Mitternacht. Sie trieb Calla immer schneller. Sie war ein tolles Rennpferd mit einer vielversprechenden Zukunft und einer Power die nur von einem wilden Hengst stammen konnte. Sie war für ein weibliches Tier sehr maskulin. Auch wenn es quatsch war, solche Züge zu erkennen, aber sie war mehr Hengst als Stute. Der weiche Boden unter den Hufen schienen ihr keine Probleme bereiten zu können. Sie fühlte die leichte Brise um ihren Körper strömen. Die Nacht war klar und frisch. Der runde helle Vollmond schien herab und tauchte die Nacht in ein kaltes Blau. Sie ritten so schnell wie Calla konnte. Plötzlich, mit einem unerwarteten Ruck blieb Calla stehen und scheute. Sie lief hastig rückwärts und wieherte wie verrückt. Etwas war da, was sie nervös machte. Und da war es auch schon. Ein furchterregendes Quietschen und ein darauf folgender, dumpfer, metallischer Knall. Michaela versuchte das scheuende Tier dazu zu bringen, in diese Richtung zu laufen, doch Calla wehrte sich, sträubte sich regelrecht. So stieg Michaela von ihr und band sie fest. Kurz bevor sie den Straßenrand erreichte, kam ihr ein seltsames Bild vor die Augen. Es war, als würde sie durch fremde Augen sehen. Ihr Blick war einige Meter voraus. Sie sah eine dunkle Gestalt. Sie beugte sich gerade über ein junges Mädchen. Die ältere Frau daneben rührte sich nicht mehr. Michaela versuchte ihren eigenen Blick zurück zu erlangen, doch sie war machtlos. Sie wollte ihren Körper vorantreiben, aber ihre Glieder waren steif, so als wären sie zu Blöcken gefroren. Hilflos sah sie zu, wie das junge Mädchen stöhnend sich in den Armen der Gestalt wand. Plötzlich wurde es hell. Ein Auto nährte sich und schreckte dieses Wesen auf. Als Michaela bewusst wurde, was sie dort gesehen und zugeschaut hatte, lief es ihr eiskalt den Rücken hinunter. Es war ein Mensch, der nun mit einer unmenschlichen Geschwindigkeit auf sie zu eilte. Der Mund war blutverschmiert und sie erlangte die Erkenntnis, dass dieser Mensch nicht helfen wollte, sondern sich lediglich an dem jungen Mädchen genährt hatte. Es lief ihr eiskalt den Rücken hinunter. In ihrem fremden Blick musste sie auch erkennen dass er genau auf sie zusteuerte. Plötzlich hatte sie ihre eigenen Augen wieder. Sofort rannte sie zurück zum Pferd und hoffte inständig, dass es schnell genug sein würde um sich in Sicherheit bringen zu können.
„Michaela?“, fragte Aaron, der bemerkt hatte, dass sie in Gedanken war.
Sie hingegen dachte noch kurz an den Artikel in der Zeitung über den Unfall. Tragisch in zweierlei Hinsicht. Erst weicht die Frau einem Tier aus und wurde danach vom Tier angefallen. Michaela wollte damals zur Polizei gehen, doch sie wusste nicht, wie sie einem Officer klar machen sollte, dass sie einen besessenen Menschen gesehen hatte. So etwas konnte doch kein Mensch machen.
„Was Aaron?“, fragte sie ihn um ihm klar zu machen, dass sie ein Ohr hatte.
„Was wirst du sagen? Also wenn wir dort sind? Ich meine, ich kannte sie doch nicht.“
„Ich glaube niemand erwartet etwas. Sie wollten dich eben einfach dabei haben. Und wenn du willst, können wir nach der Zeremonie gleich wieder fahren.“
Aaron nickte nur einmal kurz und sah wieder aus dem Fenster. Nach einer zweistündigen Fahrt kamen sie an der vereinbarten Adresse an. Es standen viele Autos vor dem kleinen hübschen Haus. Es war ganz in Weiß, so als wollte man sagen, hier ist alles normal und spießig. Und nicht als würde hier eine Trauerfeier entstehen. Das Einzige was zeigte das hier jemand verstorben war, war das kleine schwarze Band an der Tür. Sofort stieg Aaron der Kloß in den Hals. Auf dem Weg zur Tür musste er an einer kleinen Schaukel, einem kleinen Klettergerüst und an einer kleinen Rutsche vorbei. Während er den Weg passierte und den Blick auch nicht abwenden konnte, sah er die kleine Claire in Geistergestalt; wie sie tobte, lachte, kicherte, ihre Augen zu hielt und bis zehn zählte. Ihr schönstes weißes Sommerkleid wehte von ihren Bewegungen.
Aaron schüttelte den Kopf heftig und fühlte sich schwach. Es setzte ihm sehr zu, und er wurde das dumpfe Gefühl nicht los, dass er gleich in Ohnmacht fallen würde. Doch er riss sich zusammen. Er versuchte seinen Kopf einfach klar zu bekommen und es gelang ihm sogar ganz gut. Seine Tante war schon längst an der Tür und schaute sich gerade nach Aaron um. Er selbst hatte es gar nicht gemerkt dass er stehen geblieben war. Noch etwas vernebelt hastete er zur Tür.
Fragend sah sie ihn an. Aaron nickte kurz und Michaela drückte den Klingelknopf. Es dauerte keine dreißig Sekunden und es öffnete sich die Tür. In diesem Moment wollte Aaron nur noch weg. Das tränenüberströmte Gesicht von Mrs Humpfrey machte ihm Angst. Nicht weil sie so schrecklich aussah, sondern davor, dass er seine Tränen und sein Mitleid nicht im Griff haben könnte. Und es wurde noch schwerer. Sie erkannte ihn und klammerte sich um seinen Hals. Sie schluchzte dass sie froh war, dass er der kleinen Claire die letzte Ehre erwies und um dann wieder befreit zu werden. Der Mann war einfühlsam und gab seiner Frau den nötigen Halt um sie aufrecht stehen zu lassen. Er sah jedoch genauso gezeichnet aus. Ihre tiefliegenden Augenringe waren Beweis genug für die Trauer und den damit verbundenen Schlafmangel.
Langsam traten Aaron und Michaela in das Wohnzimmer. Tisch und Sofa waren an den Rand geschoben. Nun füllten schwarze hussenbezogene Stühle den großen Raum. Am Ende der Reihen erhob sich ein kleines Podest, welches umgeben von weißen Lilien und Orchideen war. Auf der Säule stand eine kleine Urne. Sie war nicht höher als dreißig Zentimeter und ihr Umfang miss sicherlich keine fünfzehn Zentimeter. Neben an wurde liebevoll ein Bild von Claire aufgestellt mit dem typischen schwarzen Rahmen und dem kleinen schwarzen Band in der unteren Ecke.
Aaron sah sich um und stellte fest, dass niemand hier in dem Raum war. Selbst seine Tante war an dem Raum vorbei geschritten und war den Humpfreys gefolgt. Aaron ging in die letzte Reihe und setzte sich still hin. Es dauerte auch nicht lange bis der Raum sich immer mehr füllte. Nun schienen alle Plätze belegt zu sein und niemand sprach ein Wort. Alle sahen stur gerade aus. Alle sahen sich das Blumenmeer und das Bild der kleinen Claire an. Aaron spürte die angespannte Atmosphäre. Sie war zum zerreißen gespannt. Nur ein Wort, nur ein lautes Schluchzen, nur ein kleiner Schnäuzer und alles würde zusammen brechen. Solch eine Regung würde den Effekt haben wie ein Schnitt eines Samuraischwertes. Die gespannte Energie würde sie alle wie ein zurückschnellendes Gummiband treffen. Niemand könnte dann noch einen klaren Blick oder eine feste Stimme haben.
Nun folgte der schwierige Teil. Der Pater kam herein und begrüßte die Anwesenden. Und schon begann Aarons Befürchtung. Die erste Reihe, also die engste Familie, brach in Tränen aus. Der Geistliche wandte sich den Eltern zu und trat dann hinter die Urne, schlug ein kleines Büchlein auf und Zitierte aus der Bibel. Dann begann er von dem kurzen Leben, dass Claire geführt hatte, zu erzählen.
Eindeutig zu viel für Aaron. Er musste raus. Ihm wurde schlecht, er sah doppelt, ihm wurde schwindelig. Laut polternd sprang er auf. Er konnte nichts sehen, nichts als flüchtige Schatten. Er entschuldigte sich in einer Lautstärke die nicht angemessen war. Obwohl es für alle im Raum schepperte, konnte er sich selbst kaum noch hören. Beim heraus rennen, hätte er beinahe die Tür verfehlt. Mit seiner rechten Schulter knallte er gegen den Rahmen, aber er spürte kaum etwas.
Als er draußen auf der Veranda zum Stehen kam, wurde ihm erst bewusst, dass er vor Tränen halb blind gewesen war. Und auch wenn er stark sein wollte, sich fest vorgenommen hatte nicht zu heulen, hatte er nichts gegen seine Emotionen ausrichten können. Er ließ sich auf die Stufen fallen und kaum hatte er seinen Kopf in seine Hände gelegt, liefen noch mehr Tränen. Sein ganzer Körper bebte, zitterte und schüttelte sich. Er wünschte sich so sehr aufzuwachen. Es musste doch nur ein Traum sein. Seine Finger kniffen ihn in die Arme; in der Hoffnung aus nur einem seiner schlechten Träume zu erwachen. Doch nichts half. Nichts. Nach einigen Minuten konnte er hinauf sehen, der ganze Himmel hatte sich zusammen gezogen. Er fühlte wie ihm buchstäblich die Luft weg blieb. Selbst der Tag würde so grau sein, wie er sich fühlte.
Die ersten Tropfen fielen auf dem Asphalt, auf seine Hände und Füße. Ein seltsames Gefühl beschlich ihn, als der Wind den Regen so drückte das auch einige Tropfen seine Wangen berührten. Der Regen war so leicht und so zart, als würde ihm jemand die Wange und Hände tätscheln. So als würde jemand sagen wollen, „sei nicht traurig“.
„Sogar der Himmel weint, obwohl er es nicht nötig hat.“
Aaron schnellte herum. Mrs Humpfrey schaute mit traurigen Augen gen Himmel. „Das ist doch schon fast ein Hohn Gottes, oder?“, fragte sie Aaron mit einer leidenden Stimme. „Er hat sie doch bekommen, warum vergießt er dann Tränen?“
Aaron wusste nicht was er sagen sollte. Er hatte mit Gott wenig zu tun, doch irgendwie erschien es ihm, als würde sie eine Antwort erwarten.
„Vielleicht ist das sein Zeichen für seine aufrichtige Anteilnahme?!“, versuchte Aaron eine Antwort zu formulieren.
Erst jetzt schaute sie zu ihm herab. „Glaubst du wirklich?“
„Ich könnt es mir so vorstellen.“
„Aaron, du bist ein guter junger Mann. Aber … “, sie suchte nach richtigen Worten, „ … aber du hast einfach keine Ahnung was du da sagst.“
Dies kam für Aaron so überraschend und so schmetternd dass er dachte sein Herz würde stehen bleiben. Er wollte ihr doch nur ein wenig Trost spenden und sie griff ihn an? Der letzte Satz, war so grausam. Nicht weil sie ihn sagte, sondern weil sie ihn mit einer absoluten, kalten und unberechenbaren Feindseligkeit gegen ihn aussprach. Diesen Tonfall hatte er noch nie erlebt. Dies hatte ihn mehr getroffen, als all die Schläge die er in den illegalen Fightclubs abbekommen hatte, und härter als seine ganzen Erlebnisse in seinem Leben.
Ohne noch ein Ton und ein Wort ging sie wieder hinein. Aaron ließ sie mit der Frage, Warum hatte sie darauf bestanden, dass er kam?, allein zurück. Seine Tante erschien keine Minute später aus dem Haus, ebenso wie alle anderen Trauergäste und sogar ihren Ehemann. Sie hatte alle hinaus geworfen. Selbst Mr Humpfrey sah verstört und überfordert aus. Er wusste gar nicht wie ihm geschehen sollte. Alle murmelten und waren entsetzt, als Mr Humpfrey die Stimme erhob. Er entschuldigte sich aufrichtig und versuchte das Verhalten seiner Frau zu erklären, auch wenn er selbst nicht wusste, was sie geritten hatte. Nachdem er seine Rede beendet hatte, kam er noch einmal auf Aaron zu.
„Bitte verzeih ihr, sie kommt einfach nicht darüber hinweg. Wir dachten, dass wir uns auf diese Zeit gut vorbereitet hatten, denn wir hatten ja mehr als 3 Jahre Zeit. Aber es ist eben doch anders, wenn es so weit ist. Verzeihst du uns?“
Aaron nickte nur mit einem gequälten Lächeln und verabschiedete sich höfflich. Mr Humpfrey zeigte Aaron noch kurz den Zeigefinger und verschwand leise ins Haus. Nach wenigen Minuten kam er wieder raus mit etwas in der Hand.
Kurz darauf waren er und Tante Michaela wieder auf der Straße und fuhren schweigend nach Hause. Aaron konnte sich keinen Reim aus dem Geschenk machen, welches Claires Vater ihm gab. Es war ein Bild. Nicht das Trauerbild, nein, dieses Bild war aus einer anderen, glücklicheren Zeit. Es war ein Familienfoto. Mr und Mrs Humpfrey mit Claire auf dem Schoß. Aaron betrachtete dieses Bild die ganze Fahrt lang und versuchte zu verstehen.
Die Autofahrt zog sich zäh in die Länge. Die Musik die aus dem Radio kam, fing schnell an zu nerven und als wenn sie Gedankenlesen könnte, schaltete Michaela das Radio ab. Doch irgendwie war das auch nicht viel besser. Immerhin war es jetzt Totenstill. Genau, das traf es genauestens. Totenstill.
Sie waren noch keine halbe Stunde unterwegs und Aaron hatte das Gefühl schreien zu müssen. Er hatte sich schon etwas dabei gedacht, als er bei den Humpfrays anrief um abzusagen. Doch Claires Mutter war nicht davon abzubringen. Immer wieder begann sie auf Aaron einzureden. Wie sehr sich das Claire wünschen würde. Wie sehr sie seine Nähe genossen hatte. Wie sie von ihm geschwärmt hatte, als sie freudestrahlend von ihrem Aufenthalt auf der Ranch erzählte. Es war ihr egal gewesen, dass sie einen Schwächeanfall erlitten hatte. Sie hatte auf einem Pferd gesessen. Nur das zählte für sie und nichts anderes.
Bei diesem Gedanken, dass Claires größter Wunsch noch in Erfüllung gegangen war, fiel ihm das Schlucken unendlich schwer und obwohl er gegen die Tränen ankämpfte, bahnten sie sich einen Weg. Aaron legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Immer wieder sah er sie auf dem Pferd. Ihre großen leuchtenden Augen und immer wieder hörte er ihre kleine kichernde Stimme. Er konnte es noch immer nicht fassen, dass sie gegangen war. Das sie ihn nie wieder besuchen würde. Das sie die Erde mit einem Alter verlassen musste, wo sie doch noch ihr ganzes Leben vor sich haben sollte. Die Bilder vom Krankenhaus schoben sich vor seinem Auge. Wie blass sie gewesen war. Wie zerbrechlich sie war, man konnte unter ihrer dünnen Haut die feinen bläulichen Adern sehen. Warum war der Herrgott so grausam? Sie war doch noch ein Kind. Ein kleines unschuldiges Kind. Ein Kind, welches keine Freuden mehr erleben konnte, keine ersten Schreibversuche in einer überfüllten Schulklasse. Sie durfte auch keine Erfahrung machen, was Jungs anging. Aaron war sich sicher, dass sie die Männerherzen hätte Reihenweise brechen können. Doch all dies blieb ihr verwehrt.
Obwohl er die Augen so kräftig zukniff, wie er konnte, gelang es einigen Tränen herauszukommen. Michaela sah stur gerade aus. Sie hatte alles mitbekommen, doch sie wusste Aaron würde es nicht wollen, wenn sie ihn nun darauf ansprach. Also ließ sie ihn. Ihr brannte so viel auf dem Herzen, doch sie schluckte alles hinunter. Nach einigen weiteren Kilometern hatte sich Aaron beruhigt. Michaela wollte ihn etwas ablenken, also versuchte sie ein lockeres Gespräch anzufangen. Doch Aaron reagierte nicht. Also ließ sie ihre Stimme fallen und konzentrierte sich wieder auf die Straße. Sie hasste es. Sie konnte in solchen Situationen nie etwas richtig machen. Egal wie sehr sie ihnen Mut machen wollte. In den letzten Jahren waren viele gestorben. Zu viele. Sie erinnerte sich an einen schrecklichen Unfall auf der Landstraße. Sie war in dieser Nacht ausgeritten. Damals war es ruhig gewesen, es starben wenige. Die Dämonen waren ruhig und bescheiden, aber seit diesem Tag, waren sie unersättlich gewesen. Obwohl sie vielen Beistand geleistet hatte, konnte sie noch immer nicht helfen. Keinen Trost spenden. Sie hatte diese Einfühlsamkeit nicht. Als Michaela damals ausgeritten war, hatte sie einiges gesehen, was sie hätte lieber nicht sehen wollen.
Es war kurz vor Mitternacht. Sie trieb Calla immer schneller. Sie war ein tolles Rennpferd mit einer vielversprechenden Zukunft und einer Power die nur von einem wilden Hengst stammen konnte. Sie war für ein weibliches Tier sehr maskulin. Auch wenn es quatsch war, solche Züge zu erkennen, aber sie war mehr Hengst als Stute. Der weiche Boden unter den Hufen schienen ihr keine Probleme bereiten zu können. Sie fühlte die leichte Brise um ihren Körper strömen. Die Nacht war klar und frisch. Der runde helle Vollmond schien herab und tauchte die Nacht in ein kaltes Blau. Sie ritten so schnell wie Calla konnte. Plötzlich, mit einem unerwarteten Ruck blieb Calla stehen und scheute. Sie lief hastig rückwärts und wieherte wie verrückt. Etwas war da, was sie nervös machte. Und da war es auch schon. Ein furchterregendes Quietschen und ein darauf folgender, dumpfer, metallischer Knall. Michaela versuchte das scheuende Tier dazu zu bringen, in diese Richtung zu laufen, doch Calla wehrte sich, sträubte sich regelrecht. So stieg Michaela von ihr und band sie fest. Kurz bevor sie den Straßenrand erreichte, kam ihr ein seltsames Bild vor die Augen. Es war, als würde sie durch fremde Augen sehen. Ihr Blick war einige Meter voraus. Sie sah eine dunkle Gestalt. Sie beugte sich gerade über ein junges Mädchen. Die ältere Frau daneben rührte sich nicht mehr. Michaela versuchte ihren eigenen Blick zurück zu erlangen, doch sie war machtlos. Sie wollte ihren Körper vorantreiben, aber ihre Glieder waren steif, so als wären sie zu Blöcken gefroren. Hilflos sah sie zu, wie das junge Mädchen stöhnend sich in den Armen der Gestalt wand. Plötzlich wurde es hell. Ein Auto nährte sich und schreckte dieses Wesen auf. Als Michaela bewusst wurde, was sie dort gesehen und zugeschaut hatte, lief es ihr eiskalt den Rücken hinunter. Es war ein Mensch, der nun mit einer unmenschlichen Geschwindigkeit auf sie zu eilte. Der Mund war blutverschmiert und sie erlangte die Erkenntnis, dass dieser Mensch nicht helfen wollte, sondern sich lediglich an dem jungen Mädchen genährt hatte. Es lief ihr eiskalt den Rücken hinunter. In ihrem fremden Blick musste sie auch erkennen dass er genau auf sie zusteuerte. Plötzlich hatte sie ihre eigenen Augen wieder. Sofort rannte sie zurück zum Pferd und hoffte inständig, dass es schnell genug sein würde um sich in Sicherheit bringen zu können.
„Michaela?“, fragte Aaron, der bemerkt hatte, dass sie in Gedanken war.
Sie hingegen dachte noch kurz an den Artikel in der Zeitung über den Unfall. Tragisch in zweierlei Hinsicht. Erst weicht die Frau einem Tier aus und wurde danach vom Tier angefallen. Michaela wollte damals zur Polizei gehen, doch sie wusste nicht, wie sie einem Officer klar machen sollte, dass sie einen besessenen Menschen gesehen hatte. So etwas konnte doch kein Mensch machen.
„Was Aaron?“, fragte sie ihn um ihm klar zu machen, dass sie ein Ohr hatte.
„Was wirst du sagen? Also wenn wir dort sind? Ich meine, ich kannte sie doch nicht.“
„Ich glaube niemand erwartet etwas. Sie wollten dich eben einfach dabei haben. Und wenn du willst, können wir nach der Zeremonie gleich wieder fahren.“
Aaron nickte nur einmal kurz und sah wieder aus dem Fenster. Nach einer zweistündigen Fahrt kamen sie an der vereinbarten Adresse an. Es standen viele Autos vor dem kleinen hübschen Haus. Es war ganz in Weiß, so als wollte man sagen, hier ist alles normal und spießig. Und nicht als würde hier eine Trauerfeier entstehen. Das Einzige was zeigte das hier jemand verstorben war, war das kleine schwarze Band an der Tür. Sofort stieg Aaron der Kloß in den Hals. Auf dem Weg zur Tür musste er an einer kleinen Schaukel, einem kleinen Klettergerüst und an einer kleinen Rutsche vorbei. Während er den Weg passierte und den Blick auch nicht abwenden konnte, sah er die kleine Claire in Geistergestalt; wie sie tobte, lachte, kicherte, ihre Augen zu hielt und bis zehn zählte. Ihr schönstes weißes Sommerkleid wehte von ihren Bewegungen.
Aaron schüttelte den Kopf heftig und fühlte sich schwach. Es setzte ihm sehr zu, und er wurde das dumpfe Gefühl nicht los, dass er gleich in Ohnmacht fallen würde. Doch er riss sich zusammen. Er versuchte seinen Kopf einfach klar zu bekommen und es gelang ihm sogar ganz gut. Seine Tante war schon längst an der Tür und schaute sich gerade nach Aaron um. Er selbst hatte es gar nicht gemerkt dass er stehen geblieben war. Noch etwas vernebelt hastete er zur Tür.
Fragend sah sie ihn an. Aaron nickte kurz und Michaela drückte den Klingelknopf. Es dauerte keine dreißig Sekunden und es öffnete sich die Tür. In diesem Moment wollte Aaron nur noch weg. Das tränenüberströmte Gesicht von Mrs Humpfrey machte ihm Angst. Nicht weil sie so schrecklich aussah, sondern davor, dass er seine Tränen und sein Mitleid nicht im Griff haben könnte. Und es wurde noch schwerer. Sie erkannte ihn und klammerte sich um seinen Hals. Sie schluchzte dass sie froh war, dass er der kleinen Claire die letzte Ehre erwies und um dann wieder befreit zu werden. Der Mann war einfühlsam und gab seiner Frau den nötigen Halt um sie aufrecht stehen zu lassen. Er sah jedoch genauso gezeichnet aus. Ihre tiefliegenden Augenringe waren Beweis genug für die Trauer und den damit verbundenen Schlafmangel.
Langsam traten Aaron und Michaela in das Wohnzimmer. Tisch und Sofa waren an den Rand geschoben. Nun füllten schwarze hussenbezogene Stühle den großen Raum. Am Ende der Reihen erhob sich ein kleines Podest, welches umgeben von weißen Lilien und Orchideen war. Auf der Säule stand eine kleine Urne. Sie war nicht höher als dreißig Zentimeter und ihr Umfang miss sicherlich keine fünfzehn Zentimeter. Neben an wurde liebevoll ein Bild von Claire aufgestellt mit dem typischen schwarzen Rahmen und dem kleinen schwarzen Band in der unteren Ecke.
Aaron sah sich um und stellte fest, dass niemand hier in dem Raum war. Selbst seine Tante war an dem Raum vorbei geschritten und war den Humpfreys gefolgt. Aaron ging in die letzte Reihe und setzte sich still hin. Es dauerte auch nicht lange bis der Raum sich immer mehr füllte. Nun schienen alle Plätze belegt zu sein und niemand sprach ein Wort. Alle sahen stur gerade aus. Alle sahen sich das Blumenmeer und das Bild der kleinen Claire an. Aaron spürte die angespannte Atmosphäre. Sie war zum zerreißen gespannt. Nur ein Wort, nur ein lautes Schluchzen, nur ein kleiner Schnäuzer und alles würde zusammen brechen. Solch eine Regung würde den Effekt haben wie ein Schnitt eines Samuraischwertes. Die gespannte Energie würde sie alle wie ein zurückschnellendes Gummiband treffen. Niemand könnte dann noch einen klaren Blick oder eine feste Stimme haben.
Nun folgte der schwierige Teil. Der Pater kam herein und begrüßte die Anwesenden. Und schon begann Aarons Befürchtung. Die erste Reihe, also die engste Familie, brach in Tränen aus. Der Geistliche wandte sich den Eltern zu und trat dann hinter die Urne, schlug ein kleines Büchlein auf und Zitierte aus der Bibel. Dann begann er von dem kurzen Leben, dass Claire geführt hatte, zu erzählen.
Eindeutig zu viel für Aaron. Er musste raus. Ihm wurde schlecht, er sah doppelt, ihm wurde schwindelig. Laut polternd sprang er auf. Er konnte nichts sehen, nichts als flüchtige Schatten. Er entschuldigte sich in einer Lautstärke die nicht angemessen war. Obwohl es für alle im Raum schepperte, konnte er sich selbst kaum noch hören. Beim heraus rennen, hätte er beinahe die Tür verfehlt. Mit seiner rechten Schulter knallte er gegen den Rahmen, aber er spürte kaum etwas.
Als er draußen auf der Veranda zum Stehen kam, wurde ihm erst bewusst, dass er vor Tränen halb blind gewesen war. Und auch wenn er stark sein wollte, sich fest vorgenommen hatte nicht zu heulen, hatte er nichts gegen seine Emotionen ausrichten können. Er ließ sich auf die Stufen fallen und kaum hatte er seinen Kopf in seine Hände gelegt, liefen noch mehr Tränen. Sein ganzer Körper bebte, zitterte und schüttelte sich. Er wünschte sich so sehr aufzuwachen. Es musste doch nur ein Traum sein. Seine Finger kniffen ihn in die Arme; in der Hoffnung aus nur einem seiner schlechten Träume zu erwachen. Doch nichts half. Nichts. Nach einigen Minuten konnte er hinauf sehen, der ganze Himmel hatte sich zusammen gezogen. Er fühlte wie ihm buchstäblich die Luft weg blieb. Selbst der Tag würde so grau sein, wie er sich fühlte.
Die ersten Tropfen fielen auf dem Asphalt, auf seine Hände und Füße. Ein seltsames Gefühl beschlich ihn, als der Wind den Regen so drückte das auch einige Tropfen seine Wangen berührten. Der Regen war so leicht und so zart, als würde ihm jemand die Wange und Hände tätscheln. So als würde jemand sagen wollen, „sei nicht traurig“.
„Sogar der Himmel weint, obwohl er es nicht nötig hat.“
Aaron schnellte herum. Mrs Humpfrey schaute mit traurigen Augen gen Himmel. „Das ist doch schon fast ein Hohn Gottes, oder?“, fragte sie Aaron mit einer leidenden Stimme. „Er hat sie doch bekommen, warum vergießt er dann Tränen?“
Aaron wusste nicht was er sagen sollte. Er hatte mit Gott wenig zu tun, doch irgendwie erschien es ihm, als würde sie eine Antwort erwarten.
„Vielleicht ist das sein Zeichen für seine aufrichtige Anteilnahme?!“, versuchte Aaron eine Antwort zu formulieren.
Erst jetzt schaute sie zu ihm herab. „Glaubst du wirklich?“
„Ich könnt es mir so vorstellen.“
„Aaron, du bist ein guter junger Mann. Aber … “, sie suchte nach richtigen Worten, „ … aber du hast einfach keine Ahnung was du da sagst.“
Dies kam für Aaron so überraschend und so schmetternd dass er dachte sein Herz würde stehen bleiben. Er wollte ihr doch nur ein wenig Trost spenden und sie griff ihn an? Der letzte Satz, war so grausam. Nicht weil sie ihn sagte, sondern weil sie ihn mit einer absoluten, kalten und unberechenbaren Feindseligkeit gegen ihn aussprach. Diesen Tonfall hatte er noch nie erlebt. Dies hatte ihn mehr getroffen, als all die Schläge die er in den illegalen Fightclubs abbekommen hatte, und härter als seine ganzen Erlebnisse in seinem Leben.
Ohne noch ein Ton und ein Wort ging sie wieder hinein. Aaron ließ sie mit der Frage, Warum hatte sie darauf bestanden, dass er kam?, allein zurück. Seine Tante erschien keine Minute später aus dem Haus, ebenso wie alle anderen Trauergäste und sogar ihren Ehemann. Sie hatte alle hinaus geworfen. Selbst Mr Humpfrey sah verstört und überfordert aus. Er wusste gar nicht wie ihm geschehen sollte. Alle murmelten und waren entsetzt, als Mr Humpfrey die Stimme erhob. Er entschuldigte sich aufrichtig und versuchte das Verhalten seiner Frau zu erklären, auch wenn er selbst nicht wusste, was sie geritten hatte. Nachdem er seine Rede beendet hatte, kam er noch einmal auf Aaron zu.
„Bitte verzeih ihr, sie kommt einfach nicht darüber hinweg. Wir dachten, dass wir uns auf diese Zeit gut vorbereitet hatten, denn wir hatten ja mehr als 3 Jahre Zeit. Aber es ist eben doch anders, wenn es so weit ist. Verzeihst du uns?“
Aaron nickte nur mit einem gequälten Lächeln und verabschiedete sich höfflich. Mr Humpfrey zeigte Aaron noch kurz den Zeigefinger und verschwand leise ins Haus. Nach wenigen Minuten kam er wieder raus mit etwas in der Hand.
Kurz darauf waren er und Tante Michaela wieder auf der Straße und fuhren schweigend nach Hause. Aaron konnte sich keinen Reim aus dem Geschenk machen, welches Claires Vater ihm gab. Es war ein Bild. Nicht das Trauerbild, nein, dieses Bild war aus einer anderen, glücklicheren Zeit. Es war ein Familienfoto. Mr und Mrs Humpfrey mit Claire auf dem Schoß. Aaron betrachtete dieses Bild die ganze Fahrt lang und versuchte zu verstehen.
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Re: Küsse des Schattens
Kapitel 30 – Keine Klippe, kein Wasser, keine Personen
Völlig erschöpft kam Aaron auf dem frühen Abend mit seiner Tante auf der Ranch an. Michaela wurde sofort eilig von Mitarbeitern begrüßt und verschwand in den Stallungen. Aaron wollt gar nicht wissen was los war, denn noch immer war er mit den Gedanken in den Geschehnissen des Tages beschäftigt. Langsam lief er zur Tür und bemerkte dabei nicht einmal Janine, die ihn herzlich begrüßen wollte. Er lief einfach an ihr vorbei und schleppte sich in sein Zimmer.
Dort stellte er das Bild auf dem kleinen Nachtschränkchen ab und wollte sich auf sein Bett fallen lassen. Zum Glück hatte er das Handy noch rechtzeitig gesehen. Er nahm es noch in die Hand, schaute darauf. Nichts. Kein Anruf. Keine Kurznachricht. Müde legte er sich hin und schloss die Augen. Noch einmal öffnete er sie und nahm sein Telefon noch mal in die Hand. Er wollte versuchen mit Geraldine zu sprechen, aber erst bekam er kein Netz und nachdem er suchend durch sein Zimmer lief, bekam er Empfang aber Geraldine nahm nicht ab. Doch so seltsam es für Aaron war, er musste einfach ihre Stimme hören und wenn es nur die Mailboxansage war. Leider half es wenig, denn er musste sich einfach alles von der Seele reden. Seufzend ließ er seine Hand sinken und kroch in sein Bett. Die letzten Ereignisse schienen ihm alle Kraft zu rauben und erst recht wenn er sich das Bild ansah. Warum hatte er das Bild von Mr Humpfrey bekommen? Noch einmal schloss Aaron seine Augen um sich besser zu konzentrieren. Hatte er irgendwas verpasst, weshalb er dieses Bild bekommen hatte? Aaron war so müde, dass er auf der Suche nach den kleinen Details einschlief.
