Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
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Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
Wie der Titel schon sagt, ist das Twilight aus Rosalies Sicht.
Die Rechte an den meisten Figuren liegen natürlich bei Stephenie Meyer und ich verdiene selbstverständlich kein Geld damit.
Ich schreibe diese Geschichte, um Rosalies Verhalten Bella gegenüber besser zu verstehen und ich hoffe, dass sie euch gefällt.
Ach ja, ich würde mich wirklich freuen, wenn ihr mir nach dem Lesen HIER einen kleinen Leseeindruck hinterlassen würdet.
Danke schon mal im Voraus.
Die Rechte an den meisten Figuren liegen natürlich bei Stephenie Meyer und ich verdiene selbstverständlich kein Geld damit.
Ich schreibe diese Geschichte, um Rosalies Verhalten Bella gegenüber besser zu verstehen und ich hoffe, dass sie euch gefällt.
Ach ja, ich würde mich wirklich freuen, wenn ihr mir nach dem Lesen HIER einen kleinen Leseeindruck hinterlassen würdet.
Danke schon mal im Voraus.
1. Ein Mädchen wie jedes andere
Es war an einem ganz gewöhnlichen Morgen im Januar 2005, als meine Geschwister und ich Isabella Swan das erste Mal sahen. Damals wusste noch keiner von uns, was ihr Auftauchen für schwerwiegende Folgen für unsere geheime Existenz haben würde.
Eigentlich war der Tag bisher wie immer verlaufen – nämlich sterbend langweilig. Der Unterricht selbst war schon sehr ermüdend, schließlich kannten wir den Stoff besser als die Lehrer, doch auch die Mittagspause bot für uns kaum die willkommene Abwechslung, die sie für die anderen Schüler darstellte. Zum einen lag das daran, dass keiner von uns auch nur jemals einen Bissen fester Nahrung zu sich nahm. Sollten wir jemals die Cafeteria nutzen, um zu speisen, würde das wohl für einen ziemlichen Aufruhr sorgen, denn bei meiner Familie handelt es sich um Vampire. Zwar machen wir keine Jagd auf Menschen und ernähren uns ausschließlich von tierischem Blut, jedoch ist unser Lebensstil trotzdem mit einem gewissen Restrisiko für die Menschen um uns herum verbunden. Zum anderen war keiner von uns auch nur im Geringsten am Klatsch der anderen Schüler interessiert, weshalb die Mittagspause genauso wenig aufregend für uns war, wie jegliche andere Zeit, die wir in der Schule verbrachten.
Etwas jedoch sollte an diesem Tag unser Dasein für immer verändern. Noch heute erinnere ich mich genau an den Augenblick, in dem Isabella Swan das erste Mal die Cafeteria der Forks High School betrat und sich sofort alle Köpfe zur ihr wandten, um die Neue anzustarren. Nun gut, ganz so neu war sie nicht; man hatte schon so einiges über sie gehört. Isabella war die Tochter des Chiefs von Forks, wo wir uns momentan des regnerischen Wetters wegen aufhielten. Ihre Eltern waren geschieden, daher war sie nicht hier, sondern in Arizona bei ihrer Mutter aufgewachsen und nun in dieses verschlafene Städtchen zurückgekehrt, um bei ihrem Vater zu leben. Ich fragte mich jedoch, was so besonders daran sein sollte. Was war so besonders an ihr, dass sämtliche Schüler ihr so viel Aufmerksamkeit schenkten? Für mich war sie zumindest in jeder Beziehung unauffällig. Mittelgroß, schlank und mit langen, dunkelbraunen Haaren, die ihr offen über die schmalen Schultern fielen. Abgesehen davon war sie sehr blass für ein Mädchen aus Arizona, aber auch so was kam durchaus vor. Also warum sollte sich irgendjemand für dieses gewöhnliche, menschliche Mädchen interessieren, wenn ich doch nur ein paar Tische weiter saß?
Als ich meinen Blick so durch den Raum schweifen ließ, entdeckte ich mein Profil, das sich in der Brille eines Schülers spiegelte. Das verstand ich unter wahrer Schönheit. Die lange blonde Haarmähne, das scharf geschnittene Gesicht, der perfekte Körper… Mir fiel auf, dass meine dunklen Augen einen starken Kontrast zu meiner hellen Haut bildeten; es wurde also mal wieder Zeit, auf die Jagd zu gehen. Auch in meiner Zeit als Mensch war ich schon ungewöhnlich hübsch gewesen; dieses Mädchen konnte man also kaum mit mir vergleichen, und doch wanderten die Blicke aller Jungen in der Cafeteria ständig zu ihr. Immer wieder fragte ich mich, warum das wohl so war, kam aber schließlich zu dem Schluss, dass es wahrscheinlich gar keinen besonderen Grund hatte. Sie war eben Frischfleisch hier und die Jungs stürzten sich auf sie, wie Geier auf einen soeben erspähten Kadaver.
In diesem Augenblick sah Isabella auf und ich erhaschte einen kurzen Blick in ihre schokoladenbraunen Augen. Sie saß an dem von uns am weitesten entfernten Tisch und blickte zu mir und meinen Geschwistern herüber. Verständlich. Wahrscheinlich hatte ihr ihre Sitznachbarin schon sämtliche Gerüchte über uns erzählt. Nachdem ihr Blick über uns alle gewandert war, blieb er auf meinem jüngsten Bruder ruhen.
Ha. Da brauchte sie sich gar nicht erst falsche Hoffnungen zu machen; Edward war nicht an Mädchen interessiert. Das merkte man schon allein an der Tatsache, dass ihn mein Anblick damals völlig kalt gelassen hatte. Wenn ihn meine Schönheit nicht berührte, dann gab es zweifelsohne keine attraktive Frau auf Erden, die ihn erreichen konnte. Außerdem war sie ein Mensch. Sie würde seine Aufmerksamkeit unter keinen Umständen erregen.
„Jessica Stanley teilt dem Swan-Mädchen die ganze schmutzige Wäsche über den Cullen-Clan mit“, flüsterte Edward meinem anderen angeblichen Adoptivbruder Emmett zu, bei dem es sich eigentlich nicht nur um meinen Freund, sondern auch um meinen Ehemann handelte. Ich liebte es, ihn an fast jedem Ort, an den wir zogen, nach einiger Zeit erneut zu heiraten. In wenigen Jahren könnte es auch hier wieder soweit sein. Jetzt kicherte Emmett, worauf Edward erneut sprach:
„Eigentlich sehr einfallslos. Nur der kleinste Hinweis eines Skandals. Kein Quäntchen Horror. Ich bin ein bisschen enttäuscht.“
Ach, ich hasste es, wenn er das tat. Edward hatte die nervige Fähigkeit, die Gedanken anderer lesen zu können, und anscheinend hatte er gerade wieder einmal auf etwas geantwortet, das Emmett lediglich im Kopf herumgegangen war.
Während ich mich in Gedanken noch weiter darüber aufregte, dass mir diese seltene Gabe nicht vergönnt war, hob Edward plötzlich seinen Kopf und sah zu der Neuen – genau in dem Moment, als auch sie ihn wieder anstarrte. Ihre Blicke trafen sich und ich stellte fest, dass Edward irgendwie frustriert und auf eine seltsame Art unbefriedigt wirkte. Etwas, das ich in dieser Form in seinem Gesicht noch nie zuvor hatte ausmachen können. Er sah noch immer so merkwürdig aus, als Isabella schon längst wieder ihren Blick gesenkt hatte, doch bevor ich ihn nach seinem Befinden fragen konnte, wurden meine Gedanken vom Schellen unterbrochen, das das Ende der Pause verkündete. Jedoch reagierte niemand am Tisch. Meine Schwester Alice war bereits gegangen und wir anderen saßen noch wie versteinert da.
„Sollen wir?“, murmelte ich daher, woraufhin wir vier völlig lautlos aufstanden und die Cafeteria verließen. Draußen wiederholte Emmett die Frage, die er vorhin nur in Gedanken gestellt und die Edward noch nicht beantwortet hatte:
„Also, hat die Neue jetzt Angst vor uns?“
Neugierig blickte ich zu Edward; ich fand es immer höchst amüsant, wenn die anderen Schüler Schauergeschichten über uns austauschten, doch dieses Mal wurde ich enttäuscht, denn mein Bruder antwortete nicht und ging einfach davon. Verblüfft sah ich ihm hinterher, bevor ich mich zusammen mit Emmett und meinem anderen Bruder Jasper auf den Weg zu unseren nächsten Kursen machte. Wir gaben vor, in der Abschlussklasse zu sein; Alice und Edward spielten jüngere Rollen. Sie besuchten den Jahrgang unter uns, zu dem seit Neustem auch Isabella Swan gehörte. Was war es nur, das meinen Bruder beim Lesen ihrer Gedanken beunruhigt hatte?
Die darauffolgende Stunde Mathematik verlief wie erwartet – öde und ereignislos. Ebenso der Rest des Schultages, wenn man mal davon absah, dass Sarah Coleman in Physik plötzlich aus dem Klassenraum gestürmt war, weil ihr das Mittagessen wieder hochkam. Denkbar erleichtert war ich daher, als die letzte Stunde endlich endete. Ich packte meine Sachen zusammen, stand auf und ging dann in menschlicher Geschwindigkeit zu Edwards Volvo, mit dem wir immer gemeinsam fuhren. Obwohl es ein recht schlichtes, silbernes Modell war, fiel es auf dem Schulparkplatz auf, wie ein bunter Hund. Allerdings war das immer noch unauffälliger, als jeder andere Wagen, der sich in unserem Besitz befand, weshalb er für die Fahrten zur Schule herhalten musste.
Die anderen warteten schon, ausgenommen der Besitzer des Wagens, der erst einige Minuten später auftauchte. Er sah aufgewühlt aus und keuchte in der frischen Luft, als wäre er kurz vorm Ersticken. Wieder so eine seltsame Aktion…
„Edward?“, fragte Alice alarmiert, doch er schüttelte nur verstört den Kopf.
„Was zur Hölle ist denn mit dir passiert?“, wollte auch Emmett verwundert wissen.
Ja, das hätte mich allerdings auch mal interessiert. Was war nur los mit ihm? Ich konnte mich nicht erinnern, ihn je so fassungslos und aufgeregt erlebt zu haben. Zumal sich sein seltsames Verhalten auch auf seine Fahrweise übertrug, als es dann endlich nach Hause ging. Er fuhr zu schnell. Viel zu schnell. Für uns war das vielleicht normal, aber den Menschen könnte es auffallen, weshalb wir eigentlich immer darauf achteten, nicht sämtliche Verkehrsregeln zu missachten. Gerade Edward war immer besonders beherrscht und vorsichtig; das konnte er deutlich besser als wir anderen. Wenn er aus seiner Rolle fiel, musste etwas verdammt Wichtiges passiert sein.
Emmett, Jasper und ich drehten uns zu Alice um. Wenn einer wusste, was los war, dann sie, doch sie zuckte nur mit den Schultern und wandte sich an Edward: „Du verlässt uns?“ Die Frage gab mir nur noch neue Rätsel auf. Was zum Teufel sollte das heißen? Ich starrte ihn an.
„Tue ich das?“, zischte er durch seine zusammengebissenen Zähne.
Wie, er wusste es selbst nicht?!
„Oh“, machte Alice. Unterhaltungen zwischen ihr und Edward waren immer besonders frustrierend. Ebenso wie Edward hatte sie eine sehr außergewöhnliche Gabe, die es ihr ermöglichte, in die Zukunft zu sehen. Ihre Visionen waren nicht immer sehr zuverlässig, da sie von den Entscheidungen jener, die sie sah, abhingen, aber es konnte manchmal sehr nützlich sein. Auch in diesem Moment konnte ich an ihrem Gesichtsausdruck erkennen, dass sie sich in Gedanken nicht im Hier und Jetzt befand. Genervt seufzte ich auf. Konnte sie sich nicht ausnahmsweise mal verständlich ausdrücken? Wir konnten schließlich nicht alle Gedankenlesen!
„Stopp!“, stöhnte Edward.
„Sorry“, flüsterte Alice mit geweiteten Augen. „Ich werde dich vermissen. Egal, wie kurz du weg sein wirst.“ Er ging also wirklich… Warum nur? Ich tauschte mit Emmett einen besorgten Blick. Er schien ebenso ratlos wie ich. Und offensichtlich war ich nicht die Einzige, der die Beiden mit ihrer stummen Unterhaltung tierisch auf die Nerven gingen.
Kurz bevor wir die Auffahrt zu unserem Haus erreichten, schlug Alice vor:
„ Lass uns hier raus… Du solltest es Carlisle sagen!“
Edward nickte und brachte das Auto quietschend zum Stehen. Das Geräusch tat mir in den Ohren weh und war ein erneuter Beweis für die augenblickliche Diskrepanz meines Bruders. Unter normalen Umständen würde er niemals derart grausam mit seinem Auto umgehen.
Emmett, Jasper und ich stiegen schweigend aus; wir würden Alice später nach einer Erklärung fragen. Während ich auf unser Haus zulief, hörte ich jedoch noch ihre Stimme:
„Du wirst das Richtige tun. Sie ist Charlie Swans einzige Familie. Es würde auch ihn töten.“ Edwards Antwort hörte ich nicht mehr, aber diese Aussage reichte, um mich noch weiter zu verwirren. Es ging um die Neue? Isabella Swan? Von der ich heute Morgen noch gedacht hatte, dass sie keinerlei Einfluss auf uns ausüben würde? Scheinbar hatte ich mich da geirrt.
Zuletzt von Rose_fan 4 ever am Sa 19 Jan 2013, 13:17 bearbeitet; insgesamt 42-mal bearbeitet (Grund : Wiederholte Überarbeitung der absolut perfektionistischen Autorin)
Rose_fan 4 ever- ~Meadow Visitor~
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
2. Ungewissheit
Edward war weg. Nach Alice‘ Aussage hielt er sich gegenwärtig in Alaska, bei unseren Freunden, dem Denali-Clan, auf. Sie waren bis jetzt die einzigen Vampire, die wir getroffen hatten, die so lebten wie wir. Die sich von Tierblut ernährten und einen festen Wohnsitz hatten. Fünf Tage waren seit Edwards überstürztem Aufbruch bereits vergangen und ich hoffte inständig, dass er bald wiederkam kam. Ohne ihn fehlte unserer Familie etwas. Ich vermisste ihn aufrichtig und das, obwohl wir sonst doch nur die meiste Zeit aneinandergerieten. Unsere kleinen Streitereien fehlten mir ebenso wie sein bezauberndes Klavierspiel. Ohne Edward herrschte im Haus eine Atmosphäre, deren Ernsthaftigkeit mir zusehend zu schaffen machte. Alice, die sonst dafür zuständig war, dass es nie zu still hier wurde, lief permanent mit einem für sie völlig untypisch ernsten Gesichtsausdruck herum, während sie die Zukunft beobachtete, und selbst unsere ‚Mutter‘ Esme hatte an Herzlichkeit eingebüßt – die Abwesenheit ihres dritten Sohnes betrübte sie sehr.
Nachdem Edward so plötzlich verschwunden war, hatte sich der Rest der Familie im Wohnzimmer versammelt, bis auf unseren ‚Vater‘ Carlisle, der zu dem Zeitpunkt noch im Krankenhaus seine Arbeit zu erledigen hatte. Die allgemeine Neugierde war kaum zu bezwingen gewesen – wir alle hatten Alice mit Fragen bestürmt, bis sie endlich zu sprechen begonnen hatte:
„Es ist dieses Mädchen, Bella Swan“, bestätigte sie meine kühnsten Vermutungen. „Sie hat für Edward einen besonders betörenden Duft. Vielleicht hätte es besser ausgesehen, wenn sie in Bio nicht neben ihm gesessen hätte, aber so…“ Das Mädchen hatte neben ihm gesessen? Seltsam. Normalerweise säße Alice neben ihm, aber sie war in einem anderen Biologiekurs, so dass der Platz neben Edward im Normalfall frei blieb. Die anderen Plätze mussten alle besetzt gewesen sein, denn kein Mensch setzte sich freiwillig neben einen von uns, dafür sorgten die natürlichen Instinkte. Es wunderte mich jedoch, wie heftig Edward scheinbar auf das Mädchen reagiert hatte. Natürlich gab es immer Menschen, die besser rochen als andere, aber Edward führte dieses Leben jetzt seit mehr als siebzig Jahren ohne einen einzigen Ausrutscher. Er hatte sich vollkommen unter Kontrolle – oder zumindest hatte ich das immer gedacht. Was hatte ihn also dazu gebracht, einfach vor diesem Mädchen davonzulaufen? Das sah meinem Bruder nun wirklich nicht ähnlich.
„Er hatte Angst sie zu töten, aber er wird wiederkommen. Ich weiß noch nicht wann, doch er wird sich sicherlich bald entscheiden“, sprach Alice weiter. Na, das wollte ich auch hoffen. Schließlich konnte er sich nicht einfach von diesem kleinen Mädchen verjagen lassen! Natürlich war es auch nicht gut, wenn er sie tötete; das könnte unsere Familie noch mehr in Gefahr bringen, wenn man es nicht richtig anstellte…
In diesem Moment unterbrach Jasper meine Gedankengänge:
„Ich wusste nicht, dass es so was gibt. Vielleicht fehlt mir auch nur die nötige Erfahrung, aber für mich riecht dieses Mädchen nicht besser als jedes andere. Ist denn einem von euch schon mal etwas Ähnliches passiert?“ Alice und Esme, die uns zwar still, aber aufmerksam zugehört hatte, verneinten und auch ich schüttelte den Kopf, doch zu meiner Überraschung nickte Emmett langsam.
„Ja, mir schon. Sogar zweimal. Wobei man dazu sagen muss, dass es beim zweiten Mal echt um einiges stärker war“, antwortete er.
„Wirklich? Was ist passiert? Hast du die Menschen getötet?“, wollte ich mehr als nur aufgeregt wissen. Das hatte er mir nie erzählt.
„Ja, Rose. Allerdings war es bei mir anders als bei Ed. Es waren unbekannte Frauen, die ich rein zufällig traf.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er schließlich weitersprach:
„Das eine Mal war vor ungefähr fünfzig Jahren. Ich ging gerade in der Abenddämmerung eine kleine Landstraße entlang, wo eine Frau – sie war vielleicht so Mitte dreißig – trockene Blätter zwischen ihren Apfelbäumen aufsammelte. Zuerst beachtete ich sie gar nicht; ich war beschäftigt. Musste was für dich, Süße, erledigen.“ Er warf mir einen liebevollen Blick zu.
„Doch plötzlich wehte eine Brise durch die Nacht und blies mir ihren Duft direkt ins Gesicht…“ Ich merkte, dass Emmett es unterdrücken wollte, doch ihm entfuhr doch ein genussvoller Seufzer, als er sich daran zurückerinnerte.
„Ich konnte nichts tun“, fuhr er fort, als er meinen Blick bemerkte. „Hab nicht einmal eine halbe Sekunde gebraucht. Mich zurückzuhalten kam mir gar nicht in den Sinn…Wenn es bei Edward genauso ist, dann beeindruckt mich seine Beherrschung wirklich. Ich hätte das nie so lange durchgehalten. Ich meine, dieser Rausch … das war echt krass damals.“ Schweigen folgte auf diese Rede, die man ja fast schon als Geständnis bezeichnen konnte. Irgendwie schien das alles doch schlimmer zu sein, als ich zuerst gedacht hatte. Wahrscheinlich konnte ich mich glücklich schätzen, dass ich von dieser Erfahrung bis jetzt verschont geworden war. Wer wusste schon, ob ich dem Verlangen in diesem Fall noch Stand halten könnte? Meine Selbstbeherrschung war zwar ausgezeichnet, aber wenn dieses Phänomen selbst Edward ins Wanken brachte, durfte man es auf keinen Fall unterschätzen.
Nun saß ich abermals im Wohnzimmer und zappte in Rekordgeschwindigkeit durch die Kanäle. Das tat ich immer, wenn es meine Ungeduld zu bezähmen galt. Es beschäftigte meine Hände, aber nicht mein Hirn, so dass ich nebenher in Ruhe nachdenken konnte, sofern mir danach war, und genau das brauchte ich jetzt. Schließlich war das allemal besser, als meinen Frust an den Wohnzimmermöbeln auszulassen. Außer Alice, die geistesabwesend das ohnehin schon ordentliche Zimmer aufräumte, während sie in die Zukunft blickte, war ich völlig allein.
Ich war gerade beim vierhundertfünfundsechzigsten Sender angekommen, als sie plötzlich mitten in der Bewegung innehielt. Sie stand vollkommen still; ihr Blick war starr in die Ferne gerichtet. In diesem Moment wies sie für mich starke Ähnlichkeit mit einer antiken Marmorstatue auf. Einige Sekunden verharrte sie so; es kam mir beinahe vor wie eine halbe Ewigkeit. Was sie wohl gerade sah?
Dann war die Vision vorbei und sie schaute mich freudestrahlend an.
„Edward kommt zurück!“, jauchzte sie.
„Ja? Wann?“, wollte ich wissen. Er war also endlich zur Vernunft gekommen! Glück durchströmte mich bei der Erkenntnis, dass nun alles wieder normal werden würde – nun ja, soweit man einen Haufen vegetarischer Vampire als ‚normal‘ bezeichnen konnte.
„Morgen Abend!“, rief Alice mir zu. Sie war schon auf dem Weg nach draußen, um die frohe Kunde an Emmett und Jasper weiterzugeben, die sich dort mal wieder ein heißes Wrestling Match lieferten. Gut, Edwards Rückkehr würde Emmett hoffentlich von der Niederlage ablenken, die er gleich würde einstecken müssen. Ich musste nicht Alice sein, um zu wissen, dass er verlieren würde; Jasper hatte ihm einfach Jahrhunderte an Erfahrung voraus. Trotzdem war ich irgendwie auch ein wenig stolz auf meinen Schatz, weil er nicht aufgab, sondern es immer und immer wieder von neuem probierte.
Esme und Carlisle befanden sich gerade auf der Jagd; wir würden sie also erst später informieren können.
Ich hörte die anderen draußen reden, daher folgte ich Alice. Em und Jazz hatten ihr Match beendet, als Alice sie unterbrochen hatte, und natürlich hatte Jasper wieder gewonnen. Man sah Emmett an, dass ihn dieser Umstand ein wenig frustrierte, doch die Neuigkeit, dass Edward wieder zurückkam, freute ihn sichtlich, wie nicht anders zu erwarten gewesen war. Als er mich sah, trat jedoch dieses besondere Strahlen in seine Augen, das ich so liebte, und er lief auf mich zu. Sofort nahm er meine Hand und gemeinsam zogen wir uns wieder ins Haus zurück.
„Meinst du, er tötet sie?“, fragte ich ihn leise. Emmett überlegte einige Sekunden, ehe er antwortete:
„Ich wünschte, ich könnte dir das genau sagen, aber ich weiß es nicht. Möglich ist es auf jeden Fall, sogar wahrscheinlich. Wenn es wirklich so schlimm ist, wie bei mir damals, dann hat die Kleine kaum eine Chance.“ Ich seufzte. Das waren ja wirklich atemberaubende Aussichten! Wenn Edward Isabella tötete, würden wir wieder umziehen müssten und das, obwohl wir uns erst seit zwei Jahren hier aufhielten. Und natürlich wäre er unbeschreiblich deprimiert, wenn es soweit käme, was sich wiederum auf den Rest der Familie übertragen würde. Es stand also außer Frage, dass er das Swan-Mädchen am Leben lassen musste. Wenn er nur schon wieder da wäre… Seltsamerweise vermisste ich ihn zurzeit wirklich sehr, obwohl ich ja eigentlich kaum einen Grund dazu hatte, mich zu beschweren, schließlich hatte ich Emmett an meiner Seite. Emmett, der mich im Augenblick ziemlich verwirrt ansah; scheinbar war ich ausgesprochen abwesend gewesen. Ich schenkte ihm ein, wie ich wusste, absolut bezauberndes Lächeln, bevor ich seine Hand entschlossen drückte und ihn die Treppe hoch in unser Zimmer zog, wo ich dann bestimmt die Tür hinter uns schloss.
Endlich war der Abend des sechsten Tages nach Edwards Verschwinden gekommen; mein Bruder konnte nun jeden Augenblick eintreffen. Wieder einmal hatten wir uns im Wohnzimmer versammelt; diesmal war auch Carlisle anwesend.
Ich erkannte dessen Wagen, mit dem Edward gefahren war, schon, als er noch auf der Schnellstraße fuhr. Dieses Geräusch würde ich überall heraushören, schließlich war ich diejenige, die sich im Normalfall um sämtliche Autos kümmerte. Ich lauschte auf Edwards leichte Schritte auf dem Gras und auf der Veranda, dann, endlich, trat er ein. Sein Gesichtsausdruck war beherrscht und ernst; auf den ersten Blick deutete nichts darauf hin, wie nah ihm diese Sache eigentlich ging. Doch dann sah ich ihm in die Augen und darin lag dieser merkwürdige Ausdruck von Ungewissheit, der mir zeigte, wie schlecht sich mein Bruder zurzeit wirklich fühlte.
Schweigen war die einzige Reaktion auf seine Ankunft; wir schwiegen und beobachteten ihn. Alle außer Alice, die natürlich aus der Reihe tanzen musste, indem sie aufsprang und ihm stürmisch um den Hals fiel.
„Edward! Endlich bist du wieder da; diese sechs Tage kamen mir vor, wie eine halbe Ewigkeit. Fast schon länger als mein ganzes bisheriges Dasein!“, zwitscherte sie vergnügt.
Edward sagte jedoch immer noch kein Wort; er wirkte gequält und angespannt.
„Du schaffst das schon; du wirst sie nicht töten. Ich bin mir jetzt schon zu fast sechzig Prozent sicher und es wird jede Minute deutlicher. Es wird morgen nichts passieren, das weiß ich einfach!“ Ich wünschte mir so sehr, dass Alice Recht behielt. Langsam machte ich mir ernsthafte Sorgen um Edward; er hatte noch immer nichts gesagt und das, obwohl Alice‘ Nähe normalerweise höchst positiv auf ihn wirkte. Nun ja, sie war auch schließlich seine Lieblingsschwester, wie ich nur zu genau wusste. Allerdings konnte ich ihm das kaum verübeln; man konnte Alice mit ihrer aufgedrehten und liebevollen Art gar nicht nicht lieben. Trotzdem tat es manchmal weh. Diese Gewissheit, dass er mich nicht mochte, nie gewollt hatte. Ich konnte ihm einfach nicht zeigen, wie sehr ich ihn tatsächlich vermisst hatte. Selbst Alice konnte ihn nicht aufmuntern, dann wollte er das von mir doch sicher erst recht nicht hören.
Ohne einen von uns auch nur noch einmal anzusehen, ging Edward dann einfach nach oben. Esme wollte ihm nach, wollte sich um ihn kümmern, doch Carlisle hielt sie zurück.
„Lass ihm Zeit, Liebling. Das braucht er jetzt.“
Eine Weile standen wir noch so da, obwohl es nichts mehr gab, worauf es sich zu warten lohnte. Draußen schneite es, daher ging ich mit Alice, Jasper und Emmett hinaus. Zwar würde die weiße Pampe meine Frisur hoffnungslos ruinieren, aber diese schreckliche Stille im Haus hielt ich einfach nicht mehr aus und für ein bisschen Ablenkung musste ich das wohl oder übel in Kauf nehmen. Em und Jazz kratzten den wenigen Schnee zusammen und bewarfen sich gegenseitig mit Schneebällen. Bei Alice brauchten sie es gar nicht erst zu versuchen und ich, nun, ich konnte jetzt den Überraschungseffekt nutzen. Blitzschnell bückte ich mich und grub meine Hand in die dünne Schneeschicht. Es fühlte sich für mich aufgrund meiner niedrigen Körpertemperatur lange nicht so kalt an, wie es eigentlich sein sollte. Emmett hatte mir gerade den Rücken zugewandt und versuchte, Jaspers Geschoss auszuweichen, was ihm auch gelang; es flog über seine linke Schulter hinweg, zischte haarscharf an meiner Schläfe vorbei und klatschte hinter mir mit beeindruckender Wucht gegen die Hauswand. Ich zielte und warf exakt in dem Moment, als sich mein Liebling siegessicher zu mir umdrehte; mein Schneeball landete mit einem klatschenden Geräusch genau in seinem grinsenden Gesicht. Es dauerte etwas, bis Emmett seine Überraschung überwunden hatte, doch dann lachte er dröhnend auf.
„Na warte“, drohte er. „Das kriegst du zurück!“ Er machte einen Satz auf mich zu; kichernd wich ich ihm aus und flüchtete Richtung Wald. Emmett folgte mir, doch ich war etwas schneller und versteckte mich vor ihm hinter ein paar Bäumen. Als er wieder mit mir auf einer Höhe war und sich suchend umblickte, kam ich heraus und sprang ihm in die Arme.
„Tja, Pech gehabt“, grinste ich. „Ich hab dich gekriegt.“ Dann stellte ich mich auf die Zehenspitzen und begann, ihn leidenschaftlich zu küssen. Er zog mich noch ein Stück enger an sich und erwiderte den Kuss ebenso intensiv. Auch nach so langer Zeit fühlte ich noch dieses herrliche Kribbeln in der Magengrube, dem ich mich jetzt gänzlich hingab.
So ineinander verschlungen fand uns Jasper etwa zwanzig Minuten später.
„Hier steckst du also“, meinte er zu Emmett. „Los jetzt, die Pause ist vorbei. Edward ist draußen!“ Emmett ließ ein vorfreudiges Lachen hören und löste sich von mir.
„Das dürfen wir uns echt auf keinen Fall entgehen lassen!“ Und gemeinsam machten sie sich auf den Weg, um die Ablenkung ihres Bruders dazu zu nutzen, ihn zu bombardieren.
Zuletzt von Rose_fan 4 ever am Sa 19 Jan 2013, 13:18 bearbeitet; insgesamt 14-mal bearbeitet (Grund : s.o.)
Rose_fan 4 ever- ~Meadow Visitor~
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
3. Warten
Der Morgen war soweit normal verlaufen; jetzt war Mittagspause und wir befanden uns auf dem Weg zur Cafeteria. Alice war nach wie vor in ihre Visionen vertieft; ihr Blick verweilte in der Zukunft und war daher leicht unscharf.
Als wir die Cafeteria betraten, hatte Jasper eine Hand leicht unter ihren Ellenbogen gelegt, um sie zu führen, damit niemandem sonst auffiel, dass Alice im Augenblick nicht so ganz unter uns weilte.
„Alles geht gut“, gab sie dann die Entwarnung. Erleichtert atmete ich auf. Wie vor allem Edward – dieser elende Pessimist – ständig betonte, waren Alice‘ Visionen subjektiv, weil sie von den jeweiligen Entscheidungen abhingen, die die Personen, die sie sah, trafen. Man durfte sich also nicht zu sehr auf das verlassen, was sie sagte, aber ich konnte einfach nicht anders, als ihr Urteil schon mal als gutes Zeichen zu nehmen.
„Natürlich wird es das“, brummte Edward darauf nur mürrisch. Er war von unserem Verhalten schwer genervt, was in Anbetracht der momentanen Umstände wohl kein Wunder war. Seit wir heute Morgen zur Schule losgefahren waren, diskutierten wir schon angeregt über ihn und die kleine Swan, als gäbe es überhaupt keine anderen Gesprächsthemen. Und wahrscheinlich kam er sich von mir und Emmett auch ein wenig eingeengt vor, da wir uns auf Alice‘ Geheiß hin wie Bodyguards links und rechts von ihm postiert hatten – nur für den Fall…
„Sie ist noch nicht da und wenn sie dann kommt und wir an unserem üblichen Tisch sitzen, liegt es nicht in ihrer Windrichtung“, plapperte Alice bereits munter weiter, als habe sie Edward gar nicht gehört.
„Natürlich werden wir an unserem Tisch sitzen“, unterbrach dieser seine Schwester jedoch zornig, bevor sie noch weiterreden konnte. Man hörte ihm an, dass er langsam, aber sicher die Geduld mit ihr verlor. „Hör auf Alice, geh mir nicht auf die Nerven, mit mir ist alles in Ordnung.“ Alice blinzelte, als könne sie überhaupt nicht glauben, was sich gerade vor ihrem inneren Auge abspielte. Jasper brachte sie zu ihrem Stuhl, während sie Edward weiterhin anstarrte.
„Hmm... Ich glaube, du hast Recht“, meinte sie überrascht. Scheinbar war sie sich doch nicht so sicher gewesen, was ihn betraf, wie sie vorgegeben hatte.
„Natürlich hab ich das“, murmelte Edward darauf nur resigniert.
Inzwischen saßen wir alle an unserem Tisch und beobachteten die anderen Schüler, die sich heute besonders laut und kindisch aufführten. Grund dafür war ohne Zweifel der frische Schneefall, der schon so was wie eine kleine Sensation in diesem Städtchen darstellte. Nicht genug damit, dass Schnee selten hier in Forks war, nein, es war auch noch der erste dieses Jahr! Nun, man konnte es den Kindern kaum verübeln; über irgendwas mussten sie schließlich reden und mehr passierte in diesem Kaff ja nicht.
„Irgendetwas Neues?“, richtete Jasper in diesem Augenblick das Wort an Edward, doch der zögerte und schüttelte dann den Kopf.
„Nichts. Sie … scheint niemandem etwas erzählt zu haben.“, antwortete er zu meiner Überraschung. Verwirrt verzog ich die Augenbrauen bei dieser Aussage; das klang arg komisch in meinen Ohren. Edward hatte uns schließlich erzählt, dass er Isabella im Eifer des Gefechts höchst hasserfüllt und vor allem mordlustig angesehen hatte; darüber musste sie doch mit den anderen gesprochen haben! Ich an ihrer Stelle hätte alles über den seltsamen Jungen herausfinden wollen, der sich bereits nach wenigen Minuten offenbar eine solche Meinung über mich gebildet hatte. Wenn Edward allerdings Recht hatte, dann war das Mädchen sehr verschwiegen, was uns eventuell noch zu Gute kommen konnte. Oder aber mein über alles geliebter Bruder hatte mal wieder gehörig übertrieben, was seine angeblich ‚bösen Blicke‘ betraf. Als vollkommener Gentleman empfand er es schon als unhöflich, wenn er einer Dame nicht die Tür aufhielt, und das hatte er bei Isabella garantiert nicht getan. Möglicherweise hatte er ihr gegenüber also nur sein sonst so bezauberndes Lächeln weggelassen…
„Vielleicht warst du gar nicht so angsteinflößend, wie du dachtest?“ Das war ja mal wieder typisch Emmett. Er war eigentlich der Gedankenleser, nicht Edward, zumindest was mich betraf. Immer sprach er genau das aus, was ich in dem jeweiligen Moment dachte.
„Ich wette, ich wäre viel angsteinflößender gewesen als du!“, witzelte er weiter, doch anscheinend konnte Edward nicht darüber lachen; er verdrehte nur die Augen in Emmetts Richtung.
„Warum nur…“, setzte mein Liebling erneut an, aber Edward unterbrach ihn ungewöhnlich ruppig: „Ich weiß es doch auch nicht!“
„Sie kommt“, murmelte Alice da, so dass Emmett nichts mehr erwidern konnte. Edward erstarrte, ebenso wie wir anderen.
„Versucht, menschlich auszusehen!“, zischte Alice uns ermahnend zu.
„Menschlich sagst du?“, fragte Emmett verschmitzt nach. Plötzlich sah ich, dass er in seiner rechten Hand dabei war, einen Schneeball zu drehen, den er noch immer festhielt und der bei seiner Körpertemperatur natürlich nicht geschmolzen war. Schnell drückte er ihn zu einem festen Eisblock und richtete den Blick auf Jasper. Aber ich kannte ihn; er sah seine Opfer nie direkt an. Sicher handelte es sich hier um eines seiner beliebtesten Täuschungsmanöver. Und richtig: Auf einmal schleuderte er das Eis in Alice’ Richtung, die er natürlich nicht überraschen konnte und die es daher mit einer lässigen Fingerbewegung abwehrte. Diese einzige Bewegung hatte schon genügt, um das Eis der Länge nach durch die Cafeteria zu katapultieren. Für das menschliche Auge war das viel zu schnell, allerdings zerschlug es an der Mauer, wobei ein Ziegel knackte und sich ein scharfer Riss bildete, was selbstverständlich nicht unbemerkt blieb. Alle Köpfe in dieser Ecke des Raumes drehten sich um und starrten auf die Eisstücke am Boden, die für sie ja quasi aus dem Nichts gekommen waren.
„Sehr menschlich, Emmett“, sagte ich beißend. „Warum schlägst du nicht gleich ein Loch in die Wand?“
„Es würde beeindruckender aussehen, wenn du es machtest, Baby!“, meinte er darauf nur mit einem breiten Grinsen, was mir dann doch ein kleines Lächeln entlockte. Selbst wenn jemand seine Aktion bemerkt hätte, so wäre er nicht sonderlich überrascht gewesen. Von Emmett mit seinen muskelbepackten Armen erwartete man so was; von mir garantiert nicht. Genauso wenig, wie die Leute denken würden, dass eine atemberaubend schöne Blondine wie ich in ihrer Freizeit an Autos herumschraubte oder Raubtieren das Blut aussaugte.
Mein Blick schweifte erneut zu Edward, der jetzt ein absolut unecht aussehendes Grinsen auf seinem Gesicht fixiert hatte. Offensichtlich war er von irgendetwas abgelenkt, denn eigentlich war an seinen schauspielerischen Fähigkeiten rein gar nichts auszusetzen. Gerade stieß Alice ihn aus einem mir nicht erkennbaren Grund in die Seite; scheinbar führten sie mal wieder eine ihrer reizenden stummen Unterhaltungen.
„Entspann dich, Edward“, riet Emmett ihm. „Ehrlich, dann tötest du halt einen Menschen. Das ist kaum das Ende der Welt.“
„Du musst es ja wissen“, murmelte unser Bruder nur, worauf Emmett lachte.
„Du wirst lernen, darüber hinwegzukommen. So wie ich. Die Ewigkeit ist eine zu lange Zeit, um sich in Schuldgefühlen zu suhlen.“ Edward wollte noch etwas sagen, doch genau in dem Moment warf Alice eine kleine Handvoll Eis in Emmetts ahnungsloses Gesicht. Erst blinzelte er überrascht, aber dann huschte ein vorfreudiges Grinsen über sein Gesicht.
„Du wolltest es so!“, lachte er und lehnte sich über den Tisch, um seine feuchten Haare in ihre Richtung auszuschütteln. Die Tropfen und Eisstücke aus seinen noch immer leicht gefrorenen Haaren flogen alle durch den Raum, allerdings traf das meiste unglücklicherweise mich, nicht Alice, da ich diejenige war, die neben ihm saß.
„Ähh“, beschwerte ich mich, als alle anderen um mich herum, inklusive Edward, in schallendes Gelächter ausbrachen. Ich stimmte in ihr Lachen mit ein; dabei bemerkte ich, dass Isabella wieder zu uns herüber sah. Deshalb hatte Alice also Emmett angegriffen: Damit wir uns besonders menschlich benahmen und so einen guten Eindruck bei der Swan machten.
Als das Klingeln das Ende der Pause verkündete, blieb Edward einfach am Tisch sitzen. Wir taten es ihm nach und warteten gespannt darauf, was er jetzt wohl machen würde.
„Ich glaube, es ist in Ordnung“, meinte Alice ein wenig zögerlich. „Du bist jedenfalls fest davon überzeugt. Ich denke, du wirst es schaffen.“
„Warum es provozieren?“, wandte Jasper dagegen ein. Mir war klar, dass er insgeheim hoffte, dass Edward ausnahmsweise Schwäche zeigen würde. Es machte ihm unheimlich zu schaffen, dass er selbst mit unserer vegetarischen Lebensart noch solche Probleme hatte.
„Geh nach Hause, lass es langsam angehen“, schlug er seinem Bruder daher vor.
„Was soll das Drama?“ Emmett konnte mit der aktuellen Situation offenbar nicht viel anfangen. „Entweder er schafft es oder er tötet sie… Egal wie, überwinde es und komm darüber hinweg. Auf dem einen oder anderen Weg!“ Nein, es kam nicht in Frage, dass Edward das Mädchen tötete! Ich war mir sicher, dass ihn das das zerbrechen würde, schließlich nahm er unser Dasein nicht so auf die leichte Schulter wie mein Liebster.
„Ich will jetzt nicht wieder umziehen“, maulte ich daher. „ Ich will nicht schon wieder neu anfangen. Jetzt, wo wir die High School fast geschafft haben, Emmett!“ Alice warf mir einen Blick zu, der wohl beruhigend wirken sollte.
„Nein Rose. Ich glaube wirklich, dass es gut geht. Es entwickelt sich… Ich bin mir zu dreiundneunzig Prozent sicher, dass nichts Schlimmes passieren wird, wenn er zum Unterricht geht!“
„Ja, geht zum Unterricht!“, schaltete sich jetzt auch Edward ein und stand auf. Er drehte sich um und ging schnell weg, ohne sich noch einmal umzusehen. Hoffentlich ging auch wirklich alles gut; ich wollte mein Abschlussjahr nicht schon wieder wiederholen!
Die restlichen Stunden verbrachte ich überwiegend damit, mir schreckliche Sorgen zu machen, was mich sogar so sehr vom Unterricht ablenkte, dass Mr. Varner mich aufrief und ich nicht die richtige Antwort parat hatte. In all den Jahren war mir das noch kein einziges Mal passiert; selbst Mr. Varner reagierte überrascht auf meine gestammelte Entschuldigung.
„Miss Hale, stimmt etwas nicht bei Ihnen?“, fragte er zaghaft nach und als ich verneinte und ihm ein entschuldigendes Lächeln schenkte, lief er puterrot an und wusste vor lauter Verlegenheit nicht mehr, bei welchem Thema er eigentlich gerade gewesen war.
Endlich war der Unterricht zu Ende, aber weilte Isabella Swan noch unter den Lebenden? Vor lauter Aufregung lief ich etwas zu schnell zum Parkplatz, doch dann sah ich sie: Edward stand an seinem Auto und lachte, während das Mädchen in seinem altersschwachen Truck an ihm vorbeifuhr. Ein Glück, er hatte es geschafft! In diesem Moment war ich ziemlich zuversichtlich, denn wenn es ihm heute gelungen war, ihrem Duft zu widerstehen, dann konnte er dem auch noch die nächsten ein bis zwei Jahre standhalten, oder etwa nicht?
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
4. Glatteis
In diesem Augenblick war Edward im Wald, um schon wieder zu jagen; diesmal wurde er von Carlisle begleitet. Warum er das tat, konnte ich nicht so ganz nachvollziehen. Ich hielt diese zusätzliche Sicherheitsvorkehrung für ziemlich unnötig, da ich mir sicher war, dass mein Bruder der Versuchung, die Isabella Swans Blut für ihn darstellte, auch widerstehen konnte, ohne sich zuvor zu betrinken.
Während Edward also jagte, verbrachte ich die Nacht zum wiederholten Mal allein im Wohnzimmer. Esme brütete oben in ihrem Zimmer über irgendwelchen Bauplänen und auch Alice und Jasper hatten sich bereits zurückgezogen. Emmett hatte es zunächst etwas komisch gefunden, als ich ihn einfach weggeschickt hatte, doch ich hatte ihm unmissverständlich klargemacht, dass ich Edwards Abwesenheit dazu nutzen wollte, einmal in Ruhe nachzudenken. Das verstand er, schließlich war das mit einem Bruder in der Nähe, der Gedankenlesen konnte, etwas schwierig. Vor allem, weil die meinen die ganze Zeit um ihn selbst kreisten. Offensichtlich wollte Edward auch weiterhin den Kampf gegen den Durst antreten. Das war schon mal gut so, denn wenn er sich nur lange genug beherrschte, konnte er den anstehenden Umzug hoffentlich noch hinauszögern, bis ich wenigstens meinen Abschluss an der Forks High School hinter mich gebracht hatte.
Ich warf einen Blick nach draußen. Es war wieder kälter geworden, was zur Folge hatte, dass der kurz zuvor getaute Schnee gefror und alles von einer hauchdünnen Eisschicht überzogen wurde. Das würde morgen verdammt glatt werden, da waren Unfälle bereits vorprogrammiert.
