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Wunderliche Kurzgeschichtensammlung

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Beitrag  Gast So 26 Sep 2010, 03:07

.. mehr oder weniger.
Ich weiß nicht, ich dachte, ich veröffentliche ebenfalls meine Kurzgeschichten.
Man findet hier wohl hauptsächlich Prosa, andernfalls kündige ich das natürlich vorher an.
Ich würde mich selbstverständlich sehr über Feedback freuen, wenn ich denn welches bekommen sollte. Wunderliche Kurzgeschichtensammlung 582515 Der Thread hierfür befindet sich hinter diesem Link
Liebe Grüße,
Lilly.
_________

Art der Kurzgeschichte: Prosa
Genre: Als Drama einzuordnen, so spontan.

Hinreißend

Ich konnte mich noch genau daran erinnern, wie du immer zu mir gesagt hast, dass ich dir nur Geschichten mit einem glücklichen Ende vorlesen durfte. Weil es, wie du stetig hinzugefügt hast, in der Welt genug Unglück gab und Geschichten ein Weg waren, für einige süße Momente der gesamten Hysterie zu entfliehen.
Ich denke, diese Geschichte würde dir gefallen. Ich denke, du würdest lächeln, wenn die letzten Buchstaben aufhören, einfach nur wahllos aneinandergereihte Zeichen zu sein, deren sich dir nicht erschließt.
Ich denke, dass ich zu viel denke.
Sicher war ich mir nur dessen, dass das Foto vergilbt war, als ich es in meinen Händen hielt, fast so, als könnte es jeden Moment zu wirbelndem Staub zerfallen.
Der Fotograf, seinen Namen vermochte ich nicht mehr zu nennen, schien einen Moment erwischt zu haben, indem der Wind dir durch dein glattes, dunkelbraunes Haar fuhr und sich in deinem Lieblingskleid, das du immer nur an Freitagen trugst, da dies dein Lieblingstag war, seit du erfahren hattest, dass deine von dir innig geliebte Tante an einem Freitag geboren und an einem Freitag gestorben war, einnistete. Ich meinte sogar zu sehen, wie er dir liebreizende Verlockungen in dein Ohr wisperte.
Dabei könnte dein Haar auch hellbraun gewesen sein, es hätte keinen Unterschied gemacht, schließlich hattest du darauf bestanden, ein Foto in schwarz - weiß zu schießen. Zu schade nur, dass es mir dadurch verwehrt blieb, etwas anderes in dir zu sehen, als eine Erinnerung.
Das, was du eben warst.
Natürlich konnten meine Augen Farben erkennen, wenn sie es wollten, doch trotzdem blieb es ein Foto, das ich ansah. Das wusste ich, genauso, wie du es gewusst hättest, wärst du hier gewesen. Das Kleid lag aber bei mir, deshalb konnte ich auch das entzückende Marineblau riechen, wenn ich dich und es näher betrachtete.
Ich weiß nicht, ich hätte dich oft mit Tausenden von Wörtern bezeichnen können, ohne, dass es auch nur eines davon geschafft hätte, einem stummen Fremden zu sagen, wie du wirklich warst.
Allerdings bin ich mir sicher, dass du es gemocht hättest, wenn ich dich mit deinem Lieblingswort umschrieben hätte.
Ich glaube aber trotzdem kaum, dass du es, als du mich später fandest, als hinreißend bezeichnet hättest, wie ich dalag, einem friedlichen Schlafen gleich, nur ohne beruhigende Atemzüge. Hätte ich dein panisches ‘Papa’ noch vernommen, würde auch dieses wundervolle Adjektiv einen bitteren Beigeschmack bekommen.
Aber so war es nichts weiter, als das, für was ich es hielt.
Hinreißend.

Gast
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Beitrag  Gast Mo 11 Okt 2010, 15:56

Einzige Anmerkung: Der Name bezieht sich nicht auf eine Person aus einem real existierenden Buch. Ich fand ihn nur fürchterlich passend ;)
____

Art der Kurzgeschichte: Prosa
Genre: Ich glaube, auf Anhieb fällt mir hierzu nichts ein.