Jazmin saß in ihrem Auto, etwas abseits von der Zufahrt der Ranch und wartete auf Aaron. Sie schaute in den kleinen Rückspiegel und zog sich ihren blutroten Lippenstift nach. Ihre Augen hatte sie ganz Ladylike in Smokey-Eyes getaucht. Sie war ruhig. Als sie Aaron auf sich zu kommen sah, stieg sie aus. Gelassen schlenderte sie auf Aaron zu, der irgendwie irritiert war. Er konnte sie nur schwer erkennen, denn ihre Lederklufft verschmolz mit der Dunkelheit des umliegenden Waldes. Sie warf ihm einen Motoradhelm zu und grinste über das ganze Gesicht. Dabei entblößte sie ihre weißen Zähne. Aarons Blick heftete sich an die spitzen Eckzähne und stellte fest dass sie unnatürlich spitz waren. Ihr Lächeln erstarb und sie zog sich ebenfalls einen Helm auf. Aaron schaute hinter ihr und sah Jazmins Motorrad. Ganz zufällig schob sie sich in sein Blick und er schaute ihr direkt auf den wohlgeformten Hintern, der sich schwingend auf das Motorrad zu bewegte und dann Platz darauf nahm. Ein pfiff ertönte und Aaron beeilte sich hinter ich Platz zu nehmen. Sie fuhren eine Weile durch die Gegend und Aarons Hände hielten sich an Jazmins Hüften fest. Langsam wollte er sich voran tasten. Eine seiner Hand schob er auf ihren Oberschenkel, die Andere schlang er noch fester um ihre Hüften. Ohne es zu merken, befanden sie sich plötzlich vor dem Schwimmfreibad. Nicht allzu ernst schlug sie ihm auf die Hand, die versuchte an ihren Innenschenkeln zu kommen.
Gerade als Aaron, „Autsch!“ sagen wollte, saß er allein auf dem Motorrad. Verwirrt sah er sich um. Vor dem Zaun stand Jazmin und schaute hinüber zum Wasserbecken.
„Komm!“, raunte sie fast unhörbar. Aaron stieg ab und folgte ihr. Der Zaun war extrem hoch, mindestens fünf Meter und oben auf dem Ende waren Zacken angebracht um Kletterer abzuhalten. Jazmin sah kurz auf, schätze ab und sprang herüber. Doch sie kam auf der anderen Seite nicht an. Aarons Blick huschte über den ganzen Zaun, über das ganze Gelände und dann sah er jemanden auf dem Zehnmeterturm. Ihr weißes viktorianisches Kleid riss an dem zierlichen Körper. Aaron sah noch mal den Zaun hinauf und er war kleiner geworden. Noch immer die Zacken aber er war nur noch maximal zwei Meter. Er zog sich seine Lederjacke aus und warf sie nach oben als er einen Baum neben sich erkannte. Dieser Baum eignete sich perfekt um daran hinauf zu klettern.
Auf der anderen Seite angekommen, stellte Aaron einen Lichtkegel fest. Er sah zurück und stellte fest, dass Jazmins kleiner Mini neben ihrem Motorrad stand. Ungeachtet dessen lief er auf das Wasserbecken zu. Doch oben auf dem Turm stand niemand mehr. Aaron blieb stehen und sah sich um. Ein kalter Windhauch zog über seinen Nacken und instinktiv schaute er sich um. Überall standen Bäume, alles in Dunkelheit gehüllt und da war es wieder. Das viktorianische Kleid welches hinter einem Baum hervor wehte. Jazmin versteckte sich und er ging auf dieses kleine Versteckspiel ein. Kurz darauf war er an dem Baum heran gekommen, aber es befand sich keine Jazmin dahinter, nur dieses Kleid. Wieder spürte er diesen Windhauch im Nacken und wirbelte wie zu vor herum.
Ihm blieb fast das Herz stehen. Jazmins Makeup war verlaufen an den Augen und ihre Lippen total verschmiert. Doch sie lächelte ihn an.
„Komm!“, sagte sie wieder und ging durch die Bäume. Aus dem Schwimmbecken war nun eine See geworden und Aaron betrachtete Jazmin wieder wie sie lief. Doch plötzlich war sie nur noch verschwommen und kurz darauf verschwunden. Aaron schaute sich verängstigt um.
„Komm!“, hörte er noch einmal in einem wispernden Ton. Dann erspähte er Jazmin. Sie stand auf einer Klippe.
„Wie … “, begann Aaron, der aber sofort wieder von dem Wispern unterbrochen wurde.
„Komm!“
Aaron sah wie Jazmins Gestalt sich zu ihm drehte und die Hand nach ihm ausstreckte. Noch einmal drehte sich Aaron um, denn ein Lichtkegel erleuchtete ihn. Er stand auf einer Straße und wäre er nicht im letzten Moment in den Seitengraben gesprungen, hätte man ihn einfach überfahren. Aaron rappelte sich auf und sah den roten Lichtern hinterher, die sich plötzlich verzerrten und verschwanden.
„Komm, Aaron!“, wisperte der Hauch in seinem Nacken. Als er sich dem Wispern zuwandte, stand Jazmin direkt vor ihm und eine starke Meeresbrise umspielte ihr Haar und zerrte an Aarons Körper. Er stand mit Jaz auf einer Klippe, er dem Abgrund näher als sie. Seine Füße spürten die losen Steine unter seinen Fersen die klirrend unter seinem Gewicht nachgaben und in den Abgrund stürzten.
„Was ist los, Jazmin. Wie hast du das gemacht? Wie kannst du erst bei mir sein und in der nächsten Sekunde so weit entfernt sein?“ Aaron konnte kaum seine Fragen stellen, die Stimme gab immer mehr nach.
Jazmin jedoch lächelte ihn nur wieder an. Als ihr Lächeln starb, legte sie einen Finger auf seine Lippen. „Sch-sch! Es möchte sich dir jemanden zeigen.“ Sie trat einen Schritt zur Seite und gab den Blick in den Wald frei.
Lange Zeit passierte gar nichts. Nichts kam aus dem Wald, nicht das leiseste Geräusch ertönte und dann erschien lautlos eine Gestalt. Schnell, ungezügelt und mit riesigen langen Zähnen. Sie stürmte direkt auf ihn zu, das Gesicht zu einer fiesen Fratze verzogen und Aaron erschrak so sehr, dass er einen Schritt zurück machte, ins Leere trat und von der Klippe stürzte.
Schreiend und schweißgebadet schnellte Aarons Körper hoch. Voller Angst schaute er sich um. Keine Klippe, kein Wasser, keine Personen. Nur er in seinem kleinen Zimmer, in dem das schwache Mondlicht schien. Er konnte nicht fassen was er für einen Quatsch zusammen geträumt hatte. Doch irgendetwas stimmte trotzdem nicht in seinem Zimmer. Genau. Das Bild von den Humpfreys stand nicht mehr auf dem Nachtschränkchen. Aaron dachte er hätte es vielleicht in seinem Traum herunter gestoßen, doch als er über die Bettkante schaute, nichts. Kein Bild. Langsam überkam ihm ein schauriges Gefühl. Er beugte sich noch tiefer und schaute unter dem Bett. Er schaute in die Schwärze und sah etwas aufblitzen. So schnell er konnte zog er seinen Kopf hoch und schaltete das Licht ein. Das mulmige Gefühl überkam ihm abermals, als er seinen Mut zusammen nahm und noch einmal unter das Bett schaute.
Was er da sah, ließ ihn aufatmen. Darunter befand sich lediglich sein Koffer. Das Blitzen musste der Reißverschluss gewesen sein. Aaron setzte sich wieder auf und lachte verunsichert über sich selbst. Der Traum hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen. Aber wo war das Bild der Humpfreys? Er schaute sich noch einmal um und entdeckte es auf der Kommode. Hatte er es dort hingestellt? Nein. Er hatte es doch mit Sicherheit auf dem Nachtschränkchen abgestellt, oder doch nicht?
Es machte Aaron alles so zu schaffen. Seit wann war er denn so schreckhaft? Andererseits war es denn verwunderlich? Auf der einen Seite Michaela, die ihm Geschichten erzählte dass es hier von Dämonen besessene Menschen gab, und auf der anderen Seite, der Angriff auf dem Reitausflug, was so schnell war, dass es unmöglich ein Tier gewesen sein konnte.
Aaron schüttelte den Kopf und schalt sich innerlich. Gott, komm wieder klar. So ein Bullshit gibt es nicht. Kurz darauf nahm er sein Handy in die Hand und schaute nach wie spät es war. Es war bereits zwei Uhr morgens und irgendwie war es sonderbar, dass Michaela ihn nicht geweckt hatte, damit er wenigstens Abendessen konnte. Mit schweren Beinen zwang er sich aus dem Bett. Er hatte Hunger und deshalb wollte er sich etwas zu essen holen. Als er durch die Tür ging und sie wieder schließen wollte, entdeckte er einen großen Zettel an seiner Tür.
Bitte lasst mich schlafen. Hole mir essen wenn ich hunger habe.
Hä?, dachte sich Aaron. Hatte er denn diesen Zettel geschrieben? Nein. Nicht das es ihm einfallen würde. Oder war er zu diesem Zeitpunkt so müde gewesen, dass er es vergessen hatte? Oder war hatte er sogar schon im Halbschlaf und konnte sich deshalb nicht erinnern? Doch bei näherer Betrachtung musste er feststellen, dass es noch nicht mal seine Schrift war. Was ging hier vor? Er riss den Zettel ab und zerknüllte ihn.
Unten in der Küche ging er zum Kühlschrank und holte sich den Teller mit seinem Namen darauf. Er nahm die Folie ab und sah kleine Hackbällchen in Letschosoße. Hm … Lecker!, dachte Aaron und setzte sich an den Tisch. Während er aß, dachte er an all die seltsamen Dinge im Traum und in seinem Zimmer.
Klick!, machte es und Aaron fuhr herum. Noch einmal, Klick! Was zum Teufel …? Aaron stand auf und war froh gewesen, dass er das Licht nicht eingeschaltet hatte. Er ging an eines der anderen Fenster und konnte seinen Augen kaum trauen. Aaron wischte sich den Mund mit einem Küchentuch ab und ging zur Tür. Er öffnete die tausenden Schlösser und trat lächelnd auf die Veranda.
Völlig erschöpft kam Aaron auf dem frühen Abend mit seiner Tante auf der Ranch an. Michaela wurde sofort eilig von Mitarbeitern begrüßt und verschwand in den Stallungen. Aaron wollt gar nicht wissen was los war, denn noch immer war er mit den Gedanken in den Geschehnissen des Tages beschäftigt. Langsam lief er zur Tür und bemerkte dabei nicht einmal Janine, die ihn herzlich begrüßen wollte. Er lief einfach an ihr vorbei und schleppte sich in sein Zimmer.
Dort stellte er das Bild auf dem kleinen Nachtschränkchen ab und wollte sich auf sein Bett fallen lassen. Zum Glück hatte er das Handy noch rechtzeitig gesehen. Er nahm es noch in die Hand, schaute darauf. Nichts. Kein Anruf. Keine Kurznachricht. Müde legte er sich hin und schloss die Augen. Noch einmal öffnete er sie und nahm sein Telefon noch mal in die Hand. Er wollte versuchen mit Geraldine zu sprechen, aber erst bekam er kein Netz und nachdem er suchend durch sein Zimmer lief, bekam er Empfang aber Geraldine nahm nicht ab. Doch so seltsam es für Aaron war, er musste einfach ihre Stimme hören und wenn es nur die Mailboxansage war. Leider half es wenig, denn er musste sich einfach alles von der Seele reden. Seufzend ließ er seine Hand sinken und kroch in sein Bett. Die letzten Ereignisse schienen ihm alle Kraft zu rauben und erst recht wenn er sich das Bild ansah. Warum hatte er das Bild von Mr Humpfrey bekommen? Noch einmal schloss Aaron seine Augen um sich besser zu konzentrieren. Hatte er irgendwas verpasst, weshalb er dieses Bild bekommen hatte? Aaron war so müde, dass er auf der Suche nach den kleinen Details einschlief.
Jazmin saß in ihrem Auto, etwas abseits von der Zufahrt der Ranch und wartete auf Aaron. Sie schaute in den kleinen Rückspiegel und zog sich ihren blutroten Lippenstift nach. Ihre Augen hatte sie ganz Ladylike in Smokey-Eyes getaucht. Sie war ruhig. Als sie Aaron auf sich zu kommen sah, stieg sie aus. Gelassen schlenderte sie auf Aaron zu, der irgendwie irritiert war. Er konnte sie nur schwer erkennen, denn ihre Lederklufft verschmolz mit der Dunkelheit des umliegenden Waldes. Sie warf ihm einen Motoradhelm zu und grinste über das ganze Gesicht. Dabei entblößte sie ihre weißen Zähne. Aarons Blick heftete sich an die spitzen Eckzähne und stellte fest dass sie unnatürlich spitz waren. Ihr Lächeln erstarb und sie zog sich ebenfalls einen Helm auf. Aaron schaute hinter ihr und sah Jazmins Motorrad. Ganz zufällig schob sie sich in sein Blick und er schaute ihr direkt auf den wohlgeformten Hintern, der sich schwingend auf das Motorrad zu bewegte und dann Platz darauf nahm. Ein pfiff ertönte und Aaron beeilte sich hinter ich Platz zu nehmen. Sie fuhren eine Weile durch die Gegend und Aarons Hände hielten sich an Jazmins Hüften fest. Langsam wollte er sich voran tasten. Eine seiner Hand schob er auf ihren Oberschenkel, die Andere schlang er noch fester um ihre Hüften. Ohne es zu merken, befanden sie sich plötzlich vor dem Schwimmfreibad. Nicht allzu ernst schlug sie ihm auf die Hand, die versuchte an ihren Innenschenkeln zu kommen.
Gerade als Aaron, „Autsch!“ sagen wollte, saß er allein auf dem Motorrad. Verwirrt sah er sich um. Vor dem Zaun stand Jazmin und schaute hinüber zum Wasserbecken.
„Komm!“, raunte sie fast unhörbar. Aaron stieg ab und folgte ihr. Der Zaun war extrem hoch, mindestens fünf Meter und oben auf dem Ende waren Zacken angebracht um Kletterer abzuhalten. Jazmin sah kurz auf, schätze ab und sprang herüber. Doch sie kam auf der anderen Seite nicht an. Aarons Blick huschte über den ganzen Zaun, über das ganze Gelände und dann sah er jemanden auf dem Zehnmeterturm. Ihr weißes viktorianisches Kleid riss an dem zierlichen Körper. Aaron sah noch mal den Zaun hinauf und er war kleiner geworden. Noch immer die Zacken aber er war nur noch maximal zwei Meter. Er zog sich seine Lederjacke aus und warf sie nach oben als er einen Baum neben sich erkannte. Dieser Baum eignete sich perfekt um daran hinauf zu klettern.
Auf der anderen Seite angekommen, stellte Aaron einen Lichtkegel fest. Er sah zurück und stellte fest, dass Jazmins kleiner Mini neben ihrem Motorrad stand. Ungeachtet dessen lief er auf das Wasserbecken zu. Doch oben auf dem Turm stand niemand mehr. Aaron blieb stehen und sah sich um. Ein kalter Windhauch zog über seinen Nacken und instinktiv schaute er sich um. Überall standen Bäume, alles in Dunkelheit gehüllt und da war es wieder. Das viktorianische Kleid welches hinter einem Baum hervor wehte. Jazmin versteckte sich und er ging auf dieses kleine Versteckspiel ein. Kurz darauf war er an dem Baum heran gekommen, aber es befand sich keine Jazmin dahinter, nur dieses Kleid. Wieder spürte er diesen Windhauch im Nacken und wirbelte wie zu vor herum.
Ihm blieb fast das Herz stehen. Jazmins Makeup war verlaufen an den Augen und ihre Lippen total verschmiert. Doch sie lächelte ihn an.
„Komm!“, sagte sie wieder und ging durch die Bäume. Aus dem Schwimmbecken war nun eine See geworden und Aaron betrachtete Jazmin wieder wie sie lief. Doch plötzlich war sie nur noch verschwommen und kurz darauf verschwunden. Aaron schaute sich verängstigt um.
„Komm!“, hörte er noch einmal in einem wispernden Ton. Dann erspähte er Jazmin. Sie stand auf einer Klippe.
„Wie … “, begann Aaron, der aber sofort wieder von dem Wispern unterbrochen wurde.
„Komm!“
Aaron sah wie Jazmins Gestalt sich zu ihm drehte und die Hand nach ihm ausstreckte. Noch einmal drehte sich Aaron um, denn ein Lichtkegel erleuchtete ihn. Er stand auf einer Straße und wäre er nicht im letzten Moment in den Seitengraben gesprungen, hätte man ihn einfach überfahren. Aaron rappelte sich auf und sah den roten Lichtern hinterher, die sich plötzlich verzerrten und verschwanden.
„Komm, Aaron!“, wisperte der Hauch in seinem Nacken. Als er sich dem Wispern zuwandte, stand Jazmin direkt vor ihm und eine starke Meeresbrise umspielte ihr Haar und zerrte an Aarons Körper. Er stand mit Jaz auf einer Klippe, er dem Abgrund näher als sie. Seine Füße spürten die losen Steine unter seinen Fersen die klirrend unter seinem Gewicht nachgaben und in den Abgrund stürzten.
„Was ist los, Jazmin. Wie hast du das gemacht? Wie kannst du erst bei mir sein und in der nächsten Sekunde so weit entfernt sein?“ Aaron konnte kaum seine Fragen stellen, die Stimme gab immer mehr nach.
Jazmin jedoch lächelte ihn nur wieder an. Als ihr Lächeln starb, legte sie einen Finger auf seine Lippen. „Sch-sch! Es möchte sich dir jemanden zeigen.“ Sie trat einen Schritt zur Seite und gab den Blick in den Wald frei.
Lange Zeit passierte gar nichts. Nichts kam aus dem Wald, nicht das leiseste Geräusch ertönte und dann erschien lautlos eine Gestalt. Schnell, ungezügelt und mit riesigen langen Zähnen. Sie stürmte direkt auf ihn zu, das Gesicht zu einer fiesen Fratze verzogen und Aaron erschrak so sehr, dass er einen Schritt zurück machte, ins Leere trat und von der Klippe stürzte.
Schreiend und schweißgebadet schnellte Aarons Körper hoch. Voller Angst schaute er sich um. Keine Klippe, kein Wasser, keine Personen. Nur er in seinem kleinen Zimmer, in dem das schwache Mondlicht schien. Er konnte nicht fassen was er für einen Quatsch zusammen geträumt hatte. Doch irgendetwas stimmte trotzdem nicht in seinem Zimmer. Genau. Das Bild von den Humpfreys stand nicht mehr auf dem Nachtschränkchen. Aaron dachte er hätte es vielleicht in seinem Traum herunter gestoßen, doch als er über die Bettkante schaute, nichts. Kein Bild. Langsam überkam ihm ein schauriges Gefühl. Er beugte sich noch tiefer und schaute unter dem Bett. Er schaute in die Schwärze und sah etwas aufblitzen. So schnell er konnte zog er seinen Kopf hoch und schaltete das Licht ein. Das mulmige Gefühl überkam ihm abermals, als er seinen Mut zusammen nahm und noch einmal unter das Bett schaute.
Was er da sah, ließ ihn aufatmen. Darunter befand sich lediglich sein Koffer. Das Blitzen musste der Reißverschluss gewesen sein. Aaron setzte sich wieder auf und lachte verunsichert über sich selbst. Der Traum hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen. Aber wo war das Bild der Humpfreys? Er schaute sich noch einmal um und entdeckte es auf der Kommode. Hatte er es dort hingestellt? Nein. Er hatte es doch mit Sicherheit auf dem Nachtschränkchen abgestellt, oder doch nicht?
Es machte Aaron alles so zu schaffen. Seit wann war er denn so schreckhaft? Andererseits war es denn verwunderlich? Auf der einen Seite Michaela, die ihm Geschichten erzählte dass es hier von Dämonen besessene Menschen gab, und auf der anderen Seite, der Angriff auf dem Reitausflug, was so schnell war, dass es unmöglich ein Tier gewesen sein konnte.
Aaron schüttelte den Kopf und schalt sich innerlich. Gott, komm wieder klar. So ein Bullshit gibt es nicht. Kurz darauf nahm er sein Handy in die Hand und schaute nach wie spät es war. Es war bereits zwei Uhr morgens und irgendwie war es sonderbar, dass Michaela ihn nicht geweckt hatte, damit er wenigstens Abendessen konnte. Mit schweren Beinen zwang er sich aus dem Bett. Er hatte Hunger und deshalb wollte er sich etwas zu essen holen. Als er durch die Tür ging und sie wieder schließen wollte, entdeckte er einen großen Zettel an seiner Tür.
Bitte lasst mich schlafen. Hole mir essen wenn ich hunger habe.
Hä?, dachte sich Aaron. Hatte er denn diesen Zettel geschrieben? Nein. Nicht das es ihm einfallen würde. Oder war er zu diesem Zeitpunkt so müde gewesen, dass er es vergessen hatte? Oder war hatte er sogar schon im Halbschlaf und konnte sich deshalb nicht erinnern? Doch bei näherer Betrachtung musste er feststellen, dass es noch nicht mal seine Schrift war. Was ging hier vor? Er riss den Zettel ab und zerknüllte ihn.
Unten in der Küche ging er zum Kühlschrank und holte sich den Teller mit seinem Namen darauf. Er nahm die Folie ab und sah kleine Hackbällchen in Letschosoße. Hm … Lecker!, dachte Aaron und setzte sich an den Tisch. Während er aß, dachte er an all die seltsamen Dinge im Traum und in seinem Zimmer.
Klick!, machte es und Aaron fuhr herum. Noch einmal, Klick! Was zum Teufel …? Aaron stand auf und war froh gewesen, dass er das Licht nicht eingeschaltet hatte. Er ging an eines der anderen Fenster und konnte seinen Augen kaum trauen. Aaron wischte sich den Mund mit einem Küchentuch ab und ging zur Tür. Er öffnete die tausenden Schlösser und trat lächelnd auf die Veranda.
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Re: Küsse des Schattens
Kapitel 31 – fehlgeschlagene Einladung
„Geraldine? Was hast du mit deinen Haaren gemacht?“, platze aus Aaron heraus. Er war schon fast schockiert gewesen. Sie hatte ihre wunderschönen rotblonden Haare zu einem dunkelbraun gefärbt. Aber er war dennoch erstaunt darüber, wie gut ihr die Farbe stand. Geraldine sah ihn verschüchtert und abwartend an. Bis Aaron sie regelrecht anstrahlte und die Arme ausbreitete.
„Was denn? Keine Umarmung?“
Geraldine kam so schnell auf ihn zu, dass der Aufprall fast unerwartet kam. Sie klammerte sich fest und vergrub ihr Gesicht in seine Schulter. Sie atmete tief ein, sie hatte ihn und seinen Geruch so sehr vermisst. Zuhause war nichts mehr so wie es war. Die Eltern stritten unentwegt, aber Geraldine wollte nichts erwähnen. Sie hatte einfach eine Nachricht hinterlassen und war zu Tante Michaela aufgebrochen. Unterwegs hatte sie noch die Idee gehabt ihre Haare zu färben. Veränderungen verlangten nach Veränderungen. Logisch, sonst würde man ja keine Veränderung vornehmen. Aaron hielt sie auch so sehr fest, dass Geraldine sich sicher war, dass er sie ebenso sehr vermisst hatte. Es fiel ihr so schwer, ihn wieder los zu lassen, aber sie tat es. Aaron spürte wie sie sich aus seiner Umarmung quälte und er sah sie fragend an. Er spürte dass etwas nicht stimmen konnte.
„Was ist los, Gera?“
Sie hingegen schüttelte nur den Kopf und erstarrte plötzlich in ihrer Bewegung. Ihre Augen wurden weiter und ihr Gesicht wurde ängstlicher. In Aarons Nacken stellten sich die Härchen auf. Genauso wie es in der Schule war. Er spürte einen Blick auf sich ruhen und es war definitiv nicht der von Geraldine, deren Blick zwischen ihm und der Person hinter ihm wechselte. Aaron schaute hinter sich und entdeckte …
„Jazmin?“, fragte er erstaunt und gleichzeitig etwas erleichtert. Er hatte sie seit Tagen nicht mehr gesehen. „Hey, was machst du denn hier?“
Doch statt einer Antwort bekam er nur ihren Rücken zu sehen. Sie drehte sich zum Gehen und verschwand stumm in der Dunkelheit. Doch so leicht wollte sich Aaron abspeisen lassen. Er ließ Geraldine allein zurück und holte Jazmin schließlich noch ein. Er berührte sie an der Schulter und ruckartig blieb sie stehen.
„Hey, Jaz. Was ist los?“, fragte Aaron sie und schaute ihr genau in die Augen. Doch in ihrem Blick lag etwas was Aaron nur allzu gut kannte. Er selbst hatte diese Augen so oft in seinem Spiegel gesehen, dass er nur zu gut wusste, was in ihr vor ging.
„Wer ist das?“, fragte Jazmin leise.
Oh nein, dachte sie etwa Geraldine wäre seine Freundin? Ein Knacken ließ Aaron hochfahren und ins schwache Licht der Veranda schauen. Geraldine war ihm gefolgt und kam nun langsam näher.
„Jaz, das ist meine Schwester.“
„Sie sieht anders aus, als du beschrieben hast. Du sagtest sie sei rotblond.“ Begann Jazmin reserviert zu sprechen an.
„Ja, ich weiß. Sie ist auch rotblond. Sie hat sich ihre Haare gefärbt.“
„Das steht ihr nicht.“ Jazmins Stimme klang klar und sachlich und sie hielt auch nicht hinter dem Berg mit ihrer Abneigung gegen Geraldine. Aber das hatte Aaron schon oft erlebt. Gera hatte immer ein klein wenig zu kämpfen damit. Niemand mochte sie gleich beim ersten Mal. Solange sie zumindest sich nicht Aaron oder Eltern schimpften.
„Und ich finde dein Gothic Makeup zum wegrennen“, platzte es auch schon Geraldine aus dem Mund. Jazmin jedoch lächelte auf ihre Bemerkung und drehte sich um. Jazmin sah ihr ganz fest in die Augen.
„Ich weiß, warum du hier bist.“ Jazmins Augen begannen zu funkeln. Sie loderten regelrecht böse auf und dann sah sie Aaron an, lächelte und ging ein paar Schritte zurück.
„Habt ihr eure Trends jetzt fertig besprochen? Ich mag es nicht, wenn sich um mich gerissen wird.“
Jazmin sah ihn an und lächelte gequält. Oder war es Unsicherheit? Er konnte ihre Stimmung nicht genau deuten und langsam spürte er wie kalt es draußen geworden war. Er schaute zum Haus. Alles war noch dunkel.
„Es ist ziemlich kalt, wollen wir nicht reingehen?“
Jazmin zuckte zusammen. Sie mit ihm in einem Haus? Da wo sie nur Menschengerüche hätte. Nein, so weit war sie noch nicht. Sie war froh dass es an der Luft so gut funktionierte.
„Na Jaz? Willst du nicht mit –“
„Nein, Aaron. Denk nicht mal dran. Michaela würde es nicht gut heißen.“, unterbrach Jazmin Aaron bevor er noch die Einladung vervollständigen konnte. Sie wollte einfach nicht eingeladen werden. Sie könnte in ihren vielen schwachen Momenten zu ihm gehen und sich an ihm nähren. Doch noch war sie nicht so weit sich zu kontrollieren. Es ging schon gut, aber immer wieder verfiel sie zurück in ihren Urinstinkt als Vampir.
„Jaz, es ist kalt …“
„Ja und ich sollte nach Hause gehen.“, unterbrach Jazmin ihn schon wieder.
„Jazmin, dass ist eine gute Idee! Aaron, Geraldine! Kommt sofort ins Haus!“, Michaelas Stimme zerschnitt das ruhige Gespräch. Ihr Tonfall war beherrscht und fordernd. Geraldine leistete sofort folge, nur Aaron nicht. Er wollte mit Jazmin reden. Einige Sachen klären. Sie hatte auf keinen seiner Anrufe oder Kurznachrichten reagiert und irgendeinen Grund musste es haben, dass sie hier aufgetaucht war.
„Aaron! Komm jetzt sofort hier her! Sofort! Und du Jazmin solltest jetzt gehen.“
„Tante!“, ermahnte Aaron Michaela, denn es war sehr unhöflich von ihr. Jazmin keine Wahl zu lassen, als zu gehen, fand er schon sehr ungerecht. Jazmin hatte ihr nicht getan. Und nur wegen einem dieser Ausraster an einem kalten Abend, konnte sie doch nicht so barsch sein.
„Ich sollte jetzt wirklich gehen. Mach es gut Aaron.“ Ohne noch einen vielsagenden Blick oder einem kleinen Zeichen, verschwand Jaz in die Nacht. Doch Aaron wollte nicht schon wieder so eine Situation entstehen lassen, wie sie vor dem Besuch war. Er rannte ihr noch weiter nach und während Michaela die Veranda verließ um Aaron zu holen, bekam er Jazmin noch einmal zu fassen.
„Chatten wir nachher?“ Sie schüttelte den Kopf. „Jaz, warum warst du dann hier? Du wolltest doch reden oder? Also rede nachher mit mir.“ Wieder schüttelte sie den Kopf. „Ich werde jetzt reingehen und mich vor dem PC hocken, ich werde dort auf dich warten.“ Kaum hatte Aaron seinen Satz beendet, umgriff ihn die Hand von Michaela.
„Aaron? Michaela hat recht. Ich bin nicht gut für dich, wir sollten keine Freunde sein.“, dann verschwand sie endgültig in die Dunkelheit und Aaron wurde zurück ins Haus gezogen. Im Haus fluchte er wie wild und ging in sein Zimmer. Irgendwie hatte er sich so sehr gefreut, dass Gera da war, dass Jaz da war und Michaela hatte seine Freude total zerschlagen. Er startete seinen Laptop als Geraldine ins Zimmer trat.
„Wer war das?“, fragte sie neugierig. „Ist das deine neue Freundin?“
Aaron schüttelte den Kopf. „Nein, sie ist … ich weiß auch nicht so recht. Ich mag sie, aber sie scheint Angst vor Michaela zu haben.“
„Naja, so wie sie reagiert hat, hätte ich auch Angst. Ich mein, was hat sie gegen sie?“
„Wenn ich das nur wüsste.“ Aaron wägte ab, wie viel er Gera erzählen sollte. Wäre es besser Geraldine von den Wahnvorstellungen ihrer Tante zu erzählen? Ihre Theorien? Das was er selbst gesehen hatte? Wenn er denn etwas Konkretes gesehen hätte? Aaron entschied sich dagegen. Gera würde ihn sicher nur auslachen. Also schwieg er.
Während des ganzen Gespräches schaute er auf den Monitor. In seinem Kontaktefeld waren viele noch von früher verzeichnet. Er verschob alle in einem Ordner den er ‘Seattle‘ taufte und danach blieben nur noch zwei Kontakte. Geraldine und Jazmin. Beide leuchteten nicht, weil sie nicht online waren.
Nach einer Ewigkeit und bei dem Blick auf die Uhr, stellte Aaron fest, dass er bereits Stunden davor gesessen hatte. Geraldine war auf seinem Bett eingeschlafen und Jazmin war nicht online gekommen. Er fluchte und begann einen Schmerz zu verspüren. Warum war sie hier, wenn sie nicht reden wollte?
Er atmete tief durch und wollte gerade seinen Account schließen, als der Laptop einen leisen Ton von sich gab. Eine Nachricht. Allerdings von einem Absender den er nicht kannte.
Lass die Pfoten von Jazmin. Sie spielt nicht in deiner Liga.
Aaron konnte nicht glauben was er da las. Denn eigentlich wusste es niemand, dass sie sich vor einiger Zeit getroffen hatte, es sei denn … Nein, dass glaubte Aaron nicht. Sie konnte es niemanden erzählt haben, oder etwa doch? Konnte sie nicht dicht halten? Aaron machte den PC aus und ging zum Bett. Sachte schob er Geraldine zur Seite und legte sich neben sie. Kaum lag er gemütlich, bewegte sich Geraldine und schmiegte sich an ihn.
Aarons letzte Gedanken galten Jazmins ablehnende Haltung gegenüber seiner Einladung.
„Geraldine? Was hast du mit deinen Haaren gemacht?“, platze aus Aaron heraus. Er war schon fast schockiert gewesen. Sie hatte ihre wunderschönen rotblonden Haare zu einem dunkelbraun gefärbt. Aber er war dennoch erstaunt darüber, wie gut ihr die Farbe stand. Geraldine sah ihn verschüchtert und abwartend an. Bis Aaron sie regelrecht anstrahlte und die Arme ausbreitete.
„Was denn? Keine Umarmung?“
Geraldine kam so schnell auf ihn zu, dass der Aufprall fast unerwartet kam. Sie klammerte sich fest und vergrub ihr Gesicht in seine Schulter. Sie atmete tief ein, sie hatte ihn und seinen Geruch so sehr vermisst. Zuhause war nichts mehr so wie es war. Die Eltern stritten unentwegt, aber Geraldine wollte nichts erwähnen. Sie hatte einfach eine Nachricht hinterlassen und war zu Tante Michaela aufgebrochen. Unterwegs hatte sie noch die Idee gehabt ihre Haare zu färben. Veränderungen verlangten nach Veränderungen. Logisch, sonst würde man ja keine Veränderung vornehmen. Aaron hielt sie auch so sehr fest, dass Geraldine sich sicher war, dass er sie ebenso sehr vermisst hatte. Es fiel ihr so schwer, ihn wieder los zu lassen, aber sie tat es. Aaron spürte wie sie sich aus seiner Umarmung quälte und er sah sie fragend an. Er spürte dass etwas nicht stimmen konnte.