„Rose?“, hörte ich plötzlich Emmetts Stimme von oben. Dieses einzige Wort genügte, um meine Haut bereits zum Kribbeln zu bringen. Wenn mein Herz noch schlüge, würde es mir jetzt wahrscheinlich davonrasen; die Art, wie er so nichts weiter als meinen Namen sagte, machte mich noch völlig verrückt. Er klang ein wenig ungeduldig, daher entschloss ich mich kurzer Hand dazu, das Nachdenken fürs Erste aufzugeben und nach oben zu laufen. Eine Sekunde später fand ich mich bereits in seinen starken Armen wieder, die sich fest um meinen Körper schlossen. Dies war einer jener seltenen Momente, in denen ich um nichts in der Welt mit einer anderen Person hätte tauschen wollen, denn ich wusste, dass ich niemals mehr einen Mann so sehr lieben könnte, wie ich Emmett liebte, und wenn Carlisle mich damals nicht gefunden hätte, dann wäre ich ihm niemals begegnet.
Am nächsten Morgen mussten wir uns dann doch wieder voneinander lösen, um uns für die Schule fertigzumachen. Wir waren ein wenig spät dran und beeilten uns, nach unten zu kommen, wo wir auf Alice trafen. Sie stand mit dem Rücken zu uns; eine Hand hatte sie auf die Türklinke gelegt. Einige Sekunden verharrte sie so – nach ihrem Gesichtsausdruck zu schließen befand sie sich in Gedanken in der Zukunft – dann öffnete sie die Tür und ging langsam in Richtung Garage. Zwar wirkte sie ein wenig bedrückt, jedoch machte ich mir zurzeit kaum Gedanken ihretwegen. Es kam öfter vor, dass ihre Visionen sie stärker mitnahmen, das war also nichts Ungewöhnliches und wenn es etwas Wichtiges gewesen wäre, hätte sie sich uns auf jeden Fall mitgeteilt.
Es war eine ungewöhnlich ruhige Fahrt zur Schule, die ich überwiegend damit verbrachte, Emmett tief in die Augen zu sehen und an unsere letzte Nacht zu denken. Die war nicht nur wunderschön gewesen; ich wusste vor allem, dass ich Edward damit an den Rande des Wahnsinns treiben konnte und so machte das gleich doppelt Spaß. Ich vergaß dabei alles um mich herum, so dass ich fast überrascht war, als Edward den Volvo einparkte und wir aussteigen mussten. Für einen Moment hatte ich mich wirklich wieder in unserem Bett befunden und nicht im Auto.
Edwards Augen suchten bereits wieder nach dem Swan-Mädchen. Ich schnaubte verächtlich; also echt, war das denn die Möglichkeit? Er hatte ja nichts anderes mehr im Kopf!
Alice blieb bei ihm, während wir anderen uns auf den Weg zu unseren jeweiligen Unterrichtsräumen machten. Mich beeinträchtigte die Glätte natürlich in keinster Weise, aber viele der anderen Schüler rutschten unbeholfen auf dem Eis herum und kamen höchstens schlitternd vorwärts. In dem Moment machte ich mir keine Gedanken darum, was diese Wetterverhältnisse noch für Folgen haben würden, allerdings würde ich das noch schneller erfahren als mir eigentlich lieb war.
Gerade hatte ich den Eingang erreicht, als ich Bremsen quietschen hörte und gleich darauf einen erschreckten Aufschrei. Ich fuhr herum; meine Augen weiteten sich beim Anblick des Bildes, das sich mir bot. Einerseits war ich entsetzt, doch andererseits gab es mir auch auf gewisse Weise ein Gefühl von Befriedigung. Ein Van war auf dem Glatteis ins Schleudern geraten und rutschte geradewegs auf das Swan-Mädchen zu, das wie es der Zufall wollte genau an der falschen Seite ihres alten Trucks stand. Ein kleines Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, als mir aufging, was wir doch für ein Glück hatten. Alles klärte sich von selbst – das Mädchen würde jetzt sterben und Edward trüge nicht die geringste Schuld an seinem Tod.
Allerdings hatte ich nicht die Dämlichkeit meines Bruders mit einkalkuliert, der dafür sorgte, dass alles ganz anders kam. Statt sich einfach normal zu benehmen, indem er ruhig zusah, wie der Unglücksrabe namens Isabella starb, schoss Edward über den Platz und warf sich zwischen den Van und das vor Schreck erstarrte Mädchen. Zu schnell als dass irgendeiner der anwesenden Menschen etwas davon mitbekommen konnte, umschlang er mit seinem Arm ihre Taille, riss sie zurück und knallte dann mit ihr hart auf den Boden. Aber der Van war noch immer in Bewegung und rutschte abermals auf die Beiden zu. Um ihn abzufangen, musste Edward das Mädchen für einen Moment loslassen; der Van zitterte und schlug gegen die Arme meines verrückten Bruders, die für ihn ein unbeugsames Hindernis darstellten. Jedoch war die Gefahr keinesfalls gebannt, denn wenn Edward seine Hände nun wegnähme, dann würde das hintere Rad des Killer-Vans ihr die Beine brutal zerquetschen. Um das zu verhindern, hob er den Van an und fasste mit der rechten Hand darunter, während er mit der linken das Mädchen hervorzog. Isabella war gerettet.
Zorn durchflutete mich wie eine gewaltige Welle, als ich Edward ansah. Was war nur los mit ihm? Hatte mein Bruder jetzt völlig den Verstand verloren? Warum zum Teufel hatte er sie nicht einfach in Ruhe gelassen? Dieser Idiot! Und was noch wichtiger war: Wie viel hatte Isabella von all dem mitbekommen? Hatte sie gesehen, dass Edward erst bei seinem Auto gestanden hatte und dann nicht einmal eine Sekunde später bei ihr gewesen war? Hatte sie gesehen, dass er den tonnenschweren Van mit nur einer Hand angehoben hatte? Wenn ja, dann hatte uns Edwards bescheuerte Rettungsaktion in eine ungeheure Gefahr gebracht. War ihm das denn nicht bewusst gewesen, als er sich so leichtsinnig dazu entschlossen hatte, in ihr Schicksal einzugreifen? Warum nur hatte er sie trotz der Gefahr, die sie ohnehin schon für ihn darstellt, gerettet? Sie war doch nur ein unbedeutendes kleines Mädchen, das zu allem Überfluss auch noch zu gut roch, verdammt!
Der Rettungswagen kam und die Helfer mühten sich mit dem Van ab, um ihn von Edward und dem Mädchen wegzuschieben. Warum half ihnen mein hirnloser Bruder nicht gleich dabei? Wo es ihm doch schon nichts auszumachen schien, unser Geheimnis für nichts einfach preiszugeben.
Mürrisch betrachtete ich den Unfallort, an dem klare Spuren von Edwards übermenschlicher Aktion zu erkennen waren. Das braune Auto, das neben dem Truck des Mädchens gestanden hatte, wies nur allzu deutliche Spuren seiner Schultern auf und der Van trug unverkennbar Edwards Handabdrücke. Das war ja mal wieder so typisch!
Ich sah, wie Edward unbeholfen versuchte, den Schulterabdruck unkenntlich zu machen. Meine Güte, wie konnte man nur so blöd sein?
>>Du Volldepp, lass gefälligst die Finger davon! Sie sitzt direkt neben dir!<<, dachte ich so laut ich konnte und warf ihm einen meiner bitterbösen Blicke zu. Zwar legten die Rettungshelfer Isabella gerade eine Halskrause an, doch im Zweifelsfall war es durchaus möglich, dass sie ihn beobachtete.
Endlich war die Krause an ihrem Platz und zusammen mit Tyler Crowley, dem Fahrer des unglückseligen Vans, wurde Isabella in den Rettungswagen geladen. Edward bestand darauf, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen, während Chief Swan, der Vater des Mädchens, der kurz zuvor angekommen war, hinter ihnen herfuhr.
Langsam zerstreute sich die Menge, alle gingen wieder zum Unterricht. Emmett lief zum Unfallort und verwischte die Spuren, die Edward hinterlassen hatte, dann folgten auch wir den anderen in die Schule.
Alle waren in Aufruhr. Die ganze Schule summte von den vielen Stimmen und es wurden schon erste Gerüchte verbreitet.
>Hast du schon gehört? Bella Swan ist schwer verletzt. Sie hat sich den Kopf aufgeschlagen und es ist möglich, dass sie verblutet! <
>Edward Cullen ist auch im Krankenhaus. Ich glaube, er ist auch verletzt. Hoffentlich nicht zu schwer. Stell ihn dir mal mit Narben in seinem hübschen Gesicht vor<
>Ich habe gehört, dass sie ihm wegen einer Operation die Haare abrasieren müssen!<
>Oh mein Gott!! Wie wird das denn aussehen?<
> Das ist noch Garnichts! Tyler wird höchstwahrscheinlich sterben.<
>Wie ich gehört habe, ist er schon tot…<
Das war nur eins einiger obskurer Gespräche, die ich mit anhörte. Die Aussagen wurden immer haarsträubender. Wie kam man nur dazu, sich solch einen Blödsinn auszudenken? Nun, Edward war zwar wirklich im Krankenhaus, aber sterben würde er keinesfalls. Nicht noch einmal. Bei dem Gedanken daran, wie man versuchte, ihm die Haare abzurasieren, musste ich doch leise kichern. Das musste man den anderen Schülern lassen – sie hatten wirklich viel Fantasie. Allerdings war ich um einiges gespannter darauf, wie Edward diese Sache jetzt wieder geradebiegen wollte. Das Mädchen machte uns nur Probleme, die er durch diese sinnlose Rettungsaktion noch um ein Vielfaches verstärkt hatte. Da stellte sich mir doch die Frage, ob es nicht vielleicht möglich war, dass Vampire Hirnschäden bekamen…
Den ganzen Morgen über fragte ich mich immer wieder, wie viel sich die kleine Swan bereits zusammengereimt hatte. Wenn sie etwas gesehen hatte, dann war der einzige Weg unsere Existenz auch weiterhin zu verschleiern, sie zu töten. Ich hatte gehofft, dass sich das vermeiden ließe, aber so wie der Stand der Dinge nun einmal war… Abgesehen davon würde ihr Tod jetzt noch nicht einmal großartig auffallen, schließlich kam es oft vor, dass nach Unfällen wie diesem noch innere Verletzungen vorhanden waren, die jedoch vorerst unbemerkt blieben. Einen Moment lang stellte ich mir vor, wie einfach wieder alles werden würde, wenn Isabella Swan erst einmal das Zeitliche gesegnet hatte. Das würde nicht nur Edwards Probleme lösen, so viel mussten die anderen doch auch einsehen. Sie wussten schließlich, dass das Geheimnis weitaus wichtiger war als ein einzelner Mensch. Wenn die Volturi dagegen herausfänden, wie unvorsichtig Edward gewesen war, dann würden sie nicht nur das Mädchen umbringen, sondern auch unserer Familie Probleme bereiten; wir waren ihnen sowieso schon ein Dorn im Auge. Aber das durfte ich nicht zulassen; es war meine Pflicht, die Familie zu beschützen! Ja, es würde wirklich besser für alle Beteiligten werden, wenn Isabellas Körper nicht mehr warm und ihr Blut nicht mehr so süß wäre. Edward hätte nicht in den natürlichen Ablauf der Dinge eingreifen dürfen; eigentlich sollte das Mädchen in diesem Augenblick für seine Beerdigung vorbereitet werden.
Als der Unterricht zu Ende war, machte ich mich schnell auf zum Parkplatz. Ich hatte mir inzwischen überlegt, wie ich den anderen meine Meinung am besten unterbreiten konnte, denn wir mussten das einzig Richtige tun. Andernfalls würde alles in einer furchtbaren Katastrophe enden, das sah ich schon kommen.
Alice und Jasper warteten bereits und ich gesellte mich zu ihnen. Bald kamen auch Edward und Emmett und wir stiegen gemeinsam ins Auto. Emmett sah untypischerweise etwas besorgt aus und ich fragte mich, was das wohl für einen Grund hatte. War es wegen Edward? Wegen mir? Ich wusste es nicht. Als ich ihm in der Pause von meinem Plan erzählt hatte, war er zumindest nicht besonders begeistert gewesen. Mein Blick schweifte weiter zu Edward und als ich ihn so ansah, stieg erneut Wut in mir hoch. Warum tat er uns, seiner Familie, das an?
>>Idiot! Irrer! Trottel! Esel! Egoist! Verantwortungsloser Dummkopf!<<, dachte ich daher. Natürlich wusste ich, dass er mich hören konnte, aber das war mir nur recht. Sollte er doch!
Wir schwiegen während der ganzen Fahrt nach Hause. Meine schlechte Stimmung färbte auf die anderen ab. Vor allem auf Edward, denn allein er wusste wirklich, was ich im Schilde führte...
Zuletzt von Rose_fan 4 ever am Mi 02 Nov 2011, 20:31 bearbeitet; insgesamt 13-mal bearbeitet (Grund : s.o.)
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
5. Unverstanden
Wie immer dauerte die Fahrt nach Hause nicht lange; schon parkte Edward den Volvo in der großen Garage. Momentan standen da außerdem Edwards Vanquish, Emmetts Jeep und nicht zu vergessen mein M3. Dazu kam noch Carlisles Mercedes, was bedeutete, dass dessen Besitzer bereits zu Hause war. Gut so, befand ich, denn dann mussten wir mit unserer Diskussion nicht auf ihn warten.
Wir gingen auf direktem Wege ins Esszimmer, das wir als Konferenzraum nutzten. Da wir dort natürlich nicht aßen, diente uns der lange ovale Mahagonitisch zum Diskutieren.
Carlisle saß schon an seinem üblichen Platz am Kopf des Tisches, wie immer hatte sich Esme zu ihm gesellt. Ein besorgter Ausdruck lag in ihren goldenen Augen, mit denen sie zu Edward blickte, der sich gerade an die andere Seite von Carlisle setzte. Liebevoll legte sie einen Arm um ihren Mann; dir freie Hand platzierte sie währenddessen auf Edwards Arm.
Ich setzte mich Carlisle gegenüber an das andere Ende des Tisches, das meinen üblichen Platz bezeichnete. Mein Vater wirkte angespannt; seine Lippen waren angestrengt zusammengepresst und seine Stirn hatte Falten, die nicht so recht zu ihm passen wollten. Ein Ausdruck, der meiner Meinung nach fiel zu alt für sein junges Gesicht aussah. In der Zwischenzeit setzte sich Emmett neben mich; Jasper stellte sich hinter meinen Stuhl. Als letzte kam Alice herein; ihre Augen blickten auf etwas, das weit entfernt lag. Sie setzte sich wie gewöhnlich neben Esme und begann, sich die Stirn zu massieren, als hätte sie Kopfschmerzen. Ich kannte diese Geste bereits von ihr; sie machte das oft, wenn sie sich stark auf etwas in der Zukunft konzentrierte. Aufgeregt biss ich mir auf die Innenseite meiner Wange; eine Angewohnheit, die ich aus meinem menschlichen Leben übernommen hatte. Was würden die anderen zu meinem Plan sagen? Würden sie mir zustimmen?
Doch bevor ich etwas sagen konnte, ergriff Edward bereits das Wort:
„Es tut mir leid“, sagte er. Dabei sah er zuerst mich, dann Jasper und Emmett an.
„Ich wollte niemanden in Gefahr bringen. Das war gedankenlos und ich übernehme die volle Verantwortung für mein unüberlegtes Handeln.“
>>Ach ja?<<, dachte ich mit einer Spur von Gehässigkeit. >>Ich werde dich beim Wort nehmen!<< Ein unheilschwangerer Blick begleitete meine finsteren Gedanken.
„Was meinst du mit ‚übernehme die volle Verantwortung’? Wirst du die Sache wieder in Ordnung bringen?“ Doch zu meinem Leidwesen schüttelte mein Bruder den Kopf.
„Nicht so, wie du meinst. Ich würde bereitwillig sofort weggehen, wenn es die Lage besser machen würde.“ Seine Stimme klang ruhig und gleichmäßig; durch nichts ließ er sich anmerken, wie ihn die Bosheit meines Planes, den er natürlich in meinen Gedanken gesehen hatte, erzürnte.
„Nein“, murmelte Esme. „Nein Edward!“ Beruhigend tätschelte er ihre Hand, bevor er fortfuhr:
„Es wäre nur für ein paar Jahre.“ Er wollte noch etwas sagen, doch Emmett unterbrach ihn.
„Esme hat trotzdem Recht!“, rief er. „Du kannst jetzt nicht fortgehen. Das wäre ganz und gar nicht hilfreich. Wir müssen schließlich wissen, was die Leute denken. Jetzt noch mehr als sonst!“
„Alice wird alles Wichtige voraussehen“, widersprach Edward, doch Carlisle schüttelte den Kopf.
„Ich glaube, Emmett hat Recht, Edward. Das Mädchen wird eher darüber sprechen, wenn du plötzlich verschwindest. Entweder gehen wir alle oder keiner von uns.“
„Sie wird nichts verraten!“, erwiderte Edward schnell, doch dabei flackerte kurz etwas in seinen Augen auf, das sich nur als Unsicherheit interpretieren ließ. Das durfte doch nicht wahr sein! Die ganze Zeit redete er nur um den heißen Brei herum; diese faulen Ausreden, die immer auf dasselbe hinausliefen, machten mich noch wahnsinnig! ‚Sie wird nichts verraten.’ oder ‚Ihr braucht mich nicht; ich gehe. Alice ist ja noch da.’ Immer ging es darum, uns im Stich zu lassen. Was war denn so schwer daran, sich von uns helfen zu lassen? Dank Edwards ewiger Schwarzseherei stand ich jetzt schon kurz vorm Explodieren.
„Du kennst ihre Gedanken nicht“, meinte Carlisle nur auf Edwards Einwände.
„Ich weiß genug. Alice ist sich auch sicher.“ Da, schon wieder! Alice hier, Alice da. Konnte er nicht auch mal an uns andere denken? Und dann hieß es immer ich sei egoistisch!
Alice starrte ihren Bruder vorsichtig an; sie wusste, dass wir uns momentan auf ziemlich dünnem Eis bewegten.
„Ich kann nicht vorhersehen, was passiert, wenn wir diesen Punkt ignorieren.“ Wissend sah sie zu mir und Jasper. Die Gelegenheit musste ich nutzen, jetzt oder nie! Es gab einen lauten Knall, als ich meine Handflächen mit einem Mal auf den Tisch schlug.
„Wir dürfen ihr keine Chance geben, irgendwas zu sagen. Carlisle, du musst das verstehen. Auch, wenn wir uns dafür entscheiden würden, hier wegzuziehen, ist es nicht sicher, wenn solche Geschichten hinter uns bleiben. Wir leben so anders als die anderen von uns – du weißt, da sind die, die liebend gerne wegen einer solchen Ausrede mit dem Finger auf uns zeigen würden. Wir müssen noch vorsichtiger sein als alle anderen!“
„Wir haben schon andere Gerüchte hinter uns gelassen“, erinnerte er mich; seine Reaktion auf meinen für meine Verhältnisse noch kleinen Ausbruch war erstaunend gelassen.
„Ja, nur Gerüchte und Verdächtigungen, Edward. Keine Augenzeugen und Beweise!“, konterte ich.
„Beweise“, schnaubte Edward verächtlich, aber Jasper nickte mit hartem Blick, der für sich sprach. Offensichtlich war er ganz meiner Meinung.
„Rose – “, begann Carlisle, aber ich ließ ihn nicht wieder zu Wort kommen.
„Lass mich ausreden. Es wird kein großer Aufwand sein. Das Mädchen hat sich heute den Kopf angeschlagen, also könnten die inneren Verletzungen vielleicht schlimmer sein, als zuvor angenommen“, sagte ich achselzuckend. Ich täuschte zwar Gleichgültigkeit vor, doch in Wirklichkeit ging mir diese Geschichte sehr viel näher, als ich zugeben wollte.
„Jeder Sterbliche geht schlafen mit der Chance, nie wieder aufzuwachen. Die anderen würden uns dabei nur zustimmen, wenn wir hinter uns aufräumen. Du weißt, dass ich mich absolut unter Kontrolle habe. Ich würde keine Beweise hinterlassen“, schlug ich vor, um die letzten Zweifel, die in mir aufkamen, zu beseitigen.
„Ja, Rosalie, wir wissen alle, was du für eine beherrschte Mörderin bist!“, knurrte darauf aufgebracht. Wütend fauchte ich zurück. Wie konnte er nur so etwas sagen?! Das klang ja schon fast so, als hätte ich seiner Meinung nach Spaß am Töten, und das war garantiert nicht der Fall. Ich wollte doch nur meine Familie beschützen, war das denn so schwer zu verstehen?
„Edward, bitte“, ging Carlisle dazwischen und drehte sich zu mir um.
„Rose, ich hab in Rochester weggesehen, weil ich glaubte, dass du deine Rache verdient hattest. Die Männer, die du getötet hast, hatten dir das schlimmste Unrecht angetan. Das hier ist nicht die gleiche Situation. Das Swan-Mädchen ist eine Unschuldige.“
„Es ist nichts Persönliches, Carlisle“, erklärte ich mit zusammengebissenen Zähnen. Was glaubte er eigentlich von mir? „Es ist nur, um uns alle zu beschützen.“
Für einen kurzen Moment wurde es im Raum ganz still, während Carlisle über seine Antwort nachdachte. Dann nickte er und meine Augen leuchteten bereits vor Freude, da ich dachte, dass sich nun alles aufklären würde, allerdings hätte ich es besser wissen müssen, denn seine Antwort war nicht die, die ich erwartet hatte.
„Ich weiß, du meinst es gut, Rosalie, doch … ich mag es viel lieber für unsere Familie, wenn wir unseren Selbstwert schützen. Die gelegentlichen … Unfälle oder Fehltritte, die trotz unserer Kontrolle bedauerlicherweise passieren, sind ein Teil von dem, was wir nun mal sind… Ein unschuldiges Kind einfach so umzubringen ist eine ganz andere Sache. Ich glaube, dass das Risiko, welches sie darstellt, egal ob sie ihre Verdächtigungen erzählt oder nicht, nichts gegen eine noch größere Gefahr ist. Wenn wir solche Ausnahmen machen würden, um uns zu beschützen, würden wir noch etwas viel Größeres riskieren. Die Essenz, die uns zu dem macht, was wir sind, zu verlieren.“ Enttäuschung überkam mich bei seinen Worten. Natürlich musste ich zugeben, dass er Recht hatte, jedoch war ich trotzdem sauer und blickte dementsprechend finster drein.
„Es wäre nur verantwortungsbewusst.“
„Es wäre gefühllos“, korrigierte mich Carlisle. Ich seufzte schwer und merkte, wie dabei meine Oberlippe hervortrat, was meinem Gesicht einen beleidigten Ausdruck verlieh, der eher zu einem kleinen Kind als zu einer erwachsenen Frau gepasst hätte. Emmett tätschelte zärtlich meine Schulter, um mich zu beruhigen, aber eigentlich war das nicht nötig, schließlich wusste ich, wann ich verloren hatte.
„Es wird alles gut gehen“, sprach Carlisle weiter. „Die Frage ist, ob wir schon jetzt umziehen sollten?“ Doch damit war ich erst recht nicht einverstanden. Wenn wir schon umziehen müssten, dann doch erst, wenn es wirklich nötig wäre. Sprich: Wenn Edward das Mädchen getötet hatte und das würde wahrscheinlich schon zu bald sein, weshalb also jetzt schon aufbrechen?
„Nein!“, maulte ich daher. „Wir sind gerade erst sesshaft geworden. Ich will nicht schon wieder mein zweites Jahr an der High School wiederholen!“
„Du kannst natürlich dein jetziges Alter beibehalten“, machte Carlisle mir ein Angebot, das mir allerdings genauso gegen den Strich ging.
„Um dann noch schneller wieder umziehen zu müssen?“, entgegnete ich. Das würde ich nicht mitmachen. Um keinen Preis.
Carlisle zuckte mit den Achseln.
„Ich mag es hier! Hier gibt es so wenig Sonne, wir können uns fast normal benehmen!“, bekräftigte ich meine Aussage.
„Gut, wir müssen uns ja nicht sofort entscheiden. Wir können abwarten und sehen, ob es überhaupt notwendig wird. Edward war sich ja ziemlich sicher, was die Verschwiegenheit des Swan-Mädchens anging“, meinte er; für ihn war das Thema anscheinend damit beendet. Ich schnaubte entrüstet, aber ich musste Carlisles Entscheidung annehmen. Egal wie wütend ich auch war; er hatte gewonnen.
Inzwischen unterhielten sich die anderen über unwichtigere Gesprächsthemen, jedoch verfolgte ich die Unterhaltung nicht; ich schmollte. Daher bemerkte ich erst, dass Jasper immer noch stumm an der Wand stand, als Edward ihn direkt ansprach.
„Jasper“, begann er. „Sie wird nicht für meinen Fehler bezahlen. Ich werde es nicht zulassen!“ Entschlossenheit klang aus jedem seiner Worte, allerdings verstand dadurch immer noch nicht, was er an dem Mädchen so faszinierend fand, und das frustrierte mich. Fast hätte ich deswegen Jaspers Antwort nicht mitbekommen.
„Es soll ihr also von Nutzen sein? Sie wäre heute normalerweise gestorben, Edward. Ich würde es nur wieder richtig stellen.“
>>Ja!<<, dachte ich. >>Genauso ist es!<< Aber auf mich hörte natürlich mal wieder keiner. Es schien jedoch auch nicht so, als wäre das bei Jasper anders, denn Edward wiederholte seine Worte mit Nachdruck erneut, um seinen Standpunkt zu verdeutlichen.
„Ich werde es nicht zulassen!“ Skeptisch hob Jasper eine Augenbraue, dann schüttelte er den Kopf.
„Ich werde Alice nicht in Gefahr leben lassen, auch wenn sie noch so gering ist. Du hast für niemanden diese Gefühle, wie die, die ich für Alice habe, Edward, und du hast nicht durchlebt, was ich durchlebt habe, was auch immer du schon von meinen Erinnerungen gesehen hast oder nicht. Du verstehst das nicht.“
Seine Worte gaben mir ein wenig zu denken. Was war, wenn sich Jasper irrte? Vielleicht war es das, was Edward gerade erlebte. Vielleicht war er ja verliebt in das Mädchen. Alle Anzeichen deuteten darauf hin und doch konnte das nicht sein. Sie war ein Mensch! Andererseits war ich in Emmett auch schon verliebt gewesen, als ich ihn bei seinem Kampf mit dem Bären das erste Mal erblickt hatte. Da war er noch nicht schön, stark und schnell gewesen… Ach verdammt! Wie zum Teufel sollte ich je mit dieser Situation umgehen können?
„Das bestreite ich gar nicht, Jasper. Aber ich sage dir jetzt, dass ich es dir nicht erlauben werde, Isabella Swan zu verletzen.“ Eine Weile starrten sie sich gegenseitig an. Ich dachte schon, sie wollten die Ewigkeit damit verbringen, doch die Beiden wurden von Alice unterbrochen.
„Jazz – “
„Bitte erzähl mir nicht, dass du auf dich selbst aufpassen kannst, Alice. Das weiß ich. Ich muss es aber trotzdem tun – “
„Das ist nicht, was ich sagen wollte!“, unterbrach sie ihn mitten im Satz.
„Ich wollte dich um einen Gefallen bitten.“ Ein Gefallen? Was für ein Gefallen? Ich kam nicht ganz mit, was war nun schon wieder los?
Da gab Edward ein lautes, verstörtes Keuchen von sich und starrte sie geschockt an. Alle außer Alice sahen jetzt zu ihm hin.
„Ich weiß, dass du mich liebst. Danke. Aber ich würde es wirklich sehr zu schätzen wissen, wenn du nicht versuchen würdest, Bella umzubringen. Als allererstes, Edward meint es ernst und ich möchte nicht, dass ihr gegeneinander kämpft. Zweitens, sie ist meine Freundin. Oder besser gesagt, sie wird es sein.“
Zuletzt von Rose_fan 4 ever am So 27 Nov 2011, 23:30 bearbeitet; insgesamt 14-mal bearbeitet (Grund : s.o.)
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
6. Fragen über Fragen
Was? Die Swan und Alice’ Freundin? Wie konnte das sein? Ich hatte mit meiner albernen Vermutung, Edward könne in sie verliebt sein, doch nicht etwa Recht gehabt? Tausend und eine Frage wirbelten durch meinen Kopf auf der Suche nach einer Erklärung, die mich zufriedenstellte, doch vergeblich. Das einzig Zufriedenstellende an dieser Situation war, dass sämtliche anderen hier Anwesenden ähnlich geschockt reagierten.
„Aber … Alice…“, keuchte Jasper erschrocken. Offensichtlich konnte er es ebenso wenig glauben wie ich, wobei ich mir absolut sicher war, dass er nicht halb so absurde Theorien dazu hatte.
„Ich werde sie eines Tages lieben, Jazz. Ich wäre sehr verärgert über dich, wenn du sie nicht am Leben lassen würdest“, fuhr Alice fort, offenbar der Meinung, sie würde mit dieser Aussage mehr Licht in die Angelegenheit bringen. Dem war aber nicht so; sie machte lediglich die Verwirrung perfekt.
„Ah!“, sagte Alice dann, während ihr Blick schon wieder in der Zukunft verweilte. „Schau, Bella wird niemandem etwas sagen. Es gibt nichts, um das wir uns Sorgen machen müssen!“ Ach nein? Und warum hörte sich das dann so an, als seien die Beiden bereits befreundet? Das allein war doch schon Grund genug zur Sorge, oder etwa nicht?
„Alice – “ Edwards Stimme klang merkwürdig erstickt. „Was … hat das…?“
>>Zu bedeuten?<<, vervollständigte ich in Gedanken. Er war nicht der Einzige, der sich das fragte; im Gegensatz zu uns hatte er jedoch den Vorteil, Alice‘ Gedanken zu kennen, während wir noch völlig im Dunkeln tappten. Was hatte meine Schwester nur wieder gesehen?
„Ich sagte dir doch, dass ein Wandel bevorsteht. Ich weiß es nicht, Edward.“ Na toll, wieder keine zufriedenstellende Antwort! Was war das nur heute? War vielleicht ein offizieller Alice-und-Edward-sprechen-nur-noch-in-Rätseln-Tag, von dem ich nichts wusste? Warum zum Teufel konnte uns denn nicht endlich mal jemand über die Situation aufklären?
„Was, Alice? Was versuchst du zu verstecken?“, fragte Edward und diese wenigen Worte genügten, um meine Verwirrung sogar noch zu steigern. Alice und etwas vor Edward verstecken? Wie sollte das denn funktionieren, wenn mein heiß geliebter Bruder jeden einzelnen ihrer Gedanken lesen konnte?
Ich hörte Emmett hinter mir grummeln; auch er war offensichtlich verstimmt. Kein Wunder, schließlich war er einer dieser Männer, die immer alles ganz genau wissen wollten und leicht ungeduldig wurden. Wahrscheinlich war das Ganze für ihn noch weniger erträglich als für mich, so schwer ich mir das auch nur vorstellen konnte. Alice schüttelte jedoch den Kopf, ohne auf irgendeine Weise auf Em einzugehen.
„Es ist etwas über das Mädchen?“, wollte Edward fordernd wissen. Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, was mich nur noch neugieriger machte.
„Ist es etwas über Bella?“, wiederholte er nachdrücklich. Warum sagte Alice denn jetzt nichts? Sie hatte die Zähne fest zusammengebissen, allerdings ging ich nicht davon aus, dass ihre plötzliche Sprachlosigkeit damit zu tun haben könnte, dass sie ihre Zunge verschluckt hatte. Schließlich war ich mir vollkommen darüber im Klaren, dass das keinesfalls im Bereich des Möglichen lag.
Edward beobachtete sie eine Weile ebenso aufmerksam – und dann schrie er plötzlich los:
„Nein!“ Es gab einen lauten Knall, als er abrupt aufsprang und sein Stuhl zu Boden fiel. Verdammt, was war denn nun schon wieder los? Hätte mir in diesem Augenblick jemand gesagt, die Erde sei eine Scheibe und Vampire wären nur ein Produkt der menschlichen Fantasie, ich hätte es wahrscheinlich geglaubt. Die Welt stand völlig Kopf, von Logik gab es nicht mehr die geringste Spur. Noch nie war Edward in meiner Gegenwart so wutentbrannt gewesen! Was hatte er so Furchtbares in Alice‘ Kopf gesehen, dass er sich dermaßen gehen ließ?
Auch Carlisle zeigte sich verwirrt. Er war inzwischen aufgestanden und legte seinem Sohn nun beruhigend einen Arm auf die Schulter.
„Edward“, sagte er nur mit ruhiger Stimme, doch das genügte, um dafür zu sorgen, dass im Raum wieder völlige Stille herrschte.
„Es ist schon entschieden – es ist dabei, sich zu verfestigen!“, flüsterte Alice. Sie zögerte, bevor sie weitersprach, als habe sie Angst, dass das, was sie sagen wollte, einen erneuten Wutausbruch Edwards zur Folge hatte.
„Jede Minute bist du mehr entschlossen. Es gibt wirklich nur noch diese beiden Wege für sie. Es ist entweder der eine oder der andere, Edward!“ Wege? Was für Wege? Wovon redete sie nun schon wieder? War es nicht bereits beschlossene Sache gewesen, dass wir den weiteren Verlauf der Dinge abwarten wollten, bevor wir uns dazu entschieden, zu handeln?
„Nein!“, sagte Edward erneut, jedoch klang er längst nicht mehr so kraftvoll, wie noch vor zwei Minuten. Während er sprach, klammerte er sich am Tisch fest, als befürchtete er, dass seine Beine sonst jeden Moment nachgeben könnten, wobei das selbstverständlicherweise vollkommen unmöglich war.
„Würde bitte jemand den Rest von uns auch in das Geheimnis einweihen?“, wagte Emmett einen neuen Versuch, uns sein Leid zu klagen, allerdings scheiterte er erneut, da die anderen ihn noch immer gänzlich ignorierten.
„Ich muss weggehen!“, flüsterte Edward mit brüchiger Stimme.
„Edward, das haben wir doch schon besprochen!“, widersprach ihm jedoch Emmett laut. „Das ist der beste Weg, um das Mädchen zum Sprechen zu bringen. Außerdem, wenn du gehst, wissen wir nicht mit Sicherheit, ob sie nun redet oder nicht. Du musst hier bleiben und uns helfen!“
„Ich sehe nicht, dass du weggehst, Edward“, kam Alice ihm zu Hilfe. „Ich glaube, du kannst gar nicht mehr fortgehen!“
„Ich hab davon nichts gehört“, war Edwards Kommentar dazu, womit ich leider mal wieder ziemlich wenig anfangen konnte. Doch das Ganze ging noch weiter.
„Warum tust du mir das an?“, meinte er und gab ein resigniertes Stöhnen von sich. Verdammt, wie sollte eine Blondine wie ich je aus diesen geheimnisvollen einseitigen Gesprächen schlau werden? Das war doch nicht fair!
Da fiel Edwards Kopf auf einmal in dessen Hände, als sei er zu schwer für seinen Hals geworden.
„Sie auch lieben?“, flüsterte er bestürzt. Wie bitte? Sie sprachen jetzt schon von Liebe? Das klang ja fast so, als ob an meiner abwegigen Theorie doch etwas dran sei. Das durfte doch nicht wahr sein!
Zu meinem Entsetzen nickte Alice, worauf Edward dennoch mit einem energischen, wenn auch schockiertem Kopfschütteln antwortete.
„Nein!“, sagte er mit Nachdruck. „Ich muss diesem Kurs nicht folgen. Ich werde weggehen. Ich werde die Zukunft verändern!“ Die Zukunft verändern? Wie wollte er das denn machen? Vampire waren doch keine Zeitreisenden. Er hatte höchstens die Möglichkeit, sich kurzfristig um zu entscheiden, aber selbst das konnte manchmal sehr schwierig sein...
„Du kannst es versuchen“, meinte Alice; auch sie wirkte skeptisch.
„Oh kommt schon!“, brüllte Emmett in diesem Moment aufgebracht, was ich mit einem genervten Seufzen quittierte. Manchmal war mein Liebling etwas schwer von Begriff. Spätestens als das Wort ‚Liebe‘ gefallen war, hätte er eigentlich begreifen müssen, worauf Edwards gegenwärtiger Gemütszustand zurückzuführen war. Also beschloss ich, ihm die Sache zu erklären, wobei ich allerdings nicht sonderlich rücksichtsvoll vorging. Im Nachhinein tat es mir leid, dass ich ihn so angezickt hatte.
„Gib Acht!“, fauchte ich ihn also an. „Alice sieht ihn sich verlieben. In einen Menschen. Wie klassisch für Edward!“ Ich machte ein Geräusch, das mehr einem Erstickungsanfall als einem Kichern ähnelte, denn eigentlich fühlte ich mich nicht im Geringsten belustigt. Das alles war meiner eigenen Lebensgeschichte einfach zu ähnlich. Zwar hatte ich Emmett nicht töten wollen, jedoch war auch er ein Mensch gewesen, als ich mich in ihn verliebt hatte. Der Unterschied bestand lediglich darin, dass er es nicht lange geblieben war…
„Was?“, fragte Emmett auch prompt. Er klang erschrocken und ungläubig, doch dann hallte sein dröhnendes Lachen durch den Raum.
„Ist es das, was passieren wird?“ Er lachte erneut. Na, so witzig war das nun auch wieder nicht. Eher tragisch, sich in sein Mittagessen zu verlieben… Doch als ich das dachte, begriff ich das Komische der Situation und wurde von seinem Lachen angesteckt. Man stelle sich vor, ein Mensch würde sich in ein Steak verlieben… Meine plötzliche Euphorie währte leider nicht lange, da Edward mir einen bösen Blick zuwarf, der sich gewaschen hatte und mich sofort verstummen ließ.
„Der Durchbruch, Edward!“ Emmett, der sich noch immer vor Lachen schüttelte, legte seinem Bruder die Hand auf die Schulter.
„Verlieben in einen Menschen?“, wiederholte Esme währenddessen in einem erstaunten Ton. „In das Mädchen, das er heute gerettet hat? Sich in sie verlieben?“ Natürlich in das Mädchen, in wen denn sonst?
„Was siehst du Alice? Ganz genau!“, verlangte Jasper. Sie drehte sich zu ihm und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, bevor sie sprach:
„Es ist allein davon abhängig, ob er stark genug ist oder nicht. Entweder wird er sie selbst töten“ – Sie wirbelte mit strahlendem Blick in Richtung Edward. – „Was mich wirklich irritieren würde, Edward, nicht zu erwähnen, was es für dich bedeuten würde. Oder“, sie sah Jasper erneut an, „sie wird eines Tages eine von uns sein.“
Erschrocken schnappte ich nach Luft. Dieses Mädchen sollte in unsere Familie eindringen? Nein, das durfte nicht passieren! Nur über meine Asche!
„Das wird nicht passieren!“ Edward schrie meine Gedanken laut hinaus. „Keines von Beidem!“
„Es steht schon alles fest“, wiederholte Alice ruhig. „Er ist wahrscheinlich stark genug, sie nicht zu töten, aber es wird sehr knapp werden. Es wird eine erstaunliche Menge an Kontrolle nötig sein“, sagte sie grüblerisch. „Noch mehr, als Carlisle es kann! Er ist hoffentlich stark genug… Das Einzige, wofür er nicht stark genug ist, ist sich von ihr fernzuhalten. Da ist er ein hoffnungsloser Fall.“
Ich war nicht in der Lage, auf irgendeine Weise auf diese Aussage zu reagieren. Mein Gehirn war noch immer damit beschäftigt, die verschiedenen Tötungsmethoden durchzugehen, die ich in meinem Repertoire hatte. Wie konnte ich das Problem am günstigsten aus der Welt schaffen, ohne noch mehr Schaden anzurichten?
Den anderen schien es ähnlich zu gehen, denn im Raum war es totenstill. Edward starrte Alice an und wir starrten auf Edward. Sein Gesicht war vor Qual verzerrt; für ihn schien das alles genauso unverständlich zu sein wie für uns.
Nach einem sehr langen Moment des Schweigens seufzte Carlisle schließlich.
„Ja das … verkompliziert die Dinge.“
„Das würde ich auch sagen!“, gluckste Emmett zustimmend. Er sah so aus, als ob er gleich wieder losplatzen würde, was mich in diesem Augenblick schrecklich ärgerte. Er spielte doch nicht etwa mit dem Gedanken, die kleine Swan in unsere Familie aufzunehmen?!
„Ich bin überzeugt, dass die Pläne jedoch das Gleiche beinhalten“, sprach Carlisle nachdenklich weiter. „Wir werden bleiben und beobachten. Offensichtlich wird niemand das Mädchen verletzen.“ Ich sah, wie Edward sich versteifte und dann fragend zu Jasper blickte.
„Nein“, sagte dieser schnell. „Ich kann dem nur zustimmen. Wenn Alice nur zwei Wege sieht…“
„Nein!“, rief Edward wieder. „Nein!“ Oh Mann…Wo lag an dieser Stelle eigentlich sein Problem? Es war klar, was ich gegen den Verlauf der ganzen Geschichte hatte, aber was war es, das Edward so tierisch aufregte? Gerade schickte ich mich an, zu fragen, doch da drehte er sich einfach um und stakste aus dem Raum. Esme berührte ihn am Arm, als er an ihr vorbeiging, aber er erwiderte die Geste nicht. Er rannte schon, bevor er aus dem Haus war und vom Fenster aus konnte ich sehen, wie er den Fluss überquerte und im Wald verschwand. Na toll! Das hatte sich ja heute wirklich gelohnt.
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
7. Jagd mit Emmett
Die nächsten Tage vergingen, ohne dass noch etwas Besonderes passierte. Edward war wie abgemacht in Forks geblieben, wir gingen wie immer zur Schule und er brachte währenddessen niemanden um.
Etwas hatte sich allerdings doch geändert; zwar handelte es sich dabei nur um eine Kleinigkeit, jedoch befand ich es trotzdem als wichtig genug, um dem Beachtung zu schenken: Edward ging nach der Schule nicht mehr nach Hause. Jeden Nachmittag lief er schnurstracks in den Wald und kam erst Stunden später zurück. Ich hatte mich gefragt, was es mit diesen regelmäßigen Ausflügen auf sich hatte, deshalb war ich seiner Fährte eines Abends gefolgt und ob man es glaubt oder nicht – sie führte doch tatsächlich auf einigen Umwegen bis nach Seattle! Es war kein Muster erkennbar; er schien völlig ziellos gelaufen sein, woraus ich schloss, dass er diese Touren lediglich der Ablenkung halber machte. Wahrscheinlich wollte er ausbrechen aus dieser immer gleichen Umgebung, in der ihn zurzeit jeder beobachtete und jede seiner Bewegungen aufs Genaueste analysierte wurde.
Außerdem jagte er auch nicht mehr mehr als der Rest der Familie. Für einen Außenstehenden oder einen unaufmerksamen Beobachter mochte es so aussehen, als hätte er sich wieder vollkommen im Griff und doch bemerkte ich des Öfteren, wie er plötzlich ohne jeden ersichtlichen Grund abwesend ins Leere starrte. Seine Miene hatte in diesen Momenten irgendwie etwas Beängstigendes an sich, als würden ihm seine Gesichtszüge entgleisen, weil er etwas gesehen hatte, das er nicht einordnen konnte.
Zu meiner Überraschung hatte das Mädchen tatsächlich keine seiner Verdächtigungen ausgesprochen. Bis jetzt wohlgemerkt. Immer und immer wieder erzählte sie ihren Klassenkameraden die gleiche und offensichtlich erfundene Geschichte – dass Edward neben ihr gestanden und sie aus dem Weg gerissen hatte. Dass seine Rettungsaktion also nicht weiter spektakulär gewesen war. Ich wusste, dass Edward ihr das eingebläut hatte, allerdings war ich mir absolut sicher gewesen, dass sie an dem festhalten würde, was sie gesehen hatte. Scheinbar hatte ich sie falsch eingeschätzt.