Regen

“Das ist jetzt schon das dritte Mal, dass du anrufst. Hast du denn eine Ahnung, wie es ist, immer wieder dieses nervtötende Klingeln zu vernehmen? Wäre das vermaledeite Telefon nicht so teuer gewesen, hätte ich es bereits an die Wand geschmissen, Herr Gott!”
“Du klingst, als hättest du einen zermürbenden Tag hinter dir gehabt.”
Und genau deshalb hasste sie diese Art von Telefongesprächen. Weil Jasper nicht nur fürchterlich ruhig blieb, während sie ihn zum Teufel wünschte, sondern auch von Sätzen sprach, die klangen, als würden sie auf einen Fremden zutreffen, gleichzeitig aber frustrierend genau in ihre Situation passten. Was sie überdies aufregte, war die eindeutige Tatsache, dass sein Tag eben gerade nicht zermürbend gewesen war.
“Deine Unsensibilität geht mir auf die Nerven.”
“Deine schlechte Laune geht mir auf die Nerven.”
Wie üblich folgte darauf nur ein Augenverdrehen, das er zwar nicht sehen, sich aber mehr als nur gut vorstellen konnte. Sie war es leid, dass er so ein wundervolles Gespür für Probleme jeglicher Art hatte.
Jasper war Pfarrer.
“Wie viel Grad hat es draußen?”, fragte sie schließlich unwirsch und ließ seine Bemerkung unkommentiert, da sie fand, dass sie es nicht wert war, Beachtung geschenkt zu bekommen.
“Vierzig, man könnte meinen, Scott hätte seine Potenz verloren.“ Es war zwar nicht gerade untypisch, dass er mehr nebensächlich auf Fragen einging, die vom Thema ablenken sollten, aber normalerweise wusste er, dass sie es nicht mochte, wenn man versuchte, ihr zu helfen. Heute war die Grundneugier wohl erstaunlich hoch.
“Ich beichte nicht, Vater”, murmelte sie ehrfürchtig, während sie heißes Wasser aufsetzte. Jasper nahm das Klicken wahr, das immer entstand, wenn man die Herdplatten anmachte. Es war ein alter Herd.
“Kochst du Tee? Ich möchte auch Tee. Ich könnte Tee generell öfter trinken. Aber ich mache es nicht. Warum mache ich es nicht, Beth?”
Ein Laut, der wohl einem Knurren gleichen sollte, aber von der Form her eher an ein Fauchen erinnerte, flüchtete aus ihrer Kehle. Er durfte sie nicht Beth nennen. Niemand durfte das. Außer Cora, aber Cora war eine Ausnahme.
“Trink einen Tee mit mir. Du bist ein toter Mensch, Jasper.”
Er begann zu lachen, hoch und klar und nicht zu seiner Stimme passend.
“Man würde meinen, du hättest vor, mich zu vergiften. Aber mir gefällt die Vorstellung, dass du mich mit deiner Teetasse erschlägst. Das hat Stil, merkwürdigerweise, meinst du nicht?”
Sie dachte kurz darüber nach, schüttelte schlussendlich aber doch nur den Kopf.
“Das ergibt summa summarum zehn Jahre Fegefeuer. Eine Vergiftung bringt mir nicht ganz so viel ein.”
“Du vergisst, dass man für Mord alleine von zwanzig Jahren Fegefeuer ausgehen kann.” Er ließ die Bemerkung einfach im kleinen Raum zwischen Telefonhörer und Ohrmuschel stehen.
“Zwanzig Jahre? Das kann ich ja nicht einmal mit Kartenspielen überbrücken. Gut, verwerfen wir das Ganze und einigen uns darauf, dass du mich nicht Beth zu nennen hast.”
Jasper seufzte.
“Kommst du morgen?”, fragte er nach.
“Was? Wohin? Was ist morgen? Schon wieder ein Geburtstag, von dem mir keiner erzählt hat?”
“Beruhige dich. Morgen ist nur Sonntag. Ich dachte, die Predigt könnte dich interessieren. Und du musst mir nicht jedes Mal unter die Nase reiben, dass ich vergessen hatte, Elaines Geburtstagsfeier zu erwähnen. Gekommen wärst du sowieso nicht.”
Mit einer gewissen Bitterkeit auf der Zunge öffnete sie den Schrank und nahm zwei Tassen heraus, die eine blau, die andere weiß, aber beide aus schlichtem Porzellan.
“Früchtetee? Oder Schwarzen? Ich hätte auch Pfefferminz und Kamille da.” Sie selbst entschied sich für ersteres.
“Pfefferminz. Was soviel heißt wie ‘Ich schlafe morgen aus’, oder irre ich?”
“Nein, Jasper. Es soll nur heißen, dass ich morgen nicht hingehe”, erwiderte sie mit einem freudevollen Lächeln auf den Lippen, das so gar nicht zu ihrer Stimmung passen wollte. Sie goss das heiße Wasser in die beiden Tassen und nahm sich zwei Teebeutel.
“Und die Predigt, die kannst du mir auch gleich vortragen, denn wenn du dich jetzt nicht auf den Weg machst, ist dein Tee kalt.”
Am anderen Ende der Leitung war ein leichtes Rascheln zu hören, bevor ein Reisverschluss zugezogen wurde.
“Der Motor läuft schon. Bis gleich.” Es klickte. Er hatte aufgelegt.
Achtlos warf sie süßes Gebäck in eine Glasschüssel, stellte Honig, Milch und Zucker hinaus und balancierte alles auf einem Tablett hinein in das altmodische Wohnzimmer mit den vergilbten Vorhängen und dem auseinander fallenden Sofa.
Mit Stolz stellte sie es auf dem kleinen Tischchen ab und drehte sich um.
“Cora?”, fragte sie in die Stille hinein, da sie es nicht ertragen konnte, wenn ihre Schwester regungslos in ihrem Zimmer lag und träumte, nicht, weil sie es ihr nicht gönnte, aber wohl, weil sie schrecklich neidisch war.
Cora lugte um die Ecke. Sie sah müde aus und unglücklich und ein bisschen ernst. Ein bisschen zu ernst, für eine Sechsjährige. Sie schien schon zu wissen, dass es Jasper war, der vorbeikam, weshalb sie auch nur nickte und ein Lächeln zeigte.
“Es regnet heute, Beth.”