„Was ist los, Gera?“
Sie hingegen schüttelte nur den Kopf und erstarrte plötzlich in ihrer Bewegung. Ihre Augen wurden weiter und ihr Gesicht wurde ängstlicher. In Aarons Nacken stellten sich die Härchen auf. Genauso wie es in der Schule war. Er spürte einen Blick auf sich ruhen und es war definitiv nicht der von Geraldine, deren Blick zwischen ihm und der Person hinter ihm wechselte. Aaron schaute hinter sich und entdeckte …
„Jazmin?“, fragte er erstaunt und gleichzeitig etwas erleichtert. Er hatte sie seit Tagen nicht mehr gesehen. „Hey, was machst du denn hier?“
Doch statt einer Antwort bekam er nur ihren Rücken zu sehen. Sie drehte sich zum Gehen und verschwand stumm in der Dunkelheit. Doch so leicht wollte sich Aaron abspeisen lassen. Er ließ Geraldine allein zurück und holte Jazmin schließlich noch ein. Er berührte sie an der Schulter und ruckartig blieb sie stehen.
„Hey, Jaz. Was ist los?“, fragte Aaron sie und schaute ihr genau in die Augen. Doch in ihrem Blick lag etwas was Aaron nur allzu gut kannte. Er selbst hatte diese Augen so oft in seinem Spiegel gesehen, dass er nur zu gut wusste, was in ihr vor ging.
„Wer ist das?“, fragte Jazmin leise.
Oh nein, dachte sie etwa Geraldine wäre seine Freundin? Ein Knacken ließ Aaron hochfahren und ins schwache Licht der Veranda schauen. Geraldine war ihm gefolgt und kam nun langsam näher.
„Jaz, das ist meine Schwester.“
„Sie sieht anders aus, als du beschrieben hast. Du sagtest sie sei rotblond.“ Begann Jazmin reserviert zu sprechen an.
„Ja, ich weiß. Sie ist auch rotblond. Sie hat sich ihre Haare gefärbt.“
„Das steht ihr nicht.“ Jazmins Stimme klang klar und sachlich und sie hielt auch nicht hinter dem Berg mit ihrer Abneigung gegen Geraldine. Aber das hatte Aaron schon oft erlebt. Gera hatte immer ein klein wenig zu kämpfen damit. Niemand mochte sie gleich beim ersten Mal. Solange sie zumindest sich nicht Aaron oder Eltern schimpften.
„Und ich finde dein Gothic Makeup zum wegrennen“, platzte es auch schon Geraldine aus dem Mund. Jazmin jedoch lächelte auf ihre Bemerkung und drehte sich um. Jazmin sah ihr ganz fest in die Augen.
„Ich weiß, warum du hier bist.“ Jazmins Augen begannen zu funkeln. Sie loderten regelrecht böse auf und dann sah sie Aaron an, lächelte und ging ein paar Schritte zurück.
„Habt ihr eure Trends jetzt fertig besprochen? Ich mag es nicht, wenn sich um mich gerissen wird.“
Jazmin sah ihn an und lächelte gequält. Oder war es Unsicherheit? Er konnte ihre Stimmung nicht genau deuten und langsam spürte er wie kalt es draußen geworden war. Er schaute zum Haus. Alles war noch dunkel.
„Es ist ziemlich kalt, wollen wir nicht reingehen?“
Jazmin zuckte zusammen. Sie mit ihm in einem Haus? Da wo sie nur Menschengerüche hätte. Nein, so weit war sie noch nicht. Sie war froh dass es an der Luft so gut funktionierte.
„Na Jaz? Willst du nicht mit –“
„Nein, Aaron. Denk nicht mal dran. Michaela würde es nicht gut heißen.“, unterbrach Jazmin Aaron bevor er noch die Einladung vervollständigen konnte. Sie wollte einfach nicht eingeladen werden. Sie könnte in ihren vielen schwachen Momenten zu ihm gehen und sich an ihm nähren. Doch noch war sie nicht so weit sich zu kontrollieren. Es ging schon gut, aber immer wieder verfiel sie zurück in ihren Urinstinkt als Vampir.
„Jaz, es ist kalt …“
„Ja und ich sollte nach Hause gehen.“, unterbrach Jazmin ihn schon wieder.
„Jazmin, dass ist eine gute Idee! Aaron, Geraldine! Kommt sofort ins Haus!“, Michaelas Stimme zerschnitt das ruhige Gespräch. Ihr Tonfall war beherrscht und fordernd. Geraldine leistete sofort folge, nur Aaron nicht. Er wollte mit Jazmin reden. Einige Sachen klären. Sie hatte auf keinen seiner Anrufe oder Kurznachrichten reagiert und irgendeinen Grund musste es haben, dass sie hier aufgetaucht war.
„Aaron! Komm jetzt sofort hier her! Sofort! Und du Jazmin solltest jetzt gehen.“
„Tante!“, ermahnte Aaron Michaela, denn es war sehr unhöflich von ihr. Jazmin keine Wahl zu lassen, als zu gehen, fand er schon sehr ungerecht. Jazmin hatte ihr nicht getan. Und nur wegen einem dieser Ausraster an einem kalten Abend, konnte sie doch nicht so barsch sein.
„Ich sollte jetzt wirklich gehen. Mach es gut Aaron.“ Ohne noch einen vielsagenden Blick oder einem kleinen Zeichen, verschwand Jaz in die Nacht. Doch Aaron wollte nicht schon wieder so eine Situation entstehen lassen, wie sie vor dem Besuch war. Er rannte ihr noch weiter nach und während Michaela die Veranda verließ um Aaron zu holen, bekam er Jazmin noch einmal zu fassen.
„Chatten wir nachher?“ Sie schüttelte den Kopf. „Jaz, warum warst du dann hier? Du wolltest doch reden oder? Also rede nachher mit mir.“ Wieder schüttelte sie den Kopf. „Ich werde jetzt reingehen und mich vor dem PC hocken, ich werde dort auf dich warten.“ Kaum hatte Aaron seinen Satz beendet, umgriff ihn die Hand von Michaela.
„Aaron? Michaela hat recht. Ich bin nicht gut für dich, wir sollten keine Freunde sein.“, dann verschwand sie endgültig in die Dunkelheit und Aaron wurde zurück ins Haus gezogen. Im Haus fluchte er wie wild und ging in sein Zimmer. Irgendwie hatte er sich so sehr gefreut, dass Gera da war, dass Jaz da war und Michaela hatte seine Freude total zerschlagen. Er startete seinen Laptop als Geraldine ins Zimmer trat.
„Wer war das?“, fragte sie neugierig. „Ist das deine neue Freundin?“
Aaron schüttelte den Kopf. „Nein, sie ist … ich weiß auch nicht so recht. Ich mag sie, aber sie scheint Angst vor Michaela zu haben.“
„Naja, so wie sie reagiert hat, hätte ich auch Angst. Ich mein, was hat sie gegen sie?“
„Wenn ich das nur wüsste.“ Aaron wägte ab, wie viel er Gera erzählen sollte. Wäre es besser Geraldine von den Wahnvorstellungen ihrer Tante zu erzählen? Ihre Theorien? Das was er selbst gesehen hatte? Wenn er denn etwas Konkretes gesehen hätte? Aaron entschied sich dagegen. Gera würde ihn sicher nur auslachen. Also schwieg er.
Während des ganzen Gespräches schaute er auf den Monitor. In seinem Kontaktefeld waren viele noch von früher verzeichnet. Er verschob alle in einem Ordner den er ‘Seattle‘ taufte und danach blieben nur noch zwei Kontakte. Geraldine und Jazmin. Beide leuchteten nicht, weil sie nicht online waren.
Nach einer Ewigkeit und bei dem Blick auf die Uhr, stellte Aaron fest, dass er bereits Stunden davor gesessen hatte. Geraldine war auf seinem Bett eingeschlafen und Jazmin war nicht online gekommen. Er fluchte und begann einen Schmerz zu verspüren. Warum war sie hier, wenn sie nicht reden wollte?
Er atmete tief durch und wollte gerade seinen Account schließen, als der Laptop einen leisen Ton von sich gab. Eine Nachricht. Allerdings von einem Absender den er nicht kannte.
Lass die Pfoten von Jazmin. Sie spielt nicht in deiner Liga.
Aaron konnte nicht glauben was er da las. Denn eigentlich wusste es niemand, dass sie sich vor einiger Zeit getroffen hatte, es sei denn … Nein, dass glaubte Aaron nicht. Sie konnte es niemanden erzählt haben, oder etwa doch? Konnte sie nicht dicht halten? Aaron machte den PC aus und ging zum Bett. Sachte schob er Geraldine zur Seite und legte sich neben sie. Kaum lag er gemütlich, bewegte sich Geraldine und schmiegte sich an ihn.
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Re: Küsse des Schattens
Kapitel 32 – Rückkehr
Jazmin ging langsam nach Hause. Wirklich langsam. Sie wäre wirklich gern mit ins Haus gegangen, aber sie konnte ihn nicht dieser Gefahr aussetzten. Er durfte sie einfach nie einladen. Und warum war dieses Mädchen da? Was wollte sie? Selbst die Erklärung, dass dieses Mädchen seine Schwester sein sollte, konnte und wollte sie nicht glauben. Dieses Girlie hatte den erregten Duft abgegeben, den Menschen nur absonderten, wenn sie Sex wollten und sie wollte es. Und da Jazmin sich sicher war, dass dieses Mädchen nicht auf Frauen stand, konnte es sich in diesem Fall nur um Aaron handeln. Jazmin fühlte wie ihre Fänge sich leicht verlängerten.
Ob ihre Reißzähne jemals ihre volle Größe bekommen würden? Oder waren sie bereits in vollends ausgefahren? Jazmin fühlte sich irgendwie nicht richtig. Nein, dass war nicht sie. Die Gegend war irgendwie verändert. Sie war nur noch einige Minuten von ihrem Heim entfernt.
Nein!, dachte Jazmin, als sie erkannte was nicht richtig war. Nicht schon wieder!
Je näher sie kam, desto schneller wurde ihr bewusst, dass sie sich nicht täuschte. Zachury war da. Schon wieder. Warum war er zurück gekommen? Was sollte das? Wollte er ihr das Leben zur Hölle machen? Jazmin war so in ihren Gefühlen gefangen, dass sie ihre Tränen der Verzweiflung gar nicht wahr genommen hatte. Erst als sie die Spiegelung ihres Gesichtes in der kleinen Scheibe der Eingangstür sah, wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. Langsam legte sie ihre Hand auf die Klinke, aber hinunter drücken konnte sie aus irgendeinem Grund nicht. Etwas hielt sie davon ab. Angst. Die Angst nicht zu wissen, was geschehen war, ließ sie wie Stein erstarren. Dann hörte sie Stimmen im Haus und fasste sich ans Herz. Als sie die Tür geöffnet hatte, wurde Jazmin herzlich von ihrem Neuzugang begrüßt. Sie kam direkt auf Jazmin zugesteuert und umarmte ihre Hüften. Noch kaum bevor Jazmin fragen konnte, bekam sie schon ihre Antwort.
„Zachury ist zurück gekommen, aber ohne Alyson. Ich glaube, sie haben sich nicht mehr lieb.“
Jazmin hockte sich hinunter und fragte: „Warum glaubst du das?“ Sie konnte nicht leugnen, dass der Gedanken ihr gefiel. Immer hin hatte nicht Jazmin ihn verlassen. Sie liebte ihn noch immer, aber was ihr momentan einfach nicht klar war, in welcher Hinsicht. War es reine Freundschaft oder ging es tiefer?
„Ich weiß nicht. Ich hab einfach so ein Gefühl. Er sah Alyson kaum an, als er mit ihr hier war. Dich hat er mehr angesehen.“ Schob sie noch schnell hinterher. Jazmin begann zu lächeln.
„Wo sind denn die Anderen? Im Wohnzimmer?“, fragte Jazmin. Der Neuzugang nickte und lächelte sie an. Dabei entblößte sie ihre kleinen Fänge, die schon fast länger schienen als Jazmins. Jazmin wandte ihren Blick ab und ging ins Wohnzimmer. Ein fast alltägliches Bild zeigte sich ihr.
Kyle, Abby, Randy, Rise und Tahmara saßen um den Couchtisch herum und spielten Karten. Was sie diesmal spielten kannte Jaz nicht. Frank saß im Sessel und las und ihr Neuzugang eilte zu Abby und fauchte Randy an, der lachend ein Knurren von sich gab. Kurz darauf folgte ein vergnügtes Quietschen. Randy, Rise und Tahmara waren vampirische Freunde, die ebenso versuchten menschlich zu sein wie ihre Familie. Sie gingen mit Jazmin zur Schule und waren gute Lehrer. Ihr Äußeres trügte gewaltig. Sahen sie aus wie 17 und 20 waren sie bereits über hundert Jahre alt. Sie waren älter als Zachury. Ähm, ja. Zachury. Sie sah sich um und entdeckte ihn vor dem Pc und bevor sie noch zu ihm gehen konnte, stand Kyle vor ihr. Aber was machte Kyle? Misstrauisch starrte sie Kyle an. Doch er ließ sich nicht stören. Schnupperte er an sie? Jazmin konnte es kaum glauben. Kyle stand direkt vor ihr, hatte sein Kopf nach vorn geschoben und die Augen geschlossen. Seine Nase arbeitete auf Hochtouren und dennoch sagte er nichts. Er schnupperte ganz einfach. Irritiert hob Jazmin ganz leicht den Arm und schnupperte selbst. Doch stinken tat sie nicht. Hätte sie auch gewundert. Aber Kyle schnupperte wie wild und dann endete es plötzlich. Er schlug die Augen auf und sah Jazmin an. Ein leichtes Knurren fuhr aus Kyle und er stellte sich wieder gerade hin.
Er sah überrascht aus und ging wortlos zurück zum Tisch. Alle sahen ihn an, doch er machte allen unmissverständlich klar, dass er nicht darüber reden wollte. „Los, wer ist denn dran?“, fragte er beinahe genervt und fing an die Karten zu mischen. Jazmin stand immer noch verwirrt da und roch noch immer an sich. Da fiel ihr ein Duft auf, der sie erinnern ließ, dass Kyle vor ein paar Wochen, selbst diesen Geruch an sich haften hatte. Geraldine? Es konnte nur die Schwester von Aaron gewesen sein. Michaela hätte sie damals erkannt und naja, auch wenn Kyle in der Schule den Ruf eines Schwulen genoss, so war er dies ganz bestimmt nicht. Jazmin sah wissend zu Kyle dessen Blick gerade auf sie traf. Jazmin lächelte leicht und Kyle nickte kaum merklich auf. Er war also tatsächlich mit Geraldine zusammen gewesen.
Doch nun wollte sie sich wieder Zachury zuwenden. Er hatte bereits den PC herunter gefahren und schien darauf zu warten, dass Jazmin näher kam. Automatisch steuerten sie ihre Beine zu ihm und dann war sie vor ihm. Sie wollte fragen, vielen fragen, doch nun fiel ihr nichts mehr ein. Zachury lächelte sie unsicher an, welches auf gleichem Wege wieder unsicher verschied. Jazmin musste angsteinflößend aussehen, denn Zachury wich fast die restliche Farbe aus dem Gesicht. Und in der Tat. Jazmin biss sich auf die Zähne, denn inzwischen hatte sie wieder etwas Verstand zurück gewonnen und wurde etwas sauer. Was suchte er hier? Warum kam er zurück und wo ist Alyson. Jazmin schaute ihm fest in die Augen und konnte erkennen, wie nervös er wurde. Doch wieso? Alles schien falsch zu sein und es machte nicht gerade alles besser, als Zach schwer einatmete und die Luft seufzend ausstieß.
„Können wir reden?“, fragte er schon fast so kleinlaut und leise, als sollte es niemand im Raum hören. Jazmin sah sich um. Scheinbar hatte es auch niemand gehört, oder alle waren so diskret dass sie nicht darauf reagierten. Jazmin nickte und ging hinaus.
Draußen in der Dunkelheit setzte sich Jazmin auf eine der Treppenstufen, als sie Zachurys Schritte hörte und kurz darauf das Türschloss. Er setzte sich nicht neben ihr, sondern ging die ganze Treppe hinunter und drehte sich ihr dann zu.
„Ich glaube, ich muss dir endlich mal was erzählen.“, begann Zachury.
„Okay, und was? Du hast doch letztens schon erzählt. Wenn ich ehrlich bin, reicht es mir erstmal mit deinen Aufklärungen. Vor allem wenn es wieder darum geht, dass du mich liebst und trotzdem mit Alyson zusammen bist. Wo ist sie eigentlich? Weiß sie dass du hier bist? Weiß sie was im Wald geschehen ist? Oder hast du das auch für dich behalten? Also was willst du hier? Mich weiter verletzen? Mir das Leben zur Hölle machen?“ Jazmin gab ihn keinerlei Zeit ihre Fragen auch zu beantworten. Sie feuerte auf ihn ein. Solange bis ihr Handy klingelte. Sie nahm es raus und achtete nicht auf das Display.
„Jepp“, meldete sie sich kurz. Kaum hatte sie die Stimme erkannt und was sie ihr sagten, entglitten ihr alle Gesichtszüge und auch ihre Gesichtsfarbe entwich so schnell, als hätte sie schnellen Blutverlust erlitten.
Zachury sah die Reaktion in Jazmins Gesicht und hauchte ein stummes „Nein!“. Alyson war ihm zuvor gekommen. Wie konnte sie nur? Nein, dass durfte nicht diese Wendung nehmen.
Jazmins Augen füllten sich mit Tränen. In kürzester Zeit liefen sie über, rannen ihr die Wangen herunter um sich am Kinn zu treffen und in die Tiefe zu stürzen. Wortlos nahm sie das Telefon vom Ohr. Klappte das Telefon zusammen und in ihren Augen loderte Wut auf. Langsam wie eine Katze vor dem Angriff erhob sie sich. Ihre Augen fixierten Zachury, der langsam wenige Schritte zurück trat. Doch es half nichts. Jazmin war sauer. So sauer, dass sich ihr Gesicht zu dem typischen Vampirgesicht verzog. Die Äderchen unter ihren blauen Augen quollen hervor und die sonst weißen Augäpfel wurden blutrot. Ihre Zähne fuhren aus und diesmal endeten sie nicht wie gewöhnlich. Sie fuhren zu langen Dolchen aus, so dass Jazmin ihren Mund hätte kaum schließen können.
Zachury bekam es allmählich mit der Angst zu tun. So hatte er Jazmin noch nie gesehen. Ohne dass Zach es sah, stürzte Jazmin auf ihn zu und ihre Finger vergruben sich in seine Haut. Jaz sagte nichts, sie knurrte, fauchte und fletschte ihre Zähne. Sie hatte eine enorme Kraft entwickelt und hatte Zach so überrascht, dass dieser auf den Rücken fiel. Jaz saß auf ihn und versuchte seine Kehle zu erwischen. Doch obwohl sie recht stark war, konnte Zachury sie so von sich fernhalten, dass sie immer ins Leere biss. Ihre Zähne klapperten auf einander und es hörte sich an, als würde sie auf Steine treffen. Sie wollte ihn tatsächlich weh tun. Und dennoch, wollte Zachury es ihr erklären. Er wusste nicht was Alyson ihr am Telefon gesagt hatte. Aber er wollte es ihr unbedingt noch erzählen. Nur so wie Jaz im Moment reagierte, konnte er nicht darauf hoffen, dass sie ihm verzeihen würde.
Kaum hatte er seine Gedanken geordnet und festgestellt, dass er sich nicht erklären konnte in diesem Moment, begann Jaz auf ihn ein zuschlagen. Sie trommelte gegen seine Brust, und zwar so stark, dass man jeden Knochen brechen hören konnte. Sie knurrte und der Hass darin war nicht zu überhören gewesen. Sie zerkratze ihm die Brust und Zach sah kein Hindernis sie jetzt von sich zu stoßen. Sie hasste ihn nun eindeutig und sie wollte ihn tot sehen, das war klar. Er hatte ihre Mutter getötet und sie zu dem gemacht was sie hasste. Er hatte es verdient, von ihr verletzt zu werden, aber sein Selbsterhaltungstrieb hielt ihn davon ab, sich nicht zu wehren. Kaum hatte er sich von sich geschleudert, griff sie auch schon wieder an. Er hatte nicht einmal Zeit sich aufzurichten, da hing sie schon wieder über ihn. Er griff nach ihren Armen und drückte sie so weit wie möglich nach oben, doch Jaz bog den Rücken soweit durch dass sie ihm ganz nah über der Kehle hing. Sie wollte nichts mehr als sie ihm herauszureißen. Ohne dass es einer von beiden bemerkt hatte, war Frank aus dem Haus gestürzt und zog an Jazmin. Zachury sprang auf die Füße und sah schockiert Frank an. Wenn Frank es jetzt aus Jazmin herauslocken könnte, dann wäre er dem sicheren Tod geweiht. Denn Frank würde nicht nur Jazmin wieder aus seinem Griff lassen, nein, er würde selbst angreifen. Also ging Zach rückwärts auf Sicherheitsabstand, bevor er sich rasch umdrehte und in den Wald flüchtete.
Still und Geistesabwesend saß Jazmin in ihren eigenen vier Wänden. Es waren gerade einmal zwei Stunden her, als sie den Anruf von Alyson erhalten hatte. Alyson hatte ihr erzählt dass Zachury damals gejagt hatte, als sie mit ihrer Mutter auf dem Weg nach Hause war. Er hatte plötzlich auf der Straße gestanden und den Unfall provoziert. Er hatte sich ihrer Mutter genährt die noch bei Bewusstsein war. Sie hatte sich gewehrt und als er drohte, Jazmin zu töten, hatte sie die Wehr aufgegeben und sich aussaugen lassen. Jazmins Mutter hatte sie die ganze Zeit im Blick gehabt, sie wusste nicht ob Jaz noch lebte, aber sie hatte es gehofft. Bis zum letzten Zug. Als ihre Mutter tot war und Zach sie einfach wie eine leere Getränkedose fallen ließ, ging er zu Jazmin. Er hatte sie gekostet. Und es dann einfach nicht zu Ende gemacht. Er bildete sich ein, sie zu mögen und gab ihr sein Blut. Alyson hatte ihr dann erzählt dass Frank ihn in die Flucht geschlagen hatte, als er den Unfallort erreichte. Es schüttelte Jazmin, jedoch nicht vor ekel sondern vor Wut. Sie hasste ihn, sie hasste seine Art, seine Nähe, seine Lügen.
Frank war mit allen außer dem Neuzuwachs und Abby unterwegs. Sie wollten Zachury zur Strecke bringen. Denn wildern in einem festen Vampirterritorium war untersagt, und genau das hatte er damals getan. Es gab keine Verjährungsfrist.
Es klopfte. Abby stand vor der Tür, aber Jazmin sah weiterhin ungerührt an die Wand. Sie wollte nicht sprechen, kein einziges Wort. Sie wollte eigentlich nur Ruhe. Sie wollte einfach nur in der Stille versinken und nie wieder auftauchen. Doch Abby ließ sich nicht abwimmeln. Sie kam herein, setzte sich neben Jazmin und strich ihr über den Rücken. Und obwohl Jazmin so wütend war, konnte sie nicht aufhören ihre Mutter nun zu beneiden. Sie brauchte nicht als blutrünstiges Monster leben. Sie war tot, einfach friedlich und tot. Die sanften Berührungen von Abby, machten die Gedanken schwerer. Kurz darauf brach Jazmin in Tränen aus und vergrub ihr Gesicht in Abbys Schulter. Jazmin hielt sich einfach nur fest und ließ ihre unterdrückten Emotionen los. Abbys Arme umschlangen sie als würde sie genau wissen, wenn sie nun locker ließe, würde Jazmin in tausend Stücke zerfallen. Sie wollte sie nur Zusammenhalten.
Abby versuchte sie zu trösten und sprach beruhigend auf sie ein. Jazmin musste sich eingestehen, dass Abby verflucht gut in solchen Dingen war. Warum auch immer, jeder beruhigte sich wenn sie mit einem sprach. Als Jazmin sich langsam löste und sie ansah, lächelte Abby ganz leicht.
„Hey, immerhin hast du jetzt endlich deine richtigen Reißzähne, ist doch auch gut.“ Obwohl es jetzt vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt war, Jazmin musste lachen. Es klang zwar wie ein missglückter Atemzug aber es war ein Lachen. Es lockert Jazmin etwas auf. Und bevor in ihr noch einmal die Trauer aufflackern konnte, legte Abby ihren Arm um Jaz‘ Schulter und zog sie fest an sich.
„Ich kann mir nicht vorstellen wie das ist, wenn man so etwas erfährt, aber eins solltest du wissen. Er liebt dich, und töten wäre nur eine Erlösung. Quäle ihn wie er dich gequält hat. Frank wird ihm lediglich einen Denkzettel verpassen, er wird einige Wochen in der Dunkelheit verbringen müssen, ohne auch nur an eine Jagd denken zu können. Mach ihm sein Dasein zur Hölle in dem du ihn ignorierst. Vielleicht solltest du einfach mit Aaron in die Tiefe gehen. Du scheinst ihn zu mögen. Zachury Balta wird es bald fürchterlich bereuen. Aber eins musst du dir immer wieder ins Gedächtnis rufen. Hätte Zach das nicht gemacht, dann würdest du mich als beste Freundin gar nicht haben. Und das wiederum würde mich sehr traurig machen, was nun aber nicht heißen soll, dass ich ihm dankbar bin. Obwohl doch, irgendwie schon, aber du weißt was ich meine.“
Jaz nickte zustimmend und lächelte sie an. „Ich hab hunger.“, flüsterte Jazmin noch leise.
„Ja ich weiß, traurig sein macht hungrig und müde.“ Lächelnd stand sie auf und zog Jazmin mit nach oben in die Küche. „Ich lass dich nicht alleine.“, sagte Abby noch als sie einen unwohligen Blick von Jazmin erntete.
„Ich bin doch kein Baby.“, protestierte Jazmin.
„Nein, aber du bist ein verletzter Vampir. Die sind gleich zu setzen mit einem Baby“, sie zwinkerte Jazmin zu und öffnete den Kühlschrank.
Jazmin ging langsam nach Hause. Wirklich langsam. Sie wäre wirklich gern mit ins Haus gegangen, aber sie konnte ihn nicht dieser Gefahr aussetzten. Er durfte sie einfach nie einladen. Und warum war dieses Mädchen da? Was wollte sie? Selbst die Erklärung, dass dieses Mädchen seine Schwester sein sollte, konnte und wollte sie nicht glauben. Dieses Girlie hatte den erregten Duft abgegeben, den Menschen nur absonderten, wenn sie Sex wollten und sie wollte es. Und da Jazmin sich sicher war, dass dieses Mädchen nicht auf Frauen stand, konnte es sich in diesem Fall nur um Aaron handeln. Jazmin fühlte wie ihre Fänge sich leicht verlängerten.
Ob ihre Reißzähne jemals ihre volle Größe bekommen würden? Oder waren sie bereits in vollends ausgefahren? Jazmin fühlte sich irgendwie nicht richtig. Nein, dass war nicht sie. Die Gegend war irgendwie verändert. Sie war nur noch einige Minuten von ihrem Heim entfernt.
Nein!, dachte Jazmin, als sie erkannte was nicht richtig war. Nicht schon wieder!
Je näher sie kam, desto schneller wurde ihr bewusst, dass sie sich nicht täuschte. Zachury war da. Schon wieder. Warum war er zurück gekommen? Was sollte das? Wollte er ihr das Leben zur Hölle machen? Jazmin war so in ihren Gefühlen gefangen, dass sie ihre Tränen der Verzweiflung gar nicht wahr genommen hatte. Erst als sie die Spiegelung ihres Gesichtes in der kleinen Scheibe der Eingangstür sah, wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. Langsam legte sie ihre Hand auf die Klinke, aber hinunter drücken konnte sie aus irgendeinem Grund nicht. Etwas hielt sie davon ab. Angst. Die Angst nicht zu wissen, was geschehen war, ließ sie wie Stein erstarren. Dann hörte sie Stimmen im Haus und fasste sich ans Herz. Als sie die Tür geöffnet hatte, wurde Jazmin herzlich von ihrem Neuzugang begrüßt. Sie kam direkt auf Jazmin zugesteuert und umarmte ihre Hüften. Noch kaum bevor Jazmin fragen konnte, bekam sie schon ihre Antwort.
„Zachury ist zurück gekommen, aber ohne Alyson. Ich glaube, sie haben sich nicht mehr lieb.“
Jazmin hockte sich hinunter und fragte: „Warum glaubst du das?“ Sie konnte nicht leugnen, dass der Gedanken ihr gefiel. Immer hin hatte nicht Jazmin ihn verlassen. Sie liebte ihn noch immer, aber was ihr momentan einfach nicht klar war, in welcher Hinsicht. War es reine Freundschaft oder ging es tiefer?
„Ich weiß nicht. Ich hab einfach so ein Gefühl. Er sah Alyson kaum an, als er mit ihr hier war. Dich hat er mehr angesehen.“ Schob sie noch schnell hinterher. Jazmin begann zu lächeln.
„Wo sind denn die Anderen? Im Wohnzimmer?“, fragte Jazmin. Der Neuzugang nickte und lächelte sie an. Dabei entblößte sie ihre kleinen Fänge, die schon fast länger schienen als Jazmins. Jazmin wandte ihren Blick ab und ging ins Wohnzimmer. Ein fast alltägliches Bild zeigte sich ihr.
Kyle, Abby, Randy, Rise und Tahmara saßen um den Couchtisch herum und spielten Karten. Was sie diesmal spielten kannte Jaz nicht. Frank saß im Sessel und las und ihr Neuzugang eilte zu Abby und fauchte Randy an, der lachend ein Knurren von sich gab. Kurz darauf folgte ein vergnügtes Quietschen. Randy, Rise und Tahmara waren vampirische Freunde, die ebenso versuchten menschlich zu sein wie ihre Familie. Sie gingen mit Jazmin zur Schule und waren gute Lehrer. Ihr Äußeres trügte gewaltig. Sahen sie aus wie 17 und 20 waren sie bereits über hundert Jahre alt. Sie waren älter als Zachury. Ähm, ja. Zachury. Sie sah sich um und entdeckte ihn vor dem Pc und bevor sie noch zu ihm gehen konnte, stand Kyle vor ihr. Aber was machte Kyle? Misstrauisch starrte sie Kyle an. Doch er ließ sich nicht stören. Schnupperte er an sie? Jazmin konnte es kaum glauben. Kyle stand direkt vor ihr, hatte sein Kopf nach vorn geschoben und die Augen geschlossen. Seine Nase arbeitete auf Hochtouren und dennoch sagte er nichts. Er schnupperte ganz einfach. Irritiert hob Jazmin ganz leicht den Arm und schnupperte selbst. Doch stinken tat sie nicht. Hätte sie auch gewundert. Aber Kyle schnupperte wie wild und dann endete es plötzlich. Er schlug die Augen auf und sah Jazmin an. Ein leichtes Knurren fuhr aus Kyle und er stellte sich wieder gerade hin.
Er sah überrascht aus und ging wortlos zurück zum Tisch. Alle sahen ihn an, doch er machte allen unmissverständlich klar, dass er nicht darüber reden wollte. „Los, wer ist denn dran?“, fragte er beinahe genervt und fing an die Karten zu mischen. Jazmin stand immer noch verwirrt da und roch noch immer an sich. Da fiel ihr ein Duft auf, der sie erinnern ließ, dass Kyle vor ein paar Wochen, selbst diesen Geruch an sich haften hatte. Geraldine? Es konnte nur die Schwester von Aaron gewesen sein. Michaela hätte sie damals erkannt und naja, auch wenn Kyle in der Schule den Ruf eines Schwulen genoss, so war er dies ganz bestimmt nicht. Jazmin sah wissend zu Kyle dessen Blick gerade auf sie traf. Jazmin lächelte leicht und Kyle nickte kaum merklich auf. Er war also tatsächlich mit Geraldine zusammen gewesen.
Doch nun wollte sie sich wieder Zachury zuwenden. Er hatte bereits den PC herunter gefahren und schien darauf zu warten, dass Jazmin näher kam. Automatisch steuerten sie ihre Beine zu ihm und dann war sie vor ihm. Sie wollte fragen, vielen fragen, doch nun fiel ihr nichts mehr ein. Zachury lächelte sie unsicher an, welches auf gleichem Wege wieder unsicher verschied. Jazmin musste angsteinflößend aussehen, denn Zachury wich fast die restliche Farbe aus dem Gesicht. Und in der Tat. Jazmin biss sich auf die Zähne, denn inzwischen hatte sie wieder etwas Verstand zurück gewonnen und wurde etwas sauer. Was suchte er hier? Warum kam er zurück und wo ist Alyson. Jazmin schaute ihm fest in die Augen und konnte erkennen, wie nervös er wurde. Doch wieso? Alles schien falsch zu sein und es machte nicht gerade alles besser, als Zach schwer einatmete und die Luft seufzend ausstieß.