Insgesamt drohte im Moment also keine Gefahr von ihrer Seite, zumindest keine sichtbare. Edwards unüberlegtes Handeln hatte bis jetzt niemandem geschadet. Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen wurmte mich das, obwohl ich mich eigentlich darüber hätte freuen müssen, dass keine meiner Befürchtungen sich bewahrheitet hatte. Ich fand, dass es Isabellas Tod nur unnötig hinauszögerte. Natürlich hatte ich Carlisle mein Wort gegeben, dass ich der Swan nichts antun würde, aber erstens wusste ich nicht, ob ich mich daran halten würde, und zweitens war sie so tollpatschig, dass es gar nicht so unwahrscheinlich war, dass sie es in naher Zukunft schaffte, sich selbst umzubringen.
Ich lag unter meinem M3 und bastelte ein wenig daran herum, eine Tätigkeit, die meine Nerven normalerweise schön beruhigte, aber heute fiel es mir irgendwie schwer, mich darauf zu konzentrieren, was ich tat. Meine Gedanken ließen sich nicht ordnen; sie kreisten immer und immer wieder um die Ereignisse der letzten Woche. Vielleicht sollte ich es mal anders machen, mich mit der Zukunft statt mit der Vergangenheit beschäftigen, wie Alice. Was geschehen war, war geschehen, daran konnte ich schließlich nichts mehr ändern. Alice… Mit dem Gedanken an meine Schwester, stürmte auch der Rest wieder auf mich ein. Was hatte sie nur gesehen, das Edward so erschreckt hatte? Aus ihrem Gerede von zwei Wegen war ich einfach nicht schlau geworden und mehr hatte sie auch später nicht mehr dazu gesagt. Edward hatte ebenfalls beharrlich darüber geschwiegen; überhaupt beteiligte er sich fast nicht mehr am Familienleben. Wo er wohl jetzt gerade steckte? Bis zur nächsten gemeinsamen Jagd waren es noch ein paar Tage, nur Emmett und ich hatten es vorgezogen, uns heute auf den Weg zu machen. Seit der Sache mit dem Swan-Mädchen hatten wir nicht viel Zeit für uns gehabt, das musste sich schleunigst ändern…
Ach, es hatte ja doch keinen Zweck! Ich konnte machen, was ich wollte, am Ende drehte sich ja doch wieder alles nur um Edwards neue Obsession. Resigniert kroch ich unter dem Wagen hervor und verließ die Garage. Es dämmerte bereits; ich hatte völlig die Zeit vergessen, also ging ich ins Haus, um mich umzuziehen und zu duschen. Schließlich konnte ich mich kaum so mit Motoröl verdreckt in den Wald begeben.
Von sämtlichem Dreck befreit und relativ unauffällig in Jeans und einen kurzen schwarzen Pullover gekleidet, machte ich mich nur kurze Zeit später mit meinem Liebling auf den Weg.
Es war eine sehr dunkle und bewölkte Nacht, typisch für Forks. Vom Mond war nur ein schwacher Lichtschimmer zu sehen, der scheinbar verzweifelt versuchte, die Barriere der dicken Wolken zu durchdringen. Ich hasste diese Art von Nächten, hatte sie schon immer gehasst. Die Finsternis umhüllte mich; sie lag auf mir wie ein schwerer Mantel, der mich langsam erdrückte. Als ich noch ein Mensch gewesen war, hatten mich solch finstere Nächte richtig verängstigt. Selbst wenn ich in meinem Bett gelegen hatte, hatte ich mich noch bedrängt gefühlt. Von Tausenden von Lebewesen, die in der Dunkelheit lauerten und mich mit ihren unsichtbaren Augen beobachteten. Bei klarem Wetter hatte ich mich, wenn ich nicht schlafen konnte, wenigstens noch damit trösten können, aus dem Fenster zu blicken und den weiten Sternenhimmel zu bewundern, aber war die Nacht so dunkel und nebelig wie heute gewesen, hatte mich das in Angst und Schrecken versetzt. Ich konnte mir nicht erklären, warum ich sie noch immer verabscheute, diese kalten und düsteren Nächte. Viel lieber war mir schon immer die Sonne gewesen. Es quälte mich, dass ich mich jetzt vor den warmen Strahlen verstecken musste, wenn Menschen in der Nähe waren, denn ich liebte die Wärme auf meiner kalten Haut und ich genoss den wunderschönen Anblick, wenn sich das Licht darin brach. Am liebsten wäre ich auch noch bei Sonnenschein jagen gegangen, aber Carlisle hatte das Risiko als zu groß befunden. Es bestand immerhin Gefahr, dass wir im Wald auf Menschen trafen, und gerade jetzt konnten wir uns keinerlei Fehltritte leisten.
Ich nahm Anlauf, stellte meinen rechten Fuß auf einen flachen Stein, stieß mich ab und flog dann an Emmetts Seite über den breiten Fluss. Hand in Hand liefen wir in den Wald; wir waren ungefähr gleich schnell. Zwar war Emmett erheblich stärker als ich, dennoch bewegte ich meine Beine schneller und vor allem eleganter und geschmeidiger. Bär und Katze. Ein ungleiches Paar.
Mit jedem Schritt, den ich mich vom Haus entfernte, schien die Last auf meinen Schultern weniger zu werden. Ein Gefühl der Freiheit überkam mich und plötzlich hatte ich Lust, vor Freude zu lachen. Stattdessen schloss ich jedoch die Augen, um die Gerüche um mich herum aufzunehmen und mich auf das eigentliche Ziel dieses nächtlichen Ausflugs zu konzentrieren. Etwas Wild war offenbar in der Nähe, aber leider schien es, als wäre nichts wirklich Schmackhaftes dabei. Wenn es wieder ruhiger um Edward und sein kleines Mädchen wurde, mussten wir unbedingt mal wieder einen Jagdausflug in ein Gebiet machen, indem es mehr Fleischfresser gab.
Meinem Gehör nach zu urteilen hielt sich etwas Wild knapp zwei Meilen weiter nördlich von uns auf einer kleinen Lichtung auf. Ich konnte die leisen Atemzüge und das Klopfen der großen Herzen ausmachen; konnte hören, wie das Blut durch die Bahnen gepumpt wurde. Gift sammelte sich in meinem Mund, das Brennen in meiner Kehle verstärkte sich so sehr, dass es beinahe unerträglich wurde. In einem selbst für mich äußerst rasanten Tempo lief ich los, um meinen Durst möglichst schnell zu stillen. Ich folgte dem satten, erdigen Geruch der Tiere und nur wenige Sekunden später hatte ich auch schon den ganzen Weg zurückgelegt und die Lichtung erreicht. Sofort setzte ich zum Sprung an und erlegte geschickt einen großen Hirsch. Emmett dagegen kam angestürmt und wartete, bis die aufgescheuchte Herde die Flucht ergriff. Dann erst jagte er hinterher.
Wie immer machte er ein Spiel aus der Jagd. Wie ich ihn kannte würde er sich jetzt das größte Tier aussuchen und erst einmal anschreien und reizen, bevor er es schließlich angriff. Natürlich funktionierte das nicht halb so gut mit Wapitis wie mit Bären, denn sie hatten bekanntlich keine scharfen Krallen, aber wenn es nicht anders ging, musste er sich eben auch damit zufriedengeben. Manchmal war Emmett wirklich zu kindisch, aber abstruserweise war das gerade ein Grund, weshalb ich ihn so sehr liebte. Er gab mir Halt, indem er mich von meinem ansonsten finsteren und höchst trostlosen Dasein ablenkte, was mir ungeheuer gut tat, wie ich ganz genau wusste. Bevor ich ihn gefunden hatte, war mein Leben gar zu langweilig gewesen.
Ich schlug meine Zähne in den Hals des Tieres, dort wo sich der Blutstrom konzentrierte, und begann zu trinken. Der Geschmack war widerlich im Vergleich zu den größeren Raubtieren und erst recht zu Menschen, wie Emmett manchmal spaßeshalber betonte. Doch da ich noch nie in den Genuss von menschlichem Blut gekommen war, wusste ich nicht um den tatsächlichen Unterschied, was sicher ein Grund war, weshalb ich so gut mit dieser Art von Enthaltung umgehen konnte.
In der Ferne hörte ich Em brüllen, also ließ ich den nun blutleeren Hirsch auf den Waldboden gleiten, um seiner Stimme zu folgen. Und da stand er über das eben erlegte Tier gebeugt und schon nach diesem kurzen Kampf völlig blutverschmiert, sein Shirt hing in Fetzen. Wahr-scheinlich würde er niemals lernen, seine Mahlzeiten vernünftig einzunehmen. Vernunft und Emmett – das waren wirklich zwei völlig verschiedene Welten!
Da wir die Wapitis inzwischen verscheucht hatten, machten wir uns auf die Suche nach etwas anderem, dem wir nicht ganz abgeneigt waren. Auf einmal roch ich die Andeutung einer Fährte; leise und hochkonzentriert lief ich in Richtung Osten. Je höher ich kam, desto karger wurde die Gegend, aber die Mühe würde sich lohnen, soviel stand fest. Der Duft, den ich wahrnahm, war warm, kräftig und äußerst verlockend. Puma!
Nur wenige Sekunden später hörte ich auch schon das gedämpfte Tapsen der gewaltigen Pfoten. Das Geräusch kam von oben aus einer mächtigen Fichte und es war nicht nur ein Tier! Mein Blick lokalisierte die Bewegung. Da – rechts von mir – schlich eine Raubkatze über den breiten Ast des Baumes und direkt unter ihr kauerte eine Zweite. Es war äußerst selten, dass man gleich auf zwei Exemplare traf, schließlich waren sie eigentlich Einzelgänger und trafen lediglich zur Paarungszeit zusammen. Was hatten wir heute nur für ein Glück!
Völlig lautlos drückte ich mich vom Boden ab, um dann leichtfüßig auf dem Ast des Pumas zu landen. Er schwankte leicht unter meinem Gewicht; der Puma spürte die Vibration und wirbelte herum. Bei meinem Anblick knurrte er angriffslustig und holte mit der Tatze aus, aber natürlich ließ ich mich davon wenig beeindrucken.
Elegant balancierte ich über den Ast, meine Beute immer im Visier. Meine Füße bewegten sich fast von selbst; ich verließ mich vollkommen auf meine Instinkte. Der Puma war wie erstarrt vor Schreck und ich hatte ihn schon fast erreicht, als ich plötzlich lautes Gebrüll hörte; das Tier erwachte aus seiner Lähmung und sprang schnell von mir weg.
Jetzt doch ein wenig genervt verdrehte ich die Augen. Emmett! Wann lernte er endlich, dass man sich an seine Beute anschlich und sie nicht absichtlich aufschreckte? Solange er nur seine verscheuchte, konnte er machen, was er wollte, aber das war doch nun wirklich nicht nötig gewesen.
Ich folgte dem Puma auf den nächsten Baum und kletterte den Stamm hoch; das Tier würde mir keinesfalls entkommen. Undeutlich nahm ich wahr, wie Emmett sich auf dem Boden mit seinem Fang wälzte und dabei laut schrie.
Der Puma stoppte abrupt. Er kauerte am Ende eines langen Astes und der nächste Baum war zu weit entfernt. Diese Distanz konnte er nicht so einfach überbrücken und der Ast lag selbst für ihn zu hoch, um sicher auf dem Boden zu landen; hinter ihm lauerte ich. Ich setzte zum Sprung an. Die Augen des Pumas weiteten sich vor Entsetzen, als er seinem Ende entgegensah. Ich stürzte mich auf ihn und warf mich mit ihm auf den Waldboden. Er wehrte sich verzweifelt, aber gegen meine Kräfte hatte er keine Chance. Meine Zähne schnitten mit Leichtigkeit durch seine Kehle und während ich das heiße Blut trank, spürte ich, wie der Widerstand des Tieres unter mir immer schwächer wurde. Das letzte was ich hörte, war der gurgelnde Laut mit dem seine Schreie erstarben...
Ich schob den Körper des Pumas von mir, dann stand ich auf, strich mir eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht und drehte mich zu Emmett um, der nur wenige Meter hinter mir gerade von seinem Tier abließ. Von seinem Shirt war nun wirklich nichts mehr übrig geblieben und er blickte ein wenig enttäuscht auf seine leergesaugte Beute. Eine Hundertstelsekunde später stand ich bereits neben ihm; mein Arm lag locker auf seiner Hüfte.
„Mach dir nichts draus“, tröstete ich ihn mit einem leichten Lächeln. „Wir können bald wieder losziehen, etwas weiter weg. Und dann erlegst du einen schmackhaften Grizzly.“
„Das haben wir viel zu lange nicht mehr gemacht“, meinte Em leise. Seine Stimme klang noch dunkler als sonst und ein wenig rau, so dass sie mir einen wohligen Schauer über den Rücken jagte. Zärtlich fuhr er mit seiner Hand durch meine Haare; in seinen Mundwinkeln, genau dort, wo sich diese unbeschreiblich niedlichen Grübchen in seine Wangen gruben, klebte noch etwas Blut. Ich beugte mich vor, um es wegzuküssen; seine wunderbar weichen Lippen trafen mit einer Leidenschaft auf meine, die mir die Knie weich werden ließ. Er umfing mich mit seinen starken Armen, hielt mich gefangen in seiner Umarmung und ich versank in diesem herrlichen Kuss, in dem all unsere Gefühle füreinander lagen.
„Ich liebe dich“, flüsterte er und obwohl ich das von ihm sicher schon Tausende Male gehört hatte, machte es mich noch immer unglaublich glücklich…
Zuletzt von Rose_fan 4 ever am Di 06 Dez 2011, 20:51 bearbeitet; insgesamt 6-mal bearbeitet (Grund : s.o.)
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
8. Fehlgeleitete Frühlingsgefühle
„Bella wird in einer Minute Edward anstarren. Guckt normal.“ Es war ein Dienstag im März und wir saßen gerade beim Mittagessen, als Alice uns diese Anweisung gab. Also verlagerte ich mein Gewicht, strich mir die Haare zurück, um nicht zu still zu wirken, und setzte einen gleichgültigen Gesichtsausdruck auf. Das war mittlerweile zur Routine geworden; es kam mir so vor, als sei bereits eine halbe Ewigkeit vergangen, seit ich Carlisle mein Versprechen gegeben hatte, der Kleinen nichts anzutun. Allerdings fragte ich mich langsam, weshalb wir eigentlich so ausgiebig über die jetzige Situation diskutiert hatten, denn es tat sich überhaupt nichts. Edward hatte das Mädchen weder getötet, noch sonst irgendwie öffentlich sein Interesse an ihr bekundet, soweit ich es wahrgenommen hatte. Ja, sie hatten scheinbar ein paar Worte miteinander gewechselt, aber ansonsten hielt Edward sie auf Abstand, was ihr offensichtlich missfiel. Gerade zum Beispiel, als sie auf die Minute genau zu uns herüber sah, spiegelte sich die Enttäuschung darüber, dass Edward ihren Blick nicht erwiderte, in ihren großen dunklen Augen. Sie sah so traurig aus, dass es beinahe schon komisch war. Tja, sie hatte wohl nicht damit gerechnet, dass mein Bruder sie ignorieren würde, aber wie es aussah, war das nun seine Art, die Sache zu meistern. Wahrscheinlich war das die beste Lösung, obwohl ich mir sicher war, dass er das auf Dauer nicht durchhalten würde. Oder vielmehr Alice war sich sicher, aber vielleicht lag sie mit ihren Visionen ja ausnahmsweise mal falsch. Das wäre mir zumindest lieber, als wenn sich Isabella uns in geraumer Zeit anschließen würde. Bevor das nämlich passierte, müsste ich wohl oder übel mein Versprechen an Carlisle brechen.
Plötzlich seufzte Alice auf; bittend sah sie Edward an.
„Lass es sein, Alice“, antwortete dieser jedoch vollkommen unbeeindruckt von ihrem Hundeblick und offensichtlich auch ein wenig genervt. „Es wird nicht passieren.“
Sie zog einen reizenden Schmollmund; einmal mehr ärgerte ich mich darüber, dass ich keine besondere Gabe hatte, die mich an ihren Insider-Unterhaltungen teilhaben ließ.
„Es bedeutet mir eine Menge“, ging das Spielchen gleich von Edwards Seite weiter, worauf Alice nur unzufrieden schnaubte. Wie ich das hasste! Die anderen schienen allerdings auch nur Bahnhof zu verstehen. Emmett guckte wie ein wütendes Kleinkind, das seinen Willen nicht bekam, während Jasper seine Freundin einfach nur aufmerksam beobachtete. Doch keiner von uns wurde auch nur im Geringsten von Alice und Edward beachtet und wir kamen auch nicht mehr dazu, unser Missfallen noch kundzutun, da es in diesem Moment schellte und wir uns zu unseren jeweiligen Kursen begeben mussten.
Als ich dann im Matheunterricht saß, war ich wie immer hauptsächlich damit beschäftigt, Mr Varners monotone Erklärungen und sämtliche andere Nebengeräusche weitestgehend auszublenden, um wichtigeren Dingen nachzugehen, aber heute wollte mir das nicht so recht gelingen.
Um mich herum tuschelten die Schüler auf Teufel komm raus. Normalerweise verhielten sie sich bei Mr Varner verhältnismäßig ruhig, doch ihr gewohntes Verhalten wurde davon beeinflusst, dass vor ein paar Tagen der Termin für den Frühjahrsball bekanntgegeben worden war. Natürlich war es da eine Verpflichtung für die Schüler, vor allem für die Mädchen, sich darüber zu unterhalten, mit wem sie hingehen wollten. Es war Damenwahl und da es fast alle auf die gleichen Typen abgesehen hatten, gab es in der Hinsicht einige Differenzen, die es zu überwinden galt. Nun, Edward würde sowieso mit keiner zum Ball gehen, damit hatten sie schon einmal ein Problem weniger, aber auch Tyler Crowley war erstaunlich beliebt bei den Mädchen in meinem Kurs und das, obwohl er einen Jahrgang unter uns war. Der Unfall hatte seinem Image nicht im Geringsten geschadet. Im Gegenteil – die meisten Mädchen fanden das alles ungemein aufregend und himmelten ihn nun regelrecht an. Zwar war ich nicht der Meinung, dass er auf irgendeine Weise besser aussah als die anderen Jungen hier, allerdings genoss er einen hohen Beliebtheitsstatus auf der Forks High School, worauf auch immer das zurückzuführen war. Jetzt schien es nur leider so, als ob auch er der unverwechselbaren Anmut Isabella Swans verfallen sei, zumindest hatte ich ihn seit dem Unfall oft dabei beobachtet, wie er gedankenverloren zu ihr hinstarrte. Es war mir ein Rätsel; wieso nur kümmerten sich sämtliche männlichen Wesen ihres Alters um sie? War es, weil sie kaum zwei Schritte tun konnte ohne hinzufallen? Wurde da ihr Beschützerinstinkt wach? Schließlich konnte es keinesfalls ihr umwerfendes Aussehen sein, das sie zu ihr hinzog, wie die Motten zum Licht.
Wie der Zufall es wollte, hörte ich, als ich über den Hof zu meinem nächsten Kurs ging, aus einiger Entfernung Tylers Stimme. Neugierig ging ich ihr nach und da stand er – lässig an eine Wand gelehnt und völlig in eine Diskussion mit Mike Newton vertieft. Newton, das war auch so einer… Die blonden Haare immer sorgfältig hochgegelt, glotzte er ständig doof in der Gegend rum. Ein absoluter Langweiler, aber bei den Mädels beliebt. Mich hingegen erinnerte er immer an einen Golden Retriever; der Männergeschmack der weiblichen Wesen war in diesem Kaff, das sich Forks nannte, wirklich miserabel.
Keiner der Beiden bemerkte mich, was mich dazu veranlasste, mich näher an sie heranzuwagen. Absichtlich langsam ging ich an ihnen vorbei und lauschte ihren Worten, denn ich hatte sofort gehört, dass es um die nervtötende Polizistentochter ging, die mein Bruder für sich beanspruchte.
„Das kann ich nicht glauben … sie hat wirklich nein gesagt?“
„Ja, Tyler, wie oft muss ich dir das noch erklären? Wir saßen in Bio. Ich hab ihr zuerst erzählt, dass Jessica mich gefragt hat… Wollte eben wissen, ob ihr das was ausmacht, aber sie hat sich voll gefreut. Meinte, dass wir einen super Abend zusammen haben würden und so. Und dann kam sie mir mit dieser dummen Ausrede, dass sie nicht da ist an dem Tag und…“
„Sie ist nicht da???“, unterbrach ihn Tyler geschockt.
„Ja … angeblich ist sie in Seattle. Als ob ich ihr das glauben würde! Die ganze Zeit hat uns Cullen beobachtet und sie schaut ihn auch immer so komisch an… Wenn sie den jetzt fragt…“
„Cullen? Edward Cullen? Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“
„Was weiß ich ... kann doch sein! Die fahren doch alle voll auf den ab!“
„ Ja schon, aber dieser langweilige Streber interessiert sich doch eh nicht für Mädchen. Bei dem hat selbst Bella keine Chance.“
„Und was soll ich jetzt machen?“
„Na, mit Jess gehen. Was sonst? Willst du etwa alleine auf dem Ball aufkreuzen?“
„Na toll. Die labert mich sicher wieder den ganzen Abend voll.“
„Und? Lass sie doch reden! Was willst du denn mehr? Sie ist hübsch und du kannst bei ihr nicht viel falsch machen. Du musst ihr nicht einmal zuhören. Bei der reicht es, wenn du ab und an ‚mmh‘ und ‚ich bin ganz deiner Meinung‘ von dir gibst.“ Eine kurze Pause entstand, während der ich das Gefühl hatte, dass Tyler noch etwas sagen wollte, doch er zögerte.
„Und Mike“, überwand er sich schließlich doch, „hättest du was dagegen, wenn ich Bella fragen würde?“
„Mann, es ist Damenwahl! Aber wenn du willst … du kannst ja mal dein Glück versuchen. Oder … hast du mal daran gedacht, dass sie wirklich nach Seattle muss?“ Tyler schnaubte nur ungläubig, während ich gedankenverloren weiterging. Dieses Gespräch hatte mir genug Stoff zum Nachdenken gegeben, um die nächsten Unterrichtsstunden zu überstehen.
Als es endlich zum letzten Mal geklingelt hatte, schulterte ich meine Tasche und lief zum Auto. Auf dem Weg begegnete ich Emmett, der gedankenverloren mit gesenktem Kopf über den Flur ging. Als ich ihn umarmte und ihm einen Kuss auf die Wange drückte, reagierte er nicht sofort und starrte mich verwirrt an, bevor er mich an sich zog. Solch ein Verhalten war ziemlich untypisch für ihn; normalerweise ergriff er jede Gelegenheit sofort, in der er mir seine Liebe durch körperliche Gesten zeigen konnte. Was war nur heute mit ihm los? Seit wann dachte er über irgendetwas so intensiv nach, dass er mich nicht bemerkte?
Auf dem Parkplatz trafen wir auf Alice und Jasper, auch sie sie hatten sofort bemerkt, dass etwas nicht stimmte, und sahen meinen Liebling fragend an.
„Was ist passiert?“, wollte Alice besorgt wissen. Wahrscheinlich störte es sie gerade, dass sie nicht auch in die Vergangenheit blicken konnte.
„Wenn ich das nur wüsste…“, antwortete Em und kratzte sich am Kopf, was mich zum Kichern brachte. Dieses kleine Überbleibsel aus seinem Menschenleben amüsierte mich jedes Mal aufs Neue; er sah dabei einfach zu komisch aus.
„Ihr wisst ja selbst, mit was für einem Gesicht Edward die letzten Tage herumgelaufen ist, aber heute in Spanisch war das plötzlich wie … wie weggeblasen! Er sah irgendwie … hoffnungsvoll aus, weiß der Geier wieso. Und dann meinte er, dass ich auf euch warten sollte und ist einfach abgehauen. Seit er dieses Mädchen kennt, benimmt er sich einfach nicht mehr normal. Der Junge hat seinen Verstand verloren.“
Da musste ich ihm allerdings Recht geben. Kopfschüttelnd wanderte mein Blick zum Volvo, wo sich mir eine seltsame Szene darbot. Edward saß schon längst im Auto, aber anstatt in der Parklücke zu warten, war er auf die Fahrbahn gefahren und blockierte so den Ausgang. Direkt hinter ihm stand Bella Swans alter Truck. Das Mädchen blickte finster zum Auto meines Bruders, während sich Tyler Crowley, der eben noch mit ihr gesprochen hatte, von ihrem Wagen entfernte und aus dessen Gesichtsausdruck ich schloss, dass er soeben sein Vorhaben in die Tat umgesetzt hatte. Sie hingegen sah aus, als wolle sie meinen Bruder umbringen.
Als wir den Wagen erreichten, krümmte sich Edward noch immer vor Lachen. Was sollte ich nun davon halten? Ständig dieser Wechsel seiner Launen. Erst mörderisch missmutig und jetzt total euphorisch. Auf unsere fragenden Blicke schüttelte er jedoch nur den Kopf und fing erneut an zu lachen.
„Fahr los!“, fauchte ich ungeduldig. Irgendwie machte mich sein unbeständiges Verhalten gerade rasend. „Hör auf, dich wie ein Idiot zu benehmen… Wenn du kannst.“
Er tat, was ich gesagt hatte, aber ich hatte den Eindruck, dass er mich nicht allzu ernst nahm, jedenfalls zeigte er keinerlei Reaktion auf den kleinen Seitenhieb. Dann durchbrach Alice auf einmal die Stille, die hier drin herrschte, seit wir losgefahren waren.
„Also, darf ich jetzt mit Bella reden?“ Na, auf die Antwort war ich ja mal gespannt. Schließlich musste seine gehobene Stimmung etwas mit dem Mädchen zu tun haben; vielleicht hatte er hinsichtlich ihrer Beziehung endlich eine Entscheidung gefällt.
„Nein!“, zischte er allerdings zu meiner Überraschung. Warum war er denn sonst so glücklich gewesen?
„Das ist nicht fair! Worauf soll ich denn noch warten?“, quengelte meine Schwester beleidigt. Im Geiste stimmte ich ihr zu. Nicht, dass ich gewollt hätte, dass sich die Beiden anfreundeten – um Gottes Willen – ich verstand nur nicht, warum Edward das Ganze so vehement ablehnte.
„Ich hab noch nichts entschieden, Alice“, entgegnete er.
„Was auch immer, Edward.“
„Was ist der Grund dafür, dass du sie unbedingt kennenlernen willst?“, murmelte er plötzlich griesgrämig. „Weil ich sie wahrscheinlich umbringen werde?“
Für eine Sekunde brachte sie das zum Verstummen.
„Es wird so einen Punkt geben“, sagte sie dann langsam.
Mit einer Geschwindigkeit von neunzig Meilen pro Stunde nahm Edward die letzte Haarnadelkurve und bremste dann offensichtlich erzürnt mit kreischenden Bremsen kurz vor der Rückwand der Garage.
„Genieß deinen Lauf“, sagte ich selbstgefällig, als er sich aus dem Auto warf, und ging ins Haus.
Zuletzt von Rose_fan 4 ever am Di 06 Dez 2011, 21:21 bearbeitet; insgesamt 6-mal bearbeitet (Grund : s.o.)
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
9. Eine Blondine auf Abwegen
Emmett war wieder einmal mit Jasper losgezogen, um sich erneut so richtig von ihm fertigmachen zu lassen. Deshalb sah ich mich dazu gezwungen, mich allein auf unser gemeinsames Zimmer zurückzuziehen. Es war mir ein Rätsel, dass mein Schatz noch immer nicht aufgeben hatte, obwohl ihm doch längst klar sein musste, dass er gegen Jazz nie eine reelle Chance haben würde. Da konnte er so viel trainieren, wie er wollte – Jasper hatte ihm nun mal Jahrhunderte an Erfahrung voraus, daran konnte er kaum noch etwas ändern. Zwar war auch Em keinesfalls ein schlechter Kämpfer, jedoch verließ er sich zu sehr auf seine enorme Körperkraft. Seine Angriffsweise war zu direkt und kam niemals gegen die wohl überlegten Züge an, die Jasper dagegen machte. Das war ähnlich, wie beim Schach. Wenn er gegen Jasper spielte, kam es oft vor, dass er die wichtigen Figuren bereits zu Beginn verlor, da er zu unüberlegt vorging.
Auf der Suche nach einer passenden Beschäftigung sah ich mich in unserem Zimmer um. Wie immer war es tadellos aufgeräumt; jedes Teil hatte seinen eigenen Platz, daran konnte auch Emmetts Hang zum Chaos nicht das Geringste ändern.
Mein Blick fiel auf das Bücherregal, das ebenfalls nicht den kleinsten Anflug von Unordnung entdecken ließ. Wenn man bedachte, wie lange wir schon auf dieser Erde weilten und wie viel Freizeit wir daher zur Verfügung hatten, war es nicht sonderlich gut bestückt. Seit ich Emmett kannte, hatte er so gut wie nie ein Buch aufgeschlagen; er las höchstens mal ein Auto- oder Computermagazin. Auch zu meinen Lieblingsbeschäftigungen zählte das Lesen nicht unbedingt, allerdings kam es ab und an vor, dass mich die Lust nach einem guten Buch plötzlich überfiel. Deshalb trat ich jetzt an das Regal heran und zog eins der Bücher heraus, die ich noch nicht gelesen hatte. Mehr aus Gewohnheit machte ich es mir auf dem Bett gemütlich; natürlich wäre es für mich auch kein Problem gewesen, stehen zu bleiben.
Ich war so vertieft in meine Lektüre, dass ich gar nicht registrierte, wie die Sonne um das ganze Haus wanderte und sich schließlich ans Untergehen machte, bis ich auch die letzte Seite gelesen hatte und das Buch zur Seite legte. Es handelte sich um einen Vampirroman, wie bei fast allen meiner Bücher. Mir ist vollkommen klar, dass sich das ein wenig seltsam anhört, aber dieses Genre hatte es mir einfach besonders angetan. Über das Leben der Menschen zu lesen langweilte mich, hingegen amüsierte es mich immer wieder köstlich zu lesen, wie die Menschen uns sahen. Weihwasser, Kreuze und Knoblauch, was für ein Unfug! Wenn Emmett mal nicht zur Stelle war, um mich aufzumuntern, brauchte ich nur so was zu lesen und meine gute Laune war in kürzester Zeit wieder hergestellt.
Allerdings bevorzugte ich in dieser Sparte die Horror- und Gruselromane, auch wenn ich zu meinem Leidwesen immer wieder an diese schrecklich schmalzigen Liebesstorys geriet. Ein Mensch verliebt sich in einen Vampir und die Beiden tun alles, um ihre unsterbliche Liebe zueinander zu retten. Bla bla bla… Nie hätte ich mir auch nur träumen lassen, dass sich in diesem ganzen furchtbar kitschigen Gefasel auch ein wahrer Kern verbergen konnte.
Ich beschloss, dass ich, wenn die Sache mit Edward und seinem kleinen Menschenmädchen ein gutes Ende nahm, was in Anbetracht der momentanen Lage gar nicht mal so abwegig war, meinen eigenen Vampirroman schreiben würde und zwar glaubwürdig und ohne jeglichen Kitsch. Obwohl das Ganze natürlich auch nicht allzu nah an der Wahrheit dran liegen durfte, schließlich konnte ich den Menschen keinesfalls einen Hinweis auf unsere geheime Existenz geben.
Das eben ausgelesene Buch stellte ich zurück ins Regal, dann lief ich nach unten, um nachzusehen, ob Em und Jazz‘ Kämpfchen inzwischen ein Ende gefunden hatte. Als ich ins Wohnzimmer kam, fand ich dort jedoch eine Szene vor, die ich so nicht erwartet hatte.
Die ganze Familie, bis auf Edward und natürlich mich, war dort versammelt und scharrte sich um Alice, die aufgeregt gestikulierte und so schnell redete, dass es selbst für Vampire schwer zu verstehen war.
„Alice? Was ist los? Wo ist Edward?“, fragte ich, obwohl ich mir eigentlich auf beide Fragen schon eine Antwort denken konnte. Sie starrte mich überrascht an, als ob sie mich nicht hier vermutet hätte. Allein das sagte schon einiges über die Situation aus, denn wenn sie mich nicht gesehen hatte, musste die Diskussion, die sie gerade mit der Restfamilie führte, enorm wichtig und vor allem ziemlich ablenkend sein. Was natürlich die Frage aufwarf, weshalb ich dann nicht daran teilnehmen durfte.
„Rose?“ Etwas, das sich nur als Angst deuten ließ, mischte sich in ihre Stimme, als sie meinen Namen aussprach. Aber nein, das konnte nicht stimmen. Wann war ausgerechnet Alice mir je mit Angst begegnet? Nun schon ein wenig misstrauisch wanderte mein Blick zu Esme, die ihn erkennbar schuldbewusst erwiderte. Offensichtlich war irgendetwas im Busch. Carlisle hingegen wirkte ausgesprochen nachdenklich und Jasper starrte einfach nur düster vor sich hin, aber das kannte man ja. Wer jedoch so gar nicht ins Bild passte war Emmett. Wäre er kein Vampir ohne jegliches normale Schmerzempfinden, so hätte ich aus seinem Gesichtsausdruck geschlossen, dass er starke Zahnschmerzen hatte, doch das war natürlich vollkommen unmöglich. Was zum Teufel war hier los? Es war mir mittlerweile klar, dass sie mir absichtlich nicht Bescheid gegeben hatten, das konnte ich aus dem Verhalten meiner Familie schließen. Aber was konnte so schlimm sein, dass ich es nicht mitkriegen durfte? Mir fiel nur ein einziger Grund dafür ein und der lag auf der Hand: Edward. Wenn mein Bruder wieder irgendetwas Hirnrissiges angestellt hatte, wollten sie durch diese Heimlichtuerei sicher verhindern, dass ich ihnen Ärger machte. Aber das würde ich nicht auf mir sitzen lassen! Ohne dass ich es bewusst wahrnahm, entfuhr mir ein wütendes Knurren; erschrocken wich Alice zurück.
„Ist er wieder bei dem Mädchen?“, fauchte ich und verspürte plötzlich das dringende Bedürfnis, irgendetwas zu zertrümmern. „Was versucht ihr schon wieder vor mir zu verbergen? Bin ich es etwa nicht wert, zu erfahren, worüber ihr euch hier die Mäuler zerreißt?“ Ich war dermaßen in Rage, dass sogar Emmett bestürzt wirkte. Langsam kam er auf mich zu, um mir dann beruhigend und ausgesprochen sanft einen Arm um die Taille zu legen.
„Süße, komm runter. Natürlich bist du es wert! Es ist nur – “, doch er kam nicht mehr dazu, den Satz zu beenden, da ich ihn mit einer kraftvollen Bewegung meiner Arme von mir stieß. Ein wenig zu fest, denn er prallte mit einem lauten Knall gegen den niedrigen Couchtisch aus Glas, der natürlich sofort zu Bruch ging. Überrascht blieb er in den Scherben sitzen, die durch den halben Raum geflogen waren, und schaute mich aus seinen großen traurigen Augen verletzt an. Alice hatte es nicht kommen sehen; es war eine Kurzschlussreaktion gewesen. Der Anblick meines Lieblings, wie er mich so schrecklich enttäuscht ansah, gab mir den Rest. Heiße Wut stieg in mir auf und überrollte mich wie eine gewaltige Welle. Jaspers Versuche, mich zu beruhigen scheiterten; ich sah im wahrsten Sinne des Wortes rot. Alles war wie von einem Schleier umgeben, der mich von meiner Umwelt abzuschotten schien. Ich konnte nicht mehr klar denken, geschweige denn einfach ruhig stehenbleiben. Auf einmal verspürte ich diesen unglaublichen Zorn auf Edward, der mit seinem unmöglichen Verhalten indirekt dafür gesorgt hatte, dass ich meinem Schatz wehgetan hatte. Instinktiv wusste ich, dass er in diesem Augenblick bei dem Mädchen war und, dass es das gewesen war, was die anderen vor mir hatten verheimlichen wollen.
Aufgebracht stieß ich Carlisle zur Seite; er wollte mich noch aufhalten, doch die Wut verlieh mir selbst für einen Vampir ungeheure Kräfte. So schnell mich meine Beine trugen stürmte ich nach draußen und lief in Richtung Wald. Mein Instinkt führte mich zum Haus der Swans.
Als ich aus dem Wald heraustrat, stand ich schon direkt vor dem Gebäude, in dem sich Edward wahrscheinlich aufhielt. Inzwischen war es weit nach Mitternacht; ich lauschte einen Moment, doch im Haus rührte sich nichts. Der Truck des Mädchens parkte am Straßenrand, den Polizeiwagen des Chiefs konnte ich in der Auffahrt ausmachen. Für einen kleinen Augenblick beobachtete ich noch das Haus aus der Dunkelheit des Waldes heraus, der östlich an das Haus grenzte. Ich war schon öfter auf der Jagd hier vorbeigekommen, aber nie war mir wirklich klar gewesen, wie groß das Risiko war, dass einer der Swans oder die Nachbarn mir währenddessen über den Weg liefen.
Ganz deutlich konnte ich den Geruch meines Bruders etwa zehn Schritte links von mir ausmachen. Von dort aus führte die Fährte direkt auf das Haus zu; Edward selbst konnte ich allerdings nicht entdecken. Er war doch nicht wirklich so leichtsinnig gewesen und hineingegangen? Um das zu überprüfen, folgte ich der Fährte über das freie Feld und kletterte am Haus hoch, wofür ich weniger als eine halbe Sekunde benötigte. Direkt über mir stand ein Fenster offen, also zog ich mich an der Regenrinne hoch, hielt mich mit einer Hand fest und spähte dann vorsichtig ins Zimmer.
Der Anblick, der sich mir bot, ließ meine Atmung abrupt stoppen. Vor mir erstreckte sich das Zimmer des Mädchens. Klein und – wie ich mit einem Naserümpfen feststellte – sehr unordentlich, aber sauber. Das Mädchen selbst lag in einem schmalen Bett; ihre Decke hatte den Weg auf den Fußboden gefunden, das Betttuch war um ihre Beine gewickelt und sie wälzte sich unruhig hin und her. Neben dem Bett auf dem Boden befanden sich ein kleiner Bücherstapel und CDs, die verstreut neben dem billig wirkenden CD-Player lagen. Stapel von Papieren umrundeten den steinalten Computer, der aussah, als stünde er schon seit zwanzig Jahren am gleichen Platz; die Schuhe auf dem Holzfußboden hätte Alice sicher niemals in unserem Haus geduldet. Um der ganzen Situation aber noch die Krone aufzusetzen, saß mein Bruder in dem alten Schaukelstuhl, den die kleine Swan sicherlich noch von ihrer Großmutter geerbt hatte, versunken in den Anblick des schlafenden Menschenmädchens, das ein abgenutztes T-Shirt mit Löchern und eine schmuddelige Jogginghose trug. Was er an ihr fand, war mir in diesem Moment sogar noch schleierhafter, als sonst, obwohl sie auch zuvor noch keinen Modegeschmack bewiesen hatte.
Edward hatte mich seltsamerweise nicht bemerkt, obwohl meine Gedanken doch sicher nicht zu überhören waren, aber da ich wollte, dass das auch so blieb, ließ ich mich auf den Boden fallen. Überaus elegant und vor allem leise landete ich im Gras und machte mich dann schnell und auf direktem Weg auf in Richtung zu Hause.
Vor dem Haus wartete bereits der klägliche Rest der Familie; sicherlich hatte Alice gesehen, wann ich wiederkommen würde. Wut zeichnete sich auf sämtlichen Gesichtern ab, selbst Esme ließ erkennen, dass sie nicht mit mir zufrieden war. Der einzige, der ein freundliches Gesicht machte, war Emmett, was mich in Anbetracht der Umstände ziemlich wunderte, schließlich hätte gerade er doch allen Grund gehabt, sauer auf mich zu sein. Glücklicherweise hatte ich mich in diesem Punkt getäuscht. Als ich gerade noch darüber nachdachte, wie gut es mich bei der Wahl meines Ehemannes doch getroffen hatte, kam Carlisle schnellen Schrittes auf mich zu.
„Rosalie Lillian Hale, was sollte das?“ Überrascht starrte ich ihn an. Zwar hatte ich eine Gardinenpredigt erwartet, jedoch nicht unbedingt von ihm.
„Dein Verhalten war einfach unverantwortlich. Du bist eine Gefahr für die ganze Familie.“ Seine Stimme war ruhig, aber er klang sehr enttäuscht; mir wäre es lieber gewesen, wenn er geschrien hätte, denn so konnte ich nicht anders, als mich furchtbar schuldig zu fühlen.
„Aber, Carlisle – “, konnte ich nur leise sagen, etwas anderes brachte ich gerade einfach nicht zustande. Mehr war aber auch gar nicht nötig, da nun Alice einschritt. Entschlossen schob sie Carlisle zur Seite und begann dann ihrerseits zu sprechen:
„Rose, weißt du, was wir uns für Sorgen gemacht haben? Als du hinaus gestürmt bist, habe ich gesehen, wie entschlossen du warst. Hast du eine Vorstellung davon, was passiert wäre, wenn du Bella tatsächlich getötet hättest?“
Nein, die hatte ich tatsächlich nicht. Nicht einen Gedanken hatte ich daran verschwendet, was die anderen von meinem überstürzten Aufbruch halten mochten; mir war gar nicht in den Sinn gekommen, dass meine Wut Auswirkungen auf Alice‘ Visionen haben könnte.
„Nun, ich schon“, fuhr meine Schwester einfach fort, als wenn sie mich gehört hätte. „Meine Visionen haben verrückt gespielt und alle hier in Angst und Schrecken versetzt. Das wäre wirklich nicht nötig gewesen, Rose.“
Das reichte mir, ich wollte mir nicht länger anhören, wie schlecht ich doch war. Normalerweise fiel es mir leicht, mich gegen andere zu behaupten, doch ich musste einsehen, dass die Schuld dieses Mal wirklich bei mir lag. Meine Familie hatte Ärger vermeiden wollen, indem sie mich im Unklaren ließ; ich hingegen hatte es geschafft, die Situation trotzdem zu verschlimmern, was bewies, dass die anderen durchaus Recht mit ihrer Handlung gehabt hatten.
Ich ließ sie einfach ohne mich weiterdiskutieren und flüchtete mich nach oben. So wie meine Stimmung im Augenblick lag würde mir niemand nachkommen und ich könnte in Ruhe meine wirren Gedanken ordnen.
Nachdenklich ging ich zum Fenster und beobachtete, wie die Sonne hinter den Baumwipfeln hervorkam und alles in goldenes Licht tauchte, bevor sie hinter einer Wolke verschwand. Gerade überlegte ich, was ich nun machen sollte, als es plötzlich an der Tür klopfte.
Zuletzt von Rose_fan 4 ever am Mi 07 Dez 2011, 17:54 bearbeitet; insgesamt 9-mal bearbeitet (Grund : s.o.)
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
10. Mein Bruder der Superheld
„Komm rein“, sagte ich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, als sich die Tür mit einem leisen Quietschen öffnete, das kein Mensch hätte wahrnehmen können. Die Schritte, die sich mir langsam nährten, waren schwerer als die der meisten Vampire und verrieten mir noch bevor sich starke Arme von hinten um mich schlossen, wer den Raum soeben betreten hatte.
„Em“, begann ich, mein Gesicht immer noch in Richtung Fenster gewandt. „Es tut mir so…“
„Schschsch“, unterbrach er mich. „Das muss dir nicht leid tun, Süße. Wir hätten es dir sagen sollen; es war nicht dein Fehler. Ich wollte dich nicht beunruhigen, aber es war trotzdem falsch. Deine Reaktion war völlig normal und außerdem –“, er lachte leise, „und außerdem liebe ich dich so, wie du bist. Dein Temperament ist ein Teil von dir, Rose, das will ich nicht verlieren.“
Seine große Hand streichelte sanft meinen Marmorhals; dort wo er ihn berührte, kribbelte meine Haut, was mir einen wohligen Seufzer entlockte. Er drehte sich zu mir um; seine weichen Lippen wanderten meinen Hals hoch, lauter kleine Stromstöße. Endlich fand sein Mund den meinen; seine starken Hände umschlossen zärtlich mein Gesicht und drückten mich näher an seinen Körper.