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Beitrag  Gast So 31 Okt 2010, 00:27

So, eine weitere Geschichte.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich absolut nicht zufrieden bin. Weil ich keine richtige Aussage dahinter finde. Aber naja, zu viel Selbstkritelei, wie ich sie nun einmal betätige, tut auch nicht gut.
Viel Spaß Wunderliche Kurzgeschichtensammlung 582515
__

Art der Kurzgeschichte: Prosa
Genre: Oh Merlin. ôO Allgemein?


Sterbend


Helena drehte den Schlüssel mit vernichtender Frustration im Schloss herum.
Einmal. Zweimal.
Ein leises Klicken, welches in der Stille unheimlich laut und schrill und unliebsam verklang, verkündete, dass die Tür offen war, sodass jeder, der nun hätte hinein wollen, auch hinein gekonnt hätte. Da dies nur auf Helena zutraf - und sie war nicht unglücklich darüber - standen schlussendlich zwei graue halbhohe Schnürstiefel auf dem sauberen Parkett, penibel nebeneinandergestellt, als käme es auf jeden Millimeter an.
Helena hatte sich die Wohnung gekauft, da sie klein, zentral und bezahlbar war. Was man selten fand.
Ein paar staubige Sekunden lang war es vollkommen stumm im Haus, dann begann das Telefon zu läuten, was sie fürchterlich erschreckte, da sie Telefonaten eine enorme Verachtung entgegenbrachte, weshalb es verwunderlich war, dass sie überhaupt eines besaß. Zumal kaum jemand ihre Nummer hatte.
Da das Läuten leider nicht aufhörte, immer heller und heller wurde, immer penetranter und schrecklich aufdringlich, hastete sie auf den Hörer zu und drückte den kleinen, grünen Knopf.
“Hallo? Hallo?”, fragte sie und zitterte leicht, ein bisschen vor Nervosität.
“Hey, Helena .” Sie erkannte augenblicklich, dass es Glen sein musste, der da sprach. Glen, welcher offiziell als ihr fester Freund galt, es allerdings nicht war, fand, dass man den ersten Teil ihres Namens betonen musste. Sie teilte diese Meinung nicht.
“Ja, ja?” Eine Angewohnheit war, viele Wörter, aber nicht alle, zu wiederholen.
“Ich wollte noch einmal nachfragen, wegen Louise..”
Sie unterbrach ihn nicht, nein, er beendete den Satz aus vollkommen freien Stücken nicht, da er wusste, wie aussichtslos die Situation und wie stur Helena war.
Nein”, kam die Antwort, abrupt, aber mit Bestimmtheit. “Nein. Du weißt, wie ich dazu stehe und ich sehe nicht ein, meine Meinung zu ändern.”
Verzweiflung am anderen Ende der Leitung.
“Aber, bitte, du weißt doch, sie hat keine andere Möglichkeit mehr, wenn du doch nur.. -”
Diesmal wurde er tatsächlich unterbrochen.
Was verstehst du an 'nein' nicht? Ich kann Louise nun einmal nicht leiden, das weißt du, und ich setze mich nicht für sie ein. Im Leben nicht!”
Ihre Stimme war eisig geworden und auch, wenn man durch Stimmen nur in schlechten Filmen und Büchern frösteln konnte, so tat Glen dies im Moment.
Der Anlass für Helena, aufzulegen.

Und schlussendlich sah sie sich einen Film an.
Sie hätte viele andere Dinge tun können und tun müssen, aber nach Telefongesprächen wollte sie meist nichts mehr von solchen Dingen wissen.
Es war einer dieser kitschigen Liebesfilme, die es zu Tausenden gab, und bei denen man meistens nur anhand der Namen der Protagonisten erkennen konnte, dass sie sich nicht vollkommen glichen.
Merkwürdigerweise aber konnte sie sich nicht darauf konzentrieren. Zuerst fand sie das nicht sehr verwunderlich, waren ihr die flimmernden Farben doch nur am Rande bewusst, da sie sich nur mit ihnen beschäftigte, um etwas zu tun zu haben, aber als sie sich nicht einmal sicher war, welchen Namen die männliche Hauptperson trug - war es nun John, James oder doch Nick? - war die Befremdlichkeit nur von kurzer Dauer.
Sie hätte zetern wollen, schreien, ein bisschen weinen und sich beklagen, bei jedem und still für sich, aber der Name war nun einmal André.
Einige qualvolle Sekunden starrte sie auf den Bildschirm.
“Im Leben nicht”, murmelte Helena und starb ihren eigenen, kleinen Tod, während sie zum Hörer griff.

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