„Können wir reden?“, fragte er schon fast so kleinlaut und leise, als sollte es niemand im Raum hören. Jazmin sah sich um. Scheinbar hatte es auch niemand gehört, oder alle waren so diskret dass sie nicht darauf reagierten. Jazmin nickte und ging hinaus.
Draußen in der Dunkelheit setzte sich Jazmin auf eine der Treppenstufen, als sie Zachurys Schritte hörte und kurz darauf das Türschloss. Er setzte sich nicht neben ihr, sondern ging die ganze Treppe hinunter und drehte sich ihr dann zu.
„Ich glaube, ich muss dir endlich mal was erzählen.“, begann Zachury.
„Okay, und was? Du hast doch letztens schon erzählt. Wenn ich ehrlich bin, reicht es mir erstmal mit deinen Aufklärungen. Vor allem wenn es wieder darum geht, dass du mich liebst und trotzdem mit Alyson zusammen bist. Wo ist sie eigentlich? Weiß sie dass du hier bist? Weiß sie was im Wald geschehen ist? Oder hast du das auch für dich behalten? Also was willst du hier? Mich weiter verletzen? Mir das Leben zur Hölle machen?“ Jazmin gab ihn keinerlei Zeit ihre Fragen auch zu beantworten. Sie feuerte auf ihn ein. Solange bis ihr Handy klingelte. Sie nahm es raus und achtete nicht auf das Display.
„Jepp“, meldete sie sich kurz. Kaum hatte sie die Stimme erkannt und was sie ihr sagten, entglitten ihr alle Gesichtszüge und auch ihre Gesichtsfarbe entwich so schnell, als hätte sie schnellen Blutverlust erlitten.
Zachury sah die Reaktion in Jazmins Gesicht und hauchte ein stummes „Nein!“. Alyson war ihm zuvor gekommen. Wie konnte sie nur? Nein, dass durfte nicht diese Wendung nehmen.
Jazmins Augen füllten sich mit Tränen. In kürzester Zeit liefen sie über, rannen ihr die Wangen herunter um sich am Kinn zu treffen und in die Tiefe zu stürzen. Wortlos nahm sie das Telefon vom Ohr. Klappte das Telefon zusammen und in ihren Augen loderte Wut auf. Langsam wie eine Katze vor dem Angriff erhob sie sich. Ihre Augen fixierten Zachury, der langsam wenige Schritte zurück trat. Doch es half nichts. Jazmin war sauer. So sauer, dass sich ihr Gesicht zu dem typischen Vampirgesicht verzog. Die Äderchen unter ihren blauen Augen quollen hervor und die sonst weißen Augäpfel wurden blutrot. Ihre Zähne fuhren aus und diesmal endeten sie nicht wie gewöhnlich. Sie fuhren zu langen Dolchen aus, so dass Jazmin ihren Mund hätte kaum schließen können.
Zachury bekam es allmählich mit der Angst zu tun. So hatte er Jazmin noch nie gesehen. Ohne dass Zach es sah, stürzte Jazmin auf ihn zu und ihre Finger vergruben sich in seine Haut. Jaz sagte nichts, sie knurrte, fauchte und fletschte ihre Zähne. Sie hatte eine enorme Kraft entwickelt und hatte Zach so überrascht, dass dieser auf den Rücken fiel. Jaz saß auf ihn und versuchte seine Kehle zu erwischen. Doch obwohl sie recht stark war, konnte Zachury sie so von sich fernhalten, dass sie immer ins Leere biss. Ihre Zähne klapperten auf einander und es hörte sich an, als würde sie auf Steine treffen. Sie wollte ihn tatsächlich weh tun. Und dennoch, wollte Zachury es ihr erklären. Er wusste nicht was Alyson ihr am Telefon gesagt hatte. Aber er wollte es ihr unbedingt noch erzählen. Nur so wie Jaz im Moment reagierte, konnte er nicht darauf hoffen, dass sie ihm verzeihen würde.
Kaum hatte er seine Gedanken geordnet und festgestellt, dass er sich nicht erklären konnte in diesem Moment, begann Jaz auf ihn ein zuschlagen. Sie trommelte gegen seine Brust, und zwar so stark, dass man jeden Knochen brechen hören konnte. Sie knurrte und der Hass darin war nicht zu überhören gewesen. Sie zerkratze ihm die Brust und Zach sah kein Hindernis sie jetzt von sich zu stoßen. Sie hasste ihn nun eindeutig und sie wollte ihn tot sehen, das war klar. Er hatte ihre Mutter getötet und sie zu dem gemacht was sie hasste. Er hatte es verdient, von ihr verletzt zu werden, aber sein Selbsterhaltungstrieb hielt ihn davon ab, sich nicht zu wehren. Kaum hatte er sich von sich geschleudert, griff sie auch schon wieder an. Er hatte nicht einmal Zeit sich aufzurichten, da hing sie schon wieder über ihn. Er griff nach ihren Armen und drückte sie so weit wie möglich nach oben, doch Jaz bog den Rücken soweit durch dass sie ihm ganz nah über der Kehle hing. Sie wollte nichts mehr als sie ihm herauszureißen. Ohne dass es einer von beiden bemerkt hatte, war Frank aus dem Haus gestürzt und zog an Jazmin. Zachury sprang auf die Füße und sah schockiert Frank an. Wenn Frank es jetzt aus Jazmin herauslocken könnte, dann wäre er dem sicheren Tod geweiht. Denn Frank würde nicht nur Jazmin wieder aus seinem Griff lassen, nein, er würde selbst angreifen. Also ging Zach rückwärts auf Sicherheitsabstand, bevor er sich rasch umdrehte und in den Wald flüchtete.
Still und Geistesabwesend saß Jazmin in ihren eigenen vier Wänden. Es waren gerade einmal zwei Stunden her, als sie den Anruf von Alyson erhalten hatte. Alyson hatte ihr erzählt dass Zachury damals gejagt hatte, als sie mit ihrer Mutter auf dem Weg nach Hause war. Er hatte plötzlich auf der Straße gestanden und den Unfall provoziert. Er hatte sich ihrer Mutter genährt die noch bei Bewusstsein war. Sie hatte sich gewehrt und als er drohte, Jazmin zu töten, hatte sie die Wehr aufgegeben und sich aussaugen lassen. Jazmins Mutter hatte sie die ganze Zeit im Blick gehabt, sie wusste nicht ob Jaz noch lebte, aber sie hatte es gehofft. Bis zum letzten Zug. Als ihre Mutter tot war und Zach sie einfach wie eine leere Getränkedose fallen ließ, ging er zu Jazmin. Er hatte sie gekostet. Und es dann einfach nicht zu Ende gemacht. Er bildete sich ein, sie zu mögen und gab ihr sein Blut. Alyson hatte ihr dann erzählt dass Frank ihn in die Flucht geschlagen hatte, als er den Unfallort erreichte. Es schüttelte Jazmin, jedoch nicht vor ekel sondern vor Wut. Sie hasste ihn, sie hasste seine Art, seine Nähe, seine Lügen.
Frank war mit allen außer dem Neuzuwachs und Abby unterwegs. Sie wollten Zachury zur Strecke bringen. Denn wildern in einem festen Vampirterritorium war untersagt, und genau das hatte er damals getan. Es gab keine Verjährungsfrist.
Es klopfte. Abby stand vor der Tür, aber Jazmin sah weiterhin ungerührt an die Wand. Sie wollte nicht sprechen, kein einziges Wort. Sie wollte eigentlich nur Ruhe. Sie wollte einfach nur in der Stille versinken und nie wieder auftauchen. Doch Abby ließ sich nicht abwimmeln. Sie kam herein, setzte sich neben Jazmin und strich ihr über den Rücken. Und obwohl Jazmin so wütend war, konnte sie nicht aufhören ihre Mutter nun zu beneiden. Sie brauchte nicht als blutrünstiges Monster leben. Sie war tot, einfach friedlich und tot. Die sanften Berührungen von Abby, machten die Gedanken schwerer. Kurz darauf brach Jazmin in Tränen aus und vergrub ihr Gesicht in Abbys Schulter. Jazmin hielt sich einfach nur fest und ließ ihre unterdrückten Emotionen los. Abbys Arme umschlangen sie als würde sie genau wissen, wenn sie nun locker ließe, würde Jazmin in tausend Stücke zerfallen. Sie wollte sie nur Zusammenhalten.
Abby versuchte sie zu trösten und sprach beruhigend auf sie ein. Jazmin musste sich eingestehen, dass Abby verflucht gut in solchen Dingen war. Warum auch immer, jeder beruhigte sich wenn sie mit einem sprach. Als Jazmin sich langsam löste und sie ansah, lächelte Abby ganz leicht.
„Hey, immerhin hast du jetzt endlich deine richtigen Reißzähne, ist doch auch gut.“ Obwohl es jetzt vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt war, Jazmin musste lachen. Es klang zwar wie ein missglückter Atemzug aber es war ein Lachen. Es lockert Jazmin etwas auf. Und bevor in ihr noch einmal die Trauer aufflackern konnte, legte Abby ihren Arm um Jaz‘ Schulter und zog sie fest an sich.
„Ich kann mir nicht vorstellen wie das ist, wenn man so etwas erfährt, aber eins solltest du wissen. Er liebt dich, und töten wäre nur eine Erlösung. Quäle ihn wie er dich gequält hat. Frank wird ihm lediglich einen Denkzettel verpassen, er wird einige Wochen in der Dunkelheit verbringen müssen, ohne auch nur an eine Jagd denken zu können. Mach ihm sein Dasein zur Hölle in dem du ihn ignorierst. Vielleicht solltest du einfach mit Aaron in die Tiefe gehen. Du scheinst ihn zu mögen. Zachury Balta wird es bald fürchterlich bereuen. Aber eins musst du dir immer wieder ins Gedächtnis rufen. Hätte Zach das nicht gemacht, dann würdest du mich als beste Freundin gar nicht haben. Und das wiederum würde mich sehr traurig machen, was nun aber nicht heißen soll, dass ich ihm dankbar bin. Obwohl doch, irgendwie schon, aber du weißt was ich meine.“
Jaz nickte zustimmend und lächelte sie an. „Ich hab hunger.“, flüsterte Jazmin noch leise.
„Ja ich weiß, traurig sein macht hungrig und müde.“ Lächelnd stand sie auf und zog Jazmin mit nach oben in die Küche. „Ich lass dich nicht alleine.“, sagte Abby noch als sie einen unwohligen Blick von Jazmin erntete.
„Ich bin doch kein Baby.“, protestierte Jazmin.
„Nein, aber du bist ein verletzter Vampir. Die sind gleich zu setzen mit einem Baby“, sie zwinkerte Jazmin zu und öffnete den Kühlschrank.
amyfake78- ~Flying over tree tops with Edward~
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Re: Küsse des Schattens
Kapitel 33 – Der Ausraster
Der Wecker ging erbarmungslos in der Früh in einem nervtötenden Ton los. Aarons Lider wollten und wollten sich nicht öffnen. Als wögen sie ein paar Kilo schaffte er es doch noch und dann bewegte sich etwas neben ihm. Sein Blick fiel auf seine Brust, er war noch angezogen und es lag ein dunkelbrauner Kopf auf ihm. Für einen kurzen Moment war er verwirrt, doch dann kehrten all die Erinnerungen vom Abend wieder zurück. Geraldine war da, aber was tat sie hier? Es waren keine Ferien und warum hatte sie ihre rotblonden Haare gefärbt? Ob ihre Eltern Bescheid wussten?
Aus Geraldines kehle ertönte ein Schnurren als sie begann sich zu strecken. Ein ihrer Arme wedelte in der Luft. Sie wollte den Wecker ausschalten der immer noch sein nervtötendes Lied abspielte. Ihr Arm war aber Meterweit entfernt, was sie jedoch nicht daran hinderte weiter mit dem Arm in der Luft zu wedeln. Nun hob sie den Kopf und öffnete die Augen.
„Aaron? Mach aus. Nervt. Los. Ich komm nicht ran.“ In ihrer Stimme lag was motziges und doch zuckersüßes. Aaron grinste und schlug mit der Hand auf den Wecker, der darauf hin verstummte. „Danke!“, seufzte sie und kuschelte sich enger an ihn. In jenem Moment sah er sie nackt vor sich und wurde hart. Mist. Genau diese Reaktion sollte er endlich in den Griff bekommen. Wie so oft begann sie nun auch noch mit ihren Fingern über seinen Körper zu fahren. Sie wusste was das für eine Reaktion bei ihm hervor rufen würde und an ihrem ruhigen Verhalten wusste er dass sie genau das wollte. Draußen war es noch immer dunkel und nur der schwache Mond der langsam aber sicher von der Sonne vertrieben wurde schien durch das Fenster. Um die Stimmung in der Geraldine war zu zerstören, schaltete er das Licht ein.
„Komm lass uns aufstehen. Ich muss mich für die Schule fertig machen.“ Aaron wollte aufstehen, aber sie klammerte sich an ihn und schnurrte fast die Worte.
„Ach komm, ein paar Minuten wirst du doch noch Zeit haben und ich weiß dass du hart bist.“
Aaron legte den Kopf in den Nacken als Geraldines Hand gleichzeitig mit den geraunten Worten unter sein Shirt glitt. Ihre warme Haut legte sich wie eine Feder auf seinen nackten Bauch. Dieses Gefühl warf ihn regelmäßig aus der Bahn und nur sie konnte ihn währenddessen steuern. Doch diesmal konnte Aaron sich nicht so recht fallen lassen, er durfte es auch nicht. Aaron atmete tief ein und dann sah er Jazmin vor seinem geistigen Auge. Er fühlte sich schlecht. Es kam ihm vor als würde er jemanden betrügen. Nicht Jazmin. Nein auch nicht Geraldine, in dem er an Jazmin dachte. Nein, er betrog sich selbst. Er möchte Geraldine aber er liebte sie nicht auf diese Weise. Sie war seine Schwester und beste Freundin. Wie sollte er Geraldine das verständlich machen? Denn sie schien mehr zu empfinden. Aber seit wann? Wann hatte sie aufgehört in ihm ihren Bruder zu sehen? Wann hat ihre Liebe sich so geändert? Und was die schrecklichste Frage war, wie sollte er ihr klar machen, dass sie sich da in etwas verrannte?
Aaron nahm ihre Hand und holte sie unter seinem Shirt vor. Fragend sah ihn Geraldine an. Er setzte sein liebliches Gesicht auf und lächelte sie an.
„Ich muss aufstehen.“ Damit schwang er sich aus dem Bett und ging ins angrenzende Badezimmer. Er wusste das Geraldine ihm nach kommen würde, sobald sie die Dusche hören würde und somit schloss er sie zum ersten Mal aus. Die Tür fest verriegelt stellte er sich vor dem großzügigen Spiegel und sah sich an. Zum ersten Mal nahm er sich selbst wahr. Sah die Wahrheit und empfand Ekel vor sich. Warum hatte er es zugelassen? Er hätte nie mit Geraldine nie schlafen dürfen, egal wie kaputt er war. Er hätte es nie gedurft. Die Klinke wurde herunter gedrückt aber die Tür ließ sich nicht öffnen. Aaron vermochte nicht weiter darüber nach zu denken, wie Geraldines Gesichtsausdruck jetzt aussehen musste. Wie sie die Erkenntnis traf, dass er sie ausschloss. Er hasste sich dafür, was er ihr damit antat. Er hasste sich für alles, was er ihr angetan hatte. Er hasste sich dafür, dass er in den kaputten Momenten zu ihr ging und sie mit zerstörte. Sie hatte so etwas nicht verdient. Niemand hatte so etwas verdient. Aaron schlug mit der Hand gegen den Spiegel der klirrend unter seiner Faust nachgab und zerbarst. Doch es machte es nicht besser. Nun sah er seinen Egoismus in tausenden Teilen und nicht mehr in einem. Er hasste sich wirklich, er wollte sich auch nicht mehr sehen. Konnte sein selbstgefälliges Gesicht nicht mehr ertragen. An der Badezimmertür wurde fest gerüttelt und Geraldines Stimme drang sich sorgend durch die Tür. In Aaron schlug der Hass auf sich selbst auf. Er tat ihr weh und sie machte sich Sorgen, noch mehr Hass wuchs in ihm heran.
„Verschwinde Geraldine!“, schrie er. Und so lange sie an die Tür hämmerte wiederholte er die Worte. Dann erstarb das Klopfen und Hämmern. Die Tür zu seinem Zimmer wurde geöffnet und nicht zu geschlagen. Was tat sie jetzt?
Jazmin blinzelte in die Dunkelheit als sie erwachte. Die Uhr verriet ihr, dass es bald Zeit war aufzustehen. Sie hatte geträumt, etwas menschliches was auch als Vampir noch möglich war, jedoch nur so lange sie noch im Reifeprozess lag, danach würde es aufhören. Sie freute sich über jeden Traum, den sie haben konnte. Allerdings war ihr jetziger, kein schöner Traum gewesen. Sie schien nun die Sache mit Zachury zu verarbeiten. Wie hatte er sie nur so belügen können? Er war damals einfach aufgekreuzt, hatte ihr Frank erzählt. Er hatte Pläne mit ihm geschmiedet, wie man den wildernden Vampir dingfest machen konnte. Wie hatte er alle nur so täuschen können? Wie konnte er nur sie so täuschen? Sie hätte es merken müssen. Schon damals. Denn sie hatte immer zu ihm gehört. Sie fühlte sich verbunden mit ihm. Und jetzt im Nachhinein war das auch kein Wunder, war sie doch seine Schöpfung gewesen.
Sie seufzte schwer auf und erhob sich aus ihrem Bett. Ihre Katzen lagen am Fußende und schauten sie nur durch schlitze an.
„Ja, ja. Ihr habt es gut, ihr könnt schlafen. Den ganzen lieben langen Tag.“ Jazmin ging mit diesen vorwurfsvollen, aber nicht ernstgemeinten, Worten aus dem Zimmer und stellte im Badezimmer die Dusche an. Sie stand vor ihrem Spiegel und erinnerte sich an den Angriff auf Zach. Ihre Eckzähne hatten extrem geschmerzt und sie hatte gespürt, wie sich ihre Fänge verlängert hatten und es kam ihr vor, als würden sie kein Ende finden. Jetzt vor dem Spiegel öffnete sie ihren Mund und fletschte ihre Zähne, wie Dolche kamen ihre sonst kleinen Fänge wie Springmesser aus ihrem Zahnfleisch. Sie waren lang, schön und tödlich. Ihr Gesicht war verändert. Zum ersten Mal sah ihr Gesicht, trotz der hervor tretenden Adern unter den Augen und die leichte Rotfärbung ihrer Augäpfel, gefährlich aus. Jazmin fühlte sich endlich wie ein vollwertiger Vampir. Sie war fasziniert von der Länge ihrer Fänge und wie sie hervor springen konnten.
Sie ließ ihre Fänge wieder verschwinden und drehte sich zur Dusche. Sie zog ihre Schlafkleidung aus und stieg unter das heiße Wasser. Wieder musste sie an Zachury denken, als sie plötzlich Bewegung in ihrer Wohnung wahrnahm. Es war nicht Frank, oder einer ihrer Freunde. Nein. Es war Zachury. Den Duft konnte sie überall hindurch riechen. Sie stellte die Dusche ab und wickelte sich in ein flauschiges Badetuch. Wie konnte er ungehindert durch das Haus gelangen. War denn niemand da?
Zachury stand im Wohnzimmer und hielt eine Phiole des Tageslichtserums in der Hand. In Jazmin keimte die Wut auf. Er hatte sie gehört und drehte sich zu ihr. In seinem Blick lag die tiefe Schuld, die er empfand. Doch für Jazmin war es vorbei. Er hätte es ihr sagen müssen, wenn er es Frank nicht erzählen konnte, dann hätte er es doch ihr aber erklären können. Schon viel früher. Jazmin hatte schon immer viel auf die Wahrheit gegeben und auch nie böse reagiert, wenn man ihr das Unbequeme präsentierte. Doch er hatte sie einfach von vorn bis hinten belogen.
„Was willst du hier?“, fragte Jazmin ihn mit kalter Stimme. Sie ging weiter auf ihn zu. Er machte keine Anstalten zu verschwinden. Er wich noch nicht einmal zurück. Als Jazmin vor ihm stand, nahm sie die kleine Phiole aus seiner Hand und legte sie zurück.
„Ich wollte es dir es dir selbst sagen, als Alyson dich angerufen hatte. Jazmin ich liebe dich und bitte glaub mir, dass ich es dir schon viel früher hatte sagen wollen. Aber ich wusste nicht wie und wann.“ In Zachurys Stimme lag Aufrichtigkeit.
„Hm … ich weiß nicht, also ich wüsste da eine Menge möglicher Momente. Vielleicht wäre mein erwachen als das hier …“, sie zeigte an sich herunter, “… der richtige Moment gewesen? Das wäre schon Mal eine gute Beziehungsbasis gewesen.“ Als Zachury nichts weiter erwähnte, sprach Jazmin weiter.
„Wie bist du hier überhaupt runter gekommen? Ist niemand im Haus?“ kaum hatte Jazmin die Frage zu ende gestellt, vernahm sie noch jemanden in ihrer Wohnung. Kyle. Er stand im kleinen Flur und kam nun auf sie beide zu.
„Ich hab ihn herein gelassen. Auch wenn er ein absolutes Stück Dreck ist, er soll es dir erklären können.“
„Seit wann, denkst du so? Ich meine, du bist doch immer der gewesen, der ihn verachtet hatte.“ Jazmin verstand das alles nicht.
Kyle begann zu grinsen. „Naja, ich hab gehofft zu sehen, wie du ihm den Kopf abreißt und wenn ich ehrlich bin, bin ich enttäuscht. Nicht einmal Zähne fletschen.“
„Tja Kyle. Pech gehabt. Ich werde nämlich nichts der Gleichen tun. Ich werde gar nichts tun. Vielleicht werde ich zuhören, wenn ich mal Lust dazu hätte, aber sonst … tja, ich hab momentan gar keine Lust. Wenn ihr mich entschuldigen wollt. Ich mach mich jetzt für die Schule fertig.“ Jazmin schnappte sich das Serum und die kleine Spritze und ging zurück Richtung Badezimmer.
„Kyle wusste es auch die ganze Zeit.“ Kaum hatte Zachury die Worte gesprochen, blieb Jazmin wie angewurzelt stehen und einen weiteren kurzen Moment hörte man ein lautes schepperndes Geräusch gefolgt von wildem knurren und in die luftschnappenden Geräusch von gefletschten Zähnen.
Die Fahrt zur Schule war unerträglich. Aaron hatte am Frühstückstisch von Michaela erfahren, dass auch Geraldine nun hier wohnen würde. Denn Geraldine war ohne Aaron nicht mehr sie selbst. Sie hatte sich falsche Freunde gesucht und wenn sie zuhause war, blieb sie allein für sich. Sie hatte keine Lust mit irgendjemanden etwas zu unternehmen. Alte Freunde vergraulte sie mit schlechter Laune. Ihren Neuen war es egal, weil sie die schlechten Launen eh nicht bemerkten und wenn dann gab man ihr einfach noch mehr Drogen. Ihre Eltern machten sich inzwischen mehr Sorgen um sie als um Aaron. Zumal Michaela nur Gutes zu berichten wusste. Von daher rührte die Idee ihrer Eltern, dass Geraldine gut bei Michaela aufgehoben war. Was ja auch stimmte. Dennoch machte sich Aaron ernsthaft Sorgen. Geraldine war ein kleines Modepüppchen. Sie liebte teure Sachen, High-Heels und eine beträchtliche Sammlung von Taschen. Sie ging mindestens einmal zur Kosmetikerin und alle drei Wochen zur Maniküre. Hier in Knoxville gab es zwar jede Menge Beautysalons aber die Belegschaft bestand lediglich aus dem asiatischen Raum. Und Geraldine hasste solche Salons. Sie hatte keine Geduld einer Angestellten hundert Mal erklären zu müssen, wie sie was wollte, nur weil es sprachlich Barrieren gab.
Endlich kamen sie in der Schule an. Die meisten der neugewonnen Freunde standen noch auf dem Parkplatz und begrüßten Aaron mit irgendwelchen Handzeichen und Geklopfe auf den Rücken. Die Jungs waren von Geraldine angetan und die Mädchen beäugten sie kritisch. O je, schon jetzt würde dies Zickenalarm bedeuten, denn Geraldine hob stolz das Kinn. Was so viel hieß wie, ich halte euch für würdig mit mir sprechen zu können, aber bitte nur, wenn ich es euch erlaube. Na das konnte ja noch heiter werden und erst recht, als Geraldine sich zu den Jungs stellte, damit sie ein paar Komplimente ernten konnte. Das war typisch für sie, vor allem wenn sie unsicher war.
Als das erste Klingelzeichen ertönte gingen alle hinein. Aaron und Geraldine trennten sich von der Gruppe und gingen ins Schulsekretariat. Nach der Anmeldung ging es gleich in den Unterricht. Geraldine war an diesem frühen Morgen schon Tuschelthema Nummer eins und jetzt schon konnte Geraldine Konkurrentinnen verzeichnen. Das würde also ein langer Tag werden. Als sie in den Klassenraum traten, blieb Geraldine wie angewurzelt stehen. Ihr Gesichtsausdruck wurde geisterhaft. Sie wurde blass, ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen und trat panisch ein paar Schritte zurück.
„Hey Geraldine. Hey, was ist los?“, fragte Aaron leise.
„Den … den einen kenn ich. Das ist der Junkie aus Knoxville. Johnny.“, hauchte Geraldine fast atemlos.
Aaron folgte ihren Blick und dann, wie aus heiterem Himmel, erkannte er den Typen. Der Typ hatte ihn auf der Straße halb umgerannt.
„Hey … Süße, schau mich an.“ Geraldine versuchte ihre Augen von dem blassen Gothicfreak zu lösen und Aaron anzusehen. „Er wird dir nichts tun, okay? Dafür werde ich sorgen.“ Als sich Geraldine einigermaßen beruhigt hatte, gingen sie zu den Plätzen. Das Mädchen welches eigentlich neben Aaron saß, fehlte heute, also konnte Geraldine ohne Probleme neben ihm sitzen. Was gut war, denn es schauten eh schon alle skeptisch, weil Geraldine diese Nummer abgezogen hatte. Selbst der Lehrer schaute sie so an. Sichtlich fühlte sich Geraldine unwohl. Aber es war auch kein Wunder. Sie hatte ihm von dem Blut erzählt, welches auf ihrem Kissen war und wie sie ihn dann mit der Spritze gesehen hatte.
Nach dieser Stunde mussten alle zum Sport, weil die Lehrerin noch immer nicht Unterrichtsfähig war. Aaron kannte schon die ganze Prozedur. Es wurden eigentlich nur Spiele gespielt. Zwei drei Runden laufen um sich aufzuwärmen und dann konnte man spielen was man wollte. Die meisten Mädels saßen auf der Bank und unterhielten sich, zumindest die, die in seine Klasse gingen. Die hochbegabten Mädchen hielten sich strickt an den Unterrichtsplan.
Als sich alle in der Halle eingefunden hatten, konnte Aaron seinen Augen nicht trauen. In einer der Ecken, stand eine kleine Gruppe von Freaks, wo auch dieser Junkie-Gothic-Typ und seine Freundin standen. In diesem Moment wo es eine kleine Bewegung in diesen Reihen gab, konnte er Jazmin erkennen. Ohne weiter darüber nachzudenken, setzten sich seine Beine in Bewegung. Er war aufgeregt. In seinem Körper tobte ein Orkan von Gefühlen. Als er ich bis auf wenige Meter genährt hatte, drehte sich das Mädchen aus seiner Klasse um und sah ihn funkelnd an.
„Was willst du? Hau ab.“, ertönte ihre Stimme eiskalt und mit solch einer Ablehnung darin dass er zu frieren begann. In seinem Kopf schmerzte ein Teil und er musste stechender Weise feststellen, dass er die Stimme schon einmal gehört hatte. Genau … das war das Mädchen welches ihn gerammt hatte als er aus dem Krankenhaus von Claire kam. Doch er ließ sich nicht so einfach vertreiben.
„Ich will nur mit Jazmin sprechen“, fuhr er sie im gleichen Ton an. Alle sahen starrten ihn an und Aaron hatte das Gefühl, dass es hier mindestens minus zehn Grad sein musste. Er fror und das in einer beheizten Sporthalle.
„Kenn ich dich?“, ertönte unerwartet Jazmins Stimme. Sie schlug ihn verbal ins Gesicht.
„Was soll das bedeuten, Jaz?“, Aaron war schockiert. Warum fragte sie ihn das. Natürlich kannten sie sich. „Jaz, komm. Lass den Scheiß.“
„Sorry, aber ich kenn dich nicht und jetzt hau ab.“
Aaron lachte unsicher auf und hoffte sie würde nur einen Scherz machen, aber nein. Es war kein Scherz. Sie schaute ihn mit eiskalten Augen an.
„Na los, renn wieder zu deinen Püppchen“, versuchte Jaz ihn nun wirklich los zu werden.
„Jaz, was ist los mit dir? Was hab ich getan?“, versuchte Aaron endlich ihre Reaktion zu verstehen.
„Nichts ist mit mir los. Die Frage lautet eher was ist mit dir? Quatschst du immer Leute so dämlich an? Ich weiß du bist neu, aber hey, dafür kann ich nichts und ich kenn dich nicht. Also mach dich vom Acker.“
Irritiert drehte sich Aaron um. Selbst wenn er geblieben wäre, sie hätte ihn weiterhin so behandelt. Jazmins Stimme hatte nichts Vertrauliches mehr. Sie war kalt, rau und unberührt. Er blickte zurück. Nichts. Sie sah ihn nicht einmal hinterher. Was sollte der Scheiß? Grübelnd gesellte er sich zu seinen neuen Freunden und Geraldine.
„Hey Alter, was wolltest du denn bei den Freaks?“, fragte ihn einer der Hotboys der Schule.
„Keine Ahnung, ich dachte ich kenn da jemanden.“
„Sorry Alter, aber von denen sollte man keinen Kennen. Alles totale Freaks. Eiskalt. Teufelsanbeter und vor allem Spinner.“
Shila kam gerade in die Sporthalle, als zur Aufwärmphase angepfiffen wurde. Sie reichte dem Lehrer ein Zettel und reihte sich kurzdarauf in die laufende Menge ein. Genau neben Aaron.
„Hey Aaron. Alles okay? Du siehst ein bisschen blass aus.“, in Shilas Stimme schwankte Besorgnis. Und noch bevor er etwas erwidern konnte, warf Josh sein Kommentar in die noch nicht begonnene Unterhaltung. „Der war eben bei den Freaks.“
Shila schaute ihn fragend an.
„Ja, aber nur weil ich dachte jemanden zu kennen“ und es doch nicht tat!, fügte er im Kopf dazu.
„Du solltest dich von denen fernhalten. Sie sind alle ziemlich kaputt. Sie sind nicht umsonst nur unter sich. Die eine soll ihre Mutter getötet haben.“
„Soll? Sie hat.“, ertönte nun eine ganz andere Stimme hinter ihnen.
„Was soll das heißen? Wenn es so wäre, müsste sie dann nicht im Knast sein?“, fragte Geraldine genervt, von dieser Unterhaltung.
„Wer bist denn du? Achte mal auf deine Tonwahl, sonst hast du hier schneller Ärger als du bis drei zählen kannst.“ Die Blondine die hinter ihnen gelaufen war, funkelte Geraldine an. Diese jedoch begann nur zu lachen. Klares Anzeichen von Provokation. Geraldine war auf Ärger aus.
„Gera … hör auf. Wir brauchen keinen Stress.“ Dann wandte er sich zur Blonden. „Und übrigens drohst du meiner Schwester noch einmal, dann solltest du dir Bodyguards zulegen.“
„Was denn, willst du kleine wehrlose Frauen schlagen?“ Der Spott der darin lag, war nicht zu überhören.
„Ich nicht! Aber du kennst Geraldine nicht.“ Aaron sah zu seiner Schwester und zwinkerte ihr zu. Sie lächelte wissend und lief etwas schneller. Als sie einige Meter vor ihr ihnen rannte, wandte sich Aaron der Blonden und Shila zu.
„Also? Was soll das heißen, sie hat?“
„Sie waren mit dem Auto unterwegs, als Jazmin ins Lenkrad griff …“, es ertönte das Abpfeifen des Lehrers und sie hielten alle an, als Jazmin vorbei kam. Die Blonde sah sie und rammte Jaz unsanft, so dass sie zu Boden fiel.