Der Kuss schmeckte süß, wie beim ersten Mal. Ich brannte vor Leidenschaft und erwiderte ihn noch stürmischer als zuvor. Das Feuer fraß sich knisternd durch mein Gehirn und verbrannte auch den letzten Gedanken an gläserne Tische und Scherben. Meine Hände griffen in seine dunklen Locken und unsere Atmung ging stockend, während ich seinen herben Duft nach Wald und Erde aufsog und wir uns langsam immer näher kamen.
Ein Blick auf die Uhr, die mir direkt gegenüber hing, reichte, um unsere traute Zweisamkeit zu zerstören. Wir waren extrem spät dran; in fünf Minuten mussten wir schon zur Schule fahren und das konnte selbst für uns Vampire knapp werden. Schnell löste ich mich aus Emmetts Umarmung, sprang vom Boden auf (wir hatten es heute früh nicht mehr so ganz ins Bett geschafft) und lief in meinen Kleiderschrank, der allein schon größer als unser Schlafzimmer war. In Sekundenschnelle zog ich mich an, schnappte mir meine Schultasche, die all meine Requisiten enthielt, bürstete mir durch meine lange blonde Haarpracht und rannte eilig nach unten. Dort warteten die anderen bereits ungeduldig, das heißt Alice, Jasper und Emmett. An Edwards Abwesenheit hatte ich mich schon so sehr gewöhnt, dass mir zuerst gar nicht auffiel, dass er fehlte.
„Er ist doch nicht immer noch –“, fragte ich, als ich das dann registriert hatte, fassungslos.
„Doch“, meinte Alice, bevor ich meinen Satz auch nur halbwegs beendet hatte. „Aber er wird in der Schule direkt zu uns stoßen, das wird niemandem auffallen.“ Ich seufzte leise, aber nach dem Chaos, das ich gestern angerichtet hatte, ließ ich davon ab, mein Missfallen jetzt zu bekunden und hielt einfach den Mund.
Ich zweifelte nicht daran, dass Alice Recht behalten würde, deshalb überraschte es mich nicht im Geringesten, als Edward, nur ein paar Sekunden nachdem wir an der Schule angekommen waren, plötzlich hinter uns auftauchte. Wir drehten uns nicht zu ihm um, damit wir nicht die Aufmerksamkeit der anderen Schüler auf ihn lenkten. Denn was würden die denken, wenn sie mitbekämen, wie unser Bruder plötzlich zwischen den dichten Bäumen des angrenzenden Waldes hindurch auf den vollen Parkplatz spazierte, während er doch eigentlich mit uns im Auto hätte sitzen müssen?
Bis zur Mittagspause passierte weiter nichts Ungewöhnliches; der Schultag verlief, wie die letzten Tage auch. Ohne irgendetwas Böses zu ahnen machte ich mich also auf den Weg zur Cafeteria, doch gerade als ich sie betreten wollte, spürte ich auf einmal Alice‘ Hand auf meiner Schulter.
„Rose, warte bitte einen Moment…“
„Warum?“, fragte ich; misstrauisch registrierte ich die Besorgnis, die sich auf ihrem Gesicht abzeichnete.
„Naja, Edward –“, begann sie zögerlich, aber dieses Mal war sie es, die den Satz nicht beenden konnte.
„Edward?“, knirschte ich mit zusammengebissenen Zähnen. „Was zum Teufel hat dieser Vollidiot wieder angestellt?“
„Bis jetzt noch nichts“, erklärte Alice mit ruhiger Stimme. „Und das wird er auch nicht. Es ist nur, dass… Er wird heute nicht bei uns sitzen.“
„Ach ja, und wieso nicht?“ Die Skepsis war mir förmlich von der Stirn abzulesen. „Und wo soll er bitte sonst sitzen? Bei der kleinen Polizistentochter?“ Ich kicherte, während ich sprach, aber als ich Alice‘ Gesichtsausdruck sah, blieb mir das Lachen im Hals stecken.
„Ja, genau dort, also reiß dich zusammen. Er sitzt so weit weg von unserem Tisch, wie es nur geht und Bella wird sich gleich zu ihm gesellen. Ich bitte dich, Rose, lass dir nicht anmerken, wie sehr dir das gegen den Strich geht.“
Bevor ich ihr darauf eine ehrliche Antwort geben musste, stießen Gott sei Dank Emmett und Jasper zu uns, die Alice anscheinend schon vorgewarnt hatte, und zusammen gingen wir in die Cafeteria.
Zu meinem Entsetzen schenkte ausgerechnet Jasper Edward ein leichtes Lächeln, als er an ihm vorbeiging, und auch Alice strahlte über das ganze Gesicht. Emmett hingegen rollte nur mit den Augen und schüttelte dann verständnislos den Kopf, was mir schon um einiges besser gefiel, während ich mich dafür entschied, hoch erhobenen Hauptes an meinem Bruder vorbei zu stolzieren, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen.
>>Idiot<<, dachte ich dabei so laut ich konnte. Edward und ich hatten nie eine einfache Beziehung gehabt – er hatte mich beleidigt, seit ich ihn zu ersten Mal sprechen gehört hatte – aber momentan war es wirklich besonders schlimm. Mit den Jahrzehnten, die vergangen waren ohne dass er Interesse an Frauen zeigte, hatte ich mich damit abgefunden, dass er mich einfach nicht mochte, und da dieses Gefühl schließlich auf Gegenseitigkeit beruhte, hatte ich mich mit der Zeit nicht mehr so sehr daran gestört. Sein gegenwärtiges Verhalten sorgte jedoch dafür, dass die alten Wunden erneut aufrissen. Wenn ich heute daran dachte, wie abfällig er von mir gesprochen hatte, als ich mich schreiend vor Schmerzen während meiner Verwandlung gewunden hatte, stieg immer noch heiße Wut in mir auf. In Momenten wie diesem verfluchte ich mein phänomenales Gedächtnis; seine Worte von damals waren wie immer darin eingebrannt.
„Was hast du dir dabei gedacht, Carlisle?“, hatte er gesagt und dabei verärgert geschnaubt. „Rosalie Hale?“ Aus seinem Mund hatte mein sonst so angesehener Name wie ein Schimpfwort geklungen und das war nicht gerade eine gute Basis für unsere weitere geschwisterliche Beziehung zueinander gewesen.
Am anderen Ende des Raumes öffnete sich nun erneut die Tür und Isabella kam herein. Sofort warf sie einen Blick zu unserem Tisch, dann erstarrte sie für einen Moment und ihr Gesichtsausdruck wechselte von erwartungsvoll zu traurig. Vielleicht war sie enttäuscht, da sie Edward nicht gesehen hatte; jedenfalls schien ihr irgendwas auf den Magen geschlagen zu haben, denn sie kaufte sich nur etwas zu trinken. Wieder einmal fragte ich mich, wie Menschen dieses grässliche Zeug ertragen konnten; Blut war schließlich so viel appetitlicher.
Sie bemerkte Edward tatsächlich erst, als Jessica, mit der sie mittlerweile recht gut befreundet war, sie auf seinen neuen Sitzplatz aufmerksam machte, und als sie meinen Bruder daraufhin ansah, wich mit einem Mal sämtliche Traurigkeit aus ihrem Gesicht. Er schien das auch zu bemerken, denn er lächelte verschmitzt und winkte sie zu sich. Langsam erhob sie sich und machte sich auf den beschwerlichen Weg zum Tisch meines Bruders – über den völlig glatten Linoleumfußboden – wobei sie es allen Ernstes zweimal fertig brachte, über ihre eigenen Füße zu stolpern. Dann blieb sie unsicher einen Moment vor dem leeren Stuhl an seinem Tisch stehen.
„Hast du Lust, mir Gesellschaft zu leisten?“, fragte er sie und schenkte ihr sein bezauberndstes Vampir-Lächeln, das er sich normalerweise für Alice aufhob.
Meine Gedanken schweiften ein wenig ab; sie unterhielten sich nur über langweilige Belanglosigkeiten. Doch dann horchte ich auf; Edward hatte sie gefragt, was sie von ihm dachte und als ich ihre Antwort hörte, musste ich mich wirklich sehr anstrengen, um nicht einfach laut loszuplatzen.
„Äh, also, hat dich vielleicht eine radioaktive Spinne gebissen?“, wollte sie doch tatsächlich als Erstes von ihm wissen. Edward als Superheld; was Besseres hätte ihr auch echt nicht einfallen können! Wie kam sie nur auf diese absurde Idee? Edward war kein Held, dafür hatte er zu viele Menschen getötet; er war ein geistig verwirrter Idiot, der eher in einer schlechten Vampirschnulze als in einem Comic die Hauptrolle spielen konnte. Das Mädchen musste wirklich noch so einiges dazulernen.
Bei der Vorstellung, wie Edward in einem blau-roten Supermankostüm durch die Stadt flog, um Menschen zu retten, konnte ich schließlich nicht länger an mich halten. Ich begann haltlos zu kichern, allerdings gelang mir das noch so leise, dass mich nur die anwesenden Vampire hören konnten.
Irritiert sah Jasper mich an; er spürte, wie sich meine Stimmung geändert hatte und selbstverständlich konnte er meine Beweggründe im Augenblick nicht nachvollziehen. Die hätte wohl lediglich Edward verstanden, aber der war ja natürlich viel zu beschäftigt, um meine Gedanken zu lesen.
„Was, wenn ich kein Superheld bin? Was, wenn ich der Böse bin?“, sagte er gerade wunderbar theatralisch. Zwar lächelte er das Mädchen dabei an, doch am Ausdruck seiner Augen war abzulesen, dass er seine Worte durchaus ernst meinte.
„Oh“, war Isabellas dämlicher Kommentar dazu und ihre Augen weiteten sich vor sinnlosem Erstaunen. „Verstehe.“
„Ach ja?“ Edwards Miene verfinsterte sich, aber das geschah ihm meiner Meinung nach nur Recht. Wenn er seine Klappe nicht halten konnte, war es eben auch an ihm, die Konsequenzen zu tragen. Mal sehen, wie er es anstellen würde, sich aus dieser Zwickmühle heraus zu manövrieren.
„Du bist gefährlich?“ Der Puls des Mädchens beschleunigte sich, während sie diese Worte aussprach, das konnte ich hören, aber Edward sagte darauf nichts; er schaute sie nur eindringlich an. Worauf wartete er bloß noch?
„Aber nicht böse“, flüsterte die naive Kleine, während sie ungläubig den Kopf schüttelte. Nicht das kleinste Fünkchen von Angst lag dabei in ihren Augen. „Nein, ich glaube nicht, dass du böse bist.“
„Du irrst dich“, antwortete mein Bruder kaum hörbar, das Mädchen schien jedoch immer noch keine Angst zu haben. Auch als er ihr den Deckel ihrer Limonadenflasche wegnahm, um ihn zwischen seinen Fingern kreisen zu lassen, schrak sie nicht vor der plötzlichen Nähe seiner Hand zurück. Sie starrte ihn nur an und schwieg; er hielt es genauso. Einige Minuten lang blieben sie einfach so sitzen, bis Isabella endlich bemerkte, dass sich die Cafeteria längst geleert hatte.
„Wir kommen zu spät“, rief sie erschrocken und sprang auf.
„Ich gehe heute nicht zu Bio“, entgegnete Edward nur ruhig.
>>Das ist auch besser so“, dachte ich, denn heute würde man bei Mr Banner Blutgruppen bestimmen, was sich negativ auf die Lebenslage der menschlichen Schüler auswirken würde, wenn Edward dabei wäre. Alice hatte ihre Biostunde heute Morgen schon geschwänzt.
„Warum nicht?“, fragte die Swan allerdings völlig perplex; wahrscheinlich hatte sie noch nie in ihrem kurzen Menschenleben eine Unterrichtsstunde absichtlich verpasst.
„Es ist gut für die Gesundheit, gelegentlich zu schwänzen“, erklärte mein Bruder ihr. Typisch Edward; er war immer so direkt. Es hätte besser gepasst, wenn er gesagt hätte, es sei gut für ihre Gesundheit, das wäre der Sache näher gekommen.
„Ich gehe jedenfalls hin“, meinte das Mädchen. Das war zu erwarten gewesen.
„Dann bis später“, antwortete Edward. Der eigentlich so schlichte Satz warf Fragen in mir auf. Bis später? Wieso das? Bio war ihre einzige gemeinsame Stunde, was hatte er nun wieder vor?
Ich warf ihm einen fragenden Blick zu, doch er ließ sich nicht anmerken, ob er meine Gedanken gehört hatte oder nicht. Er war immer noch mit dem Deckel beschäftigt und so konnte ich an ihm vorbeigehen, ohne dass er bemerkte, dass ich ihn und das Mädchen belauscht hatte.
Zuletzt von Rose_fan 4 ever am Do 08 Dez 2011, 21:03 bearbeitet; insgesamt 6-mal bearbeitet (Grund : s.o.)
Rose_fan 4 ever- ~Meadow Visitor~
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
11. Schlüsselspiele
Nach Unterrichtsschluss traf ich auf Jasper und gemeinsam gingen wir langsam zu Edwards Auto. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo Alice im Moment steckte, jedoch sah ich, wie Emmett vor uns ankam und die Beifahrertür öffnete, worauf Edward sichtlich erschrocken zusammenzuckte. Seltsam, im Normalfall konnte nichts und niemand meinen Bruder einfach so überraschen. Was war es wohl, das seine Aufmerksamkeit beeinträchtigt hatte?
Inzwischen hatten auch Jasper und ich den Volvo erreicht und als ich noch völlig ahnungslos die Wagentür öffnete, strömte mir plötzlich eine Welle blumigen Duftes entgegen. Ich erkannte sofort, woher er stammte, auch wenn ich nicht gedacht hätte, dass ich ihn ausgerechnet hier antreffen würde. Was zum Teufel hatte Isabella Swan in Edwards Auto zu suchen gehabt? Hatten wir nicht schon genug Probleme? Finster starrte ich in Richtung desjenigen, der den ganzen Trubel verursacht hatte.
>>Vermaledeiter, verweichlichter, verantwortungsloser Vampir!<<, dachte ich wutentbrannt. Ich hätte es wirklich besser wissen müssen; er konnte sich einfach nicht vernünftig benehmen! Man sollte ihn in Ketten legen, in einen Kerker sperren und nie wieder freilassen, damit er endlich aufhörte, unser aller Leben mit seinen hirnrissigen Aktionen zu gefährden. Wie schade, dass der Plan in der Realität nicht so ganz aufgehen würde.
Auf einmal hüpfte Alice an die Seite des Volvos; auffordernd hielt sie Edward ihre schmale Hand hin.
„Ich hab schon gesehen, dass ich es machen würde“, sagte sie verworren, wie es so ihre Art war. Resigniert seufzte ich auf; warum musste sie nur immer so geheimnisvoll tun? Als ob uns die Sache nicht genau so viel anginge…
„Du wirst mir erzählen müssen, warum“, drängte sie weiter; Ungeduld beherrschte ihre Stimme.
„Das bedeutet nicht – “, versuchte Edward zu protestieren, doch sofort wurde er von Alice unterbrochen.
„Ich weiß, ich weiß“, seufzte sie unzufrieden. „Ich werde warten. Es wird nicht mehr lange sein.“ Edward reagierte darauf seinerseits mit einem Seufzer und dann tat er etwas, was mich nun wirklich umhaute: Er gab seiner Schwester doch tatsächlich seine Autoschlüssel! Was sollte das nun wieder? Aber nein, als ich genauer hinsah, bemerkte ich, dass es sich nicht um seine, sondern um die Schlüssel seines kleines Maskottchens handelte. Heute Morgen hatte ich noch gesehen, wie er sie aufgefangen hatte, als Isabella wieder einmal zu blöd gewesen war, um ihre Sachen beisammen zu halten. Aber wieso hatte er nun ihren Autoschlüssel? Und was sollte Alice jetzt auch noch damit?
Ich warf einen Blick aus dem Fenster, auf der Suche nach dem verrosteten Transporter des Mädchens, und sah, dass er nur ein paar Meter weiter parkte. Auch Alice wandte sich ihm nun zu, allerdings verharrte sie nicht lange so, sondern ging einfach darauf zu, schloss ihn auf und stieg ein, um dann tatsächlich damit loszufahren. Ich hatte das Gefühl, als würde in diesem Augenblick mein ganzer Kopf von einem überdeutlichen großen Fragezeichen ausgefüllt, das darin auf und ab schwebte. Was war das denn nun wieder gewesen? Wie sollte die Kleine denn jetzt wieder nach Hause kommen? Nicht, dass ich mir auch nur im Geringsten Sorgen um sie gemacht hätte, allerdings verstand ich nicht, warum Alice sich dazu herabließ, diesen verlotterten Chevy zu fahren, wenn sie doch auch Edwards Hochglanz polierten Volvo zur Auswahl hatte.
Auch Edward war mittlerweile losgefahren; er folgte Alice ohne irgendeine Erklärung abhzugeben, was dazu führte, dass Emmett und Jasper ähnlich verwirrt dreinblickten wie ich, jedoch schwiegen auch sie weiterhin. Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren und plötzlich begann es die verschiedenen Anzeichen zu einem Ganzen zusammenzufügen. Der Duft im Auto, die Tatsache, dass ich Isabella nirgendwo gesehen hatte…
Es war ja offensichtlich, dass Isabella in diesem Auto gesessen hatte. Vielleicht hatte Edward sie also auch nach Hause gefahren? Das würde zumindest erklären, weshalb Alice nun im Wagen des Mädchens saß. Nur, wie war es dazu gekommen? Schließlich hatte Edward die Biostunde geschwänzt, während das Mädchen doch eigentlich zum Unterricht hatte gehen wollen. Aber wenn sie hier im Auto gewesen war, bevor wir eingestiegen waren, dann konnte sie gar nicht im Unterricht gesessen haben, denn schließlich hatte Edward ja noch die Zeit gefunden, sie nach Hause zu bringen und wir hatten uns direkt nach dem Klingeln auf den Weg hierher gemacht…
Meine Gedankengänge verstrickten sich immer mehr ineinander und beanspruchten meine volle Aufmerksamkeit, so dass ich erst gar nicht bemerkte, dass das Auto inzwischen zum Stillstand gekommen war. Überrascht registrierte ich, dass wir schon vor dem Haus des Chiefs und seiner Tochter standen; die Zeit war wie im Flug vergangen.
Es goss wie aus Eimern – ich nahm an, dass der Regen so laut war, dass Isabellas Ohren das Geräusch des Transporters gar nicht wahrnehmen konnten – jedenfalls rührte sich im Haus nichts. Kein neugieriges Gesicht erschien am Fenster, um nach Draußen zu sehen; es war beinahe so still, wie gestern Nacht.
Alice, die den Wagen in der Zeit vor dem Haus geparkt hatte, stieg wieder bei uns ein und endlich komplett rasten wir in die entgegengesetzte Richtung davon. Die Straßen waren ziemlich leer und so vergingen nur wenige Minuten, bis wir unser Grundstück erreichten. Wir strömten ins Haus, um nach dem langweiligen Schultag unserer jeweiligen Lieblingsbeschäftigung nachzugehen.
Emmett und Jasper waren gerade in der Mitte eines höchst komplizierten Schachspiels, wofür sie acht Spielbretter vor der Glasfront des hinteren Teils des Hauses aneinandergelegt hatten und ihre eigenen verwickelten Regeln benutzten. Ich kicherte leise, als ich Edwards neidischen Blick in ihre Richtung sah; sie ließen ihn nie mitspielen. Die Einzige, die sich überhaupt noch Spielen mit ihm widmete, war Alice, was vielleicht einen Grund dafür darstellte, dass er ihr so besonders zugetan war. Aber naja, sie konnte ja immerhin in die Zukunft sehen, das glich sich beim Spielen in gewisser Weise mit dem Gedankenlesen aus.
Alice ging jetzt allerdings zu ihrem Computer, der nur ein Stück um die Ecke von Emmett und Jasper stand. Ich hörte, wie sie die Monitore startete, jedoch schloss ich mich ihr heute ausnahmsweise mal nicht an. Sie arbeitete an einem Modedesign Projekt für meine Garderobe, aber ich war momentan einfach nicht in der Stimmung, um ihr behilflich zu sein. Deshalb ließ ich mich aufs Sofa sinken und zappte ohne Unterbrechung durch zwanzig Kanäle pro Sekunde auf dem großen Flachbildfernseher. Ich hätte auch in die Garage gehen können, um meinen BMW noch ein wenig weiter zu tunen, aber irgendwie war mir gerade nicht danach; überhaupt hatte ich augenblicklich zu gar nichts wirklich Lust. Außerdem war ich hier im Wohnzimmer in Edwards Nähe und würde dementsprechend mitbekommen, wenn er irgendetwas Dummes anstellte, was den Vorteil hatte, dass ich notfalls Schlimmeres verhindern könnte. Ich konnte Esme im Stockwerk über mir rumoren hören; wahrscheinlich beschäftigte sie sich mal wieder mit irgendwelchen Bauplänen.
Plötzlich hörte ich Musik; ruckartig drehte ich meinen Kopf in Richtung des großen wundervollen Flügels, der im Eingangsbereich stand, um nachzusehen, ob sie von da kam. Und wirklich: Dort saß Edward; seine Hände flogen nur so über die Tasten und formten eine wunderschöne Melodie, die ich noch nie zuvor gehört hatte.
>>Edward komponiert wieder?<<, dachte ich und biss in grimmiger Verstimmung die Zähne zusammen. Leider machte ich jetzt den Fehler weiter über ihn und Isabella nachzudenken, was dazu führte, dass die Musik mit einem Mal verstummte und ein höhnisches Lachen ertönte. Es kam aus Edwards Mund. Abrupt drehte ich mich zu ihm um und durchbohrte ihn mit meinen finsteren Blicken; meine Augen blitzten vor rasender Wut. Er warf sich die Hand vor den Mund, doch es war zu spät; Emmett und Jasper wandten sich ihm ebenfalls zu, um ihn anzustarren, und auch Esme kam nach unten. Überrascht starrte sie auf die Szenerie, die sich ihr bot.
„Hör nicht auf, Edward“, ermutigte sie ihn nach einem angespannten Moment. Er wandte mir den Rücken zu und fing dann wieder an zu spielen. Ich hätte schwören können, dass er sich das Grinsen verkneifen musste.
Voller Wut auf ihn und auf meine eigene Dummheit sprang ich auf und stakste aus dem Zimmer, mehr verärgert als verwirrt, aber ziemlich verlegen. Wenn die anderen mitbekämen, warum Isabellas Tod mein Gewissen überhaupt nicht geplagt hätte und warum ich in einer solch miesen Stimmung Edward gegenüber war, würden sie wieder denken, dass ich oberflächlich und eitel sei und mich überhaupt nicht mehr ernst nehmen. Denn schließlich wäre das wieder alles, was sie sahen; niemand verstand mich oder versuchte es auch nur. Für sie war ich nur die arrogante, oberflächliche Blondine, die sich für nichts anderes als ihr eigenes Aussehen interessierte.
>>Wenn du irgendetwas sagst, werde ich dich wie einen Hund jagen<<, drohte ich Edward in Gedanken. Wenn er das wagen würde, konnte ich wirklich für nichts mehr garantieren; er würde es totsicher bereuen.
„Was ist mit dir, Rose?“, rief mir Emmett nach, als ich die Tür hinter mir schloss, aber ich drehte mich nicht noch einmal um. Stattdessen begab ich mich nun doch in die Garage, ohne irgendjemanden noch weiter zu beachten, und verschwand dort unter meinem Auto, in der Hoffnung, dass mich niemand mehr störte und ich diese dummen Bemerkungen nicht zu hören brauchte.
Leider musste ich jedoch feststellen, dass ich vergeblich hoffte, da ich noch immer wahrnehmen konnte, was im Haus vonstattenging.
Edward spielte weiter und obwohl ich es mit aller Macht auszublenden versuchte, konnte ich nichts dagegen machen, dass dieses neue Stück etwas in mir rührte. Es war so unglaublich lieblich, eine bittersüße Melodie. Die glockenhelle Stimme meiner Schwester begleitete die Komposition meines Bruders wortlos und zwei Oktaven höher. In einer geradezu perfekten Überleitung wandelte sich die Stimmung des Liedes; es wurde langsamer und tiefer, Alice passte sich an. Das Ganze klang jetzt fast feierlich und hätte eher in eine kerzenerleuchtete Kathedrale gepasst, als in unser Wohnzimmer. Ich hörte, wie die letzte Note in einem hallenden Ton ausklang, dann war das Stück zu Ende.
Eine tiefe Wut auf mich selbst erfasste mich; ich hatte nicht zuhören wollen und schon gar nicht war es meine Absicht gewesen, es dann auch noch gut zu finden!
Erbost machte ich extra viel Lärm bei meiner Arbeit, um der Versuchung zu widerstehen, den Vorgängen im Haus weiter zu lauschen und ich kroch erst wieder unter dem Wagen hervor, als ich hörte, wie Emmett die Garage betrat.
„Rose“, begann er. „Ich frage mich zwar, was vorhin los war, aber deshalb bin ich nicht hier.“
„Was willst du dann?“ Mein Ton klang unfreundlicher, als ich beabsichtigt hatte.
„Peter und Charlotte werden uns besuchen und – “
„Peter und Charlotte? Ist sich Alice da ganz sicher? Ich hab sie seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gesehen.“ Jaspers alten Freund aus seiner Zeit im Süden und seine kleine Freundin hatte ich nun wirklich nicht erwartet und seltsamerweise war dieser spontane Besuch mal eine Neuigkeit, die mich aufrichtig freute.
„Wann?“, fragte ich Emmett daher in einem nun schon viel zufriedeneren Tonfall.
„Montagmorgen“, antwortete er. „Edward ist jetzt schon ganz nervös.“ Ja, das konnte ich mir vorstellen. Peter und Charlotte waren nicht wie wir, was ihre Ernährung anging; sie jagten zwar niemals in der Nähe unseres jeweiligen Wohnortes, aber was würde passieren, wenn sie zufällig auf Isabella träfen? Die Kleine roch für unsereins sehr anziehend und was war, wenn einer der Beiden nicht widerstehen konnte? In Gedanken malte ich mir aus, was das für ein Desaster geben würde, wenn sie sie töteten; Edward würde natürlich vollkommen ausrasten, aber eigentlich war das doch die ideale Lösung, um das Mädchen aus dem Weg zu räumen, oder nicht? Dann könnte sie uns keine Probleme mehr bereiten und es wäre zumindest nicht meine Schuld.
„Rose?“ Emmett riss mich aus meinen höchst befriedigenden Gedanken. „Edward hat deshalb unseren Jagdausflug verschoben. Wir werden uns bereits heute auf den Weg machen, aber dafür schon Sonntagnacht zurückkehren.“ Mist, ich hatte gehofft, dass Edward nicht da war, wenn Peter und Charlotte ankamen, aber natürlich wollte er das Mädchen beschützen… Schade, mein schöner Plan hatte sich mit dieser Verkündung soeben in Luft aufgelöst. Wenn Edward auf Isabella aufpasste, konnte ich ihn vergessen; er würde dafür sorgen, dass sich unser Besuch von ihr fernhielt.
„Na dann, viel Spaß“, knirschte ich und wandte mich wieder dem Wagen zu, ohne Emmett auch nur einen kurzen Abschiedskuss zu geben. Ich war viel zu aufgebracht; der Überraschungsbesuch hätte ungeahnte Möglichkeiten geboten, aber wie ich meinen Bruder kannte, würde er jeglichen Versuch der Kleinen etwas anzutun zu verhindern wissen. So ein verdammter Mist.
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
12. Hoher Besuch
Das Wochenende ohne Emmett war eine Qual; ich vermisste ihn schrecklich, vor allem, weil es mir inzwischen wirklich leid tat, dass ich mich nicht richtig von ihm verabschiedet, sondern ihn anstelle des fälligen Kusses lediglich angeraunzt hatte. Ich wäre liebend gerne an Stelle meines Bruders mit ihm gegangen, aber mir war klar, dass er ab und an etwas wie ein Männerwochenende brauchte und akzeptierte das. Und dass er mit Edward ging, war nur praktisch, so musste ich wenigstens dessen ständige Leidensmiene nicht ertragen. Trotzdem verging die Zeit an diesem Tag noch langsamer als sonst; die Minuten schlichen nur so vor sich hin.
Gestern war ich noch mit Alice in Seattle gewesen und zusammen hatten wir die Nobelboutiquen unsicher gemacht. Ich liebte es, mit ihr einkaufen zu gehen, auch wenn wir sonst manchmal so unsere Differenzen hatten, aber trotz Alice‘ Bemühungen war ich nicht wirklich bei
der Sache gewesen. Wahrscheinlich lag das daran, dass sie ständig sich verändernde Visionen gehabt hatte, die auch nicht zu meiner Beruhigung beigetragen hatten.
Um die Zeit bis zum Abend totzuschlagen, entschloss ich mich dazu, noch eine kleine Jagd allein einzuschieben. Voller Elan lief ich in den Wald; jeder Schritt, den ich tat, befreite mich mehr von meinen ungemütliche Gedanken und als ich mich schließlich völlig von meinen Instinkten leiten ließ und ein Reh erlegte, war es, als fiele die Last der ganzen letzten Wochen von meinen Schultern. Ich trank, gab mich völlig dem Geschmack des warmen Blutes hin, das mir die Kehle runterlief und das kratzige Gefühl darin mit jedem Schluck mehr beruhigte.
Als ich schließlich wieder zum Haus kam, war der Nachmittag schon weit fortgeschritten; mein Jagdausflug war viel länger ausgefallen, als ich eigentlich geplant hatte und ich fühlte mich herrlich gesättigt. Ein kribbeliges Gefühl der Vorfreude schlich sich in meinen Bauch, wenn ich daran dachte, dass mein persönlicher Grizzly jetzt bald zurückkommen würde.
Schnell sprang ich noch unter die Dusche, um den Waldgeruch von meinem Körper zu spülen und meine Haare von Kletten und Moos zu befreien. Ich wickelte mich in ein flauschiges Handtuch und begab ich mich in mein Zimmer oder genauer gesagt in meinen Kleiderschrank. Nach kurzem Überlegen entschied ich mich für ein knielanges, dunkelgrünes Seidenkleid und goldene High-Heels, dann steckte ich meine Haare locker zusammen und wartete.
Ich hörte ihn bereits, als er das Haus noch nicht betreten hatte; es dämmerte inzwischen schon. In Windeseile lief ich nach unten und da stand er. Er hatte sich umgezogen; bei seiner Abreise hatte er noch ein dunkelblaues Shirt getragen, ein Geschenk von mir, aber wahrscheinlich war es den Krallen eines Bären zum Opfer gefallen. In seinen Haaren klebte noch ein Rest Blut, wovon ich mich jedoch nicht im Geringsten stören ließ.
Stürmisch rannte ich auf ihn zu und fiel ihm um den Hals, wobei ich mit aller Kraft darauf hoffte, dass er mir mein Verhalten, das ich vorher an den Tag gelegt hatte, nicht mehr übelnahm. Zum Glück waren meine Hoffnungen nicht vergeblich; er erwiderte meine Umarmung sofort und begann dann, mich leidenschaftlich zu küssen. Seine Berührungen lösten wieder dieses unbeschreibliche Gefühl in mir aus, wie es kein anderer Mann dieser Welt je vermocht hatte, und ich gab mich dem ganz hin.
Zunächst war ich sogar soweit abgelenkt, dass mir gar nicht auffiel, dass Edward nicht mit ihm zusammen zurückgekommen war. Schließlich wurde ich jedoch stutzig; widerwillig löste ich mich aus Emmetts Armen.
„Em?“, fragte ich. „Wo ist Edward?“ Ich dachte bereits wieder an das Schlimmste, aber zu meiner Erleichterung rollte mein Liebling darauf nur mit den Augen und lachte.
„Was denkst denn du? Er ist sofort zur kleinen Bella abgehauen. Wahrscheinlich will er sicher gehen, dass sie bei Peter und Charlottes Ankunft auch wirklich sicher ist.“
Genervt schüttelte ich den Kopf.
„Die Beiden haben sich bei ihren Besuchen noch nie danebenbenommen, das weiß Edward auch ganz genau. Ich sehe es schon kommen, Peter und Charlotte hier und Edward beim Stalker spielen. Was sollen sie denn von uns denken? Immerhin sind sie unsere Gäste!“ Verdammt, langsam wurde die Situation wirklich kritisch. Hieß das etwa, dass ich mich tatsächlich damit anfreunden musste, meinen Bruder mit diesem langweiligen Menschenmädchen zu teilen? Nein, entschied ich mich jedoch dagegen. Kampflos aufgeben kam noch immer nicht in Frage.
Ein Räuspern unterbrach meine Gedankengänge und als ich verwundert aufsah, blickte ich direkt in Emmetts Gesicht. Er wirkte ein wenig unzufrieden; offensichtlich wollte er beachtet werden. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen nahm ich seine Hand und zog ihn mit mir in unser Zimmer, wo wir endlich ungestört das fortführen, was wir vorhin begonnen hatten.
Am nächsten Morgen versammelten wir uns alle vor dem Haus, um unseren Besuch, der nun bald kommen würde, gebührend zu empfangen. Naja, alle bis auf Edward natürlich, der sich immer noch bei Isabella befand und wahrscheinlich in nächster Zeit auch nicht mehr auftauchen würde.
Draußen schien ausnahmsweise mal die Sonne, als hätte sie sich allein zu Ehren Peter und Charlottes aufgerafft, um auch diesen kleinen, nassen Flecken Erde mit ihren warmen Strahlen zu beglücken. Eigentlich der perfekte Zeitpunkt, um uns einen Besuch abzustatten, schließlich war es uns aufgrund dieser Wetterlage noch nicht einmal möglich, zur Schule zu gehen, weshalb wir uns ganz Peter und Charlotte widmen könnten.
Die Minuten verstrichen; ich wurde langsam ungeduldig, doch plötzlich merkte ich auf und wandte den Kopf in Richtung Wald. Schritte näherten sich und als schließlich der Wind drehte, stieg mir auch ein Geruch in die Nase, den ich sofort als den unserer Besucher identifizierte. Inzwischen hatte sich auch der Rest der Familie dem Wald zugewandt und wartete gespannt. Einige Sekunden vergingen. Sie kamen mir vor, wie eine halbe Ewigkeit; ich konnte unsere Gäste kaum noch erwarten. Ich mochte die Beiden, auch wenn sich ihr Lebensstil doch stark von unserem unterschied, und vor allem die kleine Charlotte hatte es mir angetan.
Endlich traten sie zwischen den Bäumen hervor. Die Sonne tauchte sie in ihr goldenes Licht; ihre Strahlen brachen sich in der Haut der Beiden und brachten sie, ebenso wie die unsere, zum Funkeln. Sofort wandte sich Peter Jasper zu, Charlotte tat es ihm mit nur minimaler Verzögerung nach. Wie immer waren sowohl ihre Bewegungen als auch ihr restliches Verhalten perfekt aufeinander abgestimmt. Sogar äußerlich harmonierten sie miteinander, bis auf die Tatsache, dass Charlotte um einiges kleiner war als Peter. Ihr Größenverhältnis verhielt sich eher zueinander, wie das von Alice zu Jasper. Tatsächlich war Peter ungefähr so groß wie sein alter Freund, nur trug er das weißblonde Haar viel länger, so lang wie seine ebenfalls blonde Freundin. Peter war Jasper nicht nur in seinem Äußeren sehr ähnlich, wahrscheinlich hatten sie sich damals deshalb auf Anhieb verstanden. Sie unterschieden sich eigentlich nur in ihrer Ernährung; Peter und Charlotte konnten nicht verstehen, wie man sich nur von Tierblut ernähren konnte und hatten kein schlechtes Gewissen dabei, unschuldige Menschen zu töten. Das lag in unserer Natur, alles andere war unnatürlich und konnte möglicherweise schwerwiegende Schäden zur Folge haben, war ihre Meinung dazu, die sich nur bestätigte, als sie erfuhren, was augenblicklich mit Edward los war.
Zuerst begrüßen die Beiden also Jasper, dann folgte der Rest der Familie. Nachdem Charlotte uns immer wieder prüfend gemustert hatte, sah sie sich suchend um.
„Da fehlt doch noch einer“, sagte sie mit glockenheller Stimme und natürlich war es wieder Jasper, an den sie sich zuerst wandte. Ihn kannte sie am längsten, deshalb blieb es meist ihm überlassen, seltsame Sachverhalte aufzuklären.
„Wo ist dein letzter Bruder?“, fragte sie vorsichtig; natürlich war ihr Edwards Abwesenheit nicht entgangen. Jasper seufzte, wahrscheinlich weil er das Ganze genauso wenig verstand wie ich.
„Charlotte, das ist etwas kompliziert. Ich glaube, das besprechen wir lieber drinnen.“ Mit diesen Worten ging er auf das Haus zu; wir anderen folgten ihm.
„Also, was ist nun mit deinem Bruder?“, wiederholte Charlotte, als wir uns dann alle im Wohnzimmer platziert hatten. Sie war neugierig, eine Eigenschaft, die sie mit Alice gemeinsam hatte, nur war sie sonst um einiges ruhiger als meine Schwester und auch nicht so sehr auf ihr Aussehen bedacht. Kein Wunder, als Nomadin war das auch kaum möglich.
„Nun, du wirst das wahrscheinlich sehr seltsam finden“, begann Jasper mit seiner Erklärung. „Das wäre durchaus verständlich; ich finde das auch alles andere als normal, aber … Edward befindet sich gerade bei einem Menschenmädchen.“
„Was?“ Geschockt sahen Peter und Charlotte einander an; für sie käme besagtes Menschenmädchen wohl höchstens als Frühstück in Frage.
„Und was tut er da?“, erkundigte sich Peter leicht verwirrt.
„Er sieht ihr beim Schlafen zu“, kam es von Emmett, der die ganze Angelegenheit noch immer ungeheuer lustig fand. Peter und Charlotte standen die Fragezeichen schon fast auf die Stirn geschrieben, also begann Jasper noch einmal ganz von vorne. Bei der Stelle mit dem Unfall hielt er kurz inne.
„Er hat sie gerettet?“, fragte Peter nochmals. „Aber ich verstehe nicht, was das soll. Was kann ihm dieses Mädchen bedeuten? Sie ist ein Mensch! Ich will dir ja nicht zu nahe treten, Jasper, aber meiner Meinung nach kann sein verwirrter Geisteszustand nur von eurer seltsamen Ernährung herrühren.“ Da hatten wir’s. Nur weil Edward sich völlig verrückt benahm, wurde natürlich das Verhalten der ganzen Familie kritisch hinterfragt.
„Nein“, mischte ich mich ein. „Das hat nicht das Geringste damit zu tun, dass wir kein Menschenblut zu uns nehmen. Peter, Carlisle lebt schon seit mehr als dreihundert Jahren so und trotzdem ist er in keinster Weise verrückt. Ebenso wenig wie wir anderen. Oder glaubst du etwa, ich käme jetzt plötzlich auf die Idee, die Familie im Stich zu lassen, um mich mit einem Wesen zu vergnügen, das eigentlich meiner Ernährung dienen sollte? Ich bin zwar der Meinung, man solle keine Menschen töten, aber das heißt noch lange nicht, dass man irgendwelche anderen Gefühle für sie entwickeln sollte. Das wäre sowohl für den Menschen als auch für den Vampir höchst ungesund. Edward ist völlig verändert, seit ihm das Mädchen den Kopf verdreht hat und ich versuche alles, um ihn dazu zu bewegen, wieder normal zu werden. Wer weiß, was in ihn gefahren ist. Wahrscheinlich wird er sie einfach irgendwann selbst töten, weil er ihrem Blut nicht mehr widerstehen kann. Möglicherweise ist er auch einfach nur fasziniert von ihr. Du weißt ja, dass seine Gabe darin besteht, die Gedanken anderer Personen zu hören und aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen funktioniert das bei Isabella nicht. Vielleicht betrachtet er sie einfach als eine Art Forschungsobjekt.“
Ich hatte mich in Rage geredet und offensichtlich war Peter von meiner Argumentation nicht wirklich überzeugt. Naja, im Prinzip war es ja auch egal, was er von Edward dachte. Warum versuchte ich eigentlich ihn zu verteidigen? Was interessierte mich noch, was er für einen Eindruck auf Jaspers Freunde machte? Schließlich brachte er mit seinem Verhalten die ganze Familie in Verlegenheit; meine Gunst hatte er schlichtweg nicht verdient.
Den Rest des Tages verbrachten wir unter anderem damit, das Thema ‚Edward‘ strikt zu vermeiden, da das nur weitere unnötige Diskussionen zur Folge gehabt hätte. Ich unterhielt mich vor allem mit Charlotte. Ich wusste nicht warum, aber irgendetwas war an ihr, das ich aufrichtig mochte. Zwar war sie nicht besonders modebewusst wie Alice oder musisch begabt wie Edward oder ich, aber sie war durchaus nett und hatte eine für mich sehr interessante, weil so fremde Persönlichkeit. Sie war vollkommen auf Peter fixiert, vertrat jede seiner Ansichten und Edward hatte mir mal erzählt, dass die Beiden sogar ähnlich dachten. Ich fragte mich, wie eine Liebe nur so funktionieren konnte, schließlich war ich eher das Gegenteil gewohnt. Wurde das Zusammenleben nicht auf Dauer langweilig, wenn man dem Partner so sehr ähnelte? Trotzdem entdeckte ich, dass Charlotte mir auf gewisse Weise sehr ähnlich war. Sie war schon in der Lage, eigenständig zu denken und manchmal konnte sie sehr stur sein, nur brauchte sie diese Eigenschaft in Peters Gegenwart ja nicht. Anscheinend hatten sie niemals Meinungsverschiedenheiten, weil sie immer die gleichen Bedürfnisse hatten, wie der andere.
Edward tauchte tatsächlich nicht mehr auf, deshalb machten wir uns am Nachmittag ohne ihn auf dem Weg, um sportlichen Aktivitäten nachzugehen. Emmett hinterließ am Treppenpfosten eine Nachricht für ihn, in der er ihn bat, zum Rainier Feld zu kommen, wo wir Football spielen wollten. Allerdings glaubte ich nicht, dass mein Bruder noch zu uns stoßen würde. Ohne ihn waren die Teams ausgeglichen; wir brauchten ihn nicht. Sollte er doch seine Zeit damit verbringen, einem kleinen Mädchen hinterherzulaufen. Wenn er meinte, nichts Besseres zu tun zu haben… Das war nicht länger mein Problem.
Zuletzt von Rose_fan 4 ever am Sa 10 Dez 2011, 17:26 bearbeitet; insgesamt 3-mal bearbeitet (Grund : s.o.)
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
13. Hass oder Liebe?
Mein Schatz war seit dem Spiel ungewöhnlich gut drauf, selbst für seine Verhältnisse. Unter Garantie lag das vor allem daran, dass unser Team die anderen letztendlich doch geschlagen hatte. Em und ich hatten zusammen mit Peter und Charlotte gegen Jasper, Alice, Esme und Carlisle gespielt und waren ihnen, wenn auch knapp, durchaus überlegen gewesen. Da Jazz und Peter und Alice und Charlotte ungefähr ebenbürtig waren – bis auf Alice‘ Visionen, die man aber, wenn man sie kannte, durch kurzfristige Entscheidungen im Sport schon umgehen konnte – ebenso wie Carlisle und Emmett – Emmett hatte zwar mehr Kraft, aber Carlisle war taktisch um einiges geschickter – und ich doch um einiges besser spielte als Esme, war die Chance der anderen zu gewinnen nicht sehr groß gewesen.
Emmetts gute Laune konnte glücklicherweise auch durch den Umstand, dass Edward trotz seiner Bitte nicht gekommen war, wie ich ja schon vermutet hatte, nicht getrübt werden. Unser Bruder hatte lediglich eine Entschuldigung auf Emmetts hinterlassene Nachricht gekritzelt und war dann anscheinend wieder verschwunden. Zumindest hatte ihn heute keiner von uns gesehen und wir waren uns ziemlich sicher, dass er auch diese Nacht wieder bei Isabella verbringen würde. Zwar hatte ich eigentlich versuchen wollen, die Sache ab jetzt ein wenig lockerer zu sehen, aber irgendwie wollte mir das noch immer nicht so recht gelingen. Wenn das Mädchen ihn so sehr faszinierte, sollte er sich doch endlich mit ihr verabreden, umso schneller wäre der Mist vorbei. Das würde uns zwar wieder zum Umzug zwingen, da war ich mir sicher, aber dieses Opfer würde ich in Kauf nehmen, wenn der ganze Spuk nur endlich aufhörte. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, befand ich. Natürlich wünschte ich meinem Bruder das nicht, aber anders würde er ja augenscheinlich nicht wieder normal werden. Obwohl … war Edward überhaupt jemals normal gewesen? Nein, beschloss ich, Edward war vieles, aber nicht normal. Von Normalität konnte man im Zusammenhang mit vegetarischen Vampiren sowieso nicht sprechen, aber er war selbst für einen von uns irgendwie oft … naja … seltsam. Sein Verhalten mir gegenüber war es zumindest von jeher gewesen und nun diese Geschichte mit Isabella… Ich meine, er hätte wahrlich jede haben können und dann suchte er sich ausgerechnet ein kleines, zerbrechliches und meines Erachtens vollkommen durchschnittliches Menschlein aus? Wenn er eine Vampirfrau wollte, die ebenfalls seinen Lebensstil bevorzugte, warum hatte er damals Tanyas Werben dann nicht nachgegeben? Sie war, wie ich leider zugeben musste, unglaublich hübsch und hatte einen sehr interessanten Charakter. Von den Denali-Schwestern war sie diejenige, die ich am besten leiden konnte, und hätte es nach so langen Jahren des Alleinseins meiner Meinung nach wirklich verdient, geliebt zu werden, und egal wie ich es drehte und wendete, ich verstand seine Entscheidung immer noch nicht. Der einzige Grund, der mir einfiel, war, dass mein Bruder vielleicht eine starke Abneigung gegen Blondinen hegte, auch wenn Tanyas Haar deutlich röter war als das meine. Oder war es vielleicht doch ein Hang zum Masochismus, der bis jetzt nur nicht zu erkennen gewesen war? Gefiel es ihm möglicherweise, wenn Isabellas Nähe ihm körperliche Schmerzen bereitete? Genoss er heimlich das Brennen in seiner Kehle, wenn er ihr nahe war?
Ich schüttelte den Kopf, um die lästigen Gedanken an Edward zu vertreiben, die mich immer mehr quälten, je länger er weg blieb. Emmett tat zwar sein Bestes, um mich abzulenken, aber diese Nacht gelang es mir einfach nicht, mich zu entspannen und mich ihm ganz hinzugeben.
Der Morgen graute bereits und wir hatten uns alle auf unsere Zimmer verzogen. Peter und Charlotte nächtigten in einem unserer unzähligen Gästezimmer; sie freuten sich, endlich wieder in den Genuss eines weichen Bettes zu kommen, auch wenn sie selbstverständlich nicht schliefen.
Vielleicht war es auch besser so, wie es sich entwickelte; Edward wäre nur wieder übriggeblieben und hätte vielleicht noch… Nein! Ich würde jetzt nicht schon wieder an ihn denken, verbot ich mir, das konnte ich Emmett doch nicht antun. Selbst er hatte inzwischen bemerkt, dass ich nicht so recht bei der Sache war, und eine kleine nachdenkliche Falte hatte sich auf seine wundervolle Stirn geschlichen, die dort nicht hingehörte. Wenn ich nicht langsam etwas unternahm, fragte er noch, was ich hatte, und das konnte ich ihm nun wirklich nicht erklären. Wie ich ihn kannte, schenkte er der Tatsache, dass Isabella ein Mensch war, kaum noch Beachtung. Letztens hatte er Edward sogar gefragt, ob er sie nicht mal mit zu uns bringen wollte. Glücklicherweise war der immer noch alles andere als begeistert von der Vorstellung gewesen, die Kleine könnte Teil unserer Familie werden, und so hatte ich mich nicht einmischen müssen.
Energisch wechselte ich die Position, legte meine Arme fester um Emmett und zog ihn näher an mich, um seine Liebe leidenschaftlicher zu erwidern, wie er es ohne Zweifel verdient hatte. Sein Körper presste sich eng gegen meinen und unsere Lippen trafen sich auf eine Weise, zu der wirklich nur Vampire fähig waren. Einen Menschen hätte die Kraft, die bei diesem Kuss freigesetzt wurde, wahrscheinlich geradezu umgehauen, sowohl auf der körperlichen, als auch auf der emotionalen Ebene. So viele intensive Gefühle strömten auf mich ein, als seine Hände ungeduldig meinen Körper herunterwanderten…
Der nächste Tag verlief bis zum Nachmittag ähnlich wie der letzte; die Sonne schien immer noch, so dass wir wieder dazu gezwungen waren, der Schule fernzubleiben. Edward hielt sich natürlich trotzdem nicht zu Hause auf. Keine Ahnung, was er stattdessen machte, schließlich war seine Liebste erst siebzehn und das nicht schon seit fast hundert Jahren, was voraussetzte, dass sie genau dorthin ging, wo er ja heute dank des Wetters definitiv nicht hinkonnte.
Seltsamerweise kam er aber trotzdem genau zur selben Zeit wieder, wie sonst auch, als wäre er doch in der Schule gewesen, allerdings nahm er den Hintereingang durch die Küche. Auf Esmes liebevolle und Emmetts stürmische Begrüßung nickte er nur und ging dann zielstrebig an uns allen im Wohnzimmer vorbei in Richtung Flügel.
>>Ugh, er ist zurück<<, dachte ich; ich konnte einfach nicht anders. Meine fiesen Gedanken waren für mich fast schon zur Gewohnheit geworden. Als ich Esmes Gesichtsausdruck sah, der durch ihre Sorge um ihren Sohn getrübt wurde, flammte mein Zorn auf ihn und sein dummes, eigenmächtiges Handeln wieder stärker auf. Wir hatten Gäste, die uns so schon selt-sam genug fanden, und er sorgte nun dafür, dass dieser Eindruck noch verstärkt wurde, anstatt ihnen das Gegenteil zu beweisen. Peter und Charlotte würden sich gleich wieder auf den Weg machen, lange hielt es sie nicht an einem Ort, Freunde hin oder her, da konnte man nichts gegen machen.
Edward setzte sich also an den Flügel und begann leise zu spielen. Zuerst war es nur so eine Art Hintergrundmusik, von der sich niemand stören ließ, doch dann wurde das Lied, das er spielte, stürmischer und klang ungeduldig. Bei Edward konnte man an den Tönen meist ziemlich genau seine Stimmung erkennen, was also bedeutete die Ungeduld? Hatte er heute noch irgendetwas vor oder was war los?
Jasper verabschiedete sich gerade von Peter und Charlotte und beachtete seinen Bruder überhaupt nicht, im Gegensatz zu den Beiden, die Edward leicht misstrauisch beäugten.
Die Verabschiedung zog sich, sie wollten wohl doch nicht so schnell weg, wie es den Anschein gehabt hatte, und ich wurde stark davon abgelenkt, dass sich die kleine Charlotte plötzlich streckte und mir dann ihre zierlichen Arme um den Hals legte.
Ich genoss diese freundschaftliche Berührung. Freundschaft, sinnierte ich. Etwas, das ich seit meinem Menschenleben nicht mehr in diesem Maße erfahren hatte. Auf einmal merkte ich, dass ich Vera vermisste, meine ehemals beste Freundin, die jetzt bestimmt nicht mehr lebte. Nie würde ich erfahren, was aus ihrem kleinen süßen Henry geworden war und ob sie noch mehr Kinder bekommen hatte. Am meisten vermisste ich jedoch die Gespräche; mit ihr hatte ich so viel reden können, auch wenn sie nie gewusst hatte, wie sehr ich sie um ihren Jungen beneidete. Auch Charlotte gegenüber war ich an diesem Wochenende ziemlich offen gewesen; im Gegensatz zu so vielen anderen sah sie in mir nicht nur die oberflächliche Zicke, die sich um nichts anderes Sorgen machte, als darüber, ob ihr Lippenstift auch zur Handtasche passte. Natürlich hatte ich sonst auch noch Alice, aber sie hatte eine solch enge Beziehung zu Edward, dass es schwierig war, mit ihr über Isabella und ihn zu reden…
„Wenn du Maria wiedersehen solltest“, sagte Jasper mitten in meine Gedanken hinein. „Sag ihr, dass ich ihr alles Gute wünsche.“ Er klang vorsichtig, aber das war nun wirklich kein Wunder. Maria, der Vampir, der Jasper in der späten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts und Peter in den Neunzehnhundervierzigern erschaffen hatte, hatte Jasper einmal besucht, als wir in Calgary gelebt hatten. Man könnte diesen Besuch am ehesten als ereignisreich beschreiben; wir hatten danach sofort umziehen müssen. Wenn ich so daran dachte, das wäre doch auch eigentlich eine gute Lösung, so ein Besuch von Maria. Wenn wir wieder umziehen mussten, hatte Edward Abstand von Isabella und dann… Aber nein, das würde unschuldige Menschenleben fordern, so kaltblütig war ich dann doch nicht, auch wenn es mir immer wieder vorgeworfen wurde, seit ich Isabellas Tod das erste Mal in Erwägung gezogen hatte. Es hatte doch einen Grund, dass ich mich freiwillig für diesen Lebensstil entschieden hatte, Carlisle zwang niemanden zu seinem Glück. Außerdem hatte Jasper Maria damals freundlichst darum gebeten, sich von uns fernzuhalten. Aber ob sie sich auch daran halten würde? Schließlich war sie unberechenbar und wirklich gemeingefährlich.
„Ich glaube nicht, dass das so schnell passieren wird“, antwortete Peter mit einem leisen Lachen. Maria und Peter hatten keinen Kontakt mehr zueinander; Jasper war immer ihr Liebling gewesen und Peter hatte zumindest indirekt dazu beigetragen, dass Jazz sich von ihr losgesagt hatte. Es war nur natürlich, dass sie mit Peter daher nichts mehr verband.
„Aber sollte es passieren, tue ich es natürlich“, fügte dieser hinzu. Sie schüttelten sich die Hände; sie waren nun fertig, um abzureisen. Das Lied, das Edward gerade gespielt und das ich nur am Rande wahrgenommen hatte, klang aus. Ein recht unbefriedigende Ende, wie ich beiläufig feststellte. Mein Bruder stand auf und kam auf uns zu.
„Charlotte, Peter“, sagte er nickend.
„Es war nett, dich wiederzusehen“, erwiderte Charlotte skeptisch. Oh ja, das glaubte ich ihr, sehr nett. Vor allem, weil er auch so viel Zeit mit uns verbracht hatte. Peter nickte nur zurück, sagte aber nichts.
>>Idiot<<, sagte ich in Gedanken, in dem Bewusstsein, dass er mich hören konnte. Edward reagierte natürlich gar nicht auf die Beleidigung, das tat er nie, was mich insgeheim sehr wurmte. Wozu machte ich mir eigentlich noch die Mühe, an ihn zu denken, wenn es ihm doch sowieso egal war?
Der Idiot hatte dann auch nichts Besseres zu tun, als noch vor Peter und Charlotte das Haus zu verlassen, sich in die Garage zu begeben und mit seinem Volvo davonzubrausen. Tsss… Wenn ich nicht gewesen wäre, würde der jetzt nicht so schnell fahren, trotzdem zeigte mein Bruder nicht einmal die geringste Spur von Dankbarkeit. Egal, wie ich mich verhielt, immer reagierte er gleichgültig bis abweisend. Die Gleichgültigkeit war für mich allerdings das Schlimmste; ich konnte es absolut nicht ausstehen, anderen Leuten egal zu sein. Wenn sie mich hassten, gut; Hass war ein leidenschaftliches Gefühl. Man konnte niemanden hassen, den man nicht irgendwie auch liebte oder geliebt hatte. Leider führte mir diese Überlegung immer genau vor Augen, wie sehr ich doch Edward mochte, obwohl er sich mir gegenüber unmöglich benahm. Er war ein wichtiger Teil meiner Familie, ohne Edward konnte ich sie mir gar nicht vorstellen, doch er würde es wahrscheinlich noch begrüßen, wenn ich stattdessen mal von der Bildfläche verschwände. Bei diesem Gedanken durchzuckte mich ein messerscharfer Schmerz. Ja, ich liebte ihn, das ließ sich nicht leugnen, so sehr ich es auch versuchte, und ich konnte es einfach nicht mit ansehen, wie er geradewegs in sein Verderben lief.
Zuletzt von Rose_fan 4 ever am Mo 12 Dez 2011, 23:15 bearbeitet; insgesamt 7-mal bearbeitet (Grund : s.o.)
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
14. Die Missgunst eines geteilten Schicksals
„Was?“ Ungläubig blickte ich geradewegs in Alice‘ große, dunkle Augen. Wie nebenbei registrierte ich, dass es mal wieder Zeit zum Jagen war. „Das ist jetzt hoffentlich nicht dein Ernst.“
„Doch, natürlich“, sagte sie. Naja, von ‚sagen‘ konnte eigentlich kaum die Rede sein; sie sang fast und hüpfte dabei fröhlich um mich herum.
„Er verfolgt sie jetzt schon beim Shoppen?“, hakte ich nochmal nach, um ganz sicher zu sein. Das konnte ich mir einfach nicht vorstellen; so eigenartig konnte doch selbst Edward nicht sein, oder?
Wir befanden uns im Wohnzimmer und unterhielten uns über Edwards gegenwärtigen Aufenthaltsort, während Jasper und Emmett nebenuns aufgeregt über irgendein neues Wagenmodell diskutierten. Normalerweise hätte ich mich eingeschaltet, schließlich war ich hier die Einzige, die wirklich etwas von Autos verstand, doch im Augenblick beschäftigte mich leider etwas ganz anderes.
„Tja, Rose, das ist eben Liebe“, meinte meine Schwester nur leichthin auf meine Äußerung.
„Liebe?“, schnaubte ich abfällig. „Das soll Liebe sein? Alice, das ist einfach nur krank.“ Meine Schwester öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch ich unterbrach sie.
„Nein, komm mir jetzt nicht mit deinem ‚Wir werden Freundinnen und sie wird eine von uns sein-Quatsch‘, denn das wird sie nicht“, erklärte ich mit Nachdruck, denn das würde ich zu verhindern wissen, da war ich mir sicher. Isabella Swan würde NIEMALS Teil unserer Familie werden, das schwor ich mir.
„Ach komm schon, jetzt sei doch nicht so“, versuchte sie weiter auf mich einzuwirken. „Hättest du nicht auch gerne noch eine Schwester? Eine, die dir nicht ständig so auf die Nerven geht wie ich?“ Sie kicherte leise. „Das wäre doch lustig. Wir Frauen wären nicht mehr in der Minderheit und du nicht mehr so oft alleine. Wir könnten so richtige Mädchenabende machen, bis in die Nacht einkaufen und…“
„Alice!“ Meine Stimme klang nicht gerade nett, im Gegenteil. Merkte sie denn nicht, was sie für einen Unsinn zusammenfantasierte, Visionen hin oder her?
„Isabella Swan wir niemals meine Freundin, geschweige denn meine Schwester“, spie ich ihr entgegen und konnte nichts daran ändern, dass meine Stimme plötzlich lauter wurde als nötig.
„Es gibt absolut nichts, das uns verbindet. Sie ist ein naives, siebzehnjähriges Mädchen, das mich nicht im Geringsten interessiert. Noch dazu eine Siebzehnjährige, die keinen Dunst von Mode hat und kitschige Liebesromane liest. Was soll ich bitteschön mit so einer anfangen? Sie interessiert mich nicht und sie sollte auch eigentlich Edward nicht interessieren. Sie schafft mit ihrer bloßen Anwesenheit nur Probleme. Setz endlich deine rosarote Brille ab und sieh ein, dass du dich irrst. Es wird unserem Bruder sicher bald langweilig mit ihr werden und dann stürzen deine Visionen zusammen wie die Kartenhäuser, die Emmett so gerne baut und dann voller Freude wieder umschmeißt. Er ist nur eine klitzekleine Entscheidung davon entfernt, Alice.“ Darauf sagte sie nichts mehr; sie drehte sich einfach um, schnappte sich Jasper, der sich völlig perplex von ihr mitziehen ließ, und verschwand nach oben. Anscheinend hatte sie es jetzt doch aufgegeben, mich überzeugen zu wollen. Na endlich.
Ich hatte mich gerade in Richtung Sofa gebückt, um nach meinem Notenheft zu greifen, das meine Kompositionen enthielt und das ich vorher Charlotte gezeigt hatte, als ich starke Hände an meinen Hüften spürte, die mich an einen mir wohlbekannten harten Körper drückten.
„Emmett“, sagte ich mit einem leisen Seufzer und ließ mich an seine breite Brust sinken. Er strich mir leicht durch die Haare, schob sie mir nach vorne über die Schulter und begann dann damit, meinen Nacken mit sanften Küssen zu bedecken. Sein Mund zog eine heiße Spur meinen Rücken hinunter, soweit es der Ausschnitt meines dunkelroten Neckholder-Tops aus reiner Seide zuließ. Er ging etwas zurück und zog mich aufs Sofa, wo er mich kurzer Hand auf seinem Schoß platzierte und dann zärtlich anfing, mein Gesicht zu liebkosen.
Ich wusste nicht, wie viel Zeit wir so verbracht hatten, nachdem sich der Kuss vertiefte. Wenn Emmett mich so in Beschlag nahm, vergaß ich immer alles andere um mich herum. Tatsache war aber, dass irgendwann Alice und Jazz wieder herunterkamen. Eigentlich hätte ich sie auch jetzt nicht beachtet, hätte Alice nicht einen sehr untypischen, spitzen Schrei los-gelassen, als Emmett gerade Anstalten machte, mich vollends zu entkleiden. In einer einzigen fließenden Bewegung schob ich ihn von mir, setzte mich auf und zog mir mein Top wieder zurecht. Alice stand mitten im Wohnzimmer, eine Hand nach Jasper ausgestreckt; sie war mitten in der Bewegung erstarrt. Ihre Augen waren weit aufgerissen vor Entsetzen und sie stammelte völlig zusammenhangslose Wörter, die für niemanden im Raum einen Sinn ergaben. Es dauerte nur eine Minute, dann war es vorbei, doch ihr Blick war immer noch leicht panisch, als sie wie der Blitz durchs Haus sauste und eine Sekunde später mit ihrem Handy am Ohr wieder auftauchte.
„Verdammt, Edward, geh schon dran“, murmelte sie ungeduldig und je länger sich am anderen Ende nichts tat, desto nervöser wurde sie. Unruhig ging sie im Zimmer auf und ab; Jasper bewegte sich auf sie zu und zog sie in einer liebevollen Geste leicht an sich.
„Alice, beruhig dich. Was ist denn los, mein Schatz?“, fragte er leise und strich ihr sachte über die kurzen, schwarzen Haare. Selbst ich konnte die beruhigende Welle spüren, die von ihm ausging, obwohl ich mehrere Meter von ihm entfernt war.
„Bella“, sagte sie nur kraftlos.
Einige Sekunden vergingen, da weiteten sich plötzlich ihre Augen, aber diesmal vor Erstaunen, und mit einem Mal sah sie überglücklich aus. Sie drehte sich um und fiel Jasper um den Hals, der ihre Umarmung etwas verdutzt, aber überaus zärtlich erwiderte.
„Alice, wärest du bitte so freundlich, uns darüber aufzuklären, was du gesehen hast?“, fragte ich gespannt. Was war jetzt schon wieder mit Isabella?
„Ach nichts, Rose“, winkte sie ab. „Edward hat die Sache im Griff; es ist nichts passiert.“ Ich musterte sie kühl; ein strenger Blick genügte und sie sprach hastig weiter.
„Naja, du weißt ja, dass Bella mit ihren Freundinnen in Port Angeles ist; sie haben sich kurz getrennt, sie wollte in einen Buchladen und dabei ist sie von ein paar Typen belästigt worden.“ Ich erschrak; so wenig ich das Mädchen auch leiden konnte, solche Erlebnisse wünschte ich niemandem, wusste ich doch aus eigener Erfahrung, wie schlimm es war. Das Grauen packte mich, als ich an jene schicksalshafte Nacht zurückdachte, die mein Leben so grundlegend verändert hatte, jene Nacht, die zu meinem vorzeitigen Tod geführt hatte…
Ich sah es genau vor mir, die Männer in einer dunklen Gasse, vor ihnen die kleine verängstigte Bella… Alice bemerkte meinen veränderten Gesichtsausdruck und riss mich aus meinen unschönen Gedanken.
„Rose.“ Ihre Stimme klang überraschend weich. „Wie gesagt, es ist nichts passiert. Edward hat sie da rausgeholt, bevor etwas Schlimmeres passieren konnte.“ Das Bild in meinem Kopf änderte sich. Die Männer umkreisten sie, kamen ihr immer näher, aber da war ein Schatten, der aus dem Dunkeln trat und in dem ich meinen Bruder erkannte. Ein kaltblütiges Lächeln lag auf seinem Gesicht, bevor er vor ihren Augen die Männer zur Strecke brachte, die ihr etwas hatten antun wollen. Allerdings war mir klar, dass Edward sich natürlich niemals so verhalten würde. Die Tage, in denen er seine Superheldenfantasien in seinem Handeln vollkommen ausgelebt hatte, lagen jetzt fast siebzig Jahre zurück, trotzdem musste ich wissen, was genau passiert war.
„Hat er die Kerle davonkommen lassen?“, erkundigte ich mich deswegen. Sie nickte und diese einfache Bewegung genügte, um es in mir wieder zum Brodeln zu bringen. Meine Schwester schien das zu merken.
„Er konnte nicht anders, Rose. Er hat sie in sein Auto gezerrt und ist losgefahren; du weißt doch, dass er dem Töten von Menschen abgeschworen hat.“ Jaja, das wusste ich und zwar länger als sie, um genau zu sein, das musste sie mir nicht erklären. Ich seufzte, bevor ich ihr antwortete: „Ich habe doch auch nicht von töten gesprochen, man hätte ihnen auch anders ihre Lektion erteilen können.“ Sie wollte etwas erwidern, doch ich ließ sie gar nicht zu Wort kommen.
„Alice, das sind Verbrecher und wenn unsereins schon so eine Gelegenheit bekommt, sollte man sie nicht ungenutzt verstreichen lassen. Aber gut, das Mädchen war dabei, da musste er es vorsichtig angehen lassen, schon klar. Er wird ja hoffentlich heute irgendwann noch nach Hause kommen, dann kann ich mich ja selbst davon überzeugen, was er sich dazu gedacht hat.“ Mit diesen Worten drehte ich mich um, setzte mich ans Klavier und erklärte damit das Gespräch für beendet. Jetzt hieß es warten. Warten, dass mein Bruder heim kam, falls er das überhaupt tun würde. Spätestens morgen früh müsste er kommen und sich umziehen und dann natürlich mit uns zur Schule fahren, wenn er nicht schon wieder laufen wollte.
Irgendwann beschloss ich, dass es keinen Sinn hatte, hier die ganze Nacht herumzusitzen und begab mich nach oben, wo Emmett schon sehnsüchtig auf mich wartete. Mit ihm meine Zeit zu verbringen, würde hoffentlich dafür sorgen, dass ich es bis zum nächsten Morgen aushielt, ohne Edward suchen zu gehen, denn darüber wäre er sicherlich nicht sehr erfreut.
Emmetts Anwesenheit hielt ihr Versprechen. Ich schaffte es, mich ganz fallen zu lassen und nicht einen einzigen unnötigen Gedanken an Edward zu verschwenden. Auch die Männer, die dank meinem Bruder immer noch frei draußen herumliefen, konnten mein Glück in dieser Nacht nicht stören.
Als es im Zimmer immer heller wurde, begaben wir uns in unser Badezimmer, um erst einmal ausgiebig zu duschen. Natürlich dauerte es um einiges länger, als wenn ich mich allein fertigmachte, dafür war es zu zweit aber umso schöner. Ich liebte das Gefühl seiner nassen Finger auf meiner nackten Haut, die mich behutsam einseiften und nichts konnte das wohlige Kribbeln übertreffen, das sich einstellte, wenn er mir die Haare wusch und dabei so vorsichtig er konnte meine Kopfhaut massierte. Man sah es meinem Bär vielleicht nicht an, aber er konnte so unglaublich gefühlvoll sein, wenn er wollte, und gerade jetzt spürte er, wie sehr ich das benötigte. Seine Hände streichelten mich sanft und seine Küsse blieben leidenschaftlich und doch leicht. Er war so verständnisvoll, kannte meine Bedürfnisse auch ohne meine Gedanken lesen zu können und erfüllte sie bedingungslos. Bei ihm hatte ich immer das Gefühl, dass ich nicht so nutzlos war, wie ich mich fühlte, dass ich geliebt und vor allem gebraucht wurde.
Einige Zeit später mussten wir uns doch voneinander lösen, sonst würde ich es nicht mehr schaffen, Edward abzupassen und das wollte ich heute unbedingt. Wir waren gerade dabei, uns abzutrocknen, als es plötzlich überraschenderweise an der Badezimmertür klopfte.
„Rose?“, fragte Alice zaghaft. Ich warf Em ein Handtuch zu, das er sich schnell um die Hüften wand, zog mir meinen hübschen, silbergrauen Morgenmantel über und öffnete die Tür.
„Was?“, fragte ich unfreundlich, schließlich hatte sie uns gerade dabei gestört, unsere traute Zweisamkeit noch etwas auszudehnen. Alice sah irgendwie aus, als ob sie sich ziemlich unwohl in ihrer Haut fühlte, also konnte es keine erfreuliche Nachricht sein, die sie mir überbrachte.
„Hättest du vielleicht etwas dagegen, uns heute mit deinem Wagen zur Schule zu fahren?“, fragte sie dann auch schon. Ich hatte vieles erwartet, aber keinesfalls das. Hieß das, Edward würde…
„Nein!“, knurrte ich wütend. „Sag, dass das nicht wahr ist. Wo ist Edward?“
„Er fährt Bella zur Schule“, kam auch prompt das, was ich insgeheim befürchtet hatte. Er machte sein Interesse an ihr also offiziell. Es wurmte mich, dass ich immer noch nicht wusste, was gestern in Port Angeles noch zwischen den Beiden vorgefallen war und nahm mir vor, Alice im Auto darüber zu löchern. Vorher würde ich aber noch ein bisschen angepisst tun, zu einfach wollte ich es ihr schließlich nicht machen.
„Ach, tut er das? Und wie stellt er sich das vor? Wie sollten wir uns verhalten? Unauffällig? Tsss, Isabella Swan in seinem Auto ist ja auch so was von unauffällig, fast so unauffällig wie ein glänzend roter BMW auf dem Schulparkplatz!“, fauchte ich sie an. Stillschweigend malte ich mir aber schon aus, was die anderen Schüler wohl beim Anblick meines exquisiten Wagens für Augen machen würden. Und noch eine gute Sache hatte es, dass Edward sich jetzt richtig mit Isabella beschäftigte: Das Warten hätte endlich ein Ende, jetzt würde sich zeigen, woran wir waren.
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
15. Die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm
Auf dem Weg zur Schule setzte ich dann auch sofort mein Vorhaben in die Tat um.
„Alice?“ Im Spiegel sah ich, wie sie den Kopf hob und ihren Blick auf mich richtete.
„Was genau ist in Port Angeles passiert?“ Fast schon betont unschuldig sah sie mich an.
„Aber Rose, das habe ich dir doch schon erzählt! Vier Männer haben sie verfolgt und…“
„Nicht das, Alice“, unterbrach ich sie ungeduldig. „Was war danach? Wie hat sie darauf reagiert? Wo sind sie hingegangen? Was hat er ihr von uns erzählt? Du weißt doch genau, was ich wissen will.“
„Sie hat es ganz gut aufgenommen. Also, dass er sie gerettet hat. Sie waren zusammen in einem Restaurant, ein kleines italienisches, nicht besonders teuer, aber die Pilzravioli haben ihr geschmeckt und…“, plapperte sie einfach los, jedoch hatte ich so das Gefühl, dass sie mich absichtlich von den wichtigen Dingen mit unbedeutenden Details abzulenken versuchte, als ob sie mir etwas verheimlichen wolle, das von größerer Bedeutung war.
„Alice.“ Meine Stimme war absolut unterkühlt, doch meine Schwester reagierte darauf nicht; sie drehte nur verlegen den Kopf zur Seite, damit ich ihr nicht in die Augen sehen konnte.
„Was. Hat. Er. Ihr. Von. Uns. Erzählt?“, fragte ich erneut mit Nachdruck. Allein mit meinem Tonfall hätte man die Klimaerwärmung aufhalten können. Meine Schwester war trotzdem nicht im Geringsten davon beeindruckt; sie blickte mich nur an und versuchte es dann mit einem Kompromiss:
„Beim Mittagessen, okay?“, schlug sie vor. Ich überlegte einen Moment, doch dann nickte ich. Mir war bewusst, dass das ihr bester Vorschlag war, einen anderen würde es nicht geben. Deshalb beschloss ich, ihr kleines Spiel mitzuspielen und einfach abzuwarten.
Also sagte ich den Rest der Fahrt nichts mehr, grübelte nur noch darüber nach, was wohl so ungeheuerlich war, dass sie es mir nicht jetzt, sondern erst, wenn wir nicht mehr unter uns waren, sagen wollte.
Als ich endlich auf den Parkplatz vor der Forks High School fuhr, konnte ich nichts gegen das selige Lächeln machen, das sich langsam auf meinem Gesicht ausbreitete, so sehr mich das auch ärgerte. Allein dieses Auto zu fahren sorgte schon dafür, dass ich mich besser fühlte, doch das war nichts gegen die Reaktion der anderen Schüler. Sämtliche anwesenden Menschen, sowohl Schüler als auch Lehrer, starrten bewundernd auf meinen M3, wie ich es gehofft hatte. Naja, so ein Wagen verirrte sich auch selten in dieses Kaff, kein Wunder, dass sie beeindruckt waren.
Ich parkte neben einem verbeulten – wenn auch auf Hochglanz polierten – dunkelgrünen Nissan, der nicht einmal im Neuzustand an meinen Wagen herangekommen wäre. Schnell warf ich Emmett noch einen amüsierten Blick zu, bevor ich überheblich lächelnd und überaus elegant ausstieg, seine Hand nahm und mich mit ihm auf den Weg zu unserer ersten Unterrichtsstunde machte.
Mir schwante bereits Böses, als ich am Mittag die Cafeteria betrat. Ich war die letzte; die anderen, bis auf Edward, saßen schon an unserem Tisch. Ihre Blicke durchbohrten mich geradezu, als ich mich erwartungsvoll auf meinen üblichen Platz neben Emmett setzte und den Raum nach meinem anderen Bruder und seinem Maskottchen absuchte. Sie waren noch nicht da, also schenkte ich Alice meine Aufmerksamkeit, da ich davon ausging, dass sie am besten informiert war, schließlich stand sie Edward von uns allen am nächsten. Sie seufzte, dann schien sie zu resignieren und begann zu sprechen.
„Den anderen habe ich es vorhin schon erzählt, bevor du gekommen bist.“ Sie redete in einem unglaublichen Tempo, als wolle sie etwas Unangenehmes schnell hinter sich bringen. Ich sah sie nur an und tippte ungeduldig mit meinem Fuß auf den scheußlichen Linoleumboden, der den Raum verunstaltete, um ihre meine Ungeduld zu zeigen.
„Sie weiß es“, sprach Alice dann meine schlimmsten Befürchtungen aus. Drei simple Wörter, aber für einen kurzen Augenblick verharrte ich in einer Art Schockzustand, bevor ich ihre Aussage einigermaßen verarbeitet hatte.
„Was? Sie weiß, was wir sind?“ Erst als ich es aussprach, begann ich annährend die ganze Tragweite dessen, was sie gerade gesagt hatte, zu verstehen.
„Ja“, meinte Alice nur ruhig; es schien sie nicht im Geringsten zu stören. Schnell schaute ich zu Emmett, doch der grinste mich nur an. Der Einzige, der meiner Meinung nach ansatzweise vernünftig reagierte, war Jasper. Er verzog das Gesicht und ich erkannte, dass auch er wütend war.
„Alice, ist dir klar, was du da gerade gesagt hast?“ Ich war immer noch völlig fassungslos, doch sie nickte nur; ihre Augen leuchteten glücklich.
„Woher weiß sie es? Hat ER es ihr gesagt?“ Konnte das sein? Hatte Edward uns verraten? Umso erleichterter war ich, als sie dieses Mal den Kopf schüttelte.
„Nein, Rose, das hätte er nie getan. Sie wusste es schon vorher. Sie – “ Hier stockte sie einen Moment; ich hatte jetzt schon Angst vor ihren nächsten Worten und die sollte auch berechtigt sein, denn als ich ihre Antwort hörte, war ich gelinde gesagt schrecklich bestürzt.
„Die Quileute?“, keuchte ich entrüstet. „Verdammt, damit haben sie den Vertrag gebrochen!“ Alice versuchte, mich zu beruhigen, allerdings gelang es ihr nicht besonders gut.
„Rose, er ist erst fünfzehn. Er hat keine Ahnung, dass die Legenden, die er ihr erzählt hat, zum größten Teil der Wahrheit entsprechen. Er denkt, sein Stamm wäre einfach nur abergläubisch; er wollte Bella doch nur ein bisschen Angst einjagen.“ Aber da stieß sie bei mir auf Granit. Es war mir völlig egal, wie alt er war; ich hasste diesen Nachkommen Ephraim Blacks jetzt schon. Er war schuld daran, dass wir aufgeflogen waren. Am liebsten wäre ich sofort ins Reservat gestürmt und hätte ihn auf der Stelle umgebracht, aber erstens wusste ich nicht, wie er aussah, und zweitens hätte das vorerst nur noch mehr Schaden angerichtet.
„Und jetzt?“, fragte ich daher. „Was ist mit den Volturi? Und was ist, wenn Isabella ihren Mund nicht halten kann? Ich kenne diese Menschenmädchen. Sie sind ausnahmslos fürchterliche Plaudertaschen.“ Meine Schwester war im Gegensatz zu mir jedoch felsenfest von der Verschwiegenheit der Kleinen überzeugt und ließ sich davon, dass sie Edward bis jetzt weder verraten hatte, noch vor ihm davongelaufen war, in ihren Visionen von ihr als Teil unserer Familie bestärken. Mich hingegen konnte das alles nicht umstimmen; ich betrachtete sie weiterhin als Eindringling, als grausigen Parasiten, den man vollständig ausrotten musste. Wo sollte das sonst noch hinführen? Ich war mir sicher, dass die Volturi früher oder später davon erfahren würden, außerdem eskalierte die Situation ganz bestimmt schon in naher Zukunft. Vampir und Mensch, das konnte einfach nicht gut gehen. Egal was verschiedene Autoren vorgaukeln wollten, diese Menschen hatten meiner Meinung nach viel zu viel Fantasie und gehörten ausnahmslos in die Klapse.
In dem Moment öffnete sich die Tür und Edward kam begleitet von Isabella hinein. Sie trug heute einen wirklich grässlichen Pullover, der viel zu groß für sie war und in dem sie deshalb überaus unförmig wirkte. Das grün ließ sie außerdem noch blasser erscheinen, als sie sowieso schon war; wie konnte man nur solch einen Fehlgriff machen? Hatte sie heute auch nur einmal in den Spiegel gesehen? Ich sah sie nur etwa eine halbe Sekunde überheblich an, um das festzustellen; sie bemerkte es wahrscheinlich nicht einmal. Meinen Bruder bedachte ich dagegen mit einem äußerst zornigen Blick, als er sich mit Isabella an den Tisch setzte, der auch schon in der letzten Woche der ihre gewesen war.
Eine Weile lauschte ich einigermaßen still ihrer Unterhaltung; sie redeten ziemlich belangloses Zeug und er machte ihr am laufenden Band angedeutete Komplimente, die sie vielleicht noch nicht einmal verstand. Irgendwann wurde es mir jedoch zu bunt; ich konnte nicht mehr an mich halten. Meine Gedanken überschlugen sich, ganz ohne mein Zutun.
>>Wie konnte er nur? Dieser egoistische Idiot! Wie konnte er uns das nur antun?<< Obwohl ich keinen Ton von mir gegeben hatte, war meine Miene wohl sehr ausdrucksstark, anderenfalls wären meine nicht gedankenlesenden Geschwister wohl nicht auf mich aufmerksam geworden.
„Bleib ruhig, Rose“, flüsterte Emmett. Sein Arm lag schwer um meine Schultern; er fühlte sich beinahe an wie eine Fessel. Oh wenn wir doch nur nicht hier wären, wenn sich das doch zu Hause abspielte; ich hätte diesen dämlichen Volltrottel zu Kleinholz verarbeitet. Und wenn ich schon nicht ihn gekriegt hätte, so musste doch wenigstens sein geliebtes Auto daran glauben, so Leid es mir auch darum tat. Der Gedanke daran, wie ich seinen Aston Martin erst malträtieren und dann anzünden würde, gefiel mir; ein wohliger Schauer lief mir dabei über den Rücken und ein fast schon diabolisches Grinsen schlich sich auf mein Gesicht. Es verflüchtige sich aber schon bei seinen nächsten Sätzen, als er sich, so unglaublich es auch war, mit ihr verabredete. Und mit verabreden meine ich wirklich verabreden, nicht für die nächste Unterrichtsstunde, wie er es sonst immer tat, sondern für den nächsten Samstag.
„Aber was denn nun – “, sagte er. „Willst du unbedingt nach Seattle fahren, oder wärst du auch damit einverstanden, wenn wir etwas anderes machen?“ Tsss… Wie hinterhältig von ihm. Auf den ersten Blick schien es, als ließe er ihr die Wahl, aber eigentlich verplante er sie mit dieser harmlosen Anfrage schon fürs Wochenende. Schließlich setzte das kleine Wörtchen ‚wir‘ schon voraus, dass sie ihre Zeit zusammen verbrachten. Isabella schien das aber nicht zu stören; sie himmelte ihn nur mit verschleiertem Blick an und erklärte dann indirekt, dass sie sowieso alles machen würde, was er von ihr verlangte. Die Bedingung, die sie ihm stellte, brachte aber sogar mich zu einem leisen, unauffälligen Kichern. Sie wollte fahren, weil ihr seine Fahrweise Angst machte! Von allem, was ihr an ihm Angst machen könnte, sorgte sie sich ausgerechnet um seine Fahrweise, das war doch wirklich zu komisch… Das Lachen verging mir aber schon wieder, als Edward genau das, was ich eben gedacht hatte, zu Isabella sagte; der Wortlaut war nahezu identisch.
>>Blöder Gedankenleser.<<
Die Beiden fuhren wieder mit ihrer inhaltslosen Unterhaltung à la >Ich bin böse; du solltest dich von mir fernhalten< und ihren nicht wirklich überzeugenden Beteuerungen, dass sie keine Angst vor ihm hätte und er sowieso gut war, fort, bis Isabella plötzlich verstummte. Anscheinend wurde es selbst ihr langsam langweilig. Bevor sie wieder zu sprechen begann, schaute sie kurz auf. Ihr Blick wanderte durch den Saal, als wolle sie sich vergewissern, dass auch wirklich niemand zuhörte, und traf schließlich auf den meiner Schwester, die sie anstarrte. Ich sah, wie meine restlichen Geschwister, wieder zu Edward und beobachtete das Mädchen nur noch aus den Augenwinkeln, um zu vermeiden, dass sie mir in die Augen sehen konnte. Anderenfalls hätte sie nur wieder die Wut in ihnen gesehen und Edward hatte mir deutlich gemacht, dass ich sie in Ruhe lassen sollte. Also hielt ich mich einigermaßen daran, damit ich keinen ausgewachsenen Streit riskierte. Der würde sowieso noch eher kommen, als mir lieb war.
„Warum seid ihr eigentlich am Wochenende zum Jagen in die Goat Rocks Wilderness gefahren? Charlie meinte, das sei keine gute Gegend, wegen der vielen Bären“, fragte das naive kleine Mädchen, nachdem sie sich wieder von uns abgewandt hatte, und unterbrach damit meinen Gedankengang. Darauf konnte ich gar nicht anders, als zu lachen. Heute war es wirklich ein ständiges Auf und Ab auf der Gefühlsskala bei mir, aber ihre Dämlichkeit war auch einfach unglaublich! Vielleicht sollte Edward sie mal richtig über unser Jagdverhalten aufklärte. Dachte sie, wir hätten es auf Kaninchen und kleinere Vögel abgesehen? Als Antwort sah mein Bruder sie einfach nur ungläubig an und sie begriff, wenn auch etwas spät.
„Bären?“, fragte sie nach Luft schnappend und Edward begann bis über beide Ohren zu grinsen.
„Und das, obwohl keine Jagdsaison ist“, fügte sie leicht tadelnd hinzu, doch es war nicht zu übersehen, wie entgeistert sie war. Sie hatte es sich wohl wirklich ein kleines bisschen anders vorgestellt.
„Wenn du die Bestimmungen sorgfältig liest, dann wirst du feststellen, dass die Verbote lediglich das Jagen mit Waffen betreffen“, entgegnete mein Bruder ihr amüsiert. Langsam schien sie zu begreifen.
>>Oh Mann, die hat wirklich eine lange Leitung<<, dachte ich, als sie noch einmal zaghaft nachfragte und Edward sie darüber aufklärte, welche Reize so ein Grizzlybär für uns hatte. Oder besser gesagt für Emmett. Als sie weiter sprachen, hätte man denken können, sie unter-hielten sich über etwas ganz Alltägliches, wenn man nicht genau hinhörte, so unbeteiligt war Isabellas Tonfall und so gelassen und höflich antwortete ihr mein Bruder.
„Wie jagt man einen Bären ohne Waffen?“, wollte sie dann doch etwas interessierter wissen. Ein bedrohliches Lachen huschte über Edwards Gesicht und entblößte seine blitzenden Zähne, so dass er für einen kurzen Moment sogar gefährlich wirkte, als er ihr antwortete:
„Oh, Waffen haben wir schon.“ Isabella sah erschrocken aus, auch wenn sie weiterhin versuchte, jegliche Gefühlsregung zu unterdrücken. Sie war eine wahrlich schlechte Schauspielerin.
„Nur nicht solche, die unter die Jagdbestimmungen fallen“, erläuterte Edward weiter. Jetzt wollte er es wissen. „Falls du jemals im Fernsehen einen angreifenden Bären gesehen hast, dann kannst du dir ein Bild von Emmett beim Jagen machen.“ Sie konnte derweil nicht mehr anders und blickte verstohlen zu Em hinüber, der es aber gar nicht bemerkte, da er immer noch auf Edward fixiert war. Ich konnte mir vorstellen, wie beängstigend seine Muskeln auf Außenstehende wirken mussten und fand das höchst amüsant. Wie konnte man nur vor meinem Kuschelbär Angst haben? Trotzdem ließ sie sich aber nicht abschrecken. War sie wirklich so naiv oder tat sie nur so? Jedenfalls war sie neugierig, das stand fest, denn jetzt wollte sie wissen, ob sie auch mal bei einer Jagd dabei sein konnte und war offensichtlich nicht begeistert darüber, als er ablehnte. Und hartnäckig war sie, doch er lenkte sie damit ab, dass sie zum Unterricht mussten, da die Pause schon wieder vorbei war. Um eine Antwort, warum er sie nicht mitnehmen wollte, würde er aber nicht herumkommen und so musste er ihr schließlich versprechen, es ihr später zu erklären, da sie nicht lockerließ. Ha, mal sehen, was sie zu seiner Antwort sagen würde. Ob sie sich dazu entschied, doch vor ihm wegzulaufen? War ihr natürlicher Lebenswille stark genug, um sich fernzuhalten oder entschied sie sich für die dumme, gefährliche Variante? Wir würden sehen.
Zuletzt von Rose_fan 4 ever am Mi 14 Dez 2011, 17:53 bearbeitet; insgesamt 6-mal bearbeitet (Grund : s.o.)
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
16. Zwietracht und ihre Nebenwirkungen
Als ich nach Unterrichtsschluss endlich das Schulgebäude verließ, fuhr Edward gerade in seinem Volvo davon, das Mädchen auf dem Beifahrersitz. Das ärgerte mich ziemlich, denn wenn er wieder solange wegblieb, konnte ich noch lange auf mein geplantes Gespräch mit ihm warten.