„Hey pass doch auf du Psycho.“, motzte die Blonde. Jazmin schnaubte und war bemüht sich zu beruhigen. Sie rappelte sich auf und funkelte die Blonde an. Gerade als Jazmin sich umdrehen und gehen wollte, rief jemand der Blonden zu, „Hey Carol, pass auf dass sie dich nicht gleich abschlachtet.“ Die gesamte Halle, bis auf die Lehrer und die Gruppe von Jazmin, lachte. Jazmin schluckte schwer und versuchte stolz sich zu entfernen. Das musste schmerzen. Sie hatte ihm alles über den Unfall erzählt und auch dass sie sich selbst an nichts erinnern kann. Nur die Erzählungen die sie von ihrem Vater kannte, brachten etwas Licht in ihren Erinnerungen. Obwohl Licht das falsche Wort war. Die Erzählungen füllten lediglich ihre Lücke.
„Hey Jazmin, wie ist das eigentlich, wenn man denjenigen der einem das Leben geschenkt hat die Halsschlagader durchtrennt? Wirst du allgemein davon geil oder war das nur bei deiner Mutter?“
Das war zu viel. Jazmins Körper begann sich zu schütteln, sie drehte sich um. Aaron konnte nicht glauben wie viel Hass in einem ihrer Blicke hervorstechen konnte. Mit schnellen festen Schritten ging Jazmin auf Carol zu. Carol lachte noch immer und baute sich vor Jazmin auf. Carol war fast um einen ganzen Kopf größer als Jazmin.
„Was willst du perverse Tussi? Mich küssen? Sorry ich steh nicht auf Psychos die einem die Kehle durchschneiden. Such dir lieber einen aus deiner Freaksh–“ Carol konnte nichts mehr sagen, denn Jazmin hatte sie an der Kehle gepackt und Carol bis an die Wand gedrängt. Ihr Atem ging stoßweise und Carol begann kurz darauf nach ihr zu schlagen. Sie traf Jazmin mehrere Male aber es machte ihr nichts aus. Ihre Hand quetschte Carols Hals mehr und mehr, bis Carol nur noch versuchte den Griff zu lockern. Nun da Carol ernsthaft Schwierigkeiten bekam Luft zu holen, versuchten alle Jazmin von ihr weg zu zerren, aber Jaz stand wie ein Turm in der Brandung. Den Blick noch immer stur auf Carol und die Hand zog sich immer mehr um ihren Hals. Die Hände des Lehrers versuchten Carol dabei zu helfen, den Griff zu lösen, doch keine Chance. Jazmins Hand blieb da. Langsam glitt Carol in die Ohnmacht und noch immer ließ Jazmin nicht locker. Plötzlich veränderte Jazmins Gesicht. Ihre Augen wurden knallrot und unter ihnen sah es aus als würden sich Würmer hervortun. Nein, es war das Blut welches sich unter den Augen in den feinen Äderchen sammelte und hervortrat. So wie es bei großer Anstrengung der Bodybuilder geschah. Doch noch etwas Seltsames geschah mit Jazmins Gesicht. Unter ihren Lippen veränderte sich auch etwas, allerdings hielt sie den Mund geschlossen und Aaron konnte nichts erkennen.
Kaum hatte Aaron diese Veränderungen gesehen, schob sich der Junkie zwischen Carol und Jazmin. Er sah ihr fest in die Augen und sprach ganz leise auf sie ein. Aaron konnte nicht verstehen, was er sagte, denn alle um ihn herum schrieen und zerrten. Doch Johnny der Junkie stand da und sprach ganz in Ruhe auf sie ein. Es dauerte einige Sekunden und der Zustand von Carol wurde lebensbedrohlich. Doch dann normalisierte sich Jazmins Gesicht und sie begann zu blinzeln. Ließ den Hals von Carol los, kurz darauf sah sie sich um und verschwand mit Johnny aus der Halle. Jetzt wurde alles unerträglich still. Alle starrten auf den leblosen Körper und wie der Lehrer erste Hilfsmaßnahmen tätigte. Ein Schüler rannte raus. Sicherlich um die Krankenstation zu informieren. Kurz darauf schlug Carol die Augen wieder auf und hustete, wobei sie noch versuchte so viel Luft zu bekommen, wie sie brauchte und wollte.
Aaron interessierte sich nicht weiter für Carol, letztendlich war es ihre eigene Schuld gewesen, also warum Mitleid heucheln. Viel mehr interessierte es ihn, was mit Jaz war. Er ging durch die Schule und suchte alles ab, aber es war keine Spur von den Beiden. Gerade als Aaron wieder zurück wollte, vernahm er ein aufgebrachtes Gespräch. Die Freundin von Johnny-Junkie telefonierte. Sie berichtete von dem Vorfall, sagte aber dennoch nichts konkretes, was das Gesicht von Jazmin betraf.
Aaron empfand das alles als Seltsam. Gerade als er noch ein paar Schritte machen wollte, hörte er, wie sie das Gespräch beendete. Schnell rannte er ein paar Meter vor und lief wie zufällig weiter. In der Halle angekommen, musste er feststellen, dass es wohl keinen Sport gab. Der Lehrer war nicht anwesend genau wie Carol. Sicher war sie zur Krankenstation gebracht worden. Die anderen Schüler zerrissen sich die Mäuler tratschten. Die andere kleine Gruppe von Jazmin hingegen war weiterhin kühl und unbeeindruckt. Sie schienen das nicht sonderlich aufregend zu finden.
„Hey Aaron“, hörte er Geraldine hinter sich flüstern, sie stellte sich neben ihn und er sah sie an, „war das die Kleine von gestern Abend?“ Aaron wusste nicht so recht was er sagen sollte. Denn langsam setzte auch bei ihm der Schock, über das Gesehene und Erlebte, ein.
„Optisch ja, Handlungstechnisch nein. Ich kenne sie so nicht. Und ich habe viele Abende mit ihr verbracht. Nichts. Keinerlei Anzeichen solch einer Brutalität.“
„Naja, aber du hast ja auch nicht behauptet, dass sie ihre Mutter getötet hat.“
„Da hast du Recht. Geraldine? Würde es dir was ausmachen, wenn du nachher mit dem Bus nachhause fährst?“
„Ähm … ja? Hab ich. Ich setz mich doch nicht in so einen stinkenden Bus. Was hast du denn vor. Kann ich nicht einfach mitkommen?“
„Ich kann dich nach Hause fahren“, ertönte eine männliche Stimme. Geraldine erkannte sie sofort und ließ einen erschrockenen, spitzen Schrei los.
Johnny stand hinter den Beiden und grinste Geraldine über das ganze Gesicht an. Aarons Beschützerinstinkt setzte ein und griff um Geraldine um sie hinter sich zu ziehen. Johnny hob abwehrend die Hände in die Luft und sagte: „Hey, war doch nur ein Angebot.“
„Auf das wir gerne verzichten, wenn es um einen Junkie geht.“, fuhr Aaron ihn an.
„Ah … die kleine Spritzaktion. Sorry wenn ich dich erschreckt haben sollte, Halley. Aber es gibt Krankheiten die man nur so in den Griff bekommt.“
„Heroinsucht ist keine Krankheit.“, flüsterte Geraldine fast lautlos.
„Wenns Heroin gewesen wäre.“
„Wenn nicht was dann?“, hakte Aaron nach.
„Das war ein Blutgerinnungsmittel, also nichts Verbotenes.“
„War deshalb so viel Blut?“, fragte Geraldine schon etwas selbstsicherer nach.
„Jepp, du hast deine hübschen Fingernägel ganz schön in mich hineingebohrt. Und als Bluter, ist das nicht gerade ein Spaß.“ Er zwinkerte beiden zu und ergänzte noch seinen Beitrag. „Ich wollte es dir ja noch erklären, aber hey … das Frauen mit solchen Schuhen so schnell rennen können, ist echt erstaunlich. Respekt. Ach und übrigens, mein Name ist Kyle, ist vielleicht besser, das wir uns ja nun öfter sehen.“ Mit diesen Worten verschwand er zu seiner Gruppe und fügte sich in die eiskalte Umgebung ein. Aaron und Geraldine schauten sich verunsichert an.
Am Nachmittag als die Schule aus war, waren Aaron und Geraldine ausgelaugt. Überall wo man hinkam, hörte man von dem Zwischenfall in der Sporthalle. Selbst der Vater von Jazmin wurde in die Schule zitiert. Was allerding besprochen wurde, war niemanden bekannt. Als sie auf den Parkplatz ankamen, musste Aaron das Thema Heimfahrt noch einmal ansprechen.
„Geraldine, würdest du bitte mit dem Bus fahren?“
„Nein! Wieso denn? Kann ich nicht einfach mitkommen?“
„Bitte“, flehte Aaron sie an. Er wollte ihr nicht sagen, wo er hin wollte. Denn sie würde ihn nicht allein dort hin lassen. Niemals.
Eingeschnappt schnaufte Geraldine ein: „Na gut!“ und begab sich zum Bus. Aaron hielt sie kurz noch am Arm fest und sah ihr fest in die Augen. „Ich mach es wieder gut, versprochen.“ Geraldine lächelte ihn vergebend an und setzte ihren Weg fort. Aaron schaute sich noch einmal um und fand die, die er suchte. Na dann, mal los!, spornte er sich an, setzte sich in deinen Wagen und nahm in einem sicheren Abstand die Verfolgung auf.
Es dauerte nicht lange, als sie von der Hauptstraße abbogen und einen kleinen Waldweg folgten. Während Aaron ihnen folgte, hoffte er, dass sein Orientierungssinn nicht auch hier den Dienst versagen würde, wenn er schnell zurück müsste. Bisher gab es nur einen Weg, was für ihn natürlich gut war. Doch dann wurde es schwieriger. Eine Weggabelung nach der Anderen. Aaron schrieb auf einen Block, der auf dem Beifahrersitz lag, auf, welche Gabelung er wo abfuhr. Die vor ihm wurden langsamer und Aaron parkte sein Auto als die vorausfahrenden Autos um einen Hügel fuhren. Hoffentlich war dahinter wirklich das Haus gewesen. Er stieg aus und lief den Weg langsam und vorsichtig um den Hügel herum. Er hatte sich nicht getäuscht. Zum Glück.
Doch was er sah, schockierte ihn noch viel mehr. Es war sogar unmöglich. Nein, das konnte nicht stimmen. Niemals. Aaron rieb sich die Augen und hoffte das er sie nur verwechselt hatte, oder dass sie ihr nur sehr ähnlich sah. Aber nein. Die Stimme, dass fröhliche quietschen und das Stoffpony ließen keine Zweifel übrig. Das war definitiv Claire!
Der Wecker ging erbarmungslos in der Früh in einem nervtötenden Ton los. Aarons Lider wollten und wollten sich nicht öffnen. Als wögen sie ein paar Kilo schaffte er es doch noch und dann bewegte sich etwas neben ihm. Sein Blick fiel auf seine Brust, er war noch angezogen und es lag ein dunkelbrauner Kopf auf ihm. Für einen kurzen Moment war er verwirrt, doch dann kehrten all die Erinnerungen vom Abend wieder zurück. Geraldine war da, aber was tat sie hier? Es waren keine Ferien und warum hatte sie ihre rotblonden Haare gefärbt? Ob ihre Eltern Bescheid wussten?
Aus Geraldines kehle ertönte ein Schnurren als sie begann sich zu strecken. Ein ihrer Arme wedelte in der Luft. Sie wollte den Wecker ausschalten der immer noch sein nervtötendes Lied abspielte. Ihr Arm war aber Meterweit entfernt, was sie jedoch nicht daran hinderte weiter mit dem Arm in der Luft zu wedeln. Nun hob sie den Kopf und öffnete die Augen.
„Aaron? Mach aus. Nervt. Los. Ich komm nicht ran.“ In ihrer Stimme lag was motziges und doch zuckersüßes. Aaron grinste und schlug mit der Hand auf den Wecker, der darauf hin verstummte. „Danke!“, seufzte sie und kuschelte sich enger an ihn. In jenem Moment sah er sie nackt vor sich und wurde hart. Mist. Genau diese Reaktion sollte er endlich in den Griff bekommen. Wie so oft begann sie nun auch noch mit ihren Fingern über seinen Körper zu fahren. Sie wusste was das für eine Reaktion bei ihm hervor rufen würde und an ihrem ruhigen Verhalten wusste er dass sie genau das wollte. Draußen war es noch immer dunkel und nur der schwache Mond der langsam aber sicher von der Sonne vertrieben wurde schien durch das Fenster. Um die Stimmung in der Geraldine war zu zerstören, schaltete er das Licht ein.
„Komm lass uns aufstehen. Ich muss mich für die Schule fertig machen.“ Aaron wollte aufstehen, aber sie klammerte sich an ihn und schnurrte fast die Worte.
„Ach komm, ein paar Minuten wirst du doch noch Zeit haben und ich weiß dass du hart bist.“
Aaron legte den Kopf in den Nacken als Geraldines Hand gleichzeitig mit den geraunten Worten unter sein Shirt glitt. Ihre warme Haut legte sich wie eine Feder auf seinen nackten Bauch. Dieses Gefühl warf ihn regelmäßig aus der Bahn und nur sie konnte ihn währenddessen steuern. Doch diesmal konnte Aaron sich nicht so recht fallen lassen, er durfte es auch nicht. Aaron atmete tief ein und dann sah er Jazmin vor seinem geistigen Auge. Er fühlte sich schlecht. Es kam ihm vor als würde er jemanden betrügen. Nicht Jazmin. Nein auch nicht Geraldine, in dem er an Jazmin dachte. Nein, er betrog sich selbst. Er möchte Geraldine aber er liebte sie nicht auf diese Weise. Sie war seine Schwester und beste Freundin. Wie sollte er Geraldine das verständlich machen? Denn sie schien mehr zu empfinden. Aber seit wann? Wann hatte sie aufgehört in ihm ihren Bruder zu sehen? Wann hat ihre Liebe sich so geändert? Und was die schrecklichste Frage war, wie sollte er ihr klar machen, dass sie sich da in etwas verrannte?
Aaron nahm ihre Hand und holte sie unter seinem Shirt vor. Fragend sah ihn Geraldine an. Er setzte sein liebliches Gesicht auf und lächelte sie an.
„Ich muss aufstehen.“ Damit schwang er sich aus dem Bett und ging ins angrenzende Badezimmer. Er wusste das Geraldine ihm nach kommen würde, sobald sie die Dusche hören würde und somit schloss er sie zum ersten Mal aus. Die Tür fest verriegelt stellte er sich vor dem großzügigen Spiegel und sah sich an. Zum ersten Mal nahm er sich selbst wahr. Sah die Wahrheit und empfand Ekel vor sich. Warum hatte er es zugelassen? Er hätte nie mit Geraldine nie schlafen dürfen, egal wie kaputt er war. Er hätte es nie gedurft. Die Klinke wurde herunter gedrückt aber die Tür ließ sich nicht öffnen. Aaron vermochte nicht weiter darüber nach zu denken, wie Geraldines Gesichtsausdruck jetzt aussehen musste. Wie sie die Erkenntnis traf, dass er sie ausschloss. Er hasste sich dafür, was er ihr damit antat. Er hasste sich für alles, was er ihr angetan hatte. Er hasste sich dafür, dass er in den kaputten Momenten zu ihr ging und sie mit zerstörte. Sie hatte so etwas nicht verdient. Niemand hatte so etwas verdient. Aaron schlug mit der Hand gegen den Spiegel der klirrend unter seiner Faust nachgab und zerbarst. Doch es machte es nicht besser. Nun sah er seinen Egoismus in tausenden Teilen und nicht mehr in einem. Er hasste sich wirklich, er wollte sich auch nicht mehr sehen. Konnte sein selbstgefälliges Gesicht nicht mehr ertragen. An der Badezimmertür wurde fest gerüttelt und Geraldines Stimme drang sich sorgend durch die Tür. In Aaron schlug der Hass auf sich selbst auf. Er tat ihr weh und sie machte sich Sorgen, noch mehr Hass wuchs in ihm heran.
„Verschwinde Geraldine!“, schrie er. Und so lange sie an die Tür hämmerte wiederholte er die Worte. Dann erstarb das Klopfen und Hämmern. Die Tür zu seinem Zimmer wurde geöffnet und nicht zu geschlagen. Was tat sie jetzt?
Jazmin blinzelte in die Dunkelheit als sie erwachte. Die Uhr verriet ihr, dass es bald Zeit war aufzustehen. Sie hatte geträumt, etwas menschliches was auch als Vampir noch möglich war, jedoch nur so lange sie noch im Reifeprozess lag, danach würde es aufhören. Sie freute sich über jeden Traum, den sie haben konnte. Allerdings war ihr jetziger, kein schöner Traum gewesen. Sie schien nun die Sache mit Zachury zu verarbeiten. Wie hatte er sie nur so belügen können? Er war damals einfach aufgekreuzt, hatte ihr Frank erzählt. Er hatte Pläne mit ihm geschmiedet, wie man den wildernden Vampir dingfest machen konnte. Wie hatte er alle nur so täuschen können? Wie konnte er nur sie so täuschen? Sie hätte es merken müssen. Schon damals. Denn sie hatte immer zu ihm gehört. Sie fühlte sich verbunden mit ihm. Und jetzt im Nachhinein war das auch kein Wunder, war sie doch seine Schöpfung gewesen.
Sie seufzte schwer auf und erhob sich aus ihrem Bett. Ihre Katzen lagen am Fußende und schauten sie nur durch schlitze an.
„Ja, ja. Ihr habt es gut, ihr könnt schlafen. Den ganzen lieben langen Tag.“ Jazmin ging mit diesen vorwurfsvollen, aber nicht ernstgemeinten, Worten aus dem Zimmer und stellte im Badezimmer die Dusche an. Sie stand vor ihrem Spiegel und erinnerte sich an den Angriff auf Zach. Ihre Eckzähne hatten extrem geschmerzt und sie hatte gespürt, wie sich ihre Fänge verlängert hatten und es kam ihr vor, als würden sie kein Ende finden. Jetzt vor dem Spiegel öffnete sie ihren Mund und fletschte ihre Zähne, wie Dolche kamen ihre sonst kleinen Fänge wie Springmesser aus ihrem Zahnfleisch. Sie waren lang, schön und tödlich. Ihr Gesicht war verändert. Zum ersten Mal sah ihr Gesicht, trotz der hervor tretenden Adern unter den Augen und die leichte Rotfärbung ihrer Augäpfel, gefährlich aus. Jazmin fühlte sich endlich wie ein vollwertiger Vampir. Sie war fasziniert von der Länge ihrer Fänge und wie sie hervor springen konnten.
Sie ließ ihre Fänge wieder verschwinden und drehte sich zur Dusche. Sie zog ihre Schlafkleidung aus und stieg unter das heiße Wasser. Wieder musste sie an Zachury denken, als sie plötzlich Bewegung in ihrer Wohnung wahrnahm. Es war nicht Frank, oder einer ihrer Freunde. Nein. Es war Zachury. Den Duft konnte sie überall hindurch riechen. Sie stellte die Dusche ab und wickelte sich in ein flauschiges Badetuch. Wie konnte er ungehindert durch das Haus gelangen. War denn niemand da?
Zachury stand im Wohnzimmer und hielt eine Phiole des Tageslichtserums in der Hand. In Jazmin keimte die Wut auf. Er hatte sie gehört und drehte sich zu ihr. In seinem Blick lag die tiefe Schuld, die er empfand. Doch für Jazmin war es vorbei. Er hätte es ihr sagen müssen, wenn er es Frank nicht erzählen konnte, dann hätte er es doch ihr aber erklären können. Schon viel früher. Jazmin hatte schon immer viel auf die Wahrheit gegeben und auch nie böse reagiert, wenn man ihr das Unbequeme präsentierte. Doch er hatte sie einfach von vorn bis hinten belogen.
„Was willst du hier?“, fragte Jazmin ihn mit kalter Stimme. Sie ging weiter auf ihn zu. Er machte keine Anstalten zu verschwinden. Er wich noch nicht einmal zurück. Als Jazmin vor ihm stand, nahm sie die kleine Phiole aus seiner Hand und legte sie zurück.
„Ich wollte es dir es dir selbst sagen, als Alyson dich angerufen hatte. Jazmin ich liebe dich und bitte glaub mir, dass ich es dir schon viel früher hatte sagen wollen. Aber ich wusste nicht wie und wann.“ In Zachurys Stimme lag Aufrichtigkeit.
„Hm … ich weiß nicht, also ich wüsste da eine Menge möglicher Momente. Vielleicht wäre mein erwachen als das hier …“, sie zeigte an sich herunter, “… der richtige Moment gewesen? Das wäre schon Mal eine gute Beziehungsbasis gewesen.“ Als Zachury nichts weiter erwähnte, sprach Jazmin weiter.
„Wie bist du hier überhaupt runter gekommen? Ist niemand im Haus?“ kaum hatte Jazmin die Frage zu ende gestellt, vernahm sie noch jemanden in ihrer Wohnung. Kyle. Er stand im kleinen Flur und kam nun auf sie beide zu.
„Ich hab ihn herein gelassen. Auch wenn er ein absolutes Stück Dreck ist, er soll es dir erklären können.“
„Seit wann, denkst du so? Ich meine, du bist doch immer der gewesen, der ihn verachtet hatte.“ Jazmin verstand das alles nicht.
Kyle begann zu grinsen. „Naja, ich hab gehofft zu sehen, wie du ihm den Kopf abreißt und wenn ich ehrlich bin, bin ich enttäuscht. Nicht einmal Zähne fletschen.“
„Tja Kyle. Pech gehabt. Ich werde nämlich nichts der Gleichen tun. Ich werde gar nichts tun. Vielleicht werde ich zuhören, wenn ich mal Lust dazu hätte, aber sonst … tja, ich hab momentan gar keine Lust. Wenn ihr mich entschuldigen wollt. Ich mach mich jetzt für die Schule fertig.“ Jazmin schnappte sich das Serum und die kleine Spritze und ging zurück Richtung Badezimmer.
„Kyle wusste es auch die ganze Zeit.“ Kaum hatte Zachury die Worte gesprochen, blieb Jazmin wie angewurzelt stehen und einen weiteren kurzen Moment hörte man ein lautes schepperndes Geräusch gefolgt von wildem knurren und in die luftschnappenden Geräusch von gefletschten Zähnen.
Die Fahrt zur Schule war unerträglich. Aaron hatte am Frühstückstisch von Michaela erfahren, dass auch Geraldine nun hier wohnen würde. Denn Geraldine war ohne Aaron nicht mehr sie selbst. Sie hatte sich falsche Freunde gesucht und wenn sie zuhause war, blieb sie allein für sich. Sie hatte keine Lust mit irgendjemanden etwas zu unternehmen. Alte Freunde vergraulte sie mit schlechter Laune. Ihren Neuen war es egal, weil sie die schlechten Launen eh nicht bemerkten und wenn dann gab man ihr einfach noch mehr Drogen. Ihre Eltern machten sich inzwischen mehr Sorgen um sie als um Aaron. Zumal Michaela nur Gutes zu berichten wusste. Von daher rührte die Idee ihrer Eltern, dass Geraldine gut bei Michaela aufgehoben war. Was ja auch stimmte. Dennoch machte sich Aaron ernsthaft Sorgen. Geraldine war ein kleines Modepüppchen. Sie liebte teure Sachen, High-Heels und eine beträchtliche Sammlung von Taschen. Sie ging mindestens einmal zur Kosmetikerin und alle drei Wochen zur Maniküre. Hier in Knoxville gab es zwar jede Menge Beautysalons aber die Belegschaft bestand lediglich aus dem asiatischen Raum. Und Geraldine hasste solche Salons. Sie hatte keine Geduld einer Angestellten hundert Mal erklären zu müssen, wie sie was wollte, nur weil es sprachlich Barrieren gab.
Endlich kamen sie in der Schule an. Die meisten der neugewonnen Freunde standen noch auf dem Parkplatz und begrüßten Aaron mit irgendwelchen Handzeichen und Geklopfe auf den Rücken. Die Jungs waren von Geraldine angetan und die Mädchen beäugten sie kritisch. O je, schon jetzt würde dies Zickenalarm bedeuten, denn Geraldine hob stolz das Kinn. Was so viel hieß wie, ich halte euch für würdig mit mir sprechen zu können, aber bitte nur, wenn ich es euch erlaube. Na das konnte ja noch heiter werden und erst recht, als Geraldine sich zu den Jungs stellte, damit sie ein paar Komplimente ernten konnte. Das war typisch für sie, vor allem wenn sie unsicher war.
Als das erste Klingelzeichen ertönte gingen alle hinein. Aaron und Geraldine trennten sich von der Gruppe und gingen ins Schulsekretariat. Nach der Anmeldung ging es gleich in den Unterricht. Geraldine war an diesem frühen Morgen schon Tuschelthema Nummer eins und jetzt schon konnte Geraldine Konkurrentinnen verzeichnen. Das würde also ein langer Tag werden. Als sie in den Klassenraum traten, blieb Geraldine wie angewurzelt stehen. Ihr Gesichtsausdruck wurde geisterhaft. Sie wurde blass, ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen und trat panisch ein paar Schritte zurück.
„Hey Geraldine. Hey, was ist los?“, fragte Aaron leise.
„Den … den einen kenn ich. Das ist der Junkie aus Knoxville. Johnny.“, hauchte Geraldine fast atemlos.
Aaron folgte ihren Blick und dann, wie aus heiterem Himmel, erkannte er den Typen. Der Typ hatte ihn auf der Straße halb umgerannt.
„Hey … Süße, schau mich an.“ Geraldine versuchte ihre Augen von dem blassen Gothicfreak zu lösen und Aaron anzusehen. „Er wird dir nichts tun, okay? Dafür werde ich sorgen.“ Als sich Geraldine einigermaßen beruhigt hatte, gingen sie zu den Plätzen. Das Mädchen welches eigentlich neben Aaron saß, fehlte heute, also konnte Geraldine ohne Probleme neben ihm sitzen. Was gut war, denn es schauten eh schon alle skeptisch, weil Geraldine diese Nummer abgezogen hatte. Selbst der Lehrer schaute sie so an. Sichtlich fühlte sich Geraldine unwohl. Aber es war auch kein Wunder. Sie hatte ihm von dem Blut erzählt, welches auf ihrem Kissen war und wie sie ihn dann mit der Spritze gesehen hatte.
Nach dieser Stunde mussten alle zum Sport, weil die Lehrerin noch immer nicht Unterrichtsfähig war. Aaron kannte schon die ganze Prozedur. Es wurden eigentlich nur Spiele gespielt. Zwei drei Runden laufen um sich aufzuwärmen und dann konnte man spielen was man wollte. Die meisten Mädels saßen auf der Bank und unterhielten sich, zumindest die, die in seine Klasse gingen. Die hochbegabten Mädchen hielten sich strickt an den Unterrichtsplan.
Als sich alle in der Halle eingefunden hatten, konnte Aaron seinen Augen nicht trauen. In einer der Ecken, stand eine kleine Gruppe von Freaks, wo auch dieser Junkie-Gothic-Typ und seine Freundin standen. In diesem Moment wo es eine kleine Bewegung in diesen Reihen gab, konnte er Jazmin erkennen. Ohne weiter darüber nachzudenken, setzten sich seine Beine in Bewegung. Er war aufgeregt. In seinem Körper tobte ein Orkan von Gefühlen. Als er ich bis auf wenige Meter genährt hatte, drehte sich das Mädchen aus seiner Klasse um und sah ihn funkelnd an.
„Was willst du? Hau ab.“, ertönte ihre Stimme eiskalt und mit solch einer Ablehnung darin dass er zu frieren begann. In seinem Kopf schmerzte ein Teil und er musste stechender Weise feststellen, dass er die Stimme schon einmal gehört hatte. Genau … das war das Mädchen welches ihn gerammt hatte als er aus dem Krankenhaus von Claire kam. Doch er ließ sich nicht so einfach vertreiben.
„Ich will nur mit Jazmin sprechen“, fuhr er sie im gleichen Ton an. Alle sahen starrten ihn an und Aaron hatte das Gefühl, dass es hier mindestens minus zehn Grad sein musste. Er fror und das in einer beheizten Sporthalle.
„Kenn ich dich?“, ertönte unerwartet Jazmins Stimme. Sie schlug ihn verbal ins Gesicht.
„Was soll das bedeuten, Jaz?“, Aaron war schockiert. Warum fragte sie ihn das. Natürlich kannten sie sich. „Jaz, komm. Lass den Scheiß.“
„Sorry, aber ich kenn dich nicht und jetzt hau ab.“
Aaron lachte unsicher auf und hoffte sie würde nur einen Scherz machen, aber nein. Es war kein Scherz. Sie schaute ihn mit eiskalten Augen an.
„Na los, renn wieder zu deinen Püppchen“, versuchte Jaz ihn nun wirklich los zu werden.
„Jaz, was ist los mit dir? Was hab ich getan?“, versuchte Aaron endlich ihre Reaktion zu verstehen.
„Nichts ist mit mir los. Die Frage lautet eher was ist mit dir? Quatschst du immer Leute so dämlich an? Ich weiß du bist neu, aber hey, dafür kann ich nichts und ich kenn dich nicht. Also mach dich vom Acker.“
Irritiert drehte sich Aaron um. Selbst wenn er geblieben wäre, sie hätte ihn weiterhin so behandelt. Jazmins Stimme hatte nichts Vertrauliches mehr. Sie war kalt, rau und unberührt. Er blickte zurück. Nichts. Sie sah ihn nicht einmal hinterher. Was sollte der Scheiß? Grübelnd gesellte er sich zu seinen neuen Freunden und Geraldine.
„Hey Alter, was wolltest du denn bei den Freaks?“, fragte ihn einer der Hotboys der Schule.
„Keine Ahnung, ich dachte ich kenn da jemanden.“
„Sorry Alter, aber von denen sollte man keinen Kennen. Alles totale Freaks. Eiskalt. Teufelsanbeter und vor allem Spinner.“
Shila kam gerade in die Sporthalle, als zur Aufwärmphase angepfiffen wurde. Sie reichte dem Lehrer ein Zettel und reihte sich kurzdarauf in die laufende Menge ein. Genau neben Aaron.
„Hey Aaron. Alles okay? Du siehst ein bisschen blass aus.“, in Shilas Stimme schwankte Besorgnis. Und noch bevor er etwas erwidern konnte, warf Josh sein Kommentar in die noch nicht begonnene Unterhaltung. „Der war eben bei den Freaks.“
Shila schaute ihn fragend an.
„Ja, aber nur weil ich dachte jemanden zu kennen“ und es doch nicht tat!, fügte er im Kopf dazu.
„Du solltest dich von denen fernhalten. Sie sind alle ziemlich kaputt. Sie sind nicht umsonst nur unter sich. Die eine soll ihre Mutter getötet haben.“
„Soll? Sie hat.“, ertönte nun eine ganz andere Stimme hinter ihnen.
„Was soll das heißen? Wenn es so wäre, müsste sie dann nicht im Knast sein?“, fragte Geraldine genervt, von dieser Unterhaltung.
„Wer bist denn du? Achte mal auf deine Tonwahl, sonst hast du hier schneller Ärger als du bis drei zählen kannst.“ Die Blondine die hinter ihnen gelaufen war, funkelte Geraldine an. Diese jedoch begann nur zu lachen. Klares Anzeichen von Provokation. Geraldine war auf Ärger aus.
„Gera … hör auf. Wir brauchen keinen Stress.“ Dann wandte er sich zur Blonden. „Und übrigens drohst du meiner Schwester noch einmal, dann solltest du dir Bodyguards zulegen.“
„Was denn, willst du kleine wehrlose Frauen schlagen?“ Der Spott der darin lag, war nicht zu überhören.
„Ich nicht! Aber du kennst Geraldine nicht.“ Aaron sah zu seiner Schwester und zwinkerte ihr zu. Sie lächelte wissend und lief etwas schneller. Als sie einige Meter vor ihr ihnen rannte, wandte sich Aaron der Blonden und Shila zu.
„Also? Was soll das heißen, sie hat?“
„Sie waren mit dem Auto unterwegs, als Jazmin ins Lenkrad griff …“, es ertönte das Abpfeifen des Lehrers und sie hielten alle an, als Jazmin vorbei kam. Die Blonde sah sie und rammte Jaz unsanft, so dass sie zu Boden fiel.
„Hey pass doch auf du Psycho.“, motzte die Blonde. Jazmin schnaubte und war bemüht sich zu beruhigen. Sie rappelte sich auf und funkelte die Blonde an. Gerade als Jazmin sich umdrehen und gehen wollte, rief jemand der Blonden zu, „Hey Carol, pass auf dass sie dich nicht gleich abschlachtet.“ Die gesamte Halle, bis auf die Lehrer und die Gruppe von Jazmin, lachte. Jazmin schluckte schwer und versuchte stolz sich zu entfernen. Das musste schmerzen. Sie hatte ihm alles über den Unfall erzählt und auch dass sie sich selbst an nichts erinnern kann. Nur die Erzählungen die sie von ihrem Vater kannte, brachten etwas Licht in ihren Erinnerungen. Obwohl Licht das falsche Wort war. Die Erzählungen füllten lediglich ihre Lücke.