Langsam ging ich in Richtung meines Autos, das von einer Traube Jungs umringt war, die es allesamt staunend begafften. Sie unterhielten sich lautstark über die Besonderheiten des Modells und einer der Typen, ein kleiner rothaariger, den ich nicht kannte, strich sogar fast zärtlich über die Motorhaube, was mir dann doch ein bisschen zu weit ging. Bestimmt griff ich nach Emmetts Arm, schritt weiter aus und bahnte mir einen Weg durch die Jugendlichen, die sich scheinbar für unglaubliche Autokenner hielten. Erschrocken blickten sie zu Emmett auf, der einen für ihn untypisch reservierten Blick aufgesetzt hatte, und zogen sich zurück, wobei es der rothaarige doch tatsächlich noch schaffte, beim Rückwärtsgehen über seine eigenen Füße zu stolpern und mir der Länge nach vor die Füße zu fallen. Ungeschickt rappelte er sich wieder auf; sein Gesicht hatte die Farbe einer überreifen Tomate angenommen, als er mich entschuldigend anlächelte und immer noch unsicher davonging.
Ich nahm auf dem Fahrersitz Platz und wartete zusammen mit Emmett auf Alice und Jasper, die heute ungewöhnlich lange brauchten. Emmett grinste mich verschmitzt an.
„Und, wie war dein Tag?“ Ich warf ihm nur einen leicht angesäuerten Blick zu, den er auch sofort richtig auffasste.
„Süße, mach‘ dir doch keine Sorgen. Das wird schon gut gehen mit den Beiden.“ Ich schüttelte den Kopf; zu mehr war ich gerade nicht in der Lage, besser sagte ich gar nichts, als ihn anzuschreien. Glücklicherweise stiegen in diesem Moment Alice und Jasper zu uns ein, so dass ich Emmett eine Antwort schuldig blieb und einfach Gas geben konnte. Edward konnte sich auf was gefasst machen, wenn er nach Hause kam. An seiner Stelle würde ich mich beeilen und die Sache schnell hinter mich bringen, sonst sähe ich mich nachher noch dazu gezwungen, ihn aufzusuchen, während er bei Isabella war, und das würde für Beide nicht gut ausgehen.
Zu Hause ging ich zielstrebig ins Wohnzimmer und setzte mich aufs Sofa, um auf meinen Bruder zu warten. Heute würde er mir nicht entgehen können, soviel stand fest. Wenn es sein musste, würde ich bis Morgen hier auf ihn warten. Hauptsache er bekam das, was er verdiente.
Es dauerte aber dann doch nicht so lange, bis er sich blicken ließ. Anscheinend hatte er Isabella wirklich nur nach Hause gebracht und war dann wieder zurückgefahren, denn es war nicht viel Zeit vergangen, als ich schon seinen Wagen vorfahren hörte. Ich stand auf und ging in die Mitte des großen Wohnzimmers. Die Arme vor der Brust verschränkt erwartete ich meinen Bruder, der nur wenige Sekunden später zur Tür hineinkam. Er sah nicht sonderlich überrascht aus, mich so zu sehen, kein Wunder, hatte er doch schon einen Einblick in meine Gedanken gehabt, als er noch knappe fünf Meilen vom Haus entfernt gewesen war. Ich gab es nicht gern zu, aber er war offensichtlich hier, weil er es wollte. Hätte er mir weiter aus dem Weg gehen wollen, hätte er es zweifelsohne sofort getan. Stattdessen stand er hier vor mir mit einem fast schon unverschämten Lächeln auf den Lippen.
„Und?“, fragte er, während er sich scheinbar unbeeindruckt an seinen Flügel setzte und anfing, eine leise Melodie zu klimpern.
„Sprich deine Gedanken doch einfach aus. Du willst schließlich, dass die anderen dich hören. Wobei ich persönlich einen ruhigeren Umgangston wirklich bevorzugen würde.“ Das reichte aus, um mich auf Hochtouren zu bringen. Wenn er es unbedingt wollte, gut, dann würde ich ihm jetzt gehörig die Meinung sagen, das hatte er nun davon. Er konnte schließlich nicht ewig vor mir weglaufen.
„Ruhiger Umgangston?“, schnaubte ich. „Du denkst doch nicht etwa, dass dir ein ‚ruhiger Umgangston‘ zusteht, nach dem, was du getan hast?“
„Was ich getan habe?“, wiederholte er meine Worte und zog dabei ungläubig eine Augenbraue hoch.
„Ja, was du getan hast“, zischte ich. „Ist dir etwa nicht bewusst, was deine Unachtsamkeit angerichtet hat? SIE WEISS ES, Edward.“ Sein angespannter Gesichtsausdruck wich wieder diesem idiotischen Lächeln, das mich vorhin schon so verärgert hatte.
„Ja, sie weiß es“, sagte er langsam und klang dabei doch tatsächlich erleichtert und beinahe … glücklich.
„Sag mal, was denkst du dir eigentlich dabei?“, rief ich aus. „Sie weiß, dass wir Vampire sind, und du findest das in Ordnung? Sie kennt unser lang gehütetes Geheimnis und wenn die Volturi das herausfinden, sind wir alle tot! Sie ist ein MENSCH, Edward.“
„Ich weiß.“ Seine Gleichgültigkeit reizte mich bis auf aufs Blut. War ihm denn wirklich alles egal? Hatte unsere Familie für ihn überhaupt keine Bedeutung mehr?
„Wenn du das weißt, warum zum Teufel handelst du dann so verantwortungslos? Kein Mensch darf von unserer Existenz wissen und wenn er es doch aus irgendwelchen Gründen erfährt, muss man ihn ausschalten. Du kennst die Regeln, Edward. Also warum beherzigst du sie nicht? Warum bringst du uns alle in Gefahr für so ein kleines, unbedeutendes Menschenmädchen? Sie ist doch nichts; es lohnt sich nicht, unser aller Leben für sie aufs Spiel zu setzen. Wir sind deine FAMILIE, Edward. Verstehst du nicht, was das bedeutet?“ Ich fühlte mich, als redete ich mit einem begriffsstutzigen Kind, das seinen Fehler absolut nicht einsehen wollte, denn genau so benahm mein Bruder sich gerade.
„Rosalie.“ Das Lächeln war völlig aus seinem Gesicht verschwunden, sein Kiefer wütend angespannt.
„Sie ist nicht nichts. Du hast ja keine Ahnung, wie besonders sie ist. Ich weiß nicht, ob es dich interessiert, aber ich liebe sie.“ Es war das erste Mal, dass er das aussprach; ich fragte mich, ob ihm das wohl bewusst war. Völlige Stille folgte auf seine Worte. Emmett und Jasper, die sich im Hintergrund angeregt unterhalten hatten, verstummten und sahen überrascht auf, während ich in einer Art Schockzustand verharrte und Edward erschrocken ansah. Die liebliche Melodie, die Esme, die im oberen Stockwerk beschäftigt gewesen war, noch vorher gesummt hatte, erstarb und ich hatte das Gefühl, dass selbst die Vögel draußen leiser sangen. Nur Alice hielt sich wie immer nicht an die anderen; sie sprang auf, rannte auf Edward zu und fiel ihm um den Hals.
„Oh Edward, ich wusste es!“ Ihr freudestrahlendes Gequietsche weckte mich aus meiner Trance.
„Du liebst sie?“, schäumte ich. „Du nimmst doch nicht etwa an, dass das irgendetwas an der Situation ändert? Ich meine, du könntest natürlich versuchen, es Aro zu erklären, aber ich glaube kaum, dass ihn deine Liebe zu seinem Dessert auch nur im Geringsten kümmert.“ Alice warf mir einen tadelnden Blick zu.
„Rose, das wird alles gut gehen. Ich sehe es, vertrau mir. Er liebt sie und du weißt doch, die Liebe ist stärker als jede Vernunft. Die Volturi werden kein Problem sein. Ich meine, warum sollten sie herkommen? Sie meiden uns und wir sie, also werden sie es gar nicht erst herausfinden und wenn…“ Sie lächelte. „Und wenn es soweit ist, dann gibt es vielleicht nichts mehr, was sie verärgern könnte. Dann wird sie schon eine von uns sein…“ Edward warf ihr einen wütenden Blick zu; er war offenbar gar nicht erfreut über die Wendung, die das Gespräch genommen hatte, doch das war nichts gegen das, was ihre Worte in mir auslösten.
„Verdammt, Alice, hör auf mit dem Gefasel! Ich weiß um die Unzuverlässigkeit deiner Visionen. Aro muss sich nur mal kurz entscheiden, Carlisle zu besuchen, und alles, was du vorhergesagt hast, steht Kopf. Und was den Rest angeht: Ich dachte, ich hätte mich dir gegenüber klar genug ausgedrückt. Isabella Swan wird niemals eine von uns sein! Abgesehen davon, dass selbst Edward von dieser Lösung des Problems alles andere als begeistert ist.“ Er nickte.
„In diesem Punkt hat Rosalie allerdings Recht. Ich werde ihr nicht ihre Menschlichkeit nehmen.“ Edward klang mehr als entschlossen und ich lächelte zufrieden, bevor ich weitersprach.
„Genau und deshalb werdet ihr euch auch in Zukunft von ihr fernhalten. Dann tut ihr nämlich niemand etwas zu Leide und das liegt doch in eurer Absicht, oder nicht, Edward?“
„Nein Rosalie, da hast du etwas falsch verstanden. Alice wird sich von ihr fernhalten, zumindest noch, aber ich, ich nicht, das kann ich nicht. Du weißt, was ich ihr gegenüber empfinde und das werde ich auch nicht mehr leugnen. Ich bin bereit, das Risiko einzugehen, solange sie nicht durch mich in Gefahr gerät.“ Es war wirklich unglaublich, wie blind ihn das machte, das er ‚Liebe‘ nannte.
„Tja, das ist ja schön, dass du das Risiko eingehen willst und dabei nicht an den Rest dieser Familie denkst. Alice mag ja auf deiner Seite sein, das heißt aber noch lange nicht, dass du das Recht hast, uns alles kaputt zu machen, was wir uns so mühsam aufgebaut haben.“
„Rose“, schaltete Alice sich ein. „Das genügt langsam. Du hast nämlich kein Recht darauf, dich hier so aufzuspielen.“
„Nicht?“ Jetzt war ich wirklich sauer, das hatte sie nun davon. Warum musste sie sich auch immer in alles einmischen? Genügte es nicht, dass ich mich wegen dieser Sache mit Edward anlegte? Musste sie auch noch auf seiner Seite sein?
Ich stand immer noch neben dem Flügel, Alice links von mir und Edward fing wieder an zu spielen, als ob ihn das alles überhaupt nichts anginge. Er trieb mich echt in den Wahnsinn; wenn das so weiterging, würde ich noch ernsthaft ausrasten.
Die Minuten vergingen, doch niemand von uns verspürte das Bedürfnis, irgendetwas an der Situation zu ändern, bis Edward plötzlich aufstand und Anstalten machte, sich zu entfernen.
„Was soll das denn jetzt?“, rief ich. „Du willst doch nicht etwa schon wieder zu ihr? Du kannst dieser Diskussion nicht ewig aus dem Weg gehen; wir müssen uns endlich entscheiden!“ Langsam drehte er sich noch mal zu mir um und seine Worte sorgten dafür, dass sich auch noch der letzte Rest von Ruhe in mir in Nichts auflöste.
„Ich habe mich bereits entschieden, Rosalie.“ Und mit diesen Worten war er schon zur Tür hinaus; ich hörte noch, wie seine Schritte sich immer weiter vom Haus in Richtung Wald entfernten.
„Nein“, schrie ich erbost. „Das kann er nicht machen!“ Wütend ließ ich meine Hand auf den Flügel neben mir niedersausen. Es knackte grässlich, als das Holz nachgab und das Instrument mitten durchbrach. Sämtliche Anwesenden drehten sich abrupt zu mir um; Alice sah mich höchst erschrocken an.
„Aber, Rose…“, stammelte sie entsetzt und starrte auf den Trümmerhaufen, der einmal Edwards liebstes Stück gewesen war.
„Tja“, meinte ich nur mit einem abfälligen Blick auf das, was ich angerichtet hatte. „Muss Edward in Zukunft eben auf einem Haufen Sperrholz spielen.“ Dann drehte ich mich hoch erhobenen Hauptes von ihr weg und rauschte aus dem Haus. Von dort aus sprang ich über den Fluss und lief in den Wald, wo ich ja hoffentlich meine Ruhe haben würde.
Wenige Meilen später verrauchte mein Zorn langsam und ich begann, meine Umwelt wieder wahrzunehmen. Es nieselte und dichter Nebel sorgte dafür, dass ein Mensch die Hand nicht mehr vor den Augen gesehen hätte. Das Wetter passte nicht nur zu Forks, es symbolisierte auch perfekt meine Stimmung. Etwas ruhiger geworden lief ich weiter; ich überlegte, ob ich eine kurze Jagd einschieben sollte, doch eigentlich war mir in diesem Moment so gar nicht danach. Der Regen wurde langsam stärker und drang durch meine Klamotten, die weder Wetter- noch Waldfest waren. Mein elegantes, weißes Kleid mit den violetten Akzenten und die dazu passende Schuhe mit Korkabsätzen eigneten sich nicht im Geringsten für die Nässe und den unebenen Waldboden. In der Schule hatte ich notgedrungen, um den Schein zu wahren, einen Mantel angehabt, den ich aber zu Hause sofort wieder losgeworden war, so dass ich bereits völlig durchweicht war.
Plötzlich hörte ich ein leises Rascheln; es klang fast wie Schritte. Ich blieb stehen und lauschte. Ja, ich hatte Recht, jemand folgte mir. Vorsichtig zog ich mich ein wenig hinter ein paar Büsche zurück und wartete. Ein paar Sekunden vergingen, bis ich meinen Verfolger erkannte, denn es war niemand Geringeres als mein Emmett, der da angelaufen kam und leise nach mir rief.
„Rose? Ich weiß, dass du hier bist. Ich habe dich doch gehört!“ Ich grinste still in mich hinein, als ich so leise wie ich konnte einen Bogen um ihn machte, mich dann von hinten an ihn heranschlich und meine Arme um seinen Hals legte.
„Du hattest mich gerufen?“ Lächelnd drehte er sich zu mir um und zog mich an seine breite Brust.
„Da bist du ja, meine Süße. Ich hatte dich schon vermisst. Noch sauer?“ Anstatt einer Antwort drückte ich mich einfach enger an ihn und begann, ihn zu küssen, was er gewohnt leidenschaftlich erwiderte. Ach, wie ich ihn liebte…
Der Regen prasselte auf das Blätterdach, das uns umgab, und lief in Strömen über unsere ineinander verschlungenen Körper, als Emmett mir das nasse Haar aus dem Gesicht strich und geschickt den Gürtel meines Kleides löste…
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
17. Schlechtes Gewissen?
Wehmütig betrachtete ich den Sonnenaufgang. Nach der gestrigen Auseinandersetzung mit Edward war ich nicht gerade wild darauf, wieder nach Hause zu gehen. Ich lag auf dem Waldboden in Emmetts Armen; er begnügte sich momentan damit, zärtlich mit meinen Haaren zu spielen und mir liebevoll über die noch nasse Haut zu streichen. Für einen kurzen Moment brach die Sonne hinter den Wolken hervor und ein paar rötliche Strahlen, die sich durch den Baldachin aus Blättern über uns verirrt hatten, trafen auf unsere Körper und ließen sie in allen Regenbogenfarben funkeln. Ein Effekt, der durch die Wassertropfen auf unserer Haut sogar noch verstärkt wurde.
Leider mussten wir uns dann aber doch voneinander lösen. So sehr es auch nervte, wir mussten uns trotz allem in die Schule begeben. Also standen wir auf, suchten das zusammen, was von unserer Kleidung übriggeblieben war, und liefen nach Hause.
Im Wohnzimmer blieb mein Blick kurz an den Trümmern hängen, die ich gestern dort hinterlassen hatte. Unter anderen Umständen hätte sich Esme um die Entsorgung gekümmert, doch anscheinend fand sie, dass wir diese Sache unter uns ausmachen sollten.
Ich machte mich also für die Schule fertig, doch als ich, wieder unten, aus dem Haus rauschen wollte, wäre ich beinahe mit Edward zusammengestoßen, der neben den Überresten seines Klaviers stand. Er machte einen ziemlich frustrierten Eindruck, wie er so auf die Trümmer niederblickte, ein einzelnes Stück Holz in der Hand. Ich wollte schon an ihm vorbeigehen, doch seine Hand schnellte vor und packte mich am Unterarm. Als ich zu ihm aufsah, blickte ich in vor Wut lodernde Augen; seine Lippen waren zu einem Strich zusammengepresst.
„Rosalie.“ Er sagte nur meinen Namen und doch lief es mir dabei kalt den Rücken herunter. Er klang, als müsse er sich wirklich anstrengen, um nicht die Beherrschung zu verlieren.
„Ja?“, sagte ich nur und versuchte dabei, meine Stimme so unbeeindruckt klingen zu lassen, wie nur möglich.
„Was hast du dir dabei gedacht?“
„Nichts“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Schließlich war das wirklich nicht meine Absicht gewesen, auch wenn mir der dramatische Effekt gefiel, den meine vorschnelle Handlung ohne Zweifel gehabt hatte. Er sah mich daraufhin nur höchst ungläubig an.
„Wenn das alles war, dürfte ich dann bitte vorbei? Ich muss zur Schule“, sagte ich schnippisch, doch er machte keine Anstalten, mich loszulassen.
„Verdammt, Edward, nimm deine Finger von mir und lass mich gehen; ich muss jetzt wirklich los. Und nebenbei bemerkt: Du auch. Ich gehe doch sicherlich recht in der Annahme, dass deine Liebste bereits auf dich wartet? Richte ihr bitte einen schönen Gruß von mir aus und sag ihr, dass ich das die längste Zeit mitangesehen habe. Früher oder später wird sie sterben – ich würde ja für früher plädieren – und wenn ich selbst nachhelfen muss!“
Ich war nicht Alice, deshalb sah ich es nicht kommen, dennoch wusste ich noch im selben Moment, in dem ich die Worte aussprach, dass ich zu weit gegangen war. Edwards Augen verdunkelten sich vor Zorn. Seine Hand löste sich von meinem Arm und im nächsten Augenblick wurde ich von ihrer ungeheuren Wucht, die sie freisetzte, als sie mich im Gesicht traf, nach hinten geschleudert. Der Schlag katapultierte mich gegen das Treppengeländer und es krachte ohrenbetäubend, als es bei dem starken Aufprall zusammenbrach. Esme würde heute wohl doch etwas zum Restaurieren haben.
Ich brauchte ungefähr eine knappe Sekunde, um zu verarbeiten, was gerade geschehen war. Mit so einer heftigen Reaktion von Edwards Seite hätte ich nie gerechnet. Nun gut, eigentlich war sie nur natürlich gewesen, schließlich hatte ich gerade angedeutet, seine kleine menschliche Spielgefährtin, die er auf absurde Weise liebte, umzubringen. Aber diese Art von körperlicher Gewalt war so untypisch für Edward. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass er es fertigbrächte, seiner Schwester solch eine Ohrfeige zu verpassen.
In einer einzigen fließenden Bewegung stand ich auf, klopfte mir den Staub von meiner Kleidung, richtete meine Haare und verschwand aus dem demolierten Wohnzimmer, ohne Edward auch nur noch eines Blickes zu würdigen. Hinter mir fiel die Haustür mit einem dumpfen Knall ins Schloss.
Immer noch schäumend vor Wut lief ich in die Garage und klemmte mich hinter das Steuer meines Wagens. Ich ging ja stark davon aus, dass Edward heute wieder nicht mit uns fahren würde, und ausnahmsweise war ich sogar froh darüber.
Ich fuhr schon mal nach draußen und wartete dort mit laufendem Motor auf meine Geschwister. Ungeduldig trommelte ich mit den Fingern aufs Lenkrad; wir mussten uns jetzt wirklich sputen, wenn wir zur gewohnten Zeit in der Schule sein wollten.
Zum Glück aller kamen die anderen nur eine halbe Minute später zusammen aus dem Haus und setzten sich zu mir. Kaum hatte Emmett, der als letzter eingestiegen war, die Wagentür hinter sich geschlossen, gab ich auch schon Gas. Ich fuhr wie eine Wahnsinnige, noch schneller als sonst und absolut rücksichtslos.
„Rose?“, fragte Emmett etwas perplex. „Ist alles in Ordnung mit dir?“
„Nein!“, fauchte ich ihn an. „Nichts ist in Ordnung und da ich davon ausgehe, dass du weder blind noch taub bis, solltest du das eigentlich bemerkt haben.“ Oh ja, ich war sauer und hätte jetzt doch einiges dafür gegeben, dass Edward in meine Reichweite kam. Dann hätte ich nämlich dafür gesorgt, dass sein Zustand dem seines Flügels gleichkam.
„Komm schon, Rose, krieg dich wieder ein“, schaltete sich jetzt Alice ein und wie auf Kommando erfasste mich eine seichte Welle, deren beruhigende Wirkung sofort einsetzte.
„Jazz, lass das“, beschwerte ich mich. „Ich will mich jetzt nicht beruhigen.“ Doch mein Bruder ignorierte diese Forderung einfach. Er lächelte mir nur verschmitzt vom Rücksitz aus zu und ich spürte, wie sich das wohlige Gefühl in meinem Innern noch verstärkte. So sehr ich mich auch dagegen wehrte, es hatte keinen Zweck mehr, sich aufzuregen. Ich resignierte also und gab einen gespielt theatralischen Seufzer von mir.
„Na also, geht doch. Danke, Schatz.“ Alice grinste zufrieden, beugte sich zu Jasper hinüber und gab ihm einen kleinen, liebevollen Kuss, den er zärtlich erwiderte.
Der Schultag verging, ohne dass etwas Besonderes passierte. Wir verhielten uns wie sonst auch, während Edward mit seinem Mädchen rumturtelte. Ihre Gespräche wurden momentan von einer einzigen Fragerei, die von meinem Bruder ausging, beherrscht. Wäre ich an Isabellas Stelle, würde ich mich von seinen dämlichen Fragen höchst genervt fühlen. Aber Isabella war nicht wie ich und so antwortete sie ihm brav, ohne auch nur einen Anflug von Desinteresse zu zeigen. Er wollte einfach alles von ihr wissen; ihn interessierte jedes noch so kleine Detail ihres unbedeutenden Lebens. Es wunderte mich fast, dass er sie nicht nach ihrer bevorzugten Unterwäsche fragte, aber wahrscheinlich kannte er die schon, schließlich verbrachte er die Nächte bei ihr im Schlafzimmer, auch wenn sie nichts davon wusste. Dafür wollte er wissen, was ihr Lieblingsedelstein war. Meiner war der Smaragd; ich fand das Grün reizvoll in Verbindung mit dem Gold meiner Haare und Augen. In meinen Menschenjahren waren mir immer Saphire am liebsten gewesen, aber wie so vieles hatte sich auch das nach meiner Verwandlung geändert. Isabella teilte diese Vorliebe natürlich nicht mit mir.
„Topas“, antwortete sie Edward auf seine Frage und als er eine Erklärung verlangte, sagte sie: „Es ist deine heutige Augenfarbe. Wenn du mich in zwei Wochen noch mal fragst, mag ich wahrscheinlich den Onyx am liebsten.“ Ich verdrehte nur die Augen über diese dämliche Begründung.
Wieder zu Hause machte ich mich daran, die Trümmer von Edwards Klavier zu beseitigen. Retten konnte man daran nichts mehr. Es war definitiv reif für den Sperrmüll; ich hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Ich tat das keinesfalls Edward zuliebe, sondern eher wegen meines schlechten Gewissens Esme gegenüber, die sich schon pflichtbewusst um das Treppengeländer gekümmert hatte. Ich liebte sie, als wäre sie wirklich meine Mutter, obwohl sie auf keine Weise viel älter war als ich. Daher schämte ich mich etwas, ihr Mühe bereitet zu haben, auch wenn ich wusste, dass sie es gern getan hatte.
Dann fuhr ich mit Emmett zusammen los, um Edward den zerstörten Flügel zu ersetzen. Ich wusste nicht genau, warum ich das tat, aber Edwards Ausraster am Morgen hatte mir gewissermaßen die Augen geöffnet. Mit Streit ließen sich unsere Probleme nicht lösen; ich würde wohl oder übel meinem Bruder fürs Erste das Feld überlassen müssen, wenn ich nicht wollte, dass unser Konflikt erneut eskalierte, denn das könnte beim nächsten Mal möglicherweise schwerwiegendere Folgen haben als kaputtes Mobiliar. Außerdem hatte ich schon den ganzen Tag dieses seltsame Gefühl in der Magengrube verspürt; ich hatte irgendwie den Drang, etwas wieder gut machen zu müssen.
In einem Antiquitätenladen in Seattle fanden wir dann auch genau das, was ich wollte; dieser Konzertflügel war geradezu wundervoll und bestand auch meine äußerst genaue Prüfung, an der alle anderen Exemplare, die wir uns angesehen hatten, gescheitert waren. Eigentlich stand er nicht zum Verkauf; er war ein antikes Erbstück, auf das der junge Besitzer des Geschäfts sehr viel Wert legte und das nur als Blickfang dienen sollte, doch nach einigen Verhandlungen ließ er sich doch auf unser Angebot ein, was wohl vor allem daran lag, dass er unübersehbar sehr von mir eingenommen war, obwohl auch Emmetts Anwesenheit ihn sichtlich einschüchterte.
Für einen Preisaufschlag lieh uns der Verkäufer sogar noch seinen Lieferwagen, so dass wir das gute Stück gleich mit nach Hause nehmen konnten. Nur der Transport zum Wagen gestaltete sich etwas schwierig, schließlich konnte Emmett den Flügel nicht in aller Öffentlichkeit mit einer Hand hochheben, das wäre etwas auffällig gewesen.
Einige Zeit später kam ich wieder zu Hause an. Emmett brauchte etwas länger, da er mit dem Lieferwagen nicht so schnell vorankam, wie ich mit meinem getunten BMW. Im Haus war es ziemlich still, anscheinend waren nur Esme und Carlisle anwesend, zumindest waren ihre leisen Stimmen das einzige Geräusch, das ich wahrnahm. Ich setzte mich aufs Sofa und wartete darauf, dass auch Emmett heimkam.
Als ich das ersehnte Gebrumm des Lieferwagens hörte, trat ich ans Fenster und sah zu, wie er den Wagen vor dem Haus parkte, heraussprang und den Flügel mit ausgesprochener Leichtigkeit auslud. Mit wenigen großen Schritten überquerte er den Rasen, betrat die Veranda und meisterte selbst die Hürde der Haustür mit Bravour. Mitsamt der Last des geradezu monströsen Flügels ging er ein paar Schritte auf mich zu und blieb dann grinsend mitten im Wohnzimmer stehen.
„Entschuldigen Sie die späte Störung, Miss, aber ich habe eine Lieferung für eine gewisse Rosalie Hale, bin ich hier richtig?“
„Aber sicher, stellen Sie das Stück einfach da vorn hin.“ Beiläufig wies ich mit einer Hand nach links zu dem flachen Podest, das meinen gestrigen Wutausbruch glücklicherweise mehr oder weniger unbeschadet überstanden hatte. Als er sich nach der dortigen Platzierung des Instruments wieder zu mir umdrehte, lächelte ich ihn entschuldigend an.
„Leider habe ich hier unten kein Kleingeld, um Sie für ihre Dienste angemessen zu entlohnen. Wenn sie bitte mit heraufkämen?“ Emmetts Mundwinkel verzogen sich zu einem überaus dreckigen Grinsen, bevor er „Aber gerne doch“, antwortete, mich in Sekundenschnelle auf unser Zimmer zog und dort geschickt den Reißverschluss meines weinroten Wickelkleides öffnete.
„Bei Ihnen würde ich gerne immer Möbelpacker sein“, murmelte er, als er ausnahmsweise vorsichtig die Träger von meinen Schultern streifte und das Kleid langsam zu Boden gleiten ließ…
Zuletzt von Rose_fan 4 ever am Di 20 Dez 2011, 18:56 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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18. Kollateralschaden
Als ich am Morgen nach unten ging, war Edward augenscheinlich noch immer bei seinem Mädchen. Ich merkte, dass mich das gar nicht mehr weiter aufregte; ich schien mich langsam einigermaßen damit abgefunden zu haben, dass er die Nächte nicht mehr hier verbrachte. Da ich ihn so nicht zu sehen bekam, bevor wir zur Schule fuhren, entschied ich mich dazu, ihm einen Zettel zu hinterlassen, den ich auf den neuen Flügel legte.
Edward,
es tut mir Leid. Nimm den Flügel als Entschuldigung; es lag nicht in meiner Absicht, dein Eigentum zu zerstören.
Nach wie vor bin ich jedoch der Meinung, dass ich Recht habe. Du machst einen unglaublichen Fehler und ich kann nicht zulassen, dass dein unverantwortliches Verhalten die ganze Familie gefährdet. Bring die Sache wieder in Ordnung, damit ich es nicht tun muss.
Rose
Er kannte zwar meine Meinung, trotzdem hoffte ich, dass diese paar Zeilen ihm die Situation noch einmal genau vor Augen führen würden. Was ich mit ‚die Sache in Ordnung bringen‘ meinte, verstand sich von selbst. Und selbst wenn er es nicht tat, so ging die größte Gefahr nach wie vor von ihm selbst aus, so dass ihm eigentlich gar keine andere Wahl blieb. Meine Worte gestern waren durchaus ernst gemeint gewesen: Früher oder später würde er sie umbringen. Oder ich würde es tun. Schade nur, dass ich jetzt wieder als die boshafte blonde Schwester dastand, die alles tat, um das Glück ihres Bruders zu zerstören, denn meine eigentlich ehrlichen Absichten, die dahinter steckten, sah ja anscheinend niemand. Nun ja, ich wusste zumindest, was ich wollte, und das war nach wie vor die Hauptsache, schließlich hatte ich so gut wie nichts zu verlieren.
Mittags in der Cafeteria bekam ich auch gleich die Bestätigung, dass mein Plan höchstwahrscheinlich aufgehen würde. Heute war Freitag, morgen würden sich mein Bruder und Isabella zum ersten Mal richtig treffen. Ein Treffen, bei dem sich der Vampir allein in der Nähe des Mädchens aufhielt, also höchst riskant. Morgen würde mein Bruder der Sache endlich ein Ende setzen. Ob absichtlich oder nicht: Er würde es tun.
Im Augenblick saßen die Turteltäubchen wieder an ihrem separaten Tisch und unterhielten sich angeregt. Zuerst achtete ich nicht weiter auf die Beiden. Was interessierten mich schon Isabellas frühere Erfahrungen mit dem männlichen Geschlecht?! Doch dann wendeten sie sich interessanteren Dingen zu, was mich aufmerken ließ.
„Alice und ich verschwinden nach dem Essen.“, erklärte mein Bruder und im Gegensatz zu Isabella wusste ich genau wohin, nur würde er Isabella die ganze Wahrheit sagen? Auf die Antwort musste ich noch etwas warten, da sie zuerst mit ihm darüber diskutierte, wie sie nach Hause kommen würde und ob er dazu in der Lage war, ihre Autoschlüssel zu finden.
„Und wo wollt ihr hin?“, fragte sie dann doch beiläufig, als ginge sie das Ganze eigentlich gar nichts weiter an.
„Jagen“, antwortete er ihr. Seine Miene verzog sich und ließ ihn grimmig wirken. Aha, er sagte es ihr also. Doch was quälte ihn daran so? Schließlich waren seine Worte nichts als die reine Wahrheit.
„Wenn ich morgen mit dir allein bin, will ich vorher jede denkbare Vorsorge treffen“, fuhr er fort. Es entstand eine kleine Pause, dann fuhr er fort:
„Du kannst immer noch absagen, Bella.“ Sein Tonfall war jetzt fast flehend.
>>Wie erbärmlich<<, dachte ich. Fehlte echt nur noch, dass er auf den Knien vor ihr herumrutschte. Wenn er doch nicht mit ihr ausgehen wollte, ja, wenn er gar Angst davor hatte, warum lud er sie dann ein? Für mich war seine Art des Handelns in diesem Moment mehr als nur rätselhaft.
Isabella tat ihm dann auch natürlich nicht den Gefallen abzusagen.
„Nein“, flüsterte sie mit niedergeschlagenen Augen, bevor sie mit einem kraftlosen „Kann ich nicht“ wieder aufsah.
„Vielleicht hast du Recht“, murmelte Edward darauf trübsinnig, worauf das Mädchen das Thema wechselte und es weitgehend uninteressant wurde. Mein Blick schweifte durch den Raum und traf dann auf Emmett, der mir grinsend zuzwinkerte.
„Das wird schon morgen, mach dir keine Sorgen“, sagte er leise und drückte leicht meine Hand. „Sie wird es überleben.“ Oh, da hatte er aber etwas sehr Grundlegendes missverstanden. Ich wollte doch, dass sie starb, damit der Spuk ein Ende hatte. Allerdings hatte er auch auf eine gewisse Weise Recht, die mir missfiel. Was passierte, wenn Edward das Mädchen morgen entgegen meiner Erwartungen doch nicht umbrächte?
„Warum fährst du mit Alice?“, fragte Isabella und lenkte damit meine Aufmerksamkeit wieder auf ihr Gespräch mit Edward. Ich seufzte leise; auf die Antwort war ich ja mal gespannt…
„Alice ist am … verständnisvollsten“, meinte Edward die Stirn runzelnd. So konnte man das auch ausdrücken; wie diplomatisch er sich mal wieder ausdrückte... Verständnisvoll war meine Schwester allemal, obwohl ich bezweifelte, dass das der einzige Grund dafür war, dass er heute mit ihr loszog. Immerhin war sie seine Lieblingsschwester, wer sollte ihn also sonst begleiten?
„Und die anderen?“, wollte Isabella zaghaft wissen. Edwards Augenbrauen zogen sich für einen Moment zusammen.
„Die sind vor allem skeptisch.“ Aus den Augenwinkeln konnte ich beobachten, wie das Mädchen verstohlen einen Blick über seine Schulter zu uns warf.
„Sie mögen mich nicht“, vermutete sie, was mich zu einem kaum merklichen Augenrollen veranlasste. Was für eine Untertreibung… Doch zu meiner Überraschung widersprach Edward ihr auch noch.
„Das ist es nicht“, meinte er. „Sie begreifen nicht, dass ich dich nicht in Ruhe lassen kann.“ Oh, da begriff ich noch ganz andere Dinge nicht. Warum er sie jetzt doch anlog, zum Beispiel. Ich zumindest mochte sie nicht und meiner Meinung nach hinderte ihn nichts daran, ihr das auch zu sagen.
„Da geht’s ihnen wie mir“, murmelte Isabella und verzog das Gesicht, aber mein Bruder schüttelte langsam den Kopf und verdrehte die Augen zur Decke, bevor er ihr dann wieder fest in die ihren sah.
„Ich hab’s dir doch gesagt – du kannst dich offensichtlich selber überhaupt nicht richtig einschätzen. Du bist anders als alle Menschen, die ich je kennengelernt habe. Du faszinierst mich.“ Was sollte das denn wieder heißen? Mädchen wie sie gab es doch zu Tausenden auf dieser Welt. Für mich war sie also völlig gewöhnlich und an Emmetts leicht irritiertem Blick merkte ich, dass er das wohl genauso sah.
„Dank meiner speziellen Talente“, fuhr Edward lächelnd fort und tippte sich unauffällig an die Stirn, „habe ich ein überdurchschnittliches Verständnis der menschlichen Natur. Menschen sind leicht zu durchschauen. Du dagegen … du tust nie, was ich von dir erwarte. Du überraschst mich immer aufs Neue.“ Isabella wirkte verlegen und auf eine gewisse Weise unbefriedigt, als sie jetzt wegschaute und ihren Blick wieder zu uns wandern ließ. Kein Wunder! Was er gesagt hatte, hatte geklungen, als sei sie irgendein wissenschaftliches Experiment und nicht sein kleiner Liebling. Ich kicherte leise. Arme, naive Kleine. Aber das hatte sie nun davon, wenn sie sich mit Edward abgab; von ihm war kaum jemals etwas anderes zu erwarten.
„So weit ist es einfach zu erklären“, argumentierte er weiter. „Aber da ist mehr … und das ist nicht so einfach in Worte zu fassen – “
Isabella sah ihn nicht an, während er sprach; ihr Blick war schon wieder zu uns herüber geschweift. Langsam – zumindest für meine Verhältnisse – drehte ich mich zu ihr um und schaute sie an. Mein Blick bohrte sich tief in ihre weit aufgerissenen, schokoladenbraunen Augen. Das Mädchen starrte verschreckt zurück. Sie hätte sich abwenden können, doch sie war gelähmt, wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange. Offensichtlich hatte sie Angst; ich wusste, was sie in meinen schon wieder tiefschwarzen Augen sah, denn ich konnte mein Spiegelbild in den ihren ausmachen. Aus meinen kalten Augen leuchtete der pure Hass und die Drohung, die sie versprachen, war unverkennbar.
>>Lass die Finger von meinem Bruder, sonst wirst du nicht besonders alt werden<<, sagte mein Blick. Ich hätte sie wahrscheinlich noch länger so weiter taxiert, aber Edward brach mitten im Satz plötzlich ab. Ich hörte, wie er ein leises, wütendes Fauchen von sich gab; die Warnung war unmissverständlich und er meinte es offensichtlich ernst. Ich seufzte leise, dann drehte ich mich resigniert weg. Naja, zumindest wusste sie jetzt, was ich wirklich von ihr hielt.
>>Schon gut, war ja nur ein Versuch. Ich weiß, dass du sie noch selbst umbringen wirst, keine Sorge. Vollidiot…<< Emmett legte mir beruhigend einen Arm um die Schulter, während Alice mir über den Tisch hinweg vorwurfsvolle Blicke zuwarf. Einzig Jasper schien der Sache kaum Beachtung zu schenken; er war völlig ausgelastet damit, nicht die kleine Rothaarige anzufallen, die zwar zwei Tische weiter saß, jedoch immer wieder zu ihm hinüberschielte und dabei aufreizend mit ihren Haaren spielte. An ihrer Stelle würde ich das lassen; die Bewegung trieb ihren Geruch herüber und als Jasper sie jetzt ansah, breitete sich zu allem Überfluss auch noch eine zarte, appetitliche Röte auf ihrem Gesicht aus. Alice legte ihm leicht eine Hand auf den Arm und sah ihn fest an. Ihr Blick nahm seinen gefangen und lenkte ihn von seiner kleinen Zwischenmahlzeit am. Puh, gerade noch mal gutgegangen…
„Es tut mir leid“, versuchte währenddessen Edward Bella mein Verhalten zu erklären. „Sie ist nur besorgt.“ Phh… Nur besorgt? Das konnte unmöglich sein Ernst sein.
„Verstehst du…“, sprach er weiter, „es ist nicht nur für mich gefährlich, wenn die Sache mit uns, nachdem wir so viel Zeit in der Öffentlichkeit miteinander verbracht haben…“ Er stockte und blickte nach unten.
„Wenn was?“
„Wenn die Sache ein schlechtes Ende nimmt“, beendete er seinen Satz, dann ließ er sein Gesicht in seine Hände sinken, eine Geste, die seine Verzweiflung demonstrierte. Ja, er war verzweifelt. Er litt, das war offensichtlich, doch aus den falschen Gründen. Edward liebte dieses Mädchen oder zumindest hielt er das, was er für sie empfand, für Liebe, und er war bereit, vieles für sie aufs Spiel zu setzen, viele Kleinigkeiten, die nicht von großer Bedeutung waren, bis auf eine: Seine Familie. Er setzte für dieses Mädchen unser aller Leben aufs Spiel. Er machte sich Sorgen um sie, während mich die Sorge um meine Familie beinahe zum zweiten Mal umbrachte.
„Und du musst jetzt gleich gehen?“, unterbrach Isabella die Stille.
„Ja.“ Er hob den Kopf; seine Miene war ernst, doch dann lächelte er plötzlich. „Es ist wahrscheinlich das Beste. Wir haben immer noch fünfzehn Minuten dieses entsetzlichen Films in Bio vor uns – ich glaub nicht, dass ich das noch länger aushalten würde.“ Was meinte er nur damit? Welcher Film war bitte so schrecklich, dass Edward ihn nicht aushielt? Das war doch absurd, das konnte er nicht ernst meinen…
Inzwischen war Alice aufgestanden und zu den Beiden hinübergegangen; das Mädchen hatte das augenscheinlich nicht bemerkt, denn sie schreckte hoch, als meine Schwester plötzlich hinter ihr stand.
„Alice“, begrüßte er sie, ohne den Blick von Isabella abzuwenden.
„Edward“, antwortete sie. Was hätte ich nur darum gegeben, zu wissen, was jetzt in ihrem Kopf vorging.
„Alice, Bella – Bella, Alice“, stellte er die beiden einander vor. Ein ironisches Lächeln hatte sich auf sein Gesicht gestohlen, als er dabei lässig mit der Hand wedelte.
„Hallo, Bella.“ Alice‘ Miene war nach wie vor unergründlich, doch sie schenkte dem Mädchen ein durchaus freundliches Lächeln. „Endlich lernen wir uns kennen.“ Edward warf ihr einen finsteren Blick zu, was mich zu einem erneuten Augenrollen veranlasste. Man konnte es ihm echt nicht rechtmachen. Umbringen durfte man sein kleines Maskottchen nicht, ohne sich Ärger mit ihm einzufangen, und war man dann nett zu ihr, dann war ihm das auch wieder nicht Recht. Was auch immer Alice verbrochen hatte: Sie konnte nichts für ihre Visionen. Für das, was sie sah, konnte er sie nicht verantwortlich machen, das lag allein in seiner Hand.
„Hi Alice“, murmelte Isabella schüchtern.
„Bist du soweit?“, fragte Alice ihn. Sie stellte die Frage nur dem Mädchen zu Liebe laut.
„Gleich“, meinte er distanziert. „Wir treffen uns am Auto.“ Ohne ein weiteres Wort drehte sich meine Schwester um und ging davon.
„Soll ich dir viel Spaß wünschen oder trifft es das nicht?“, fragte Isabella, wieder an Edward gewandt.
„Doch, doch – viel Spaß kann nicht schaden“, meinte er und grinste. Wenn sie wüsste, wie viel Spaß das tatsächlich machen konnte, würde sie es wahrscheinlich mit der Angst zu tun kriegen.
„Viel Spaß dann.“
„Ich versuch’s.“ Er grinste immer noch. „Und du gib bitte darauf Acht, dass dir nichts zustößt, ja?“
„In Forks – was für eine Herausforderung“, seufzte sie.
„Für dich ist es eine Herausforderung.“ Als er das sagte, verhärtete sich sein Kiefer sichtbar. Oh oh, er traute mir immer noch nicht. Was dachte er denn? Dass ich das Haus des Chiefs stürmen und sie niedermetzeln würde? Die Idee war verlockend, aber nein, ich würde erst einmal den morgigen Tag abwarten, bevor ich mein erst heute Morgen gegebenes Versprechen brach.
„Versprich es mir“, beharrte Edward, als sie nicht reagierte.
„Ich verspreche, darauf Acht zu geben, dass mir nichts zustößt. Ich hab allerdings vor, heute Abend Wäsche zu waschen – dazu muss ich mich wohl oder übel in Gefahr begeben.“ Ich lächelte. Es tat irgendwie gut, zu wissen, dass dieses Mädchen bei aller Anbetung, die sie für meinen Bruder übrig hatte, ihn trotzdem nicht immer so ganz ernst nahm. Schade nur, dass sie nicht mehr lange leben würde.
„Fall nicht in die Maschine“, spottete er nun seinerseits.
„Ich tu mein Bestes.“ Dann stand er auf; sie erhob sich ebenfalls.
„Bis morgen“, seufzte sie.
„Es kommt dir vor wie eine lange Zeit, oder?“, fragte er grüblerisch. Sie nickte bedrückt, was mich verständnislos den Kopf schütteln ließ. Sie hielten es nicht einen Nachmittag ohne einander aus. Wie schmalzig.
„Bis morgen – ich werde da sein“, versprach Edward ihr und lächelte sie schief an. Er streckte seine Hand über den Tisch hinweg aus und strich ihr zart über den Wangenknochen, bevor er sich umdrehte und zur Tür hinausging. Isabella schaute ihm nach, bis er weg war, dann machte auch sie sich auf den Weg zum Unterricht.
Ein letztes Mal, sinnierte ich. Die letzte Biologiestunde ihres Lebens, denn morgen um diese Zeit war sie wahrscheinlich schon tot. Und falls der unwahrscheinliche Fall eintrat, dass sie ihr Treffen mit Edward überlebte, dann würde mir mit Sicherheit etwas Neues einfallen, um für ihr vorzeitiges Ableben zu sorgen. So oder so: Montag befand sie sich im Jenseits, war nichts weiter als Kollateralschaden, und nichts und niemand konnte daran noch etwas ändern.
Zuletzt von Rose_fan 4 ever am Mi 21 Dez 2011, 22:39 bearbeitet; insgesamt 3-mal bearbeitet (Grund : s.o.)
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
19. Gefährdete Zukunft
Edward kam an diesem Samstagmorgen früher von seinen nächtlichen Stalkeraktivitäten zurück, als das sonst der Fall war. Er lief mir zwar nicht über den Weg, da ich mit Emmett oben war und daher nur hörte, wie er ins Haus kam und kurz drauf an unserer Zimmertür vorbeiging. Später jedoch, als ich mich nach unten begab, um mich ein wenig an den Flügel zu setzen, sah ich ihn bei einem Blick aus dem Fenster mit Alice vor dem Haus stehen.
„Hör auf, mich so besorgt anzusehen“, seufzte er. „Ich weiß, was du gesehen hast, aber ich versichere dir, das wird nicht eintreten. Weder das eine, noch das andere, so gern du letzteres auch sehen würdest.“ Sie antwortete nicht, sah ihn nur bedeutungsvoll an, was ihn zu einem weiteren Seufzer veranlasste und ihn aufsehen ließ. Sein Blick begegnete dem meinen, doch ich konnte keine Wut darin erkennen, lediglich Resignation. Dann wandte er sich ab und lief in den Wald. Alice blieb noch einen Moment stehen und sah ihm hinterher; erst als ich zu ihr trat, schreckte sie auf.
„Was sollte das? Was hast du gesehen?“, wollte ich wissen, doch sie schüttelte nur den Kopf.
„Alice“, drängte ich sie.
„Rose, ich weiß doch auch nicht, was passieren wird. Im Augenblick ist Edward fest entschlossen, sie nicht zu töten. Ja, er will sogar versuchen, ihr gar nicht erst zu nahe zu kommen, aber das kann sich jede Sekunde ändern.“ In Gedanken versunken standen wir so eine Weile nebeneinander, bis ich die Stille erneut durchbrach.
„Wo will er eigentlich mit ihr hin? Er hat seinen Volvo hier gelassen…“
„Zur Lichtung“, antwortete meine Schwester etwas abwesend. „Sie nehmen Bellas Transporter, damit ihr Vater nichts mitkriegt.“
„Zur Lichtung?“, hakte ich nach. Jetzt, endlich, sah sie wieder zu mir.
„Ja, zur Lichtung. Eine wunderschöne Lichtung im Norden, auf die er einmal beim Jagen gestoßen ist. Sein Lieblingsplatz. Bei Sonnenschein ist er oft dort“, meinte sie mit einem Blick zum noch bewölkten Himmel.
„Wie weit im Norden?“
„Weit genug.“
„Eine einsame Gegend…“, mutmaßte ich.
„Rose!“ Ihr Tonfall war jetzt schärfer als zuvor. „Er wird sie nicht umbringen!“
„Ach ja? Gerade warst du dir da noch nicht so sicher“, schnaubte ich.
„Rosalie…“
„Sag mir einfach, wenn sich was ändert“, meinte ich darauf nur noch und ging wieder hinein, um mein ursprüngliches Vorhaben in die Tat umzusetzen. Ich setzte mich also an den neuen Flügel und begann, eine leise Melodie zu spielen. Das Instrument war wahrlich eine gute Wahl gewesen; die Klangfarbe war schlichtweg atemberaubend.
Außer mir war es im Haus ziemlich still. Carlisle arbeitete auch an Samstagen, Esme wischte in den oberen Etagen Staub und Alice und Jasper befanden sich allem Anschein nach irgendwo draußen auf dem Gelände. Gerade als ich mich fragte, womit sich Emmett so lange und vor allem so lautlos beschäftigte, sah ich ihn die Treppe hinunterkommen.
„Na, was klimperst du am frühen Morgen so allein hier unten herum?“ Ich seufzte nur leise. Was sollte ich auch auf so eine Frage entgegnen? Innerhalb einer Zehntelsekunde stand er schon hinter mir; ich spürte seine starken Hände an meinem Nacken.
„Sprichst du nicht mehr mit mir? Wie habe ich das verdient? Ich habe mich meines Wissens weder an deinen Kleidern vergriffen, noch habe ich das Frühstück anbrennen lassen.“ Seine Worte lockten doch ein leichtes Grinsen aus mir hervor. Ja, gerade letzteres gestaltete sich auch eher schwierig. Ich konnte mich kaum entscheiden, welcher Gedanke mich mehr amüsierte: Emmett in einem meiner Kleider oder Emmett in der Küche, wo er verzweifelt feststellte, dass es dem Blut nicht bekam, wenn man es übermäßiger Hitze aussetzte. Er lächelte verschmitzt, als er merkte, wie mich seine Worte aufmunterten. Dann beugte er sich zu mir herunter und fing an, mich zärtlich zu küssen.
Für unsere Verhältnisse dauerte es nicht besonders lange, bis wir uns wieder voneinander lösten, denn groteskerweise zog sich Emmett irgendwann zurück. Seine Augen blitzten beim Anblick meiner leicht beleidigten Miene belustigt.
„Ich für meinen Teil wäre jetzt wirklich für ein saftiges Frühstück. Der Bäcker hat um diese Uhrzeit doch sicher schon geöffnet, meinst du nicht?“
„Sicher, auch wenn ich bezweifle, dass sie dort deinen Wünschen gerecht werden“, lachte ich und stand auf. „Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich aber gerne mit dir kommen.“ Emmett nickte und zog mich dann kurzer Hand in den Wald, wo wir unseren morgendlichen Durst stillten.
Unser kleiner Jagdausflug fiel länger aus, als von uns beabsichtigt gewesen war, was nicht zuletzt daran lag, dass wir uns nicht ausschließlich mit dem Aussaugen der Tiere als solchem beschäftigt hatten. Als wir wieder nach Hause kamen, war es demnach schon beinahe Mittag und die Sonne hatte mittlerweile über die Wolken gesiegt, so dass ein Mensch, der uns beim Lauf über die Wiese beobachtete, höchstens ein seltsames Funkeln wahrgenommen hätte.
Im Wohnzimmer erwartete uns eine recht seltsame Szenerie: Alice und Jasper standen in der Mitte des Raumes und lieferten sich ein hitziges Wortgefecht, während Esme krampfhaft versuchte, die Beiden zu beruhigen. Einigermaßen verblüfft wusste ich kaum, was ich sagen sollte, doch zu meiner und offensichtlich auch zu Esmes Erleichterung schaltete sich Emmett sofort ein.
„Hey, Leute, was wird das denn hier? Es ist Samstag, die Sonne scheint und ihr nutzt die Gelegenheit, um euch das erste Mal seit Vampirgedenken zu streiten?“ Bei seinen Worten verstummten die Beiden; Esme warf Emmett einen überaus dankbaren Blick zu.
„Was ist denn los?“, fragte ich interessiert. Emmett hatte schon Recht; Alice und Jasper stritten sich nicht, das passte einfach nicht ins Bild ihrer absolut perfekten Beziehung. Vor allem Jasper war schließlich im Normalfall die Ruhe selbst und Alice verlor auch nur in Ausnahmefällen die Beherrschung, wobei meist ich der Anlass war, niemals jedoch Jazz.
Esme gab einen leisen Seufzer von sich, bevor sie Anstalten machte, mir die Situation zu erklären:
„Alice hatte einige Visionen, die darauf schließen ließen, dass das Mädchen ihr Treffen mit Edward nicht überlebt.“ Ihre Stimme klang traurig, während sie sprach. „Sie war sich nicht sicher, aber – “
„ – Aber ich meinte, das wäre auch besser so und sie solle sich keine Sorgen machen, da wir nichts zu befürchten hätten“, beendete Jasper den Satz für sie. Er wandte sich an Alice: „Das war sehr unbedacht von mir; es tut mir Leid. Zumal du oft genug deutlich gemacht hast, wie sehr du Bella magst. Ich hätte das wirklich nicht sagen sollen.“
„Schon gut, Jazz. Ich weiß, dass es dir schwerfällt, das zu verstehen, aber du wirst schon sehen. Er wird diese Schwierigkeiten überwinden und dann werden Bella und ich Freundinnen werden, wie ich es schon gesehen habe.“ Jasper nickte, obwohl ihm anzusehen war, dass er ebenso wie ich nicht an ein solches Ende glaubte.
„Also, was hast du denn nun genau gesehen?“, hakte ich nach, um das Thema zu wechseln. Diese ‚Freundinnen-Sache‘ hatten wir wirklich schon oft genug durchgekaut. Heute Abend war vielleicht bereits alles vorbei, daher hielt ich es für wenig sinnvoll, uns jetzt schon wieder den Kopf darüber zu zerbrechen. Ich wollte jetzt lediglich wissen, wie weit Edward mit Isabella war.
„Die Entscheidung wird heute fallen, da bin ich mir zu hundert Prozent sicher, nur wie genau sie ausfallen wird, kann ich einfach nicht sagen.“ Unschlüssig biss sie sich auf die Unterlippe, während sie sich angestrengt auf die Zukunft konzentrierte. Ihre Stimme klang abwesend, als sie weitersprach: „Zu diesem Zeitpunkt sind sie auf der Lichtung, aber es ist noch alles offen. Er ist unentschlossen … die Bilder wechseln ständig. Die Beiden unterhalten sich, doch das kann sich jeden Augenblick ändern.“
Die Zeit verstrich quälend langsam für mich; ich hasste es, zu warten. Gerne hätte ich mich irgendwie abgelenkt, jedoch konnte ich nicht riskieren, etwas zu verpassen. Gerade hatte ich mich darauf eingestellt, dass es noch ewig dauern könnte, bis etwas Nennenswertes passierte, da stieß Alice plötzlich einen angstvollen Schrei aus, dass mir unter anderen Umständen wahrscheinlich das Blut in den Adern gefroren wäre.
„Nein, Edward, nicht!“ Jasper war sofort bei ihr und legte ihr die Hände auf die schmalen Schultern. Die beruhigende Welle, die er aussandte, erreichte mich selbst auf diese Entfernung.
„Alice, was siehst du?“, fragte er eindringlich, doch sie gab keine Antwort. Noch immer war sie völlig starr und blickte ins Leere, gänzlich vertieft in ihre Vision. Es dauerte einige Minuten, bis sie sich auf einmal entspannte und zu meiner Überraschung glücklich lächelte.
„Verdammt, Alice, was ist passiert?“, drängte ich aufgeregt.
„Nichts“, entgegnete sie nur, inzwischen bis über beide Ohren strahlend.
„Nichts?“ Es war mir anzuhören, dass ich ihr kein Wort glaubte.
„Naja, nichts Schlimmes jedenfalls. Gerade noch mal gutgegangen, würde ich sagen.“
„Alice, sprich endlich Klartext. Was hast du gesehen?“, wollte auch Emmett voller Ungeduld wissen.
„Also gut“, seufzte sie. „Bella ist Edward versehentlich etwas zu nahe gekommen, was ihn ziemlich unvorbereitet traf. Der Duft ihres Blutes war daher so verlockend, dass er sich am liebsten auf sie gestürzt hätte, doch Gott sei Dank hat er sich stattdessen darauf beschränkt, einfach ein paar Meterchen zurückzuweichen. Sie ist ziemlich erschrocken, aber inzwischen hat sich die Situation wieder beruhigt. Edward ist zu Bella zurückgekommen und erklärt ihr nun, dass sie keine Angst haben muss, da er sich absolut unter Kontrolle hat.“
„Und, hat er das?“
„Rose, du weißt, dass ich nur das sehen kann, wozu er sich auch entschließt. Im Moment ist er sich jedenfalls mehr als sicher, dass er sich beherrschen kann.“ Ich gab ein schnaubendes Geräusch von mir, das meine Enttäuschung ausdrückte.
„War das alles?“
„Naja, wie man’s nimmt. Edward ist ein paar Mal um die Lichtung gesaust und hat einen Baum etwas demoliert, aber davon abgesehen ist alles in Ordnung.“ Bei ihren Worten fing Emmett laut zu lachen an, auch Alice kicherte bei der Vorstellung. Ich allerdings konnte dem Ganzen kaum etwas Komisches abgewinnen. Meine Hoffnungen schwanden. Wenn das so weiterging, müsste ich mich des Problems letztendlich wirklich selbst annehmen und dieser Gedanke wollte mir nicht so recht gefallen.
Wir blieben noch lange im Wohnzimmer und warteten. Warteten darauf, dass endlich die Entscheidung fiel. Irgendwann wurde es Emmett zu langweilig und er ging nach draußen, Jasper folgte ihm. Esme widmete sich nach einiger Zeit wieder dem kaum vorhandenen Staub, so dass Alice und ich allein im Raum waren. Sie war ständig in Bewegung und räumte mal wieder das ohnehin schon ordentliche Zimmer auf, wie sie es oft tat, wenn sie sich auf die Zukunft konzentrierte. Währenddessen saß ich einfach abwartend auf dem Sofa, beobachtete sie und grübelte dabei über die jetzige Situation nach. Noch vor wenigen Stunden war ich mir so sicher gewesen, dass die ‚Affäre Isabella‘ nach dem heutigen Tag ad acta gelegt werden könnte, doch inzwischen hegte ich da starke Zweifel. Scheinbar hatte ich Edward unterschätzt; er war um einiges beherrschter, als ich es ihm zugetraut hätte. Was sollte ich jetzt nur tun? Natürlich war da noch die Alternativlösung, aber seltsamerweise erschien die mir immer weniger plausibel, je länger ich darüber nachdachte.
Ich dachte an mein Gespräch mit Carlisle, damals, nachdem Edward das Mädchen vor Tyler ‚Trottel‘ Crowleys Van gerettet hatte. Ich erinnerte mich noch genau an seine Worte: >Es wäre gefühllos<, hatte er gesagt, als ich ihm mein Vorhaben unterbreitet hatte. Ich war nicht gefühllos und ich wollte es auch nicht sein, niemand – außer Edward vielleicht – wusste das besser als Carlisle. Er wäre enttäuscht von mir. Sicher, er würde mir verzeihen, aber Isabella umzubringen hieße, sein Vertrauen in mich zu missbrauchen. Und nicht nur Carlisle, auch Esme wäre sehr betrübt über mein Verhalten. Der Gedanke daran, wie ihr trauriger Blick auf mir ruhte, schnürte mir die Kehle zu. Sie würde es nicht ertragen, dass ich die Freundin ihres Sohnes auf dem Gewissen hatte. Alice wäre ebenfalls totunglücklich, schließlich bezeichnete sie die Kleine schon jetzt als ihre Freundin und wenn ich Alice ihr Lächeln nahm, wäre auch Jasper, mit dem ich mich sonst bestens verstand, nicht mehr gut auf mich zu sprechen. Edwards Reaktion war auch nicht schwer zu erraten: Er würde mich umbringen. Der Einzige, der auf meiner Seite wäre, wäre Emmett und das auch nur, weil er dem Ganzen so wenig Bedeutung beimaß. Insgesamt hätte mein Mord an Isabella also ziemlich negative Konsequenzen für mich, denen ich mir zu diesem Zeitpunkt erst richtig bewusst wurde. War es das wirklich wert? Würde das unserer Familie nicht noch mehr schaden?
Plötzlich merkte ich, dass Alice sich nicht mehr bewegte. Mit glasigem Blick stand sie einfach nur da und schaute durch mich hindurch.
„Alice?“, fragte ich zaghaft. Noch immer rührte sie sich nicht; ihre Miene war angstvoll angespannt.
„Alice?“, wiederholte ich und dann, endlich, sah sie mich richtig an. Ihre Augen glänzten vor Freude, während sie sprach:
„Die Entscheidung – sie ist gefallen!“
Zuletzt von Rose_fan 4 ever am Fr 23 Dez 2011, 16:52 bearbeitet; insgesamt 6-mal bearbeitet (Grund : s.o.)
Rose_fan 4 ever- ~Meadow Visitor~
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
20. Hoffnungslos
„Was?“ So lange hatte ich auf diesen Augenblick gewartet, hatte ihn mit sämtlichen Fasern meines Körpers herbeigesehnt, doch jetzt, wo es endlich soweit war, wusste ich mit einem Mal nicht mehr, weshalb ich eigentlich so gespannt darauf gewesen war. Stets war ich mir so sicher gewesen, wie letztendlich alles ausgehen würde, aber gegenwärtig packten mich plötzlich fürchterliche Zweifel, die durch Alice‘ Erscheinung nur bestätigt wurden. Dieses Lächeln konnte keinesfalls etwas Gutes bedeuten. Nein, das sah mir sehr danach aus, als ob soeben meine schlimmsten Albträume in Erfüllung gegangen waren.
„Die Entscheidung, Rose“, wiederholte diese auf meinen geschockten Ausruf. „Oh, Rose, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie glücklich mich das macht. Ich meine, nicht, dass ich an ihm gezweifelt hätte, aber es war alles so schrecklich unsicher und jetzt – “ Sie konnte sich kaum noch halten vor Glück und auf einmal spürte ich ihre dünnen Arme um meinen Hals; in einem Anflug von leichtsinnigem Übermut hatte sie mich einfach spontan umarmt. Erzürnt stieß ich sie schnell wieder von mir.
„Verdammt, Alice, was soll das? Da gibt es nichts zu freuen! Wie sich unschwer aus deiner Reaktion schließen lässt, ist Edward jetzt gänzlich verrückt geworden, und das macht dich glücklich?!“
„Ja“, erwiderte sie schlicht. Sie wusste, dass es vollkommen sinnlos war, in dieser Situation mit mir zu diskutieren.
Natürlich war den anderen mein Geschrei nicht entgangen; nacheinander tauchten Esme, Jasper und Emmett wieder im Wohnzimmer auf. Als Alice Jasper erblickte, tänzelte sie sofort auf ihn zu und warf sich ihm an den Hals, was dieser natürlich weitaus besser als ich aufnahm.
„Jazz, du ahnst nicht, was passiert ist!“
„Offenbar etwas Schönes“, meinte er mit einem Lächeln.
„Edward hat sie geküsst!“ Er hatte WAS? Das war ja fast noch schlimmer als das, was ich mir zuvor ausgemalt hatte.
Eine Weile verharrten wir so und schwiegen, die anderen verblüfft, ich vor allem auf Höchste verärgert, dann ergriff Esme das Wort:
„Aber das ist ja wunderbar! Endlich ist er nicht mehr allein und ich hatte mir solche Sorgen gemacht, dass er vielleicht nie jemanden finden würde. Ach, ich würde Bella zu gern einmal kennenlernen.“
„Dazu wirst du wahrscheinlich bald Gelegenheit haben“, lächelte Alice. „Noch hadert Edward mit sich selbst, aber er hat vor, sie morgen zu uns mitzunehmen, sofern sie nichts dagegen hat.“
„Cool, das wird sicher lustig“, mischte sich jetzt auch Emmett in den Kreis des Isabella-Fanclubs. Das brachte für mich das Fass zum Überlaufen.
„Warum seid ihr nur alle so verblendet? Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass das gutgehen wird? Fakt ist, sie ist ein Mensch und Edward hat nicht die Absicht, sie zu verwandeln, weshalb es nur eine Frage der Zeit ist, bis unsere momentan noch geheime Existenz bekannt wird. Isabella ist eine Gefahr für uns alle! Und selbst, wenn man annimmt, dass nichts dergleichen passiert, was sehr unwahrscheinlich ist: Die Volturi werden das mit ihr herausfinden, dann bleiben Edward vielleicht ein paar glückliche Jahre mit ihr, allerhöchstens zwanzig, bis man sie für seine Mutter und später dann für seine Großmutter halten wird. Isabella altert und das wird Beiden irgendwann schmerzlichst bewusst werden. Wenn Edward sie wirklich so sehr liebt, wird er auch dann noch bei ihr bleiben, aber so in sechzig bis siebzig Jahren ist sie auf jeden Fall tot. Und was macht Edward dann? Er wird das nicht verkraften; ihr kennt ihn doch alle. Ihr wisst, wie melodramatisch er ist. Er wird hartnäckig nach einer Lösung suchen, ihr nachzufolgen und nichts und niemand wird ihn daran hindern können. Ich hatte ja eigentlich gedacht, er würde bald wieder zur Vernunft kommen, aber wenn Alice sagt, dass alles entschieden ist, dann ist es bereits zu spät. Dann nimmt es ein schlechtes Ende. So oder so. Versteht ihr nicht, was das bedeutet?“ Die anderen schwiegen auf meinen Ausbruch betreten, einzig Alice ließ sich nicht unterkriegen.
„Sie wird noch eine von uns werden“, beharrte sie. „Erinnerst du dich noch an meine Vision, die ich hatte, nachdem Edward Bella vor dem Van gerettet hatte? Eines Tages wird jemand sie verwandeln, da bin ich mir sicher. Wir werden Freundinnen werden und ich lasse nicht zu, dass irgendjemand das durch seine blödsinnigen Entscheidungen zerstört. Ich weiß einfach, dass alles gutgehen wird.“
„Hör auf mit diesem fürchterlichen Irrsinn!“ Meine Stimme überschlug sich fast bei meinen Worten. „Sie wird NICHT deine Freundin. Du bist ein Vampir, schon vergessen? Zählt das denn überhaupt nicht mehr? Wenn ihr schon nicht der Familie zuliebe auf mich hört, dann tut es doch wenigstens ihretwegen!“ Alice wollte noch etwas erwidern, doch in diesem Moment ging die Tür auf und Carlisle betrat den Raum. Fragend blickte er in die Runde.
„Was ist los?“
„Carlisle.“ Ich seufzte erleichtert; vielleicht würde er ja verstehen. „Carlisle, du hast selbst zu mir gesagt, dass Isabella ein unschuldiges Mädchen ist und du hast Recht: Sie ist unschuldig. Woher nehmen wir also das Recht, uns in ihr Leben einzumischen? Wir bringen sie in Gefahr!“
„Rose.“ Carlisle sprach mit ruhiger Stimme, aber ich wusste schon jetzt, dass seine nächsten Worte nicht das ausdrücken würden, was ich erreichen wollte.
„Unsere bloße Existenz bringt Menschen in Gefahr“, fuhr er fort. „Ständig. Natürlich darf man das nicht zu leicht nehmen, jedoch wissen wir alle, dass das mit Bella noch etwas komplizierter ist. Im Grunde hast du Recht, allerdings ist es allein Edwards Entscheidung, wie wir damit umgehen. Warten wir einfach ab, was er dazu sagt.“
„Aber“, wollte ich einwenden, doch Carlisles Blick genügte, um mich zum Schweigen zu bringen. Scheinbar war er nicht dazu geneigt, in Edwards Abwesenheit weiter mit mir zu diskutieren. Nun, ich musste ja zugeben, dass er damit nicht ganz Unrecht hatte, nur: Wer wusste denn, wann mein Bruder sich endlich wieder hier blicken ließ?“
Erneut nahm ich meinen Platz auf dem Sofa ein, um mich zum zweiten Mal an diesem Tag einer Wartezeit auszusetzen. Jedoch ließ sich diesmal Emmett neben mir nieder und als hätte er plötzlich die Fähigkeit unseres Bruders entwickelt und meine Gedanken gelesen, meinte er:
„Süße, Ed kommt sicher bald wieder. So spannend kann es schließlich auch nicht sein, der Kleinen beim Schlafen zuzusehen. Außerdem ist er bis jetzt noch jede Nacht wenigstens zum Umziehen nach Hause gekommen.“ Ich nickte, wenig begeistert.
„Oh, komm schon! Mach nicht so ein Gesicht. Edwards aktuelle Spielereien sollten dir nicht die Laune verderben. Ist doch lustig das Ganze.“
„Lustig? Wohl kaum“, schnaubte ich. Emmett ließ sich davon allerdings nicht aus der Ruhe bringen; beiläufig begann er damit, mit meinen Haaren zu spielen. Zuerst reagierte ich kaum darauf, doch als seine andere Hand langsam mein Bein hinaufwanderte und dann zärtlich über meine Hüfte strich, schaffte ich es endlich, mich zu entspannen. Über seinen liebevollen Berührungen und dem Gefühl seiner mich liebkosenden Lippen auf der Haut rückte das sonstige Geschehen immer mehr in den Hintergrund.
Plötzlich verging die Zeit wie im Flug; ich nahm kaum wahr, wie die Nacht hereinbrach und ein Stern nach dem anderen aufleuchtete. Daher zuckte ich überrascht zusammen, als Alice uns darauf hinwies, dass Edward in wenigen Minuten endlich da sein würde.
„Jetzt schon?“, fragte ich verblüfft, dann warf ich einen Blick auf die gegenüber liegende Uhr. „Oh.“ Auch die anderen versammelten sich nach Alice‘ Worten wieder im Wohnzimmer; schweigend warteten wir auf Edwards Ankunft.
Gerade rückte der kleine Zeiger auf die Zwei vor, als ich schnelle Schritte auf der Veranda hörte. Edward, ohne Zweifel. Die Tür öffnete sich und alle Blicke richteten sich sofort auf ihn. Nachdenklich betrachtete ich seine Miene. Da war etwas in seinem Gesicht, das mich stutzen ließ. Heute Morgen waren seine Züge voller Sorge verzogen gewesen, doch in diesem Moment sah mein Bruder völlig losgelöst aus. Er lächelte und seine Augen sprühten förmlich vor Freude; so überglücklich hatte ich ihn in all den Jahren, die ich ihn jetzt schon kannte, noch nie gesehen. War das wirklich nur Isabellas Verdienst? Ein Teil von mir wollte sich mit ihm freuen, wollte dieses Glück, das er ausstrahlte, genießen, allerdings wurde dieses Gefühl von meinen Ängsten überschattet. Von meinen Ängsten – und von meiner Eifersucht, die ich verzweifelt zu verbergen suchte, die jedoch immer wieder hochkam. Ein Mensch…
„Rosalie.“ Es war Edwards Stimme, die meine Gedanken unterbrach. „Das wird sie auch bleiben.“ Zornig reckte ich ihm mein Kinn entgegen.
„Halt dich gefälligst aus meinem Kopf heraus“, zischte ich. „Das ist verflucht noch mal mein Gebiet!“ Bevor Edward noch etwas erwidern konnte, schaltete sich Emmett ein.
„Hey, Eddie, ich hab gehört, du hast die Kleine geküsst? Find ich klasse, hab 500 darauf gewettet, dass du sie nicht zerfetzt. Hat sich doch gelohnt, nicht wahr, Jazz?“ Der sah verständlicherweise nicht allzu begeistert aus, bei der Aussicht, sein Geld an Emmett loszuwerden, auch wenn ihm der Verlust nicht allzu wehtun würde. Aber hier ging es mehr ums Prinzip, als um das Geld an sich.
„Bringst du Bella denn morgen mit?“, fragte Esme interessiert. Edward nickte.
„Ja, wenn sie möchte. Sie soll schließlich meine Familie kennenlernen.“
„Das heißt, ich darf endlich mit ihr reden?“, wollte Alice gespannt wissen. Erneut nickte er, worauf sie ihm stürmisch wie immer um den Hals fiel. „Endlich, du glaubst gar nicht, was für eine Freude du mir damit machst!“
„Tsss…“ Edward seufzte resigniert, ob des höhnischen Geräusches, das aus meinem Mund gekommen war, und wandte sich wieder zu mir um.
„Rose“, begann er, aber ich ließ ihn gar nicht erst richtig zu Wort kommen.
„Nichts da! Was fällt dir eigentlich ein? Willst uns einen Menschen ins Haus schleppen und hältst es nicht einmal für nötig, auch nur einen von uns um Erlaubnis zu fragen? Was, wenn ich die Göre gar nicht erst kennenlernen will?“
„Niemand zwingt dich dazu“, meinte er darauf nur in aller Seelenruhe.
„Das sieht dir mal wieder ähnlich“, spottete ich. „Alles dreht sich nur um dich und du nutzt das schamlos aus.“
„Es ist mein Leben, Rosalie. Und wenn ich denken würde, dass es euch schadet, würde ich anders handeln“, beharrte er.“
„Dann hör auf zu denken! Es ist unser Leben – soweit man das Leben nennen kann – und solange dein leichtsinniges Treiben uns einbezieht, haben wir zumindest ein Recht auf Mitbestimmung.“
„Natürlich.“ Für den Bruchteil einer Sekunde war ich zu überrascht, um ihm zu antworten. Ich hätte gedacht, dass er etwas einzuwenden hätte, doch dann fuhr ich fort:
„Dann lasst uns darüber abstimmen. Soll Edward Isabella morgen mitbringen oder nicht?“
„Rose, das ist doch völlig zwecklos.“ Alice seufzte. „Schließlich bist du die Einzige hier, die potenziell dagegen ist; niemand wird sich deiner Meinung anschließen.“ Hilfesuchend blickte ich zu Emmett, dann zu Jasper, der war wenigstens zuvor noch auf meiner Seite gewesen, aber jetzt schüttelte er bedauernd den Kopf.
„Ich sagte doch schon: Ich vertraue vollkommen auf Alice‘ Urteil. Wenn sie es so will, werde ich mich ihr nicht mehr in den Weg stellen.“
„Emmett?“ Ich merkte selbst, dass ich arg verzweifelt klang. Das hier war höchstwahrscheinlich meine letzte Chance, noch etwas gegen Isabella zu unternehmen, bevor es endgültig zu spät war.
„Süße, nein. Edward hat Recht, es ist sein Leben. Und außerdem bin ich echt neugierig auf die Kleine, also lassen wir ihm doch seinen Spaß.“ Er kam einen Schritt auf mich zu, doch ich wich schnell zurück. Ich kam mir verraten vor, verraten und verkauft. Mit der Reaktion der anderen hätte ich noch klarkommen können, aber dass sich selbst Emmett jetzt so offen gegen mich wendete, war schier unerträglich für mich. Seltsamerweise wusste ich kaum, was ich noch sagen sollte; es hatte mir schlichtweg die Sprache verschlagen. Ich konnte weder schrei-en, noch sonst irgendwie aktiv darauf reagieren, nur dastehen und zusehen, wie das Schicksal seinen Lauf nahm. Es war, als gehörte ich gar nicht mehr wirklich zum Geschehen dazu, als wäre ich nur eine völlig unbeteiligte Beobachterin oder – noch besser – als wäre ich einfach nur noch Teil der Wohnzimmerdekoration.
Um mich herum war die Diskussion noch in vollem Gange, nur beteiligte ich mich nicht mehr daran. Jetzt ging es darum, wie man der „hübschen Kleinen“, wie Esme sie tatsächlich nannte, ihren Besuch so angenehm wie möglich machen konnte. Wie wir uns präsentieren sollten, was wir sagen und was wir nicht sagen durften; die Auswahl des Gesprächsthemas war scheinbar besonders heikel. Worüber unterhielt man sich auch mit einem Menschen, der in einem Haus voller Vampire zu Gast war? Allerdings beruhigte Edward den Rest der Familie; „seine Bella“ (urgh, er sagte wirklich schon ‚seine‘) würde sicherlich mit ihnen allen klarkommen, da sähe er überhaupt keine Probleme.
>>Ja klar, keine Probleme. Wer’s glaubt wird selig<< war mein Gedanke zu dieser Äußerung. Nun ja, ‚selig‘ würde vermutlich keiner von uns Vampiren jemals werden, aber Edward wusste ja, wie es gemeint war. Keine Probleme… Das war doch zum Lachen! Nun, dann würde ich einfach weiterhin meine Rolle der bösen Adoptivschwester spielen müssen, das dürfte mir nicht allzu schwer fallen und für genug Probleme sorgen, soweit die nicht von selbst kamen. Ganz abgefunden hatte ich mich mit der Sache keinesfalls, da konnten die anderen warten, bis sie nur noch vom Wind getriebene Aschepartikel waren. Ich hatte sie gewarnt und auf diesem Standpunkt würde ich auch bleiben. Egal, was Alice sagte, mir war überhaupt nicht wohl bei der Sache und daran waren nicht nur die offensichtlichen Dinge schuld. Ich hatte einfach dieses komische Gefühl, dass bald noch etwas passieren würde – und zwar ganz und gar nichts Gutes!
Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wie Recht ich damit hatte, sonst hätte ich mich an dieser Stelle wahrscheinlich hinausgeschlichen und Isabella trotz meiner Bedenken eigenhändig umgebracht.
Zuletzt von Rose_fan 4 ever am Fr 23 Dez 2011, 17:26 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
21. Ein unerwünschter Gast
„Was soll das heißen, ich soll mich nicht unnötig aufregen?! Wenn hier etwas unnötig ist, dann doch ganz bestimmt nicht ich!“
„Du hast ihn doch gehört. Wenn er denken würde, dass es uns schadet, dann…“
„Verdammt, Emmett! Mir ist völlig egal, was er denkt!“ Mein Körper bebte vor Wut; am liebsten hätte ich jetzt auf ihn eingeschlagen.
„Süße, es ist trotzdem noch seine Entscheidung“, versuchte Emmett, mich zu beschwichtigen.
„Ist es NICHT! Er hat einfach über unsere Köpfe hinweg entschieden und jetzt haben wir dieses bald von Gott verdammte und schrecklich menschliche Problem am Hals.“ Es kam mir vor, als ginge das hier schon seit Stunden so. Seit Edward wieder zu der ach so süß schlafenden Isabella zurückgekehrt war, waren Emmett und ich damit beschäftigt, uns gegenseitig anzuschreien. Nun ja, ich schrie und er konzentrierte sich darauf, mich nicht noch mehr aufzuregen, was nur leider nicht so ganz nach Plan lief. Überhaupt lief hier gar nichts mehr nach Plan, zumindest nicht nach meinem. Denn andernfalls läge die rehäugige Kleine längst unter Erde.
„Rose…“ Ich merkte, dass es ihm schwerfiel, so ruhig zu bleiben. Sonst war er immer mein Fels in der Brandung. Ein Fels zwar, der lieber lachte als mich und andere allzu ernst zu nehmen, aber immerhin ein Fels. Er war immer da, wenn ich ihn brauchte, und nun… Nun hatte er die Fronten gewechselt und ich stand da. Allein.
„Edward hat nicht über unsere Köpfe hinweg entschieden“, fuhr Emmett fort. „Es war allein deiner, den es zu überwinden galt. Mir ist klar, dass es das auch nicht besser macht, aber – hast du denn wenigstens mal daran gedacht, dass du falsch liegen könntest? Dass Bella gar keine so große Gefahr darstellt, wie du meinst?“
„Tsss…“
„Edward spinnt; in diesem Punkt muss ich dir Recht geben. Ich habe absolut keine Ahnung, was er an der Kleinen findet. Wie auch, immerhin hab ich ständig dich vor Augen, allerdings würde ich es gerne herausfinden. Ed ist so glücklich in letzter Zeit und wenn wir das ihr verdanken, dann sollten wir ihm das auch nicht kaputt machen und uns stattdessen mit ihm freuen!“
„Ja klar“, murmelte ich. Mein Tonfall war schrecklich sarkastisch. „Es freut mich wirklich sehr, dass dieses vermaledeite Mädchen im Begriff ist, unsere Familie zu zerstören…“
„Sie zerstört überhaupt nichts! Jetzt sei doch nicht immer so pessimistisch.“ Bevor ich mein schnippisches >Ich denke nur realistisch< loswerden konnte, drängte sich jedoch Alice zwischen uns.
„So, ihr beiden Kampfhähne“, fauchte sie. „Bella kommt in einer halben Minute und wenn ihr euch bis dahin nicht wieder beruhigt habt, dann könnte es passieren, dass ihr den Rest dieses Tages, der für Edward übrigens sehr wichtig ist, nicht mehr erlebt. Hört also auf, euch zu benehmen, wie zwei launige Teenager!“ Sie bedachte mich mit einem wütenden Blick, der es mir sehr deutlich machte, wer hier für sie das eigentlich Problem darstellte. Empört warf ich meinen Kopf zurück, sagte allerdings nichts weiter dazu, sondern warf stattdessen einen Blick aus dem Fenster. Eben hatte ich das Geräusch von Edwards nahendem Volvo vernommen; sie konnten also nicht mehr weit sein.
Nur wenige Sekunden später fuhr auch schon der silberne Wagen vor und mein Bruder und seine Freundin stiegen aus. Einen Augenblick blieben sie stehen; voller Ehrfurcht blickte das Mädchen zum Haus hoch. Das hier war scheinbar nicht ganz das, was sie erwartet hatte. Ein selbstgefälliges Lächeln huschte bei dieser Feststellung über mein Gesicht. Isabella schien sich wirklich nicht ganz wohl in ihrer Haut zu fühlen. Nachdem sie mit Edward ziemlich belanglose Konversation über das Anwesen betrieben hatte, fuhr sie sich immer wieder nervös über ihre zu einem einfachen Pferdeschwanz gebundenen Haare und zupfte an der blauen Bluse, die sie heute trug. Ich hätte das ja niemals mit diesem braunen Rock kombiniert; Edward schien es jedoch zu gefallen – nach den entzückten Blicken zu urteilen, die er ihr zuwarf. Und als wäre es die größte Selbstverständlichkeit, nahm er ihre Hand und ging mit ihr über die beschattete Wiese zur Veranda.
„Komm“, murmelte Emmett und zog mich Richtung Treppe. Alice und Jasper kamen uns nach; wir hatten ausgemacht, die erste Begrüßung unseren Eltern zu überlassen, um „die Kleine nicht zu überfordern“, wie Esme es ausgedrückt hatte. So zogen Emmett und ich uns also auf unser Zimmer zurück, wo wir uns vorerst still verhielten und darauf lauschten, was unten vor sich ging. Edward hatte inzwischen die Tür geöffnet und Isabella ins Wohnzimmer bugsiert – ihre unbeholfenen Schritte auf dem Holzfußboden waren kaum zu überhören. Umso erleichterter war ich, als sie weitergingen, wo die dicken Teppiche das Geräusch ihrer Schritte enorm dämpften. Hoffentlich waren ihre Schuhe wenigstens ansatzweise sauber, sonst hatte Esme die halbe Nacht völlig umsonst mit putzen verbracht…
„Carlisle, Esme“, stellte Edward nun unsere Eltern vor und durchbrach damit die Stille, die kurzzeitig eingetreten war. „Das ist Bella.“ Na, wer sollte sie auch sonst sein? Leicht genervt verdrehte ich meine Augen zur Decke. Beruhigend strich Emmett über meine Wange, wobei seine Hand etwas länger als nötig auf meiner Haut liegen blieb…
Nun konnte ich Carlisle hören, der gemessenen Schrittes in die Richtung ging, aus der ich zuvor Edwards Stimme vernommen hatte.
„Willkommen bei uns, Bella. Wir freuen uns, dass du hier bist.“ Ah ja, jetzt war das Händeschütteln an der Reihe; bis jetzt lief scheinbar alles, wie es sollte.
„Es ist schön, Sie wiederzusehen, Dr. Cullen“, ertönte zum ersten Mal Isabellas Stimme. Sie klang entschieden sicherer, als sie vorhin ausgesehen hatte.
„Carlisle, bitte“, wurde sie von ihm verbessert.
„Carlisle“, wiederholte sie. Fast bildete ich mir ein, das Lächeln zu hören, das sich dabei auf ihrem Gesicht ausbreiten musste. Jetzt nahm ich auch Esmes leichte Schritte durchs Zimmer wahr.
„Ich bin sehr froh, dich kennenzulernen“, begrüßte sie ebenfalls das Mädchen.
„Danke. Ich freue mich auch.“ Im selben Augenblick, als Isabella diese höflichen Worte aussprach, öffnete sich unsere Zimmertür und Alice steckte den Kopf zu uns herein.
„Emmett? Rose? Kommt ihr jetzt mit nach unten?“ Skeptisch hob ich die Augenbrauen.
„Ich dachte, ich hätte deutlich genug gemacht, dass ich das Gör nicht kennenlernen will“, giftete ich.
„Ach Rose, komm schon…“
„Nein!“
„Wo sind Alice und Jasper?“, erklang da Edwards Stimme von unten. Alice seufzte und warf Emmett noch einen fragenden Blick zu, doch der schüttelte nur den Kopf und legte demonstrativ einen Arm um meine Taille.
„Danke“, hauchte ich und küsste ihn zärtlich. Ich wusste, dass er eigentlich viel lieber mit Alice gegangen wäre, doch mir zuliebe verzichtete er darauf, Isabella jetzt kennenzulernen.
„Hey, Edward!“, hörte ich Alice in dem Moment überschwänglich rufen. Leise ging ich zur Tür und schlich mich auf den obersten Treppenabsatz, von wo aus ich das Geschehen unauffällig beobachten konnte – vorausgesetzt ich verhielt mich vollkommen still und die anderen drehten sich nicht um. Zu meinem Entsetzen bekam ich gerade noch mit, wie Alice vorschnellte und Isabella auf die Wange küsste. Ich war nicht als Einzige völlig perplex; Carlisle und Esme schien es ebenso zu gehen, während ich sah, wie Edwards Lächeln gefror und er sich sichtlich verkrampfte.
„Du riechst wirklich gut, das ist mir noch nie aufgefallen“, meinte Alice dann auch noch zu allem Überfluss. Was sollte das? Isabellas Duft gehörte keinesfalls zu den Gesprächsthemen, die heute Nacht ausgewählt worden waren. Nun gut, mir sollte es recht sein. Für mich hing schließlich kaum etwas davon ab, dass Isabella sich in diesem Haus wohl fühlte. Solange sich keiner der Anwesenden auf sie stürzte, war die Sache für mich soweit in Ordnung. Wobei ‚in Ordnung‘ es nicht so ganz trifft. ‚Gerade noch tolerierbar‘ passt vielleicht eher zu den Gefühlen, die ich bei der Sache hatte.
Jasper wusste aber die entstandene Anspannung mit Leichtigkeit zu lösen. Als er sich zu den anderen gesellte, entkrampfte sich die Stimmung sichtlich. Die Welle der Geborgenheit, die er ausstrahlte, spürte ich sogar bis hier oben. Edward warf ihm einen stirnrunzelnden Blick zu, den ich nicht so ganz einordnen konnte. Was hatte er denn bitte dagegen, dass Jazz die Situation etwas auflockerte?
„Hallo, Bella“, sagte Jasper nun. Er blieb in einiger Entfernung stehen; offenbar fühlte er sich noch zu unsicher, um sich dem Mädchen mehr zu nähern.
„Hallo, Jasper.“ Sie lächelte schüchtern, dann wandte sie sich an alle. „Ich freue mich, euch kennenzulernen. Ihr habt ein sehr schönes Haus.“
„Danke. Wir sind froh, dass du gekommen bist“, meinte Esme sichtlich bewegt. Ich wusste, dass sie Isabella für tapfer hielt, weil sie sich in ein Haus voller Vampire gewagt hatte. Für mich grenzte dieses Verhalten nicht im Mindesten an Tapferkeit. Es war eher ein Beweis für ihre offensichtlich geringe Intelligenz.
Derweil führte Carlisle mit Edward eine ihrer kleinen, stummen Unterhaltungen, während Isabellas Augen durch den Raum schweiften. Bevor sie einen Blick auf mich erhaschen konnte, zog ich mich zurück auf unser Zimmer.
„Und?“, fragte Emmett mich, doch ich schüttelte nur den Kopf.
„Du hast doch gehört, was da unten vor sich geht. Sie gliedern Isabella hübsch in unsere Familie ein, ohne auch nur ein Wort über unsere Abwesenheit zu verlieren.“
„Ach Süße, so schlimm ist das doch alles gar nicht“, meinte er und zog mich in seine Arme. Mit einem tiefen Seufzer schmiegte ich mich an seine Brust. Warum wusste er nur immer so genau, was ich in dem jeweiligen Moment am dringendsten brauchte? Zärtlich fuhr er mit seiner Hand über mein Haar. Seine geschickten Finger lenkten mich eine Weile von den restlichen Geschehnissen im Haus ab. Ich wurde erst wieder aufmerksam, als ich hörte, wie Edward Esmes Lieblingsstück auf dem Flügel spielte, das nach einiger Zeit in ein Stück überging, das er vor einiger Zeit komponiert hatte, kurz bevor Peter und Charlotte uns besucht hatten.