„Hey Jazmin, wie ist das eigentlich, wenn man denjenigen der einem das Leben geschenkt hat die Halsschlagader durchtrennt? Wirst du allgemein davon geil oder war das nur bei deiner Mutter?“
Das war zu viel. Jazmins Körper begann sich zu schütteln, sie drehte sich um. Aaron konnte nicht glauben wie viel Hass in einem ihrer Blicke hervorstechen konnte. Mit schnellen festen Schritten ging Jazmin auf Carol zu. Carol lachte noch immer und baute sich vor Jazmin auf. Carol war fast um einen ganzen Kopf größer als Jazmin.
„Was willst du perverse Tussi? Mich küssen? Sorry ich steh nicht auf Psychos die einem die Kehle durchschneiden. Such dir lieber einen aus deiner Freaksh–“ Carol konnte nichts mehr sagen, denn Jazmin hatte sie an der Kehle gepackt und Carol bis an die Wand gedrängt. Ihr Atem ging stoßweise und Carol begann kurz darauf nach ihr zu schlagen. Sie traf Jazmin mehrere Male aber es machte ihr nichts aus. Ihre Hand quetschte Carols Hals mehr und mehr, bis Carol nur noch versuchte den Griff zu lockern. Nun da Carol ernsthaft Schwierigkeiten bekam Luft zu holen, versuchten alle Jazmin von ihr weg zu zerren, aber Jaz stand wie ein Turm in der Brandung. Den Blick noch immer stur auf Carol und die Hand zog sich immer mehr um ihren Hals. Die Hände des Lehrers versuchten Carol dabei zu helfen, den Griff zu lösen, doch keine Chance. Jazmins Hand blieb da. Langsam glitt Carol in die Ohnmacht und noch immer ließ Jazmin nicht locker. Plötzlich veränderte Jazmins Gesicht. Ihre Augen wurden knallrot und unter ihnen sah es aus als würden sich Würmer hervortun. Nein, es war das Blut welches sich unter den Augen in den feinen Äderchen sammelte und hervortrat. So wie es bei großer Anstrengung der Bodybuilder geschah. Doch noch etwas Seltsames geschah mit Jazmins Gesicht. Unter ihren Lippen veränderte sich auch etwas, allerdings hielt sie den Mund geschlossen und Aaron konnte nichts erkennen.
Kaum hatte Aaron diese Veränderungen gesehen, schob sich der Junkie zwischen Carol und Jazmin. Er sah ihr fest in die Augen und sprach ganz leise auf sie ein. Aaron konnte nicht verstehen, was er sagte, denn alle um ihn herum schrieen und zerrten. Doch Johnny der Junkie stand da und sprach ganz in Ruhe auf sie ein. Es dauerte einige Sekunden und der Zustand von Carol wurde lebensbedrohlich. Doch dann normalisierte sich Jazmins Gesicht und sie begann zu blinzeln. Ließ den Hals von Carol los, kurz darauf sah sie sich um und verschwand mit Johnny aus der Halle. Jetzt wurde alles unerträglich still. Alle starrten auf den leblosen Körper und wie der Lehrer erste Hilfsmaßnahmen tätigte. Ein Schüler rannte raus. Sicherlich um die Krankenstation zu informieren. Kurz darauf schlug Carol die Augen wieder auf und hustete, wobei sie noch versuchte so viel Luft zu bekommen, wie sie brauchte und wollte.
Aaron interessierte sich nicht weiter für Carol, letztendlich war es ihre eigene Schuld gewesen, also warum Mitleid heucheln. Viel mehr interessierte es ihn, was mit Jaz war. Er ging durch die Schule und suchte alles ab, aber es war keine Spur von den Beiden. Gerade als Aaron wieder zurück wollte, vernahm er ein aufgebrachtes Gespräch. Die Freundin von Johnny-Junkie telefonierte. Sie berichtete von dem Vorfall, sagte aber dennoch nichts konkretes, was das Gesicht von Jazmin betraf.
Aaron empfand das alles als Seltsam. Gerade als er noch ein paar Schritte machen wollte, hörte er, wie sie das Gespräch beendete. Schnell rannte er ein paar Meter vor und lief wie zufällig weiter. In der Halle angekommen, musste er feststellen, dass es wohl keinen Sport gab. Der Lehrer war nicht anwesend genau wie Carol. Sicher war sie zur Krankenstation gebracht worden. Die anderen Schüler zerrissen sich die Mäuler tratschten. Die andere kleine Gruppe von Jazmin hingegen war weiterhin kühl und unbeeindruckt. Sie schienen das nicht sonderlich aufregend zu finden.
„Hey Aaron“, hörte er Geraldine hinter sich flüstern, sie stellte sich neben ihn und er sah sie an, „war das die Kleine von gestern Abend?“ Aaron wusste nicht so recht was er sagen sollte. Denn langsam setzte auch bei ihm der Schock, über das Gesehene und Erlebte, ein.
„Optisch ja, Handlungstechnisch nein. Ich kenne sie so nicht. Und ich habe viele Abende mit ihr verbracht. Nichts. Keinerlei Anzeichen solch einer Brutalität.“
„Naja, aber du hast ja auch nicht behauptet, dass sie ihre Mutter getötet hat.“
„Da hast du Recht. Geraldine? Würde es dir was ausmachen, wenn du nachher mit dem Bus nachhause fährst?“
„Ähm … ja? Hab ich. Ich setz mich doch nicht in so einen stinkenden Bus. Was hast du denn vor. Kann ich nicht einfach mitkommen?“
„Ich kann dich nach Hause fahren“, ertönte eine männliche Stimme. Geraldine erkannte sie sofort und ließ einen erschrockenen, spitzen Schrei los.
Johnny stand hinter den Beiden und grinste Geraldine über das ganze Gesicht an. Aarons Beschützerinstinkt setzte ein und griff um Geraldine um sie hinter sich zu ziehen. Johnny hob abwehrend die Hände in die Luft und sagte: „Hey, war doch nur ein Angebot.“
„Auf das wir gerne verzichten, wenn es um einen Junkie geht.“, fuhr Aaron ihn an.
„Ah … die kleine Spritzaktion. Sorry wenn ich dich erschreckt haben sollte, Halley. Aber es gibt Krankheiten die man nur so in den Griff bekommt.“
„Heroinsucht ist keine Krankheit.“, flüsterte Geraldine fast lautlos.
„Wenns Heroin gewesen wäre.“
„Wenn nicht was dann?“, hakte Aaron nach.
„Das war ein Blutgerinnungsmittel, also nichts Verbotenes.“
„War deshalb so viel Blut?“, fragte Geraldine schon etwas selbstsicherer nach.
„Jepp, du hast deine hübschen Fingernägel ganz schön in mich hineingebohrt. Und als Bluter, ist das nicht gerade ein Spaß.“ Er zwinkerte beiden zu und ergänzte noch seinen Beitrag. „Ich wollte es dir ja noch erklären, aber hey … das Frauen mit solchen Schuhen so schnell rennen können, ist echt erstaunlich. Respekt. Ach und übrigens, mein Name ist Kyle, ist vielleicht besser, das wir uns ja nun öfter sehen.“ Mit diesen Worten verschwand er zu seiner Gruppe und fügte sich in die eiskalte Umgebung ein. Aaron und Geraldine schauten sich verunsichert an.
Am Nachmittag als die Schule aus war, waren Aaron und Geraldine ausgelaugt. Überall wo man hinkam, hörte man von dem Zwischenfall in der Sporthalle. Selbst der Vater von Jazmin wurde in die Schule zitiert. Was allerding besprochen wurde, war niemanden bekannt. Als sie auf den Parkplatz ankamen, musste Aaron das Thema Heimfahrt noch einmal ansprechen.
„Geraldine, würdest du bitte mit dem Bus fahren?“
„Nein! Wieso denn? Kann ich nicht einfach mitkommen?“
„Bitte“, flehte Aaron sie an. Er wollte ihr nicht sagen, wo er hin wollte. Denn sie würde ihn nicht allein dort hin lassen. Niemals.
Eingeschnappt schnaufte Geraldine ein: „Na gut!“ und begab sich zum Bus. Aaron hielt sie kurz noch am Arm fest und sah ihr fest in die Augen. „Ich mach es wieder gut, versprochen.“ Geraldine lächelte ihn vergebend an und setzte ihren Weg fort. Aaron schaute sich noch einmal um und fand die, die er suchte. Na dann, mal los!, spornte er sich an, setzte sich in deinen Wagen und nahm in einem sicheren Abstand die Verfolgung auf.
Es dauerte nicht lange, als sie von der Hauptstraße abbogen und einen kleinen Waldweg folgten. Während Aaron ihnen folgte, hoffte er, dass sein Orientierungssinn nicht auch hier den Dienst versagen würde, wenn er schnell zurück müsste. Bisher gab es nur einen Weg, was für ihn natürlich gut war. Doch dann wurde es schwieriger. Eine Weggabelung nach der Anderen. Aaron schrieb auf einen Block, der auf dem Beifahrersitz lag, auf, welche Gabelung er wo abfuhr. Die vor ihm wurden langsamer und Aaron parkte sein Auto als die vorausfahrenden Autos um einen Hügel fuhren. Hoffentlich war dahinter wirklich das Haus gewesen. Er stieg aus und lief den Weg langsam und vorsichtig um den Hügel herum. Er hatte sich nicht getäuscht. Zum Glück.
Doch was er sah, schockierte ihn noch viel mehr. Es war sogar unmöglich. Nein, das konnte nicht stimmen. Niemals. Aaron rieb sich die Augen und hoffte das er sie nur verwechselt hatte, oder dass sie ihr nur sehr ähnlich sah. Aber nein. Die Stimme, dass fröhliche quietschen und das Stoffpony ließen keine Zweifel übrig. Das war definitiv Claire!
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Re: Küsse des Schattens
Kapitel 34 – Die Einladung
Aaron beobachtet ungläubig das Geschehen vor dem Haus. Dabei bemerkte er nicht, dass er unvorsichtig wurde und somit seine Deckung verlor. Es wollte ihm einfach nicht in den Kopf gehen. Wie konnte ein totgeglaubtes Kind doch leben? Hinter Aaron ertönten Motorengeräuschen. Allerdings noch kaum hörbar, so dass er sich eine gute Geschichte einfallen lassen konnte, falls es jemand der Familie war. Nur irgendwas stimmte jetzt auch wieder nicht. Obwohl er das Motorengeräusch nicht richtig hörte, wurden Jazmin, Abby und Kyle hektisch und schickten Claire ins Haus. Die Kleine begann sofort zu bocken, was Aaron ein kleines Lächeln abgewinnen ließ. Sie war wie er sie kannte. Obwohl sie scheinbar immer noch unter der gemeinen Krankheit litt, strahlte sie als wäre sie dennoch gesund. Der aufheulende Motor wurde lauter und kam immer näher. Als alle im Haus verschwunden waren, eilte Aaron zurück zum Auto, kramte im Handschuhfach nach einer Karte und breitete sie über die Motorhaube aus. Gerade noch rechtzeitig, denn er strich gerade noch die Karte glatt, als das Auto um die Biegung kam. Aarons Blick blieb auf der Karte, obwohl er schon sehr mit sich kämpfen musste um nicht doch noch aufzusehen. Als das Auto vorbei war, hörte er nur noch leise quietschende Bremsen und eine zuschlagende Tür kurz darauf. Schwere Schritten nährten sich Aaron.
„Hey, kann ich helfen?“, ertönte eine freundliche Männerstimme, die Aaron sogar kannte. Er hob den Kopf und drehte ihn zur Stimme.
„Ähm … ja. Ich hab mich irgendwie verfahren und das Navigationsgerät funktioniert nicht so richtig. Das Ding sagt mir immer das ich auf die nächste Straße fahren soll. Und Karten … tja, mit denen steh ich auch auf dem Kriegsfuß. Ich weiß noch nicht mal wo ich hier überhaupt bin.“
„Okay, dann lass mich mal an die Karte, dann zeig ich dir wo du bist.“, sagte Frank und Aaron rutschte zur Seite. Frank schaute nicht mal drei Sekunden auf die Karte und tippte mit dem Finger auf eine kleine Linie. „Hier sind wir gerade. Hast du einen Stift, dann zeichne ich dir ein wie du zurück kommst.“
Aaron ging um das Auto und öffnete die Hintertür um einen Stift zu holen. Dabei beobachtete er Frank, wie er sich nervös umschaute. Aarons Finger ergriffen einen Textmarker und ging zu Frank damit zurück. Dieser zeichnete einen Weg und faltete die Karte so zusammen, dass sie ein angenehmes Maß nahm.
„Leg die Karte am besten verkehrt herum, dann kannst du ihr besser folgen.“ Frank reichte ihm die Karte und verabschiedete sich freundlich. Doch Aaron konnte erkennen, dass er Frank zu nah am Haus war, denn obwohl Frank schon in seinem Auto saß, fuhr er noch nicht los. Aaron ging um die Motorhaube herum und setzte sich ins Auto, um den Motor kurz darauf aufheulen zu lassen. Ein kurzes Wendemanöver und er fuhr zurück. Aarons Gedanken überstürzten sich regelrecht. Vor allem aber die Sache mit Claire. Warum hatte man eine Beerdigung arrangiert, wenn sie noch lebte? Schlagartig fiel Aaron das Bild ein. Wusste vielleicht nur Mr Humpfrey bescheid und gab ihm deshalb das Bild? Wenn ja, warum tat er es nicht selbst? Wieso gab er Aaron das Bild, ging er davon aus, dass Aaron darüber Bescheid wusste? Mit Fragen über Fragen fuhr er zurück.
Jazmin schaute aus dem Fenster und sah Franks Kleinbus die Straße entlang kommen. Sie öffnete die Tür und ging hinaus. Frank hatte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck.
„Hey Dad, was ist los?“
“Der Junge von der Ranch war hinten auf der Straße, und ich glaube der hat was gesehen, was er lieber nicht hätte sehen sollen.”
„Wo war er?“, Jazmins Stimme begann zu zittern. Wenn er wirklich was gesehen hatte, dann könnte das Probleme geben.
„Bist du dir sicher, dass er was gesehen haben könnte?“, fragte Kyle mit berechnender Stimme. Jaz wusste, was Kyle machen würde, wenn Aaron tatsächlich etwas gesehen hätte. Jazmin funkelte Kyle an, sie wollte ihm klar machen, dass sie seine Methoden nicht durchgehen lassen würde. Doch Kyle schaute sie nicht einmal an.
„Ich weiß es nicht, er war dem Haus ziemlich nah, aber er hat sich normal verhalten, nicht so als hätte er etwas Ungewöhnliches gesehen.“ Frank war immer noch tief in Gedanken als er weitersprach.
„Warum war er überhaupt hier?“, fragte Jazmin.
„Wahrscheinlich wegen deinem Ausraster!“, warf Kyle bissig zurück. Frank wurde sofort hellhörig.
„Was für einen Ausraster?“, wollte er wissen.
Jazmin schlug Kyle in den Rippenbogen, „Danke du Idiot.“
„Was ist passiert?“, harkte Frank noch einmal nach.
„Lass es dir von Kyle nachher brühwarm erzählen. Also? Hat er gesagt warum er hier in der Nähe war?“
„Er meinte er hätte sich verfahren, weil sein Navigationsgerät nicht richtig funktioniert. Und nun klär mich auf, Jazmin.“
Jaz winkte ab und wollte gehen, da wurde sie scharf zurückgerufen.
„Jazmin Garth! Was ist passiert? Ich will es von dir hören und nicht von jemand anderes. Worauf muss ich mich diesmal gefasst machen?“
Jazmin drehte sich nicht um. Sie konnte bei solch einer Nachricht Frank nicht in die Augen sehen. Das konnte sie nie. Denn Frank hatte immer eine mitleidige Miene und gerade diesmal wollte sie es nicht erzählen. Es war für Frank noch immer schwer. Jazmins Mutter, Zurilana, war Franks große Liebe, und dass obwohl er schon so lange auf der Welt war. Aber in Zurilana hatte er jemanden gefunden, der mit seinen Eigenarten umgehen konnte. Sie liebte ihn von ganzen Herzen und sie hatte nie nachgefragt, wenn Frank mitten in der Nacht ins Bett kam und seltsam roch. Sie hatte ihm vertraut.
„Ich wurde verbal angegriffen und hab mich gewehrt“, sagte Jazmin kurz und knapp. Und noch bevor etwas gefragt werden konnte, rannte sie fort. Sie hoffte dass er ihr nicht folgen würde, doch ihre Hoffnung war vergebens. Er folgte ihr.
„Jazmin Garth! Bleib sofort stehen! Ich will jetzt alles aus deiner Sicht erfahren. Also was ist geschehen?“ Sie gehorchte und hielt an. Die aufsteigenden Tränen konnte sie nicht mehr halten und eine nach der Anderen kullerten ihr die Wangen hinunter.
„Aus meiner Sicht? Wessen Sicht kennst du denn schon?“
„Abby hatte mich vorhin angerufen. Sie hat nur erzählt, dass ein Mädchen ausfallend geworden ist und du sie angegriffen hast.“
„Und was willst du von mir nun hören? Genauso hat es sich zugetragen.“
„Was hat dieses Mädchen gesagt?“ Jazmin wollte ihm nichts genaues Erzählen. Es würde ihn so wie auch ihr schmerzen. Sie konnte das Gesagte nicht wiederholen und sie wollte es auch nicht. Aber sie tat es und sie hasste sich dafür.
Frank schluckte schwer, als Jazmin mit ihrer Erzählung schloss. Es hatte einige Wunden aufgerissen und es tat Jazmin so leid. Ohne etwas zu sagen drehte sich Frank um und ging zurück. Jaz folgte ihm.
„Frank, was machst du wenn Aaron etwas gesehen hat, was er nicht durfte?“
„Jaz, nicht jetzt!“, bat er mit brüchiger Stimme. Jazmin seufzte und schwieg. Am Haus angekommen, ging Frank sofort hinein, während Jazmin draußen blieb. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass Aaron noch nicht zuhause war. Dennoch ging sie in die Garage und holte sich ihr neues Motorrad heraus. Sie verzichtete auf die Schutzkleidung und fuhr lediglich mit Helm.
Aaron saß im Auto und drehte die Karte hin und her. Irgendwas stimmte nicht. Scheiße!, dachte Aaron und er bereute es, auf die Karte vertraut zu haben. Sein Block konnte nun nicht mehr helfen. Er kramte sein Handy raus und … Mist, kein Netz. Aaron schnaufte und warf sein Handy auf dem Rücksitz. Obwohl es nichts brachte, stieg er aus und schaute sich die Umgebung an. Vielleicht würde er sich doch noch an etwas erinnern. Aber nichts. Jeder Baum glich den Anderen. Jeder Busch sah aus wie der nebenstehende. Aaron griff ins Auto und holte sein Handy vom Rücksitz. Vielleicht würde er ja hier draußen Empfang finden? Er lief mit dem Handy in der Hand herum und hoffte auf Empfang.
Nichts. Egal wo er hinlief, sein Handy fand einfach kein Netz. Doch dann schien Rettung in Sicht. Er hörte wieder Motorengeräusche, vielleicht war es wieder Frank? Allerdings, klang es immer weniger nach Auto, je näher und lauter das Geräusch wurde. Zwischen den Bäumen konnte Aaron ein Motorrad erspähen. Sofort schaltete sich sein Gehirn auf Überlebensmodus um. Er rannte in die Richtung mit wedelnden Armen und lautem Geschrei. Doch er kam zu spät auf den Weg. Der Fahrer dieses Gefährts war bereits vorbei. Aber immer hin wusste Aaron nun wo eine Straße war, die benutzt wurde. Er drehte sich um und wollte zurück zum Auto. Für einen kurzen Moment, dachte Aaron, er hätte es verloren. Doch ganz verdeckt von den Büschen und Unterholz des Waldes erkannte er die Karosse. Erleichtert lief er zurück.
Nachdem er den Weg folgte, auf der das Motorrad fuhr kam er endlich wieder auf eine befestigte Straße, die er kannte. Er fuhr nach Hause und als er dort ankam, wurde er von Geraldine bereits erwartet. Sie kam lächelnd auf ihn zu.
„Und wie machst du das wieder gut?“, fragte sie mit einem Schlafzimmerblick. Aaron jedoch konnte nicht angemessen auf ihre Andeutung reagieren.
„Ich weiß noch nicht. Ich muss erstmal was nachgehen.“ Aaron schob sich an Geraldine vorbei, die gekränkt zurück blieb.
Jazmin sah aus sicherer Entfernung wie Aaron nach Hause kam. Er war abwesend zu seiner Schwester. Ob es daran lag, dass er vielleicht etwas gesehen hatte? Die Ungewissheit machte Jazmin schier wahnsinnig. Sie musste es in Erfahrung bringen. Kurzer Hand schwang sie sich auf ihr Bike und fuhr zur Ranch. Obwohl es helllichter Tag war, sie musste es einfach versuchen. Vielleicht war Michaela so weit weg, dass sie es nicht spüren würde.
Als sie am Haupthaus ankam, saß lediglich Geraldine auf der Veranda mit einem Buch in der Hand. Irgendwie sah das ungewohnt für Jazmin aus. Geraldine war nicht das typische Mädchen welches Bücher las. Magazine, das war wohl eher welches sie interessieren würde.
„Hey Geraldine“, machte Jazmin auf sich aufmerksam. Diese schaute auf und Jazmin war ehrlicher Weise überrascht über den Ausdruck in ihrem Gesicht. Geraldine hatte natürlich das Verhalten in der Sporthalle mitbekommen.
„Was willst du hier?“, fauchte Geraldine sie an.
„Ich will mit Aaron sprechen, kannst du ihn bitte Bescheid sagen dass ich hier bin?“
„Pff … warum sollte ich? Geh doch selbst zu ihm hoch. Bin doch kein Buttler.“
Oje, damit hätte Jazmin rechnen müssen. Sie wurde praktisch herein gebeten. Zögerlich ging Jazmin zur Tür und ergriff den Türknauf. Sie drehte ihn und er sprang bereitwillig auf. Jazmin wusste nicht so recht, ob sie eintreten könnte. Michaela hatte sicherlich mehr Schutzvorrichtungen angebracht. Obwohl. Frank konnte hier auch rein und raus gehen. Vorsichtig schob sie ein Fuß über Schwelle und als Jazmin keinen Widerstand spürte, trat sie ein.
Aaron beobachtet ungläubig das Geschehen vor dem Haus. Dabei bemerkte er nicht, dass er unvorsichtig wurde und somit seine Deckung verlor. Es wollte ihm einfach nicht in den Kopf gehen. Wie konnte ein totgeglaubtes Kind doch leben? Hinter Aaron ertönten Motorengeräuschen. Allerdings noch kaum hörbar, so dass er sich eine gute Geschichte einfallen lassen konnte, falls es jemand der Familie war. Nur irgendwas stimmte jetzt auch wieder nicht. Obwohl er das Motorengeräusch nicht richtig hörte, wurden Jazmin, Abby und Kyle hektisch und schickten Claire ins Haus. Die Kleine begann sofort zu bocken, was Aaron ein kleines Lächeln abgewinnen ließ. Sie war wie er sie kannte. Obwohl sie scheinbar immer noch unter der gemeinen Krankheit litt, strahlte sie als wäre sie dennoch gesund. Der aufheulende Motor wurde lauter und kam immer näher. Als alle im Haus verschwunden waren, eilte Aaron zurück zum Auto, kramte im Handschuhfach nach einer Karte und breitete sie über die Motorhaube aus. Gerade noch rechtzeitig, denn er strich gerade noch die Karte glatt, als das Auto um die Biegung kam. Aarons Blick blieb auf der Karte, obwohl er schon sehr mit sich kämpfen musste um nicht doch noch aufzusehen. Als das Auto vorbei war, hörte er nur noch leise quietschende Bremsen und eine zuschlagende Tür kurz darauf. Schwere Schritten nährten sich Aaron.
„Hey, kann ich helfen?“, ertönte eine freundliche Männerstimme, die Aaron sogar kannte. Er hob den Kopf und drehte ihn zur Stimme.
„Ähm … ja. Ich hab mich irgendwie verfahren und das Navigationsgerät funktioniert nicht so richtig. Das Ding sagt mir immer das ich auf die nächste Straße fahren soll. Und Karten … tja, mit denen steh ich auch auf dem Kriegsfuß. Ich weiß noch nicht mal wo ich hier überhaupt bin.“
„Okay, dann lass mich mal an die Karte, dann zeig ich dir wo du bist.“, sagte Frank und Aaron rutschte zur Seite. Frank schaute nicht mal drei Sekunden auf die Karte und tippte mit dem Finger auf eine kleine Linie. „Hier sind wir gerade. Hast du einen Stift, dann zeichne ich dir ein wie du zurück kommst.“
Aaron ging um das Auto und öffnete die Hintertür um einen Stift zu holen. Dabei beobachtete er Frank, wie er sich nervös umschaute. Aarons Finger ergriffen einen Textmarker und ging zu Frank damit zurück. Dieser zeichnete einen Weg und faltete die Karte so zusammen, dass sie ein angenehmes Maß nahm.
„Leg die Karte am besten verkehrt herum, dann kannst du ihr besser folgen.“ Frank reichte ihm die Karte und verabschiedete sich freundlich. Doch Aaron konnte erkennen, dass er Frank zu nah am Haus war, denn obwohl Frank schon in seinem Auto saß, fuhr er noch nicht los. Aaron ging um die Motorhaube herum und setzte sich ins Auto, um den Motor kurz darauf aufheulen zu lassen. Ein kurzes Wendemanöver und er fuhr zurück. Aarons Gedanken überstürzten sich regelrecht. Vor allem aber die Sache mit Claire. Warum hatte man eine Beerdigung arrangiert, wenn sie noch lebte? Schlagartig fiel Aaron das Bild ein. Wusste vielleicht nur Mr Humpfrey bescheid und gab ihm deshalb das Bild? Wenn ja, warum tat er es nicht selbst? Wieso gab er Aaron das Bild, ging er davon aus, dass Aaron darüber Bescheid wusste? Mit Fragen über Fragen fuhr er zurück.
Jazmin schaute aus dem Fenster und sah Franks Kleinbus die Straße entlang kommen. Sie öffnete die Tür und ging hinaus. Frank hatte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck.
„Hey Dad, was ist los?“
“Der Junge von der Ranch war hinten auf der Straße, und ich glaube der hat was gesehen, was er lieber nicht hätte sehen sollen.”
„Wo war er?“, Jazmins Stimme begann zu zittern. Wenn er wirklich was gesehen hatte, dann könnte das Probleme geben.
„Bist du dir sicher, dass er was gesehen haben könnte?“, fragte Kyle mit berechnender Stimme. Jaz wusste, was Kyle machen würde, wenn Aaron tatsächlich etwas gesehen hätte. Jazmin funkelte Kyle an, sie wollte ihm klar machen, dass sie seine Methoden nicht durchgehen lassen würde. Doch Kyle schaute sie nicht einmal an.
„Ich weiß es nicht, er war dem Haus ziemlich nah, aber er hat sich normal verhalten, nicht so als hätte er etwas Ungewöhnliches gesehen.“ Frank war immer noch tief in Gedanken als er weitersprach.
„Warum war er überhaupt hier?“, fragte Jazmin.
„Wahrscheinlich wegen deinem Ausraster!“, warf Kyle bissig zurück. Frank wurde sofort hellhörig.
„Was für einen Ausraster?“, wollte er wissen.
Jazmin schlug Kyle in den Rippenbogen, „Danke du Idiot.“
„Was ist passiert?“, harkte Frank noch einmal nach.
„Lass es dir von Kyle nachher brühwarm erzählen. Also? Hat er gesagt warum er hier in der Nähe war?“
„Er meinte er hätte sich verfahren, weil sein Navigationsgerät nicht richtig funktioniert. Und nun klär mich auf, Jazmin.“
Jaz winkte ab und wollte gehen, da wurde sie scharf zurückgerufen.
„Jazmin Garth! Was ist passiert? Ich will es von dir hören und nicht von jemand anderes. Worauf muss ich mich diesmal gefasst machen?“
Jazmin drehte sich nicht um. Sie konnte bei solch einer Nachricht Frank nicht in die Augen sehen. Das konnte sie nie. Denn Frank hatte immer eine mitleidige Miene und gerade diesmal wollte sie es nicht erzählen. Es war für Frank noch immer schwer. Jazmins Mutter, Zurilana, war Franks große Liebe, und dass obwohl er schon so lange auf der Welt war. Aber in Zurilana hatte er jemanden gefunden, der mit seinen Eigenarten umgehen konnte. Sie liebte ihn von ganzen Herzen und sie hatte nie nachgefragt, wenn Frank mitten in der Nacht ins Bett kam und seltsam roch. Sie hatte ihm vertraut.
„Ich wurde verbal angegriffen und hab mich gewehrt“, sagte Jazmin kurz und knapp. Und noch bevor etwas gefragt werden konnte, rannte sie fort. Sie hoffte dass er ihr nicht folgen würde, doch ihre Hoffnung war vergebens. Er folgte ihr.
„Jazmin Garth! Bleib sofort stehen! Ich will jetzt alles aus deiner Sicht erfahren. Also was ist geschehen?“ Sie gehorchte und hielt an. Die aufsteigenden Tränen konnte sie nicht mehr halten und eine nach der Anderen kullerten ihr die Wangen hinunter.
„Aus meiner Sicht? Wessen Sicht kennst du denn schon?“
„Abby hatte mich vorhin angerufen. Sie hat nur erzählt, dass ein Mädchen ausfallend geworden ist und du sie angegriffen hast.“
„Und was willst du von mir nun hören? Genauso hat es sich zugetragen.“
„Was hat dieses Mädchen gesagt?“ Jazmin wollte ihm nichts genaues Erzählen. Es würde ihn so wie auch ihr schmerzen. Sie konnte das Gesagte nicht wiederholen und sie wollte es auch nicht. Aber sie tat es und sie hasste sich dafür.
Frank schluckte schwer, als Jazmin mit ihrer Erzählung schloss. Es hatte einige Wunden aufgerissen und es tat Jazmin so leid. Ohne etwas zu sagen drehte sich Frank um und ging zurück. Jaz folgte ihm.
„Frank, was machst du wenn Aaron etwas gesehen hat, was er nicht durfte?“
„Jaz, nicht jetzt!“, bat er mit brüchiger Stimme. Jazmin seufzte und schwieg. Am Haus angekommen, ging Frank sofort hinein, während Jazmin draußen blieb. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass Aaron noch nicht zuhause war. Dennoch ging sie in die Garage und holte sich ihr neues Motorrad heraus. Sie verzichtete auf die Schutzkleidung und fuhr lediglich mit Helm.
Aaron saß im Auto und drehte die Karte hin und her. Irgendwas stimmte nicht. Scheiße!, dachte Aaron und er bereute es, auf die Karte vertraut zu haben. Sein Block konnte nun nicht mehr helfen. Er kramte sein Handy raus und … Mist, kein Netz. Aaron schnaufte und warf sein Handy auf dem Rücksitz. Obwohl es nichts brachte, stieg er aus und schaute sich die Umgebung an. Vielleicht würde er sich doch noch an etwas erinnern. Aber nichts. Jeder Baum glich den Anderen. Jeder Busch sah aus wie der nebenstehende. Aaron griff ins Auto und holte sein Handy vom Rücksitz. Vielleicht würde er ja hier draußen Empfang finden? Er lief mit dem Handy in der Hand herum und hoffte auf Empfang.
Nichts. Egal wo er hinlief, sein Handy fand einfach kein Netz. Doch dann schien Rettung in Sicht. Er hörte wieder Motorengeräusche, vielleicht war es wieder Frank? Allerdings, klang es immer weniger nach Auto, je näher und lauter das Geräusch wurde. Zwischen den Bäumen konnte Aaron ein Motorrad erspähen. Sofort schaltete sich sein Gehirn auf Überlebensmodus um. Er rannte in die Richtung mit wedelnden Armen und lautem Geschrei. Doch er kam zu spät auf den Weg. Der Fahrer dieses Gefährts war bereits vorbei. Aber immer hin wusste Aaron nun wo eine Straße war, die benutzt wurde. Er drehte sich um und wollte zurück zum Auto. Für einen kurzen Moment, dachte Aaron, er hätte es verloren. Doch ganz verdeckt von den Büschen und Unterholz des Waldes erkannte er die Karosse. Erleichtert lief er zurück.
Nachdem er den Weg folgte, auf der das Motorrad fuhr kam er endlich wieder auf eine befestigte Straße, die er kannte. Er fuhr nach Hause und als er dort ankam, wurde er von Geraldine bereits erwartet. Sie kam lächelnd auf ihn zu.
„Und wie machst du das wieder gut?“, fragte sie mit einem Schlafzimmerblick. Aaron jedoch konnte nicht angemessen auf ihre Andeutung reagieren.
„Ich weiß noch nicht. Ich muss erstmal was nachgehen.“ Aaron schob sich an Geraldine vorbei, die gekränkt zurück blieb.
Jazmin sah aus sicherer Entfernung wie Aaron nach Hause kam. Er war abwesend zu seiner Schwester. Ob es daran lag, dass er vielleicht etwas gesehen hatte? Die Ungewissheit machte Jazmin schier wahnsinnig. Sie musste es in Erfahrung bringen. Kurzer Hand schwang sie sich auf ihr Bike und fuhr zur Ranch. Obwohl es helllichter Tag war, sie musste es einfach versuchen. Vielleicht war Michaela so weit weg, dass sie es nicht spüren würde.
Als sie am Haupthaus ankam, saß lediglich Geraldine auf der Veranda mit einem Buch in der Hand. Irgendwie sah das ungewohnt für Jazmin aus. Geraldine war nicht das typische Mädchen welches Bücher las. Magazine, das war wohl eher welches sie interessieren würde.
„Hey Geraldine“, machte Jazmin auf sich aufmerksam. Diese schaute auf und Jazmin war ehrlicher Weise überrascht über den Ausdruck in ihrem Gesicht. Geraldine hatte natürlich das Verhalten in der Sporthalle mitbekommen.
„Was willst du hier?“, fauchte Geraldine sie an.
„Ich will mit Aaron sprechen, kannst du ihn bitte Bescheid sagen dass ich hier bin?“
„Pff … warum sollte ich? Geh doch selbst zu ihm hoch. Bin doch kein Buttler.“
Oje, damit hätte Jazmin rechnen müssen. Sie wurde praktisch herein gebeten. Zögerlich ging Jazmin zur Tür und ergriff den Türknauf. Sie drehte ihn und er sprang bereitwillig auf. Jazmin wusste nicht so recht, ob sie eintreten könnte. Michaela hatte sicherlich mehr Schutzvorrichtungen angebracht. Obwohl. Frank konnte hier auch rein und raus gehen. Vorsichtig schob sie ein Fuß über Schwelle und als Jazmin keinen Widerstand spürte, trat sie ein.
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Re: Küsse des Schattens
Kapitel 35 – Geheimcode
Hinter sich hörte Jazmin etwas schnaufen. Als sie sich umdrehte sah sie Geraldine die sie dabei beobachtet hatte, wie sie eingetreten war. Natürlich musste es seltsam ausgesehen haben. Doch damit wollte sich Jazmin gerade nicht beschäftigen. Langsam ging sie die Treppe hinauf. Obwohl sie nur in etwa wusste, wo Aarons Zimmer lag, lief sie zielgerichtet. Der Geruch von Aaron war hier oben überall und der lange Flur war auch nicht irritierend. Sie folgte dem köstlichen Duft und stand nun vor der Tür, hinter der sich Aarons Reich befand. Sie hörte ihn dahinter. Er musste am Schreibtisch sitzen, denn Jazmin hörte das Tippen einer PC-Tastatur. Noch einmal atmete sie tief ein und hob ihre Hand, bereit zum Klopfen. Doch bevor Jazmins Knöchel auf das Türblatt trafen, wurde es in der unteren Etage laut. Die Eingangstür flog so hart auf, dass der entstandene Knall nur daher rühren konnte, dass die Tür gegen die Wand schlug. Im gleichen Augenblick hörte man nur noch Geraldines entschuldigende Stimme. Jazmin sah sich nach einer Fluchtmöglichkeit um. In solchen Momenten war Jaz froh gewesen ein Vampir zu sein. In einer unmenschlichen Geschwindigkeit war sie in eines der anderen Zimmer geflohen. Eigentlich hätte sie sofort aus dem Fenster springen sollen, aber es war viel zu interessant wie Aaron reagieren würde. Während Jazmin abwartete, stellte sie fest, dass sie sich in Geraldines Zimmer versteckt hatte, die geradewegs auf ihren Raum zusteuerte.
Jaz fluchte und öffnete das Fenster. Mit einem Satz war sie unten angekommen und blieb erst einmal im Gebüsch welches sich glücklicher Weise unter dem Fenster befand. Sie konnte es nun echt nicht gebrauchen auch noch von Michaela gesehen zu werden. Obwohl es ja egal war. Immerhin wusste sie es ja bereits. Jaz zog ihre Beine an die Brust und legte ihren Kopf auf die Knie. Warum war es nur Aaron? Nein, die Frage sollte eher heißen, warum konnte Michaela Vampire spüren?
Aaron saß am PC als er ein lautes Gepolter hörte. Aufgebrachte Schritte donnerten die Treppe hoch, gefolgt von Entschuldigen die seine Schwester aussprach. Hellhörig wurde er erst als der Name „Jazmin“ fiel. Gerade als er aufstehen wollte, flog die Tür auf und seine Tante dampfte wie eine Walzmaschine ins Zimmer.
„Wo ist sie?“, schrie sie in das Zimmer und stand direkt vor einem ahnungslosen Aaron, der jetzt nicht mehr die Welt verstand.
„Wo ist wer?“, fragte Aaron verdutzt.
„Aaron, hör auf irgendwelche Spielchen zu spielen. Wo ist Jazmin?“
„Ich hab keine Ahnung wovon du sprichst. Jazmin ist nicht hier.“
„Sie muss hier sein. Ihr Motorrad steht unten und Geraldine hat sie hereingelassen.“
„Kann ja sein, aber hier ist sie nicht.“ Obwohl Aarons Stimme ruhig blieb, trommelte sein Herz so stark, dass ihm schlecht wurde. Unweigerlich schaute er auf das Foto von Claire und ihren Eltern. Und sofort kam ihm der Gedanke ob sie hier war um es zu holen? Während Aaron darüber nachdachte, stellte seine Tante fast sein Zimmer auf den Kopf, weil sie nicht glauben wollte, dass sie tatsächlich nicht hier war. Als sie halbwegs zufrieden darüber war, dass sie offenbar nicht zu Aaron wollte, ging sie wieder hinaus und ging ohne anzuklopfen in Geraldines Zimmer. Obwohl die Tür geschlossen wurde, konnte Aaron fast jedes Wort der Standpauke hören, die nun Geraldine galt.
Aaron allerdings beschäftigte nun eine ganz andere Frage. War Jazmin tatsächlich hier und wenn ja, was wollte sie? Immer noch sah Aaron Claire und konnte es noch immer nicht verstehen, wie das möglich sein konnte. Er ging zum Fenster und sah hinaus. Und tatsächlich, auf dem Hof stand ein Motorrad. Aber es sah anders aus, als das welches Jazmin gefahren war, als sie sich das erste Mal über den Weg gelaufen waren. Aaron lehnte sich aus dem Fenster und schaute sich um. Aber er konnte Jazmin nirgends sehen. Zurück in seinem Zimmer nahm er sein Handy und tippte die Nummer der Humpfreys ein. Er musste nun mit Claires Vater sprechen. Doch vergeblich. Es klingelte so lange bis der Anrufbeantworter ansprang. Eine Nachricht wollte er jedoch nicht hinterlassen, dass könnte die Mutter nur falsch verstehen und das beabsichtigte Aaron ganz sicher nicht. Er beschloss, es später noch einmal zu versuchen.
Noch einmal setzte er sich an den PC und schaute auf die Liste die Google ihn präsentierte. Er klickte ein paar Links an, aber er fand nichts Brauchbares. Sollte er sich vielleicht verguckt haben? Nein, das war Claire. Alles an diesem Mädchen schrie förmlich nach der kleinen Prinzessin. Obwohl sie noch immer sehr blass war und schattige Augen hatte, schien es ihr wesentlich besser zu gehen. Die Augen waren damals nicht so dunkel gewesen, aber trotzdem schien sie etwas gesünder zu sein. Je länger Aaron darüber nachdachte, desto absurder wurden seine Ideen einer Erklärung. Er schloss die Augen und lehnte sich zurück in seinen Stuhl. Gedanklich ließ er den Teil abspielen, den er sich schon oft erhoffte, seit er hier Jazmin kennen gelernt hatte. Wie wäre es, wenn sie zu ihm käme und die Initiative ergriff? Bisher hatte er immer die Zügel in der Hand gehabt und wollte es auch nie anders, doch jetzt, wo sie scheinbar zu ihm wollte, wurde sein Wunsch danach größer. Doch dann fiel ihm ein, dass sie gar nicht weg war. Wenn sie tatsächlich hier war, wo war sie dann? Geraldines Entschuldigungen nach zu urteilen, hatte sie Jaz ins Haus gelassen und wenn Jazmin tatsächlich hier oben war, konnte sie nicht draußen sein, denn es gab nur diese eine Treppe nach unten. Sofort sprang Aaron auf und preschte in den Flur. In Geraldines geschlossenes Zimmer wurde immer noch diskutiert. Noch einmal hastete Aaron zurück und warf ein Blick aus dem Fenster. Gut das Motorrad stand noch da. Aaron lief den langen Flur hinunter und schaute dabei vorsichtig und leise in jedes der Zimmer, dessen Türen nicht verschlossen waren. Doch in keinem dieser Räume war sie. Vielleicht war sie doch schon aus dem Haus und kaum hatte er diesen Teil gedacht, hörte er einen Motor aufheulen. Als er etwas niedergeschlagen zurück in sein Zimmer kam, war das Bike verschwunden, dass Einzige was er noch sah, war eine Staubwolke weit hinten bei den Koppeln. In Aaron regte sich nun Zorn, denn da kam endlich mal ein Mädchen von dem er sich gewünscht hätte dass sie käme und seine Tante vermasselte es. Je länger er darüber aber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass es ohnehin zu nichts Intimes gekommen wäre. Denn auch jetzt kamen ihm die Bilder von Claire in den Sinn. Warum war Claire bei ihnen gewesen und warum um Himmelswillen gab es eine Beerdigung wenn sie gar nicht tot war? Warum sollten überhaupt alle denken, dass sie tot war?
Es klopfte leise an der Tür. Aaron sah hinüber und überlegte ob er reagieren sollte. Es dauerte eine Weile bis er sich entschieden hatte und als er aufstand um die Tür zu öffnen, schob sie sich von allein auf. Geraldine stand mit gesenktem Blick im Türrahmen. Die Standpauke schien nervenaufreibend gewesen zu sein.
Mit den verbitternden Worten „Die hat doch echt nen Knall.“ kam Geraldine ins Zimmer und setzte sich auf Aarons Bett. Ihr Blick fiel auf den PC und schüttelte den Kopf. „Hat sie dir die Märchen von den Vampiren auch erzählt, oder warum hast du so ne bekloppte Seite auf?“
Aaron ging zum PC und schloss die Seite. „Gera ich weiß nicht viel, aber es geschehen hier seltsame Dinge, allerdings muss ich sagen, dass das was hier alle für Vampire halten auch Tiere sein könnten. Ich erinnere mich nur an einen Ausflug, als mein Pferd von etwas angegriffen wurde und wir so schnell wie möglich verschwanden. Alle hier sprachen davon, dass es ein Vampir war. Aber hey, die scheinen eh alle nen Knall zu haben.“ Aaron setzte sich zu Geraldine aufs Bett und nahm sie in den Arm.
„Und diese Jazmin soll einer sein? Ich meine aussehen tut sie ja wie einer.“ Während sie sprach schaute sie Aaron grinsend an.
„Angeblich ja, deshalb auch die übertriebene Reaktion von Tante Michaela.“
„Und ist sie?“
„Quatsch, sie ist ein ganz normales Mädchen.“
„Naja, so normal auch wieder nicht. Wie die schon aussieht. Du musst doch zugeben dass sie aussieht wie ein Freak. Und ihre Freunde erst.“
Aaron musste gestehen, dass Geraldine irgendwie recht behielt. Jazmin war kein normales Mädchen. Sie war viel mehr. Je mehr er über all ihre Treffen nachdachte, fielen ihm immer mehr Aspekte auf, die man durchaus mit einem Vampir in Verbindung bringen konnte. Allerdings waren sie nicht so ganz eindeutig. All ihre seltsamen Begebenheiten konnte man auch mit einem Okkultismus in Verbindung bringen.
Aaron wurde von einem Klingeln aus seinen Gedanken gerissen. Sein Telefon spielte eine laute Melodie und Gera sprang auf um es ihm zu bringen. Aaron erkannte die Nummer und nahm so schnell wie möglich ab. Entschuldigte sich kurz und bat Geraldine aus dem Zimmer. Was ihr natürlich überhaupt nicht passte.
Mr Humpfrey hatte ihn nicht weiterhelfen können, oder besser nicht wollen. Er stritt alles ab und wurde sogar zornig. Was verständlich gewesen wäre, wenn man bedachte, dass ein dahergelaufener Junge ihm erzählte seine Tochter lebendig gesehen zu haben. Dennoch, Aaron war sich sicher dass Mr Humpfrey mehr wusste als er zugab. Deshalb beschloss Aaron zu den Garths zu fahren. Natürlich erst nach dem Abendessen. Er musste Claire unbedingt noch einmal sehen. Er würde Fotos machen um sich dann mit Mr Humpfrey zu treffen und ihn mehr auf den Zahn fühlen zu können.
Das Abendessen zog sich unnötig in die Länge, denn Tante Michaela hielt erneut eine Rede. Aaron nervte dieses dumme Gequatsche, obwohl ihm immer deutlicher wurde, dass irgendetwas nicht ganz normal hier war. Er stocherte in seinem Essen herum und genau das machte eine Person äußerst skeptisch.
„Aaron, was ist los? Seit wann stocherst du denn in deinem Lieblingsessen nur so herum?“, flüsterte Geraldine ihm leise zu. Er schaute sie darauf hin an und schenkte ihr ein kurzes Lächeln.
„Ich hab heute keinen großen Appetit.“
„Hat es was mit dem Telefonat zu tun?“
„Nein, ich hab einfach keinen Hunger.“
Geraldine lehnte sich wieder zurück auf ihren Stuhl und aß, während sie Aaron nicht aus den Augen ließ. Sein Verhalten schien allerdings allen aufgefallen zu sein. Denn auch Janine und Nathan ließen ihn nicht in Ruhe in seinem Essen herumstochern. Gerade als Janine etwas sagen wollte, klingelte es an der Tür. Alle sahen auf und Aaron hätte schwören können, dass alle eine Art von Angst in den Augen hatten. Michaela stand auf und verließ das Zimmer, anstatt zur Gewohnheit zurück zu kehren, warteten alle auf „Entwarnung“.
„Geraldine?“, rief Michaela aus dem Flur, „Besuch für dich!“
Geraldine schaute Aaron an und hob fragend die Schultern. Langsam erhob sie sich und ging in Richtung Flur, als Tante Michaela um die Ecke bog. Sie hielt Geraldine kurz am Arm fest und flüsterte ihr etwas ins Ohr, worauf Geraldine nickte und verschwand. Aaron war so neugierig dass er sein Besteck zur Seite legte und aufstand. Sofort rügte ihn seine Tante mit einem scharfen Blick, worauf er sich wieder setzte.
Es verging nur wenige Minuten als Geradline wieder ins Esszimmer kam und sich auf ihren Platz setzte. Unauffällig unter dem Tisch holte sie ihr Handy aus der Tasche und begann zu tippen. Geraldine brauchte nicht auf die Tastatur schauen, um eine SMS zu schreiben. Als sie fertig war, hielt sie das Handy schräg in Aarons Richtung und stupste ihn gegens Bein. Aaron las.
Das war Johnny aka Kyle. Er will sich mit mir treffen. ALLEIN! Michaela davon erzählen, oder nicht? Treffen oder nicht?
Aaron und Geraldine hatten schon früh kleine Geheimnisse ausgetauscht, auch wenn ihre Eltern dabei waren und sie nichts erfahren sollten. Sie hatten eine Art Geheimcode entwickelt. Aaron tippte unter dem Tisch mit dem Fuß einmal auf Geraldines für Frage 1 und trat Geraldine für Nein gegen die Ferse. Dann tippte er zwei Mal auf Geraldines Fuß für Frage 2 und trat ebenfalls wieder für Nein gegen ihre Ferse.
Aaron verstand ohnehin ihre Fragen nicht. Noch heute in der Schule war sie zu Eis gefroren bei dem Anblick von Kyle und wollte keine Sekunde länger zu dicht bei ihm stehen. Was war also geschehen, dass sie nun ernsthaft darüber nachdachte? Sie hatte ihn als Junkie bezeichnet und hatte Angst gehabt. Und seine heutige Erklärung klang zwar einleuchtend, aber irgendwie vorgeschoben. Eine Ausrede. Das Abendessen dauerte noch länger und als endlich alle entlassen worden waren, ging Aaron in sein Zimmer um sich auf seine Expedition vorzubereiten.
Als er sich anzog, hörte er draußen unter seinem Fenster leises Gelächter. Er schaute hinaus, konnte aber nichts sehen. Wieder ertönte ein Kichern und Aaron musste feststellen dass es Geraldine war. Sie klang glücklich, was selten der Fall war. Und dann erkannte er die männliche Stimme, die sie zum Lachen brachte. Kyle. Er war gar nicht fortgefahren, er hatte auf sie gewartet. Aber warum wollte sie dann Aarons Meinung dazu hören, wenn sie doch nicht auf ihn hörte? Irgendetwas regte sich in Aarons Brust.
Hinter sich hörte Jazmin etwas schnaufen. Als sie sich umdrehte sah sie Geraldine die sie dabei beobachtet hatte, wie sie eingetreten war. Natürlich musste es seltsam ausgesehen haben. Doch damit wollte sich Jazmin gerade nicht beschäftigen. Langsam ging sie die Treppe hinauf. Obwohl sie nur in etwa wusste, wo Aarons Zimmer lag, lief sie zielgerichtet. Der Geruch von Aaron war hier oben überall und der lange Flur war auch nicht irritierend. Sie folgte dem köstlichen Duft und stand nun vor der Tür, hinter der sich Aarons Reich befand. Sie hörte ihn dahinter. Er musste am Schreibtisch sitzen, denn Jazmin hörte das Tippen einer PC-Tastatur. Noch einmal atmete sie tief ein und hob ihre Hand, bereit zum Klopfen. Doch bevor Jazmins Knöchel auf das Türblatt trafen, wurde es in der unteren Etage laut. Die Eingangstür flog so hart auf, dass der entstandene Knall nur daher rühren konnte, dass die Tür gegen die Wand schlug. Im gleichen Augenblick hörte man nur noch Geraldines entschuldigende Stimme. Jazmin sah sich nach einer Fluchtmöglichkeit um. In solchen Momenten war Jaz froh gewesen ein Vampir zu sein. In einer unmenschlichen Geschwindigkeit war sie in eines der anderen Zimmer geflohen. Eigentlich hätte sie sofort aus dem Fenster springen sollen, aber es war viel zu interessant wie Aaron reagieren würde. Während Jazmin abwartete, stellte sie fest, dass sie sich in Geraldines Zimmer versteckt hatte, die geradewegs auf ihren Raum zusteuerte.
Jaz fluchte und öffnete das Fenster. Mit einem Satz war sie unten angekommen und blieb erst einmal im Gebüsch welches sich glücklicher Weise unter dem Fenster befand. Sie konnte es nun echt nicht gebrauchen auch noch von Michaela gesehen zu werden. Obwohl es ja egal war. Immerhin wusste sie es ja bereits. Jaz zog ihre Beine an die Brust und legte ihren Kopf auf die Knie. Warum war es nur Aaron? Nein, die Frage sollte eher heißen, warum konnte Michaela Vampire spüren?
Aaron saß am PC als er ein lautes Gepolter hörte. Aufgebrachte Schritte donnerten die Treppe hoch, gefolgt von Entschuldigen die seine Schwester aussprach. Hellhörig wurde er erst als der Name „Jazmin“ fiel. Gerade als er aufstehen wollte, flog die Tür auf und seine Tante dampfte wie eine Walzmaschine ins Zimmer.
„Wo ist sie?“, schrie sie in das Zimmer und stand direkt vor einem ahnungslosen Aaron, der jetzt nicht mehr die Welt verstand.
„Wo ist wer?“, fragte Aaron verdutzt.
„Aaron, hör auf irgendwelche Spielchen zu spielen. Wo ist Jazmin?“
„Ich hab keine Ahnung wovon du sprichst. Jazmin ist nicht hier.“
„Sie muss hier sein. Ihr Motorrad steht unten und Geraldine hat sie hereingelassen.“
„Kann ja sein, aber hier ist sie nicht.“ Obwohl Aarons Stimme ruhig blieb, trommelte sein Herz so stark, dass ihm schlecht wurde. Unweigerlich schaute er auf das Foto von Claire und ihren Eltern. Und sofort kam ihm der Gedanke ob sie hier war um es zu holen? Während Aaron darüber nachdachte, stellte seine Tante fast sein Zimmer auf den Kopf, weil sie nicht glauben wollte, dass sie tatsächlich nicht hier war. Als sie halbwegs zufrieden darüber war, dass sie offenbar nicht zu Aaron wollte, ging sie wieder hinaus und ging ohne anzuklopfen in Geraldines Zimmer. Obwohl die Tür geschlossen wurde, konnte Aaron fast jedes Wort der Standpauke hören, die nun Geraldine galt.
Aaron allerdings beschäftigte nun eine ganz andere Frage. War Jazmin tatsächlich hier und wenn ja, was wollte sie? Immer noch sah Aaron Claire und konnte es noch immer nicht verstehen, wie das möglich sein konnte. Er ging zum Fenster und sah hinaus. Und tatsächlich, auf dem Hof stand ein Motorrad. Aber es sah anders aus, als das welches Jazmin gefahren war, als sie sich das erste Mal über den Weg gelaufen waren. Aaron lehnte sich aus dem Fenster und schaute sich um. Aber er konnte Jazmin nirgends sehen. Zurück in seinem Zimmer nahm er sein Handy und tippte die Nummer der Humpfreys ein. Er musste nun mit Claires Vater sprechen. Doch vergeblich. Es klingelte so lange bis der Anrufbeantworter ansprang. Eine Nachricht wollte er jedoch nicht hinterlassen, dass könnte die Mutter nur falsch verstehen und das beabsichtigte Aaron ganz sicher nicht. Er beschloss, es später noch einmal zu versuchen.
Noch einmal setzte er sich an den PC und schaute auf die Liste die Google ihn präsentierte. Er klickte ein paar Links an, aber er fand nichts Brauchbares. Sollte er sich vielleicht verguckt haben? Nein, das war Claire. Alles an diesem Mädchen schrie förmlich nach der kleinen Prinzessin. Obwohl sie noch immer sehr blass war und schattige Augen hatte, schien es ihr wesentlich besser zu gehen. Die Augen waren damals nicht so dunkel gewesen, aber trotzdem schien sie etwas gesünder zu sein. Je länger Aaron darüber nachdachte, desto absurder wurden seine Ideen einer Erklärung. Er schloss die Augen und lehnte sich zurück in seinen Stuhl. Gedanklich ließ er den Teil abspielen, den er sich schon oft erhoffte, seit er hier Jazmin kennen gelernt hatte. Wie wäre es, wenn sie zu ihm käme und die Initiative ergriff? Bisher hatte er immer die Zügel in der Hand gehabt und wollte es auch nie anders, doch jetzt, wo sie scheinbar zu ihm wollte, wurde sein Wunsch danach größer. Doch dann fiel ihm ein, dass sie gar nicht weg war. Wenn sie tatsächlich hier war, wo war sie dann? Geraldines Entschuldigungen nach zu urteilen, hatte sie Jaz ins Haus gelassen und wenn Jazmin tatsächlich hier oben war, konnte sie nicht draußen sein, denn es gab nur diese eine Treppe nach unten. Sofort sprang Aaron auf und preschte in den Flur. In Geraldines geschlossenes Zimmer wurde immer noch diskutiert. Noch einmal hastete Aaron zurück und warf ein Blick aus dem Fenster. Gut das Motorrad stand noch da. Aaron lief den langen Flur hinunter und schaute dabei vorsichtig und leise in jedes der Zimmer, dessen Türen nicht verschlossen waren. Doch in keinem dieser Räume war sie. Vielleicht war sie doch schon aus dem Haus und kaum hatte er diesen Teil gedacht, hörte er einen Motor aufheulen. Als er etwas niedergeschlagen zurück in sein Zimmer kam, war das Bike verschwunden, dass Einzige was er noch sah, war eine Staubwolke weit hinten bei den Koppeln. In Aaron regte sich nun Zorn, denn da kam endlich mal ein Mädchen von dem er sich gewünscht hätte dass sie käme und seine Tante vermasselte es. Je länger er darüber aber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass es ohnehin zu nichts Intimes gekommen wäre. Denn auch jetzt kamen ihm die Bilder von Claire in den Sinn. Warum war Claire bei ihnen gewesen und warum um Himmelswillen gab es eine Beerdigung wenn sie gar nicht tot war? Warum sollten überhaupt alle denken, dass sie tot war?
Es klopfte leise an der Tür. Aaron sah hinüber und überlegte ob er reagieren sollte. Es dauerte eine Weile bis er sich entschieden hatte und als er aufstand um die Tür zu öffnen, schob sie sich von allein auf. Geraldine stand mit gesenktem Blick im Türrahmen. Die Standpauke schien nervenaufreibend gewesen zu sein.
Mit den verbitternden Worten „Die hat doch echt nen Knall.“ kam Geraldine ins Zimmer und setzte sich auf Aarons Bett. Ihr Blick fiel auf den PC und schüttelte den Kopf. „Hat sie dir die Märchen von den Vampiren auch erzählt, oder warum hast du so ne bekloppte Seite auf?“
Aaron ging zum PC und schloss die Seite. „Gera ich weiß nicht viel, aber es geschehen hier seltsame Dinge, allerdings muss ich sagen, dass das was hier alle für Vampire halten auch Tiere sein könnten. Ich erinnere mich nur an einen Ausflug, als mein Pferd von etwas angegriffen wurde und wir so schnell wie möglich verschwanden. Alle hier sprachen davon, dass es ein Vampir war. Aber hey, die scheinen eh alle nen Knall zu haben.“ Aaron setzte sich zu Geraldine aufs Bett und nahm sie in den Arm.
„Und diese Jazmin soll einer sein? Ich meine aussehen tut sie ja wie einer.“ Während sie sprach schaute sie Aaron grinsend an.
„Angeblich ja, deshalb auch die übertriebene Reaktion von Tante Michaela.“
„Und ist sie?“
„Quatsch, sie ist ein ganz normales Mädchen.“
„Naja, so normal auch wieder nicht. Wie die schon aussieht. Du musst doch zugeben dass sie aussieht wie ein Freak. Und ihre Freunde erst.“
Aaron musste gestehen, dass Geraldine irgendwie recht behielt. Jazmin war kein normales Mädchen. Sie war viel mehr. Je mehr er über all ihre Treffen nachdachte, fielen ihm immer mehr Aspekte auf, die man durchaus mit einem Vampir in Verbindung bringen konnte. Allerdings waren sie nicht so ganz eindeutig. All ihre seltsamen Begebenheiten konnte man auch mit einem Okkultismus in Verbindung bringen.
Aaron wurde von einem Klingeln aus seinen Gedanken gerissen. Sein Telefon spielte eine laute Melodie und Gera sprang auf um es ihm zu bringen. Aaron erkannte die Nummer und nahm so schnell wie möglich ab. Entschuldigte sich kurz und bat Geraldine aus dem Zimmer. Was ihr natürlich überhaupt nicht passte.
Mr Humpfrey hatte ihn nicht weiterhelfen können, oder besser nicht wollen. Er stritt alles ab und wurde sogar zornig. Was verständlich gewesen wäre, wenn man bedachte, dass ein dahergelaufener Junge ihm erzählte seine Tochter lebendig gesehen zu haben. Dennoch, Aaron war sich sicher dass Mr Humpfrey mehr wusste als er zugab. Deshalb beschloss Aaron zu den Garths zu fahren. Natürlich erst nach dem Abendessen. Er musste Claire unbedingt noch einmal sehen. Er würde Fotos machen um sich dann mit Mr Humpfrey zu treffen und ihn mehr auf den Zahn fühlen zu können.
Das Abendessen zog sich unnötig in die Länge, denn Tante Michaela hielt erneut eine Rede. Aaron nervte dieses dumme Gequatsche, obwohl ihm immer deutlicher wurde, dass irgendetwas nicht ganz normal hier war. Er stocherte in seinem Essen herum und genau das machte eine Person äußerst skeptisch.
„Aaron, was ist los? Seit wann stocherst du denn in deinem Lieblingsessen nur so herum?“, flüsterte Geraldine ihm leise zu. Er schaute sie darauf hin an und schenkte ihr ein kurzes Lächeln.
„Ich hab heute keinen großen Appetit.“
„Hat es was mit dem Telefonat zu tun?“
„Nein, ich hab einfach keinen Hunger.“
Geraldine lehnte sich wieder zurück auf ihren Stuhl und aß, während sie Aaron nicht aus den Augen ließ. Sein Verhalten schien allerdings allen aufgefallen zu sein. Denn auch Janine und Nathan ließen ihn nicht in Ruhe in seinem Essen herumstochern. Gerade als Janine etwas sagen wollte, klingelte es an der Tür. Alle sahen auf und Aaron hätte schwören können, dass alle eine Art von Angst in den Augen hatten. Michaela stand auf und verließ das Zimmer, anstatt zur Gewohnheit zurück zu kehren, warteten alle auf „Entwarnung“.
„Geraldine?“, rief Michaela aus dem Flur, „Besuch für dich!“
Geraldine schaute Aaron an und hob fragend die Schultern. Langsam erhob sie sich und ging in Richtung Flur, als Tante Michaela um die Ecke bog. Sie hielt Geraldine kurz am Arm fest und flüsterte ihr etwas ins Ohr, worauf Geraldine nickte und verschwand. Aaron war so neugierig dass er sein Besteck zur Seite legte und aufstand. Sofort rügte ihn seine Tante mit einem scharfen Blick, worauf er sich wieder setzte.
Es verging nur wenige Minuten als Geradline wieder ins Esszimmer kam und sich auf ihren Platz setzte. Unauffällig unter dem Tisch holte sie ihr Handy aus der Tasche und begann zu tippen. Geraldine brauchte nicht auf die Tastatur schauen, um eine SMS zu schreiben. Als sie fertig war, hielt sie das Handy schräg in Aarons Richtung und stupste ihn gegens Bein. Aaron las.
Das war Johnny aka Kyle. Er will sich mit mir treffen. ALLEIN! Michaela davon erzählen, oder nicht? Treffen oder nicht?
Aaron und Geraldine hatten schon früh kleine Geheimnisse ausgetauscht, auch wenn ihre Eltern dabei waren und sie nichts erfahren sollten. Sie hatten eine Art Geheimcode entwickelt. Aaron tippte unter dem Tisch mit dem Fuß einmal auf Geraldines für Frage 1 und trat Geraldine für Nein gegen die Ferse. Dann tippte er zwei Mal auf Geraldines Fuß für Frage 2 und trat ebenfalls wieder für Nein gegen ihre Ferse.
Aaron verstand ohnehin ihre Fragen nicht. Noch heute in der Schule war sie zu Eis gefroren bei dem Anblick von Kyle und wollte keine Sekunde länger zu dicht bei ihm stehen. Was war also geschehen, dass sie nun ernsthaft darüber nachdachte? Sie hatte ihn als Junkie bezeichnet und hatte Angst gehabt. Und seine heutige Erklärung klang zwar einleuchtend, aber irgendwie vorgeschoben. Eine Ausrede. Das Abendessen dauerte noch länger und als endlich alle entlassen worden waren, ging Aaron in sein Zimmer um sich auf seine Expedition vorzubereiten.
Als er sich anzog, hörte er draußen unter seinem Fenster leises Gelächter. Er schaute hinaus, konnte aber nichts sehen. Wieder ertönte ein Kichern und Aaron musste feststellen dass es Geraldine war. Sie klang glücklich, was selten der Fall war. Und dann erkannte er die männliche Stimme, die sie zum Lachen brachte. Kyle. Er war gar nicht fortgefahren, er hatte auf sie gewartet. Aber warum wollte sie dann Aarons Meinung dazu hören, wenn sie doch nicht auf ihn hörte? Irgendetwas regte sich in Aarons Brust.
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Re: Küsse des Schattens
Kapitel 36 – Traurige Erkenntnis
Noch immer fühlte Aaron ein seltsames Gefühl in seiner Brust. Gedanken verloren fuhr er durch die Gegend und erst viel zu spät erkannte er wo sein Unterbewusstsein ihn hingeführt hatte. Es war nur noch eine einzige Kurve zu überstehen und sein Blick fiel auf das große Haus. Obwohl das Haus genauso aussah wie am Nachmittag, sah es verlassen aus. Es war nicht die einbrechende Nacht, die ihm das Gefühl von Leere brachte, sondern die Stille die das Haus umgab. Etwas machte ihn nervös, doch er konnte es nicht deuten, was es war. Er fuhr trotz dieses seltsamen Gefühls bis an das Haus heran. Die Fenster waren schwarz, das Haus war still und doch zog ihn etwas magisch an. Langsam stieg er aus und ging an die Haustür. Er betrachte sie und stellte fest, dass sie im Gegensatz zum restlichen Haus altmodisch und antik war. Das florale Muster war so grazil, dass man die Tür nur per Hand hergestellt haben konnte. Aufwendig geschnitzt haben musste. Er klopfte, bevor ihm überhaupt bewusst wurde, was er schon wieder tat. Er schallt sich und flüchtete zu seinem Auto. Er fluchte noch über seine Unbedachtheit als er den Motor startete, doch aus irgendeinem Grund fuhr er nicht. Er wartete. Doch nichts passierte. Kein einziger Laut, keine eingeschalteten Lichter. Es blieb so wie es war, als er ankam. Es schien tatsächlich niemand da zu sein. Automatisch schaltete er den Motor wieder aus. Er ging zurück zur Tür. Seine Hand legte sich auf den schweren Türgriff der aus Eisen zu sein schien. Warum auch immer, er drückte die Klinke nach unten und zuckte zusammen als die Tür nachgab und sich öffnete. Sie war gar nicht abgeschlossen gewesen. Unbehagen breitete sich in Aarons Bauch aus und dennoch konnte er nicht dem Drang wiederstehen, einzutreten. Er war schon immer neugierig gewesen. Es war dunkel und viel zu still. Draußen war es bereits stockdunkel geworden. Aaron zog sich seine Jacke aus. Es war gut durchgeheizt. Die Möbel waren stilvoll und aufeinander abgestimmt. Aaron lief immer weiter durch das Haus und obwohl er Angst hatte erwischt zu werden, lief er tiefer ins Haus. Es war so prunkvoll und dennoch schlicht. Er mochte die Einrichtung einfach. An den Wänden hingen Bilder. Er erkannte Jazmin und Frank. Auf fast allen war noch eine Frau zu sehen. Es war nicht zu übersehen, dass es sich um Jazmins Mutter handeln musste. Jazmin sah ihr sehr ähnlich, wenn sie nur einmal das ganze Makeup weg lassen würde. Aaron lief weiter und kam an einem Spiegel vorbei. Sein Blick fiel nur darauf weil er den Anschein erweckte, gleich von der Wand zu fallen. Er stand von der Wand ab und Aaron wollte ihn richtig hinhängen. Doch er ließ sich nicht abnehmen, vielmehr schob er sich noch weiter von der Wand weg. Aarons Gehirn brauchte etwas bis es verarbeitete, dass es eine Art Tür war. Er sah hinter den Spiegel und blickte in ein noch schwärzeres Loch, aus dem ein dumpfes Geräusch drang.
Jazmin spielte mit Claire als diese plötzlich inne hielt und ihre kleine Nase in die Luft hob. Sofort veränderte sich ihr Gesicht. Ihre Fänge trug sie stolz zur Schau. Claire hatte sie noch nie verstecken müssen und sie tat es auch nur ungern. Noch während Jazmin darüber nachdachte, sprang Claire auf und rannte so schnell wie sie konnte zur geschlossenen Tür. Erst jetzt roch Jazmin was Claire schon die ganze Zeit witterte. Jazmins Alarmglocken schlugen wie bei einem Bombenangriff. Gerade noch rechtzeitig konnte Jaz Claire am Pullover ergreifen und verhindern, dass diese in Flur rannte. Claire wehrte sich heftig, ihr Blutdurst war einfach zu stark. Es verlangte Jazmin alles ab, aber sie bekam Claire in den Griff und sperrte sie in ihrem Zimmer ein. Nun musste Jaz sich etwas einfallen lassen.
„Hallo?“, ertönte Aarons Stimme. Jazmins Bauch füllte sich mit Schmetterlingen und sie war nicht sicher ob sie etwas erwidern sollte. Wie sollte sie nur diese Schläge gegen die Tür rechtfertigen? Claire trommelte wie wild gegen die Tür und Aaron schien sie zu hören. Was zur Hölle tat er hier überhaupt? Jaz war noch immer unsicher aber sie musste ihn hier wegbekommen. Plötzlich ertönten Schritte.
„Hallo? Mr Garth? Jazmin?“, ertönte Aarons Stimme ein zweites Mal. Mist. Warum war er hier und warum kam er jetzt herunter? Jazmin atmete tief durch und lief ihm entgegen. Immer wieder schaute sie zurück und hoffte nur dass die Tür halten würde. Als sie wieder nach vorn schaute, erkannte sie Aaron.
„Aaron? Was tust du hier?“, Jaz ließ ihm keine Zeit zu antworten, schnappte Aaron Arm und zog ihn die Treppe hinauf. Währenddessen schaute er über seine Schulter zurück in das Schwarze Loch.
„Jaz was ist hier los? Was ist da hinten?“ Aaron bekam keine Antwort darauf, dass hatte sich Jazmin vorgenommen, zumal sie auch nicht wusste, was am Glaubhaftesten wäre.
„Aaron du kannst froh sein, dass ich zuhause war. Was fällt dir überhaupt ein hier einfach einzubrechen?“ Sie hoffte inständig dass nach diesem Vorwurf eine Rechtfertigung folgen würde. So würde Aaron nicht weiter darüber nachdenken, wer da unten auf ihn zugestürmt hätte kommen können. Und für wenige Minuten schaffte sie es auch.
„Entschuldige Jaz, aber ich hatte mit meiner Tante Stress und wollte mit jemanden reden. Außerdem bist du mir noch eine Erklärung schuldig. Und weil ich dir deine unhöfliche Art verziehen habe, bist du mir eine Antwort schuldig, was da unten ist.“
Jaz, hatte wirklich gehofft noch mehr Zeit zu haben um eine Antwort für ihn zu haben.
„Ähm, naja … also, wir haben einen sehr scharfen Wachhund und ich war gerade dabei ihn einzusperren als du ins Haus kamst.“ Jazmin konnte selbst nicht glauben was sie da vom Stapel ließ, so einen Schwachsinn würde Aaron ihr niemals glauben und schon gar nicht da Jazmins Stimme nicht sehr überzeugend klang. Umso überraschter war sie, als Aaron sie tatsächlich nach einer Rasse fragte.
„Es ist ein Mischling“, antwortete Jaz und musste schnell feststellen, dass diese Antwort nicht befriedigend für Aaron war. „Ich glaube da ist Bullterrier, Jack Russell und Wolfspitz drin.“
„Jack Russell?“, Aaron begann zu lachen und fügte hinzu, „Die Mischung muss ich sehen.“
Nach dem Jazmins Alarmsirenen noch lauter schrillten, lächelte sie zaghaft und versuchte es zu erklären.
„Den Russell sieht man nicht, aber die biestigen Eigenschaften lassen auf JR vermuten. Optisch gesehen, sieht man nur den Bullterrier und Wolfspitz. Ein Bullterrier mit langem Fell. Und zeigen kann ich ihn nicht. Der würde dich sofort zerfleischen. Wir hatten uns ihn angeschafft, als hier Einbrecher waren und den ganzen Medikamentenschrank geplündert haben. Wir gehen davon aus, dass es irgendwelche Junkies aus der Innenstadt waren, die nur den nächsten Schuss gesucht haben.“ Diesmal hatte Jazmin ein gutes Gefühl, auch wenn sie nicht abschätzen konnte, ob sie es geschafft hatte ihm die Besichtigung auszureden. Er sah sie abschätzend an, kurz darauf lockerte sich seine Miene und wechselte das Thema. Leider nicht zu ihrem Vorteil.
„Geraldine hat gesagt, dass du vorhin bei uns warst und mich sehen wolltest.“ Jazmin wusste nicht, ob er eine Antwort erwartete oder ob er noch fortfahren würde. Doch Aaron blieb still. Schuldbewusste senke Jaz ihren Kopf.
„Ja, ich war da. Aber als ich deine Tante hörte, bin ich wieder zur Hintertür raus.“
„Und was wolltest du? Mir vielleicht erklären, warum du so eine Show in der Schule abgezogen hast?“ Der Vorwurf in Aarons Stimme war nicht zu überhören und aus irgendeinem Grund fühlte sie sich angegriffen.
„Aaron, ich glaube du hast selbst kapiert das wir einfach zu unterschiedlich sind. Falls du es nicht mitbekommen hast, ich bin keine von den Highschool-Stars wie du. Mich meidet man, weil ich lerne, weil ich anders bin, weil man mich für eine Mörderin hält und weil ich einfach kein Bock auf Oberflächlichkeit habe. Nicht so wie du und deine Schwester. Ihr seid es gewohnt, weil ihr kein bisschen besser seid als die Idioten in der Schule. Also es ist reiner Selbstschutz und meine Freunde in der Schule verstehen mich wenigstens und akzeptieren mich so wie ich bin.“ Jazs Stimme wurde immer schärfer bis sie sogar beleidigend klang.
„Gut zu wissen“, brachte Aaron beleidigt hervor, wandte sich von Jazmin ab und ging in Richtung Tür. „Nur eins noch. Wenn mir mein Oberflächlichkeit so wichtig wäre, warum bin ich dann in der Schule auf dich zugegangen? Du kannst einem echt leid tun.“ Dann verschwand Aaron aus der Tür und ließ eine aufgewühlte Jazmin zurück.
Selbst als Aaron bereits zehn Minuten verschwunden war, stand Jazmin noch immer reglos mitten im Raum. Er hatte einfach recht. Recht, mit allem was er gesagt hatte. Jazmin wünschte sich mehr als alles andere akzeptiert zu werden. Aber in ihrem Fall war es einfach unmöglich. Menschliche Freunde waren einfach ein unberechenbares Risiko und dieses konnte sie nicht eingehen.
„Warum hast du mich eingesperrt?“, motzte eine schrille Stimme hinter Jazmin. Claire hatte es geschafft sich aus ihrem Käfig zu befreien. Toll, es musste also eine neue Tür her. Jazmin drehte sich um und sah ihn die kleinen traurigen Augen.
„Entschuldige, aber es gibt da draußen Menschen die uns nicht verstehen, und wir dürfen uns ihnen nicht zeigen. Diese Menschen sind sehr böse und würden uns töten.“
„Pff“, machte Claire, „Ich hab keine Angst. Ihr habt doch gesagt, dass ich nicht mehr krank werden kann.“
Jazmin musste unweigerlich schmunzeln, als Claire ihr trotzig entgegnete. Sie verstand diese ganze Situation nicht. Aber sie mussten es ihr bald klar machen, denn sie konnten Claire nicht ewig im Haus einsperren und von anderen gleichaltrigen Kindern isolieren. Hinter ihnen klickte das Türschloss und kaum war ein Spalt aufgeschoben, wusste sie, dass ihr Vater nach Hause kam.
„Was ist denn hier los? Jazmin alles in Ordnung? Was ist passiert? Hat Claire …“, Jazmin ließ ihn nicht mehr seinen Gedanken aussprechen.
„Alles in Ordnung Dad. Claire braucht nur eine neue Tür.“
„Hat sie …?“, Frank schien sich nicht zu trauen den Gedanken auszusprechen.
Jaz lächelte ihren Vater an und schüttelte den Kopf. Die Erleichterung war ihm deutlich an zu sehen. Kurz darauf schickte er Claire aus dem Zimmer und wandte sich an Jazmin.
„Was hatte hier der Mensch von der Ranch zu suchen? Hat er Claire gesehen?“
„Nein, Dad. Er war auch nicht lange hier. Ich habe ihn von Claire ferngehalten, deshalb braucht sie auch eine neue Tür.“ Aus irgendeinem Grund schaute Frank sie seltsam an. „Was?“, fragte sie nach.
„Du bist traurig. Hat er dich verletzt?“
Ein kurzes Mundwinkelzucken flog über Jazmins Gesicht, gefolgt von einem hängenden Kopf. Jazmin wollte auch nicht darüber sprechen, jedenfalls nicht mit ihrem Dad. Doch Frank wollte genau wissen was vorgefallen war. Er hasste es wenn Jazmin traurig war.
„Jazmin?“
„Er hat mir nur vor Augen geführt dass ich kein normales Wesen bin. Außerdem hab ich durch ihn gerade einen riesen Hunger bekommen. Wir reden später okay?“
„Nein, Jaz. Was hat er gesagt?“
„Dad, das ist doch egal. Ich werde nie mehr ein normales Leben führen, also muss ich so oder so damit leben. Und Aaron hatte recht. Mit allem was er zwischen den Zeilen gesagt hat. Ich hab echt hunger. Bin aber bei Zeiten zurück. Bis später.“
Diesmal ließ Frank sie einfach gehen. Er hasste sich dafür, dass er so selbstsüchtig war, und sie verwandeln ließ. Aber das war bereits ein paar Jahre her und erst jetzt wo sie Aaron kennen gelernt hatte, schien sie mit ihrem Leben unglücklich zu sein. Frank begann darüber nachzudenken, ob Zachury nicht vielleicht doch zurück kommen sollte. Jazmin hingegen stand mitten im Wald und überlegte was sie sich als ihr neues Opfer aussuchen sollte. Obwohl sie sowieso davon ausging mit leerem Magen zu Bett zu gehen. Konzentration war jetzt gerade nicht so ihre Stärke.
Aaron kam nachhause und stellte fest, dass er gerast sein musste. Geraldine saß noch immer mit Kyle auf der Veranda. Sie lächelte und schien ihre Panik vor einigen Tagen vergessen zu haben. Wenigstens eine wurde glücklich. Es kotzte ihn sogar an. Er war neidisch auf seine Adoptivschwester. Kyle sah plötzlich zu ihm herüber, sagte etwas und Geraldine schaute ebenfalls zu ihm. Sie sah aus, als hätte gewusst, was geschehen war. Sie stand sogar auf um zu ihm zu laufen. Doch Aaron schüttelte nur mit dem Kopf; er brauchte das einfach nicht. Um nicht an den Beiden vorbei zu müssen, ging er zu den Ställen. Er setzte sich auf eine Bank vor einem der Ställe, legte seinen Kopf in den Nacken und schloss seine Augen. Während er so da saß, versuchte er zu verstehen, wie es möglich sein konnte, dass er die tot geglaubte Claire im Wald sehen konnte; als ihm dann noch ein seltsames kaltes Gefühl beschlich, öffnete er seine Augen blitzschnell und schaute sich um. Dieses Gefühl war so wie es in der Schule war, als er zum ersten Mal Kyle sah. Doch es war niemand zu sehen.
Nach einer halben Stunde, hörte Aaron Schritte. Er schaute in die Richtung und sah Geraldine, die auf ihn zukam. Kyle war nirgends zu sehen.
„Hey“, ertönte ihre liebliche Stimme, „alles klar bei dir?“
„Hm“, zu mehr war Aaron nicht fähig und schaute auch schon wieder weg.
„Hat sie dich wieder abblitzen lassen?“
„Kann man so sagen. Sie hält mich für oberflächlich.“
„Aaron, nimms mir nicht böse, aber wir SIND oberflächlich. Das waren wir schon immer.“
„Das ist es auch nicht, was mich so sehr stört. Sie hat es in einem Ton gesagt, der mir verdeutlichte dass … ach ich hab keine Ahnung. Ich hab echt das Gefühl, dass sie nur mit mir gespielt hat. Ich dachte echt, Jazmin wäre anders. Aber sie ist nur eine tiefgründige Brandy.“
Geraldine grinste etwas. „Jetzt weißt du auch mal, wie sich deine Spielchen anfühlen.“ Danach wurde aber Geraldine aber wieder ernst. „Gib ihr Zeit. Zeig ihr dass du auch tiefgründig sein kannst.“
Aaron schnaubte, „Als wenn du das gutheißen würdest.“
„Bitte?“, Geraldine schaute ihn fassungslos an.
„Du warst doch seit unserer Pubertät scharf auf mich, wolltest mich nie teilen und nun hast du Verständnis dafür? Bitte, komm schon Geraldine. So eine riesen Heuchlerin kannst selbst du nicht sein. Du wolltest mich doch immer nur für dich und hast alle Beziehungen zerstört in denen es schien ernst zu werden.“
Verständnislos und sichtlich verärgert stand Geraldine auf und ehe Aaron sich versah, knallte auch schon Geraldines Hand auf Aarons linker Wange. Sie kochte vor Wut und wollte noch etwas sagen, doch statt dessen biss sie sich auf die Unterlippe und stampfte zurück zum Haus.
Noch immer fühlte Aaron ein seltsames Gefühl in seiner Brust. Gedanken verloren fuhr er durch die Gegend und erst viel zu spät erkannte er wo sein Unterbewusstsein ihn hingeführt hatte. Es war nur noch eine einzige Kurve zu überstehen und sein Blick fiel auf das große Haus. Obwohl das Haus genauso aussah wie am Nachmittag, sah es verlassen aus. Es war nicht die einbrechende Nacht, die ihm das Gefühl von Leere brachte, sondern die Stille die das Haus umgab. Etwas machte ihn nervös, doch er konnte es nicht deuten, was es war. Er fuhr trotz dieses seltsamen Gefühls bis an das Haus heran. Die Fenster waren schwarz, das Haus war still und doch zog ihn etwas magisch an. Langsam stieg er aus und ging an die Haustür. Er betrachte sie und stellte fest, dass sie im Gegensatz zum restlichen Haus altmodisch und antik war. Das florale Muster war so grazil, dass man die Tür nur per Hand hergestellt haben konnte. Aufwendig geschnitzt haben musste. Er klopfte, bevor ihm überhaupt bewusst wurde, was er schon wieder tat. Er schallt sich und flüchtete zu seinem Auto. Er fluchte noch über seine Unbedachtheit als er den Motor startete, doch aus irgendeinem Grund fuhr er nicht. Er wartete. Doch nichts passierte. Kein einziger Laut, keine eingeschalteten Lichter. Es blieb so wie es war, als er ankam. Es schien tatsächlich niemand da zu sein. Automatisch schaltete er den Motor wieder aus. Er ging zurück zur Tür. Seine Hand legte sich auf den schweren Türgriff der aus Eisen zu sein schien. Warum auch immer, er drückte die Klinke nach unten und zuckte zusammen als die Tür nachgab und sich öffnete. Sie war gar nicht abgeschlossen gewesen. Unbehagen breitete sich in Aarons Bauch aus und dennoch konnte er nicht dem Drang wiederstehen, einzutreten. Er war schon immer neugierig gewesen. Es war dunkel und viel zu still. Draußen war es bereits stockdunkel geworden. Aaron zog sich seine Jacke aus. Es war gut durchgeheizt. Die Möbel waren stilvoll und aufeinander abgestimmt. Aaron lief immer weiter durch das Haus und obwohl er Angst hatte erwischt zu werden, lief er tiefer ins Haus. Es war so prunkvoll und dennoch schlicht. Er mochte die Einrichtung einfach. An den Wänden hingen Bilder. Er erkannte Jazmin und Frank. Auf fast allen war noch eine Frau zu sehen. Es war nicht zu übersehen, dass es sich um Jazmins Mutter handeln musste. Jazmin sah ihr sehr ähnlich, wenn sie nur einmal das ganze Makeup weg lassen würde. Aaron lief weiter und kam an einem Spiegel vorbei. Sein Blick fiel nur darauf weil er den Anschein erweckte, gleich von der Wand zu fallen. Er stand von der Wand ab und Aaron wollte ihn richtig hinhängen. Doch er ließ sich nicht abnehmen, vielmehr schob er sich noch weiter von der Wand weg. Aarons Gehirn brauchte etwas bis es verarbeitete, dass es eine Art Tür war. Er sah hinter den Spiegel und blickte in ein noch schwärzeres Loch, aus dem ein dumpfes Geräusch drang.
Jazmin spielte mit Claire als diese plötzlich inne hielt und ihre kleine Nase in die Luft hob. Sofort veränderte sich ihr Gesicht. Ihre Fänge trug sie stolz zur Schau. Claire hatte sie noch nie verstecken müssen und sie tat es auch nur ungern. Noch während Jazmin darüber nachdachte, sprang Claire auf und rannte so schnell wie sie konnte zur geschlossenen Tür. Erst jetzt roch Jazmin was Claire schon die ganze Zeit witterte. Jazmins Alarmglocken schlugen wie bei einem Bombenangriff. Gerade noch rechtzeitig konnte Jaz Claire am Pullover ergreifen und verhindern, dass diese in Flur rannte. Claire wehrte sich heftig, ihr Blutdurst war einfach zu stark. Es verlangte Jazmin alles ab, aber sie bekam Claire in den Griff und sperrte sie in ihrem Zimmer ein. Nun musste Jaz sich etwas einfallen lassen.
„Hallo?“, ertönte Aarons Stimme. Jazmins Bauch füllte sich mit Schmetterlingen und sie war nicht sicher ob sie etwas erwidern sollte. Wie sollte sie nur diese Schläge gegen die Tür rechtfertigen? Claire trommelte wie wild gegen die Tür und Aaron schien sie zu hören. Was zur Hölle tat er hier überhaupt? Jaz war noch immer unsicher aber sie musste ihn hier wegbekommen. Plötzlich ertönten Schritte.
„Hallo? Mr Garth? Jazmin?“, ertönte Aarons Stimme ein zweites Mal. Mist. Warum war er hier und warum kam er jetzt herunter? Jazmin atmete tief durch und lief ihm entgegen. Immer wieder schaute sie zurück und hoffte nur dass die Tür halten würde. Als sie wieder nach vorn schaute, erkannte sie Aaron.
„Aaron? Was tust du hier?“, Jaz ließ ihm keine Zeit zu antworten, schnappte Aaron Arm und zog ihn die Treppe hinauf. Währenddessen schaute er über seine Schulter zurück in das Schwarze Loch.
„Jaz was ist hier los? Was ist da hinten?“ Aaron bekam keine Antwort darauf, dass hatte sich Jazmin vorgenommen, zumal sie auch nicht wusste, was am Glaubhaftesten wäre.
„Aaron du kannst froh sein, dass ich zuhause war. Was fällt dir überhaupt ein hier einfach einzubrechen?“ Sie hoffte inständig dass nach diesem Vorwurf eine Rechtfertigung folgen würde. So würde Aaron nicht weiter darüber nachdenken, wer da unten auf ihn zugestürmt hätte kommen können. Und für wenige Minuten schaffte sie es auch.
„Entschuldige Jaz, aber ich hatte mit meiner Tante Stress und wollte mit jemanden reden. Außerdem bist du mir noch eine Erklärung schuldig. Und weil ich dir deine unhöfliche Art verziehen habe, bist du mir eine Antwort schuldig, was da unten ist.“
Jaz, hatte wirklich gehofft noch mehr Zeit zu haben um eine Antwort für ihn zu haben.
„Ähm, naja … also, wir haben einen sehr scharfen Wachhund und ich war gerade dabei ihn einzusperren als du ins Haus kamst.“ Jazmin konnte selbst nicht glauben was sie da vom Stapel ließ, so einen Schwachsinn würde Aaron ihr niemals glauben und schon gar nicht da Jazmins Stimme nicht sehr überzeugend klang. Umso überraschter war sie, als Aaron sie tatsächlich nach einer Rasse fragte.
„Es ist ein Mischling“, antwortete Jaz und musste schnell feststellen, dass diese Antwort nicht befriedigend für Aaron war. „Ich glaube da ist Bullterrier, Jack Russell und Wolfspitz drin.“
„Jack Russell?“, Aaron begann zu lachen und fügte hinzu, „Die Mischung muss ich sehen.“
Nach dem Jazmins Alarmsirenen noch lauter schrillten, lächelte sie zaghaft und versuchte es zu erklären.
„Den Russell sieht man nicht, aber die biestigen Eigenschaften lassen auf JR vermuten. Optisch gesehen, sieht man nur den Bullterrier und Wolfspitz. Ein Bullterrier mit langem Fell. Und zeigen kann ich ihn nicht. Der würde dich sofort zerfleischen. Wir hatten uns ihn angeschafft, als hier Einbrecher waren und den ganzen Medikamentenschrank geplündert haben. Wir gehen davon aus, dass es irgendwelche Junkies aus der Innenstadt waren, die nur den nächsten Schuss gesucht haben.“ Diesmal hatte Jazmin ein gutes Gefühl, auch wenn sie nicht abschätzen konnte, ob sie es geschafft hatte ihm die Besichtigung auszureden. Er sah sie abschätzend an, kurz darauf lockerte sich seine Miene und wechselte das Thema. Leider nicht zu ihrem Vorteil.
„Geraldine hat gesagt, dass du vorhin bei uns warst und mich sehen wolltest.“ Jazmin wusste nicht, ob er eine Antwort erwartete oder ob er noch fortfahren würde. Doch Aaron blieb still. Schuldbewusste senke Jaz ihren Kopf.
„Ja, ich war da. Aber als ich deine Tante hörte, bin ich wieder zur Hintertür raus.“
„Und was wolltest du? Mir vielleicht erklären, warum du so eine Show in der Schule abgezogen hast?“ Der Vorwurf in Aarons Stimme war nicht zu überhören und aus irgendeinem Grund fühlte sie sich angegriffen.
„Aaron, ich glaube du hast selbst kapiert das wir einfach zu unterschiedlich sind. Falls du es nicht mitbekommen hast, ich bin keine von den Highschool-Stars wie du. Mich meidet man, weil ich lerne, weil ich anders bin, weil man mich für eine Mörderin hält und weil ich einfach kein Bock auf Oberflächlichkeit habe. Nicht so wie du und deine Schwester. Ihr seid es gewohnt, weil ihr kein bisschen besser seid als die Idioten in der Schule. Also es ist reiner Selbstschutz und meine Freunde in der Schule verstehen mich wenigstens und akzeptieren mich so wie ich bin.“ Jazs Stimme wurde immer schärfer bis sie sogar beleidigend klang.
„Gut zu wissen“, brachte Aaron beleidigt hervor, wandte sich von Jazmin ab und ging in Richtung Tür. „Nur eins noch. Wenn mir mein Oberflächlichkeit so wichtig wäre, warum bin ich dann in der Schule auf dich zugegangen? Du kannst einem echt leid tun.“ Dann verschwand Aaron aus der Tür und ließ eine aufgewühlte Jazmin zurück.
Selbst als Aaron bereits zehn Minuten verschwunden war, stand Jazmin noch immer reglos mitten im Raum. Er hatte einfach recht. Recht, mit allem was er gesagt hatte. Jazmin wünschte sich mehr als alles andere akzeptiert zu werden. Aber in ihrem Fall war es einfach unmöglich. Menschliche Freunde waren einfach ein unberechenbares Risiko und dieses konnte sie nicht eingehen.
„Warum hast du mich eingesperrt?“, motzte eine schrille Stimme hinter Jazmin. Claire hatte es geschafft sich aus ihrem Käfig zu befreien. Toll, es musste also eine neue Tür her. Jazmin drehte sich um und sah ihn die kleinen traurigen Augen.
„Entschuldige, aber es gibt da draußen Menschen die uns nicht verstehen, und wir dürfen uns ihnen nicht zeigen. Diese Menschen sind sehr böse und würden uns töten.“
„Pff“, machte Claire, „Ich hab keine Angst. Ihr habt doch gesagt, dass ich nicht mehr krank werden kann.“
Jazmin musste unweigerlich schmunzeln, als Claire ihr trotzig entgegnete. Sie verstand diese ganze Situation nicht. Aber sie mussten es ihr bald klar machen, denn sie konnten Claire nicht ewig im Haus einsperren und von anderen gleichaltrigen Kindern isolieren. Hinter ihnen klickte das Türschloss und kaum war ein Spalt aufgeschoben, wusste sie, dass ihr Vater nach Hause kam.
„Was ist denn hier los? Jazmin alles in Ordnung? Was ist passiert? Hat Claire …“, Jazmin ließ ihn nicht mehr seinen Gedanken aussprechen.
„Alles in Ordnung Dad. Claire braucht nur eine neue Tür.“
„Hat sie …?“, Frank schien sich nicht zu trauen den Gedanken auszusprechen.
Jaz lächelte ihren Vater an und schüttelte den Kopf. Die Erleichterung war ihm deutlich an zu sehen. Kurz darauf schickte er Claire aus dem Zimmer und wandte sich an Jazmin.
„Was hatte hier der Mensch von der Ranch zu suchen? Hat er Claire gesehen?“
„Nein, Dad. Er war auch nicht lange hier. Ich habe ihn von Claire ferngehalten, deshalb braucht sie auch eine neue Tür.“ Aus irgendeinem Grund schaute Frank sie seltsam an. „Was?“, fragte sie nach.
„Du bist traurig. Hat er dich verletzt?“
Ein kurzes Mundwinkelzucken flog über Jazmins Gesicht, gefolgt von einem hängenden Kopf. Jazmin wollte auch nicht darüber sprechen, jedenfalls nicht mit ihrem Dad. Doch Frank wollte genau wissen was vorgefallen war. Er hasste es wenn Jazmin traurig war.
„Jazmin?“
„Er hat mir nur vor Augen geführt dass ich kein normales Wesen bin. Außerdem hab ich durch ihn gerade einen riesen Hunger bekommen. Wir reden später okay?“
„Nein, Jaz. Was hat er gesagt?“
„Dad, das ist doch egal. Ich werde nie mehr ein normales Leben führen, also muss ich so oder so damit leben. Und Aaron hatte recht. Mit allem was er zwischen den Zeilen gesagt hat. Ich hab echt hunger. Bin aber bei Zeiten zurück. Bis später.“
Diesmal ließ Frank sie einfach gehen. Er hasste sich dafür, dass er so selbstsüchtig war, und sie verwandeln ließ. Aber das war bereits ein paar Jahre her und erst jetzt wo sie Aaron kennen gelernt hatte, schien sie mit ihrem Leben unglücklich zu sein. Frank begann darüber nachzudenken, ob Zachury nicht vielleicht doch zurück kommen sollte. Jazmin hingegen stand mitten im Wald und überlegte was sie sich als ihr neues Opfer aussuchen sollte. Obwohl sie sowieso davon ausging mit leerem Magen zu Bett zu gehen. Konzentration war jetzt gerade nicht so ihre Stärke.
Aaron kam nachhause und stellte fest, dass er gerast sein musste. Geraldine saß noch immer mit Kyle auf der Veranda. Sie lächelte und schien ihre Panik vor einigen Tagen vergessen zu haben. Wenigstens eine wurde glücklich. Es kotzte ihn sogar an. Er war neidisch auf seine Adoptivschwester. Kyle sah plötzlich zu ihm herüber, sagte etwas und Geraldine schaute ebenfalls zu ihm. Sie sah aus, als hätte gewusst, was geschehen war. Sie stand sogar auf um zu ihm zu laufen. Doch Aaron schüttelte nur mit dem Kopf; er brauchte das einfach nicht. Um nicht an den Beiden vorbei zu müssen, ging er zu den Ställen. Er setzte sich auf eine Bank vor einem der Ställe, legte seinen Kopf in den Nacken und schloss seine Augen. Während er so da saß, versuchte er zu verstehen, wie es möglich sein konnte, dass er die tot geglaubte Claire im Wald sehen konnte; als ihm dann noch ein seltsames kaltes Gefühl beschlich, öffnete er seine Augen blitzschnell und schaute sich um. Dieses Gefühl war so wie es in der Schule war, als er zum ersten Mal Kyle sah. Doch es war niemand zu sehen.
Nach einer halben Stunde, hörte Aaron Schritte. Er schaute in die Richtung und sah Geraldine, die auf ihn zukam. Kyle war nirgends zu sehen.
„Hey“, ertönte ihre liebliche Stimme, „alles klar bei dir?“
„Hm“, zu mehr war Aaron nicht fähig und schaute auch schon wieder weg.
„Hat sie dich wieder abblitzen lassen?“
„Kann man so sagen. Sie hält mich für oberflächlich.“
„Aaron, nimms mir nicht böse, aber wir SIND oberflächlich. Das waren wir schon immer.“
„Das ist es auch nicht, was mich so sehr stört. Sie hat es in einem Ton gesagt, der mir verdeutlichte dass … ach ich hab keine Ahnung. Ich hab echt das Gefühl, dass sie nur mit mir gespielt hat. Ich dachte echt, Jazmin wäre anders. Aber sie ist nur eine tiefgründige Brandy.“
Geraldine grinste etwas. „Jetzt weißt du auch mal, wie sich deine Spielchen anfühlen.“ Danach wurde aber Geraldine aber wieder ernst. „Gib ihr Zeit. Zeig ihr dass du auch tiefgründig sein kannst.“
Aaron schnaubte, „Als wenn du das gutheißen würdest.“
„Bitte?“, Geraldine schaute ihn fassungslos an.
„Du warst doch seit unserer Pubertät scharf auf mich, wolltest mich nie teilen und nun hast du Verständnis dafür? Bitte, komm schon Geraldine. So eine riesen Heuchlerin kannst selbst du nicht sein. Du wolltest mich doch immer nur für dich und hast alle Beziehungen zerstört in denen es schien ernst zu werden.“
Verständnislos und sichtlich verärgert stand Geraldine auf und ehe Aaron sich versah, knallte auch schon Geraldines Hand auf Aarons linker Wange. Sie kochte vor Wut und wollte noch etwas sagen, doch statt dessen biss sie sich auf die Unterlippe und stampfte zurück zum Haus.
amyfake78- ~Flying over tree tops with Edward~
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