„Dazu hast du mich inspiriert“, sagte er nun sanft, während die Musik immer süßer wurde. Mir war klar, dass mit ‚du‘ nur Isabella gemeint sein konnte, die anderen hatten sich scheinbar inzwischen zurückgezogen.
„Sie mögen dich“, ergänzte er fast beiläufig. „Besonders Esme.“
„Wo sind sie hin?“
„Ich nehme an, sie wollten diskret sein und uns allein lassen.“ Ich hörte, wie Isabella seufzte.
„Sie mögen mich, okay. Aber Rosalie und Emmett…“ Tja, sie hatte es erfasst: Ich mochte sie nicht und Emmett…
„Mach dir wegen Rosalie keine Gedanken“, entgegnete Edward bloß auf ihre Befürchtungen. „Sie kriegt sich schon ein.“ Tsss… Ich und mich wieder einkriegen? Da kannte er mich aber schlecht.
„Und Emmett?“, wollte Isabella wissen. Bei ihrem Tonfall musste ich kichern. In ihrer Stimme schwang eine gehörige Portion Respekt und, wenn mich nicht alles täuschte, auch eine Prise Angst mit.
„Na ja, er denkt, ich bin nicht ganz bei Trost, das stimmt schon – “
„Wie wahr“, murmelte Emmett neben mir bei den Worten seines Bruders.
„ – Aber er hat nichts gegen dich“, fuhr Edward fort. „Und er versucht, auf Rosalie einzuwirken.“
>>Ja, und genau deswegen haben wir uns gestritten, bevor du das Biest hier eingeschleust hast, du Bastard<<, dachte ich.
„Was genau ist denn eigentlich ihr Problem?“, fragte Isabella, die von meinen finsteren Gedanken natürlich nichts mitbekommen hatte. Edward seufzte tief, ließ sich aber nicht anmerken, dass er mich gehört hatte.
„Rosalie fällt es von uns allen am schwersten zu akzeptieren … was wir sind. Deshalb kommt sie schlecht damit klar, dass ein Außenstehender über sie Bescheid weiß. Und sie ist ein bisschen eifersüchtig.“ Woah, kein >Sie ist eine boshafte Zicke< oder Ähnliches? Das überraschte mich jetzt aber. Was war denn mit ihm los? Warum sagte er nicht einfach das, was er dachte? Oder, verbesserte ich mich, das, von dem ich glaubte, dass er es dachte.
„Rosalie ist eifersüchtig? Auf mich?!“, unterbrach Isabella meine Gedanken. Sie klang überaus ungläubig, kein Wunder, immerhin ging es hier um mich. Aber ja, Edward hatte Recht; ich war eifersüchtig auf dieses kleine, unbedeutende Mädchen. Irgendwie erbärmlich…
„Du bist ein Mensch“, meinte Edward. „Sie wäre gern auch einer.“ Welch eine Untertreibung. Ich wäre nicht nur gerne ein Mensch, nein: Ich würde alles dafür geben, einer zu sein. Das war doch ein nicht allzu geringer Unterschied, wie ich fand.
„Oh.“ Anscheinend war das nicht die Antwort, die Isabella erwartet hätte. Natürlich nicht; wahrscheinlich dachte sie, ich hätte alles, was sich jede Frau erträumte: Ewiges Leben und unbegrenzte Schönheit gepaart mit unglaublichen körperlichen Kräften. Eins fehlte jedoch und bestimmt dachte sie nicht im Traum daran, was es war. Welches Geschöpf dieses Planeten, ob menschlich oder nicht, kam schon darauf, dass ich – die überirdisch schöne und kluge Rosalie Lillian Hale – mir mehr als alles andere auf dieser Welt wünschte, Kinder zu bekommen? Richtig – keins.
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
22. Allein gegen den Rest der Welt
Schmerz durchzuckte mich, als ich daran dachte. Ich konnte einfach nicht anders, obwohl mein Menschenleben doch schon so lange her war. Plötzlich hatte ich wieder Veras kleinen Sohn vor Augen. Henry… Er war jetzt ein alter Mann – falls er überhaupt noch lebte. Warum war mir das nicht vergönnt gewesen? Ein Kind, war das etwa zu viel verlangt? Und wenn ich das schon nicht haben konnte, wieso hatte ich damals nicht einfach sterben können?
Ich hatte einmal Carlisle genau diese Frage gestellt. Seine Antwort hatte gelautet, dass Gott mir vielleicht eine zweite Chance geben wollte, indem er mich vor einer Heirat mit Royce und dem daraus resultierenden Schicksal bewahrte. Bei seinen Worten hatte ich lediglich höhnisch aufgelacht. Zweite Chance? Nein, meine Rettung durch Carlisle hieß nur eins für mich: Ewige Verdammnis.
Erst jetzt bemerkte ich Emmetts Arme um meinen Körper. Ich war so vertieft in meine Gedanken gewesen, dass ich alles andere um mich herum vergessen hatte – sowohl Emmett, als auch die Turteltauben im Wohnzimmer. Meine Augen brannten; zu Menschenzeiten wäre mein Gesicht nass von Tränen gewesen, doch selbst das war ja schon lange nicht mehr möglich. Ich nahm einen tiefen Atemzug, um meine Fassung wiederzugewinnen; just in dem Moment fragte Isabella unter mir etwas, das mich aufhorchen ließ.
„Was hat dir Carlisle eigentlich vorhin gesagt?“
„Das ist dir also auch aufgefallen.“ Edward klang leicht verdutzt bei dieser Feststellung.
„Was hast du denn gedacht?“, stellte Isabella die Gegenfrage. Eine kurze Pause entstand, als Edward offenbar scharf nachdachte, bevor er resigniert erwiderte:
„Er wollte mir etwas mitteilen, wusste aber nicht, ob du es hören solltest.“ Ah, das versprach ja, interessant zu werden.
„Und, soll ich?“
„Du musst sogar. Ich werde nämlich in den nächsten Tagen … oder Wochen … etwas übertrieben beschützerisch sein und will nicht, dass du mich für einen geborenen Tyrannen hältst.“
„Was ist passiert?“
„Passiert ist gar nichts. Es ist nur – Alice sieht voraus, dass wir bald Besucher zu erwarten haben. Sie wissen, dass wir hier sind, und sie sind neugierig.“ Ich wirbelte herum und sah sofort an Emmetts überraschtem Gesichtsausdruck, dass das auch ihm neu war. Stirnrunzelnd spitzte ich erneut die Ohren; jetzt durfte ich auf keinen Fall etwas verpassen.
„Besucher?“, hakte Isabella gerade nach.
„Ja. Die Sache ist … sie unterscheiden sich von uns, was ihre Jagdgewohnheiten angeht. Ich nehme nicht an, dass sie überhaupt in die Stadt kommen, aber solange sie hier sind, werde ich dich mit Sicherheit nicht aus den Augen lassen.“
„Dir hat Alice also auch nichts gesagt?“, fragte ich Emmett, um ganz sicher zu sein.
„Nein, hat sie nicht.“
„Aber warum?“ Emmett zuckte nur die Schultern.
„Keine Ahnung, was soll’s. Vielleicht hat sie’s einfach vergessen.“
„Ver – was? Em, wir sind Vampire. Wir haben ein unfehlbares Gedächtnis, das heißt wir können gar nichts vergessen!“
„Ups.“ Verschmitzt grinste mich Emmett an. „Hatte ich ganz vergessen, gut zu wissen.“
„Em, ich – “
„Rose, entspann dich. Sie hat uns nichts gesagt, na und? Jetzt wissen wir’s ja.“ Ich seufzte. Mich entspannen, als ob das jetzt so einfach wäre. Warum verstand er denn nicht, dass ich mich hintergangen fühlte? Alice hätte es uns sofort sagen müssen.
Mittlerweile hatte Edward sein Klavierspiel beendet; jetzt wollte er Isabella das Haus zeigen.
„Keine Särge, hast du gesagt?“, fragte sie. Es sollte wohl sarkastisch klingen, doch zu meiner Befriedigung triefte ihre Stimme geradezu vor Nervosität. Edward lachte leise auf, bevor er versprach:
„Keine Särge.“ Ich hörte die Schritte der Beiden auf der breiten Wendeltreppe, die in den zweiten Stock führte. Die des Mädchens klangen störend laut durch die Stille, die das Haus umgab.
„Rosalies und Emmetts Zimmer“, erklärte Edward, während er sie an unseren Räumlichkeiten vorbeiführte. „Carlisles Büro … das Zimmer von Alice…“ Weiter hörte ich nicht zu; ich wusste schließlich, wie unser Haus aussah. Mein Blick schweifte durch den Raum und blieb schließlich am Fenster hängen. Dort unten konnte ich Alice und Jasper am Waldrand zwischen den Bäumen ausmachen, wo sie sich scheinbar angeregt unterhielten.
„Emmett?“
„Hmm?“
„Ich bin mal kurz draußen, dauert aber nicht lange.“
„Kein Problem, geh nur…“, meinte er abwesend. Verwundert drehte ich mich um, sah aber dann, dass er in eine seiner Computerzeitschriften vertieft war und sich auf den neusten Stand der Technik brachte. Wahrscheinlich würde ich ihn gleich unten bei den Computern antreffen, wo er sein neu erworbenes Wissen testete.
Ich öffnete die Tür. Von oben konnte ich Edwards Stimme hören; wie es aussah, erzählte er Isabella gerade Carlisles tragische Lebens- beziehungsweise Sterbensgeschichte. Das interessierte mich allerdings momentan nicht weiter; ich wandte mich nach unten und lief hinter das Haus, wo Alice noch immer mit Jasper stand. Als sie meine Schritte auf dem weichen Gras hörte, sah sie auf.
„Rose?“ Ich brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, um den Fluss zu überqueren, schon stand ich direkt vor ihr. Zornig schaute ich auf sie hinab.
„Du willst mir nicht zufällig etwas erklären?“, schnaubte ich.
„Was meinst du?“
„Vor mir brauchst du gar nicht erst die Ahnungslose zu spielen. Wir wissen alle, dass du das nicht bist. Also, warum wissen weder Emmett, noch ich von den Besuchern, die du gesehen hast?“
„Weil ich wusste, wie du reagieren würdest“, antwortete meine Schwester schlicht.
„Weil du wusstest, wie… Alice, das ist doch Irrsinn! Wenn du mich gleich aufgeklärt hättest, dann – “
„Dann hättest du es geschafft, in den letzten Minuten vor Bellas Ankunft noch ein fürchterliches Theater zu veranstalten. Verstehst du denn nicht? Ich habe nur versucht, den Tag zu retten.“
„Es hätte gar nichts zu retten gegeben. Verstehst du das denn nicht? Glaubst du, es stört mich, ob Isabella von blutrünstigen Vampiren aufgefressen wird, die uns einen Überraschungsbesuch abstatten? Im Gegenteil – nichts wäre mir lieber.“
„Aber – “
„Kein aber“, unterbrach ich sie. „Und jetzt, wo wir das geklärt hätten, würde ich gerne die Einzelheiten hören. Wer wird uns wie, wo und vor allem wann besuchen?“
„Ich weiß es nicht, das ist ja das Problem. Es sind drei, zwei Männer und eine Frau. Nomaden natürlich. Sie haben von uns gehört, allerdings haben sie sich noch nicht entschieden, wann sie kommen wollen. Sobald ich es weiß, sage ich Bescheid, damit wir uns entsprechend vorbereiten können.“
„Vorbereiten? Was sollen wir schon vorbereiten?“ Leiser Spott schwang in meiner Stimme mit.
„Wir müssen Bella in Sicherheit bringen“, schaltete sich Jasper jetzt zum ersten Mal ein. „Sie würden Edwards Beziehung zu ihr nicht verstehen.“ Na, wer tat das bitte schon?! Ich hatte sogar den Eindruck, dass selbst Edward nicht wusste, was er da eigentlich trieb, wie sollte also irgendjemand anderes seine wirren Gefühle nachvollziehen können?
„Ihr Duft wirkt zu anziehend auf Vampire“, ergänzte Alice. „Sie wäre im Nullkommanichts tot.“
„Dann ist doch alles bestens“, konnte ich mir nicht verkneifen einzuwerfen. Alice sah mich bitterböse an. Wenn Blicke töten könnten, dann hätte ich an dieser Stelle bereits zum zweiten Mal das Zeitliche gesegnet.
„Und wie habt ihr euch das gedacht? Wie sieht euer ‚Wir beschützen das kleine hilflose Mädchen vor den gruseligen Monstern‘-Plan konkret aus?“
„Das wird voraussichtlich nicht besonders schwierig“, erklärte Alice. „Wir müssen lediglich dafür sorgen, dass Bella nicht in der Nähe ist, wenn sie kommen.“
„Ach, so einfach wird das also? Und was, wenn sie ihre Fährte aufnehmen?“
„Ach Rose…“ Alice seufzte. „Mal den Teufel doch nicht gleich an die Wand. Sie kommen wahrscheinlich noch nicht einmal in die Stadt. Warum musst du immer gleich das Schlimmste annehmen?“
„Darum“, war meine wenig konstruktive Antwort. Alice schüttelte verständnislos den Kopf.
„Hey Leute, was ist denn das für ‘ne Stimmung hier?“, ertönte da plötzlich Emmetts Stimme hinter uns. Verblüfft drehte ich mich um; ich hatte ihn gar nicht kommen hören.
„Em?“
„Wer sonst?“, schmunzelte er. „Also, was ist los, das etwas Baseball nicht lösen kann?“
„Baseball?“
„Engelchen, du stellst doch sonst nicht so unnötige Fragen. Natürlich Baseball, was dachtest du denn?“, meinte Emmett schelmisch. Jazz grinste.
„Also ich bin dabei!“
„Ja“, stimmte auch Alice zu. „Das passt nahezu perfekt. Woher wusstest du denn, dass es heute Abend gewittern wird, Emmett?“
„Tja, vielleicht eine versteckte Gabe, wer weiß?“ Er lachte laut auf.
„Okay, Baseball“, schloss ich mich an. Vielleicht konnte etwas sportliche Betätigung meine Laune ja etwas verbessern.
„Super“, rief Alice. „Ich geh‘ gleich mal Bella fragen, was sie von einer Partie hält.“ Sie machte Anstalten, zum Haus zurückzuhüpfen, doch ich setzte ihr schnell nach und packte sie grob an der Schulter.
„Bella? Das kann doch nicht dein Ernst sein“, sagte ich völlig entgeistert.
„Doch klar, warum nicht?“, meinte Alice, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, dass ein tollpatschiges Menschenmädchen mit einer Horde Vampire Sport trieb.
„Sie wird natürlich nicht mitspielen“, fuhr meine Schwester fort. „Aber zugucken wird ihr wohl kaum schaden.“
„Da bin ich mir nicht so sicher“, murmelte ich verbissen. Das hatte mir ja gerade noch gefehlt! Doch Alice tat, als habe sie nichts gehört und setzte ihren Weg fort; Jasper, Emmett und ich folgten ihr mehr oder weniger unauffällig. Im Haus liefen die beiden schnurstracks nach oben, ich hinterher, allerdings hielt ich mich immer zwei Meter hinter ihnen; ich hatte nicht vor, Isabella jetzt auch noch zu begegnen. Emmett blieb derweil unten im Wohnzimmer, wo er den Fernseher anschaltete und auf der Suche nach etwas Sehenswertem durch die Sender zappte.
Inzwischen standen Alice und Jasper vor Edwards Zimmer. Von drinnen hörte man ein Knurren, dann Gelächter.
„Können wir reinkommen“, fragte Alice leise durch die Tür, doch bevor eine hörbare Antwort kam, öffnete sie sie schon.
„Herein mit euch“, rief Edward etwas verspätet. Er lachte immer noch leise vor sich hin. Alice kam der Aufforderung sofort nach, Jazz blieb allerdings an der Tür stehen. Aus unerfindlichen Gründen sah er ein wenig erschrocken aus.
„Es klang, als würdest du Bella verspeisen, also haben wir gedacht, wir sehen mal nach, ob für uns was übrig bleibt“, verkündete Alice vergnügt.
„Tut mir leid, ich kann euch, glaube ich, nichts abgeben“, erwiderte Edward, worauf selbst Jasper lachen musste.
„Eigentlich“, sagte er und trat nun ebenfalls ins Zimmer, womit auch er meinem Blickfeld entschwand, „wollten wir dich fragen, was du von einem Spielchen hältst. Emmett hatte die Idee – und Alice meint, es wird heute Abend noch ziemlich heftig gewittern.“
„Bella kannst du natürlich mitbringen“, zwitscherte Alice. Ein leises Knurren entfuhr mir bei ihren Worten.
>>Untersteh dich<<, dachte ich so laut wie möglich, aber Edward ignorierte mich mal wieder vollkommen.
„Hast du Lust?“, wendete er sich an den unsportlichen Nachtisch auf zwei Beinen.
„Warum nicht?“, erwiderte der zu meiner Enttäuschung. „Ähm, was genau wollen wir denn machen?“
„Baseball spielen – wir müssen nur auf den Donner warten. Du merkst dann schon, warum.“
„Brauch ich einen Schirm?“ Meine Geschwister lachten; ich verdrehte die Augen zur Decke.
„Und?“, wollte Jasper wissen.
„Nein“, entgegnete unsere Hellseherin. „Das Gewitter wird sich hauptsächlich über der Stadt entladen. Auf der Lichtung müsste es halbwegs trocken bleiben.“
„Prima“, meinte Jasper enthusiastisch. Mit Sicherheit setzte er gerade seine Gabe ein, um die Stimmung aufrechtzuerhalten.
„Lass uns mal Carlisle anrufen, ob er Lust hat“, rief Alice und tänzelte wieder aus dem Zimmer.
„Was für eine Frage“, entgegnete Jasper lachend und folgte ihr hinaus, wobei er unauffällig die Tür hinter sich schloss.
Im Flur trafen die beiden auf mich. Mit vor der Brust verschränkten Armen stand ich da, meine Zähne fest zusammengebissen.
„Oh Rose“, stöhnte Alice, als sie mich so sah. „Das darf doch nicht wahr sein. Bist du etwa immer noch beleidigt, weil ich dir nicht eher von meiner Vision erzählt habe? Oder ist es wegen Bella?“
„Letzteres. Ich bin ihr nicht den ganzen Tag aus dem Weg gegangen, um sie jetzt beim Baseball um mich zu haben!“
„Oh bitte, hör auf, dich so aufzuführen. Du kennst sie doch gar nicht!“ Jetzt war es an Alice, genervt die Augen zu verdrehen. „Urteile nicht über sie, bevor du weißt, wie sie ist.“
„Ich weiß genug, Alice. Und ich glaube auch nicht, dass es mir hilft, sie zu mögen, wenn sie uns auch noch beim Sport belästigt, also bitte verschon mich.“ Immer noch zornig kehrte ich meinen Geschwistern den Rücken zu und begab mich nach unten, um mich zu Emmett zu gesellen. Von einem lauten Seufzer untermalt ließ ich mich neben ihn aufs Sofa sinken. Er reagierte nicht; erst, als ich meinen Kopf an seine breite Schulter lehnte, tat er mir den Gefallen und sah mich an.
„Schatz? Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“, fragte er, während er beiläufig begann, über mein Haar zu streichen.
„Hast du es nicht gehört?“
„Nö“, meinte er und wies mit einer ausladenden Geste auf den Fernseher. „War anderweitig beschäftigt.“ Ich seufzte.
„Die Laus heißt Isabella.“
„Was ist mit der Kleinen? Will sie etwa gleich nicht mitkommen? Das wäre schade.“
„Mensch Emmett, ich will doch eben nicht, dass sie mitkommt!“
„Oh. Warum denn nicht? Du ke – “
„Nein, nicht du auch noch“, unterbrach ich ihn mit einem Stöhnen. „Ich kenne sie nicht und das will ich auch auf keinen Fall ändern!“
„Aber – “, setzte er erneut an.
„NEIN! Und das ist mein letztes Wort!“ Erstaunt klappte er den Mund zu. Schon besser, dachte ich und kuschelte mich etwas enger an ihn. Warum wollte nur niemand meine Abneigung gegen Isabella verstehen? Dachten sie wirklich alle, ich wäre bloß eifersüchtig, wo es hier doch eigentlich um etwas viel Größeres ging? Denn eins wusste ich – dieses Mädchen würde uns noch zum Verhängnis werden.
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
23. Das Spiel beginnt
Eine Weile verharrten wir so. Emmett wandte sich wieder dem Fernseher zu, während ich mit geschlossenen Augen einfach nur an ihn gelehnt dasaß und versuchte, alles andere auszublenden, indem ich dem stetigen Geräusch des leichten Nieselregens lauschte. Alice hatte zwar gesagt, die Lichtung würde trocken bleiben, doch in diesem Moment wünschte ich mir, dass sie sich irrte. Mir würde der Regen kaum etwas ausmachen und ich wusste, dass ich es sehr genießen würde, wenn Isabella wie ein begossener Pudel und vor Kälte zitternd am Spielfeldrand stünde. Allerdings war mir klar, dass dieser Fall kaum eintreten würde. Zum einen war ich mir sicher, dass auf Alice‘ Wetterprognosen Verlass war, und zum anderen würde Edward sein Mädchen nicht einfach am Rande des Spielfelds stehen lassen, wenn auch nur die geringste Gefahr bestände, dass sie sich eine Erkältung zuzöge.
Irgendwann gegen Abend hörte ich dann Carlisles Wagen vorfahren. Eigentlich hätte er heute frei gehabt, aber Dr. Snow war plötzlich krank geworden, so dass Carlisle für ihn hatte einspringen müssen. Doch glücklicherweise – oder sollte ich lieber sagen leider – hatte er seine Arbeit pünktlich genug beenden können, um uns beim Baseball Gesellschaft zu leisten.
Die Tür öffnete sich und Carlisle betrat den Raum; ein gütiges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er Emmett und mich so nah beieinander auf dem Sofa erblickte.
„Guten Abend Rosalie, Emmett“, begrüßte er uns, aber bevor einer von uns noch etwas sagen konnte, wurden wir schon von Alice unterbrochen, von der Carlisles Ankunft natürlich nicht unbemerkt geblieben war. In Sekundenschnelle war sie, gefolgt von Jasper, die Treppe heruntergeflitzt und stand nun direkt vor unserem Vater.
„Kann’s losgehen?“, fragte sie. „Wenn wir vor Bella und Edward da sein wollen, sollten wir uns wirklich langsam auf den Weg machen.“
„Klar“, meldete sich Emmett zu Wort, der sich inzwischen von mir gelöst hatte, und aufgestanden war.
„Let’s go!“ Und er wollte schon nach draußen stürmen, doch Carlisle hielt ihn zurück.
„Immer mit der Ruhe“, meinte er mit einem kleinen Schmunzeln. „Nicht ohne meine Frau!“ Emmett sah sich verdutzt um, als hätte er Esme tatsächlich vergessen, worauf ein leises glockenhelles Lachen ertönte, das mich einen Blick nach oben werfen ließ. Dort stand unsere Mutter auf dem Treppenabsatz und lächelte jenes liebevolle Lächeln, das ich bei meiner früheren Mutter oft vermisst hatte. Etwas langsamer als Alice vorhin gewesen war, doch nicht minder elegant, lief sie die Treppe herunter und gesellte sich zu uns.
„Schön, dass du wieder da bist“, sagte sie mit einem Blick zu Carlisle und gab ihm einen kurzen, aber überaus zärtlichen Kuss, bevor sie sich an Emmett wandte.
„Du wolltest doch nicht etwa ohne das hier losziehen“, meinte sie und deutete mit einem schelmischen Aufblitzen ihrer goldenen Augen auf die große Tasche, die sie in einer Hand trug. „Wie möchtest du denn Baseball spielen, wenn du nicht die nötige Ausrüstung dabei hast?“ Beim Anblick von Emmetts Gesichtsausdruck konnte ich nicht anders, als in schallendes Gelächter auszubrechen.
„Oh Emmett“, kicherte ich, „du bist einfach unschlagbar!“
„Erzähl du mir noch mal, Vampire könnten nichts vergessen“, murmelte er und zog mich an sich, um mich leidenschaftlich zu küssen. Sofort verschwand alles um mich herum. Die Blicke meiner Familie, das Wohnzimmer… Ich nahm nichts mehr war außer ihm. Emmetts starke Arme um meine Hüften, seine weichen Lippen auf meinen und sein herber Geruch nach…
„Chrm chrm“, unterbrach uns Alice‘ ungeduldiges Räuspern. „Wir finden es ja alle wunderschön, wie lieb ihr euch habt, aber knutschen könnt ihr noch später“, tadelte sie uns; das belustigte Grinsen nahm ihren Worten die Schärfe.
„Stimmt“, meinte Emmett und löste sich abermals von mir, dann wackelte er vielsagend mit den Augenbrauen. „Wir haben ja noch die ganze Nacht!“ Allein dieser Satz genügte schon, um meine Fantasie wieder auf Hochtouren zu bringen – ein Glück, dass Edward nicht in der Nähe war. Beim Anblick von Alice‘ Miene riss ich mich jedoch widerwillig von diesen schönen Vorstellungen los und verließ Hand in Hand mit Emmett, der die Tasche mit den Schlägern nun über der Schulter trug, das Haus. Edward hatte für sich und das Mädchen Emmetts gewaltigen Jeep ausgeliehen, aber selbst wenn bei uns dadurch ein Mangel an Fahrzeugen geherrscht hätte, was selbstverständlich nicht der Fall war, hätte das für uns nicht das geringste Problem dargestellt. Es war sowieso praktischer zu laufen, da man mit dem Auto nicht den ganzen Weg zur Lichtung zurücklegen konnte. Zwar regnete es noch immer, aber da wir uns auf Alice verließen, die ja Besserung prophezeit hatte, liefen wir einfach los.
Schon bald erreichten wir die Lichtung, die uns gewöhnlich als Spielfeld diente. Eingebettet zwischen den Gipfeln der Olympic Mountains war es doppelt so groß wie jedes normale von Menschen gebaute Baseballstadion. Nun ja, den Platz hatten wir auch bitter nötig, schließlich spielten wir auch mindestens doppelt so gut wie jeder professionelle Baseballspieler.
Alice und Jasper waren bereits da und warteten auf uns, während Carlisle und Esme erst einige Minuten später ankamen. Während Carlisle schon mal damit begann, das Spielfeld zu markieren, schnappten sich Alice und Jasper einen Ball, den sie sich gegenseitig zuwarfen. Ich zog Emmett währenddessen hinter mir her zu einem kahlen Felsvorsprung, auf dem wir da weitermachten, wo wir zu Hause aufgehört hatten; dabei störte es uns nicht im Geringsten, dass sich auch Esme zu uns gesellte.
Nur einmal sahen wir auf, als aus dem Wald plötzlich ein Geräusch zu hören war, das sich verdächtig nach einem lachenden Edward anhörte.
„Scheint so, als hätten die Beiden Spaß“, meinte Emmett und stellte sein anzügliches Grinsen zur Schau.
„Ja sicher, Edward und Spaß haben“, war mein sarkastischer Kommentar dazu, bevor ich ihm mit einem weiteren Kuss den Mund verschloss. Eine erneute Isabella-Edward-Diskussion war nun wirklich das Letzte, was ich jetzt brauchte, wo die Beiden doch zu meinem Leidwesen jeden Moment hier aufkreuzen konnten.
Und als hätten sie meine Gedanken gelesen – nun, Edward hatte das wahrscheinlich tatsächlich – traten nur wenige Minuten später mein Bruder und sein nerviges Anhängsel aus dem Wald. Esme und Emmett erhoben sich sofort und mit einer minimalen Verspätung von höchstens einer Zehntelsekunde tat ich es ihnen nach. Während Esme gleich auf die Beiden zuging, drehte ich mich jedoch demonstrativ um und stolzierte hoch erhobenen Hauptes in Richtung Spielfeld davon, ohne das kleine Grüppchen noch eines weiteren Blickes zu würdigen.
>>Nur weil sie heute Abend hier ist, heißt das noch lange nicht, dass ich sie als Teil unserer Familie akzeptiere<<, dachte ich und gesellte mich zu Carlisle, der mir einen Blick zuwarf in dem sich der Schatten eines Vorwurfs abzeichnete. Gleichgültig starrte ich zurück – auch wenn ich alles andere als ein gutes Gefühl dabei hatte.
Der Ablenkung halber richtete ich daher meine Aufmerksamkeit wieder auf die Szene, die sich zurzeit am Rande der Lichtung abspielte.
„Warst du das Edward?“, fragte Esme gerade, was sich sicher auf das Lachen bezog, das wir vorhin gehört hatten.
„Es klang wie ein erstickender Bär“, ergänzte Emmett, der sich offenbar dazu entschieden hatte, dass es keinen Sinn ergab, mir zu folgen. Das versetzte mir einen Stich, doch ich gab mir Mühe, nicht weiter darauf zu achten.
„Er war’s“, bestätigte Isabella. Mit Freuden registrierte ich die Nervosität, die in ihrer Stimme mitschwang.
„Bella war unfreiwillig komisch“, erklärte Edward, wie um das Thema schleunigst zu beenden, als Alice auf einmal wie eine Rakete an mir vorbeischoss. Kurz vor dem Mädchen hielt sie abrupt inne.
„Es geht los.“ Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, als der Wald auch schon von einem grollenden Donnerschlag erschüttert wurde, der sich weiter nach Westen, in Richtung Stadt, ausbreitete.
„Unheimlich, oder?“, wandte sich Emmett an Isabella, als wären sie schon die dicksten Freunde. Ich knurrte leise, obwohl er mich wahrscheinlich nicht hören konnte, da das Geräusch im nächsten ohrenbetäubenden Donnerschlag unterging, der bereits folgte.
„Na los!“, rief Alice voller Ungeduld, ergriff Emmetts Hand und rannte mit ihm auf das Spielfeld zu, wo Carlisle, Jasper und ich bereits warteten. Neben Em wirkte meine Schwester noch zarter und elfenhafter, als sie sowieso schon war, obgleich auch seine Bewegungen nicht ohne eine gewisse Eleganz waren. Trotz des Benehmens, das er gerade eben noch an den Tag gelegt hatte, musste ich lachen, als er mich erreichte, einfach hochhob und einmal durch die Luft wirbelte.
„Em, lass mich runter“, kicherte ich ganz unrosaliehaft und vergaß für einen Moment, dass unsere Familie heute nicht ganz unter sich war. Emmett grinste verschmitzt, erfüllte mir dann aber meinen Wunsch, da er auf seine Position gehen musste. Inzwischen hatte sich auch Edward zu uns gesellt; Esme blieb am Spielfeldrand stehen, da sie wie immer die Schiedsrichterin machte. Die Einzige, die das gewohnte Bild störte, war Isabella neben ihr, die unsere Mutter mit Fragen löcherte, die ich ihr, wäre ich an Esmes Stelle gewesen, ganz sicher nicht beantwortet hätte.
Wir hatten währenddessen Teams gebildet. Edward hatte sich als Feldspieler weit draußen auf dem Spielfeld postiert, Carlisle wartete zwischen dem ersten und zweiten Base, und Alice stand an der Stelle, die bei uns den Wurfhügel markierte. Emmett vertrieb sich die Zeit damit, einen Aluminiumschläger so schnell durch die Luft zu wirbeln, dass dieser fürs menschliche Auge höchstwahrscheinlich kaum sichtbar war. Einige Meter hinter ihm stand Jasper, der zwar in Emmetts (und meiner) Mannschaft war, doch für das gegnerische Team fing, da wir nur so wenige waren. Natürlich hatte es keiner von uns nötig, Handschuhe zu tragen oder andere Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
„Okay“, hörte ich da Esme mit klarer Stimme rufen. „Play ball!“
Alice stand aufrecht und völlig reglos da; wir alle wussten, dass sie beim Werfen eher auf den Überraschungseffekt setzte als auf Einschüchterung und meistens funktionierte diese Taktik bestens – wie auch jetzt wieder. Mit beiden Händen hielt sie den Ball in Hüfthöhe, bis plötzlich ihre rechte Hand blitzschnell hervorschoss und der Ball direkt in Jaspers Hand klatschte, was mir einen kleinen Seufzer entlockte.
„War das ein Strike?“, hörte ich Isabella irgendwo hinter mir flüstern.
„Wenn bei ihnen der Schlagmann nicht trifft, ist es immer ein Strike“, erklärte Esme der unwissenden Kleinen geduldig.
Jasper schleuderte den Ball zurück zu Alice, die zufrieden grinste, bevor ihre Hand erneut vorschnellte. Diesmal war Emmett darauf vorbereitet, so dass er den Schläger schnell genug herumriss und den Ball mit einem schmetternden Geräusch traf, das grollend von den Bergen widerhallte und dem Donner ähnelte, der von dem Gewitter herrührte. Spätestens jetzt sollte selbst Isabella begriffen haben, weshalb wir nur bei dieser Art von Wetter spielen konnten.
Wie eine Kanonenkugel schoss der Ball über das Spielfeld und in den Wald, wo selbst wir Vampire ihn nicht mehr mit dem bloßen Auge ausmachen konnten.
„Homerun“, war Isabellas Meinung dazu, doch Esme sah das nicht so.
„Wart’s ab“, meinte sie nur und ich musste ihr Recht geben. Das Mädchen unterschätzte Edwards Geschwindigkeit. Zwar raste Emmett wie ein Irrer um das Spielfeld und Carlisle tat es ihm nach, jedoch war Isabellas Lover noch um einiges schneller als die Beiden. Und richtig: Esme rief „Out!“, als sie Edward sah, der unter den Bäumen auftauchte, den Ball in seiner erhobenen Hand und übers ganze Gesicht grinsend. Ich lachte leise, als ich Isabellas verblüfften Blick sah – sie guckte, als hätte sie nicht gerade einen rennenden Vampir, sondern einen furchterregenden Geist gesehen.
Das Spiel nahm seinen Lauf und zu meiner Überraschung störte mich die Anwesenheit des Mädchens gar nicht mehr weiter. Da sie sich relativ still verhielt, konnte ich sie glücklicherweise weitestgehend ausblenden. Außerdem war es ab und an recht amüsant, wie sie sich sorgte. Einmal schlug Jasper zum Beispiel einen Ball ganz flach über den Boden, um Edwards beinahe unfehlbare Fangkünste zu umgehen, doch Carlisle fing ihn ab und beide rannten auf das erste Base zu, wo sie mit voller Wucht zusammenstießen. Der Klang hatte etwas von einer Mischung aus einem Steinschlag und einem Erdbeben und die Kleine sprang erschrocken auf. Scheinbar hatte sie ihre Hausaufgaben, was Vampire anging, nicht so sorgfältig gemacht, sonst wüsste sie, dass so ein simpler Zusammenstoß unseresgleichen nicht das Geringste anhaben konnte.
„Safe“, rief Esme nur mit ruhiger Stimme und Isabella ließ sich wieder neben ihr nieder.
Endlich lagen wir wieder vorn, weil ich nach einem von Emmetts langen Bällen den Lauf um das ganze Feld geschafft hatte, als Edward seinen dritten Ball fing und damit das Offensivrecht erkämpfte. Er lief kurz zu seiner Muse, um sich von ihr in den Himmel loben zu lassen – obwohl diese Redewendung in unserem Fall vielleicht nicht ganz passte –, dann stand er am Schlagmal. Er spielte wirklich klug, das musste ich leider zugeben. Ich stand weiter draußen und um mir nichts zu fangen zu geben, hielt er den Ball flach und erreichte in Sekundenschnelle das zweite Base, bevor Emmett den Ball wieder ins Spiel bringen konnte. Dann schlug Carlisle einen Ball so weit über das Spielfeld hinaus, dass nicht nur Edward den Run schaffte, sondern er selbst sogar den Homerun. Mit einem glückseligen Lächeln auf ihrem zarten Gesicht klatschte Alice die Beiden ab.
Der Spielstand änderte sich ständig, so dass ich bezweifelte, dass Isabella mit ihrem mickrigen Menschenhirn noch den Überblick behalten konnte. Gelegentlich musste Esme uns zur Ordnung rufen, wenn das Temperament ein wenig mit uns durchging, aber im Großen und Ganzen verlief alles ohne Komplikationen. Wie Alice vorausgesagt hatte, blieben wir trocken, obwohl der Donner noch lange weitergrollte.
Doch dann, als Carlisle gerade Jaspers Wurf erwartete, erstarrte Alice plötzlich; erschrocken keuchte sie auf. Auch Edward, der als Fänger hinter Carlisle stand, schaute sofort zu ihr. Ihre Blicke begegneten sich und einmal mehr hätte ich alles dafür gegeben, die Gabe meines Bruders zu haben, als sie sich stumm verständigten. Bevor auch nur einer von uns dazu kam, Alice nach dem Grund für ihr verstörendes Verhalten zu fragen, stand Edward schon an Isabellas Seite, als wolle er sie vor einer Gefahr beschützen, die sich uns anderen noch nicht offenbart hatte.
„Alice?“, fragte Esme; ihre Stimme zitterte vor Nervosität.
„Ich hab sie nicht kommen sehen – ich hab’s nicht gewusst“, flüsterte meine Schwester. Sie klang völlig verängstigt, als hätte sie gerade den Weltuntergang nahen sehen. Mittlerweile standen wir alle um sie herum und warteten, dass sie uns eine Erklärung abgab.
„Sie waren viel schneller, als ich dachte. Ich hab das vorher falsch eingeschätzt“, murmelte sie.
Und dann, plötzlich, ging mir ein Licht auf.
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
24. Die Besucher
Mittlerweile umringten wir alle Edward und Isabella, um das Mädchen vor der Gefahr, die wahrscheinlich drohte, zu beschützen. Mir war inzwischen längst klar, was passiert war, dennoch wartete ich, dass jemand die Frage, die in der Luft hing, laut aussprach. Jasper stellte sich erst schützend hinter Alice, bevor er mir den Gefallen schließlich tat.
„Was ist passiert?“, fragte er angespannt. Von seiner Gabe war im Augenblick nichts zu spüren.
„Sie haben uns spielen gehört und ihre Route geändert“, erklärte Alice bedrückt. Man merkte ihr an, dass sie sich schuldig fühlte, schließlich war sie diejenige gewesen, die vorgeschlagen hatte, Isabella mitzubringen. Für einen Moment wanderten unsere Blicke zu Isabella. Allen hier Anwesenden war offensichtlich klar, dass sie sich in unmittelbarer Gefahr befand, und da sie sich im Gegensatz zu mir etwas aus ihr machten, plagte sie diese Gewissheit.
„Wie viel Zeit haben wir?“, unterbrach Carlisle die entstandene Stille, indem er sich an Edward wandte. Mein Bruder schloss die Augen, während er nachdachte, dann antwortete er:
„Nicht mehr als fünf Minuten. Sie rennen – sie wollen mitspielen.“
„Schaffst du das?“, fragte ihn Carlisle und warf Isabella erneut einen besorgten Blick zu.
„Nein, nicht mit – “ Er unterbrach sich, doch es war offensichtlich, wessen Name den Satz vervollständigt hätte. Das Mädchen wäre bei ihrer eigenen Rettung eine zu große Last für ihn, welch eine Ironie.
„Außerdem würden wir riskieren, dass sie die Witterung aufnehmen und zu jagen beginnen.“ ‚Die‘ Witterung... Natürlich, um die Kleine zu schonen, sagten sie ihren Namen nicht, doch trotzdem war ich mir sicher, dass Isabella sich der Gefahr, in der sie schwebte, völlig bewusst war. Edward musste ihr schließlich deutlich gemacht haben, was es bedeutete, als Mensch mit einem Vampir zusammen zu sein. Sonst wäre er noch ein größerer Dummkopf, als ich sowieso schon annahm.
„Wie viele sind es eigentlich?“, wandte Emmett sich nun an Alice. Stimmt, er war ja erst später zu unserer kleinen Diskussion vorhin dazu gestoßen, so dass er diese Information gar nicht mehr mitbekommen hatte.
„Drei.“
„Drei?“, wiederholte er geringschätzig. Die Verachtung in seinem Tonfall war nicht zu überhören. „Dann sollen sie mal kommen“, meinte er großspurig und ließ seine mächtigen Muskeln spielen, was ihm bewundernde Blicke von Isabellas Seite einbrachte und mir daher ein kaum wahrnehmbares Lächeln entlockte. Tja, mit Edward hatte sie sich wirklich nicht gerade für den beeindruckendsten aller Vampire entschieden. Ob sie ihre Wahl wohl gerade bereute?
Während Carlisle die Situation überdachte, warteten wir anderen ungeduldig. Es dauerte nicht lange, bis er zu einem Entschluss kam, doch es kam mir vor, als vergingen währenddessen mehrere Stunden, so zappelig war ich. Der einzige, der völlig locker wirkte, war mein Emmett; wir anderen waren ganz auf Carlisle fixiert und unsere Besorgnis war nicht zu übersehen. Das Leben des Mädchens war mir zwar soweit egal, allerdings wusste ich, dass durch sie auch Edward und der Rest der Familie in Gefahr geraten könnte, und das wollte und konnte ich keineswegs zulassen.
„Wir spielen weiter“, beschloss Carlisle dann endlich. Er war wie immer völlig ausgeglichen und beherrscht. „Alice hat gesagt, sie sind nur neugierig.“
Unser ganzes Gespräch hatte innerhalb weniger Sekunden und in Vampirtempo stattgefunden, weshalb ich mir ziemlich sicher war, dass Isabella Probleme gehabt hatte, uns zu folgen. Was Esme jedoch jetzt Edward fragte, konnte sie wirklich unmöglich verstehen, so leise sprach meine Mutter.
„Sind sie durstig?“ Ihre Worte waren nur ein leichter Hauch, der an meine Ohren drang, doch die Angst, die dahinter steckte, war fast körperlich spürbar. Umso größer war die Erleichterung, die sich auf ihrem Gesicht abzeichnete, als Edward kaum wahrnehmbar den Kopf schüttelte.
„Spielst du für mich weiter, Esme?“, fragte er dann lauter. „Ich bleibe lieber hier.“ Und mit diesen Worten stellte er sich vor seine Liebste. Wir anderen gingen zurück auf das Spielfeld, wobei wir den düsteren Wald jedoch nicht aus den Augen ließen. Alice und Esme postierten sich vorsorglich nicht allzu weit von Isabella entfernt; auch ich horchte noch mit einem Ohr darauf, was zwischen ihr und meinem Bruder vorging.
„Öffne deine Haare“, wies Edward sie mit gedämpfter Stimme an. Sofort zog sie das billige Gummiband heraus und schüttelte ihr braune Haarpracht frei. Das musste man ihr lassen – für einen Menschen hatte sie sogar recht schöne Haare, nur wusste sie leider überhaupt nicht damit umzugehen.
„Die … anderen kommen?“
>>Blitzmerker<<, dachte ich. War das nicht längst offensichtlich gewesen?
„Ja“, antwortete ihr Edward. Die Anspannung in seiner Stimme war fast körperlich spürbar. „Bitte sei ganz still, beweg dich möglichst wenig und bleib bei mir.“ Er schob seiner Muse die Haare vor das Gesicht, wobei ich so meine Zweifel dagegen hegte, dass das den gewünschten Effekt haben würde.
„Das wird nichts nutzen“, war auch Alice‘ leise Meinung dazu. „Ich konnte sie über das ganze Spielfeld riechen.“ Wo sie Recht hatte, hatte sie Recht; von so einem lächerlichen Täuschungsmanöver würde sich kein erfahrener Vampir der Welt an der Nase herumführen lassen.
„Ich weiß“, sagte Edward dazu nur, was ein bisschen mutlos klang.
>>Tja, Brüderchen<<, dachte ich. >>Selbst schuld! Wer musste das Mädchen denn unbedingt anschleppen?<<
Inzwischen stand Carlisle wieder am Schlagmal und alle bis auf den verliebten Vampirvolltrottel wandten sich lustlos wieder dem Spiel zu.
Die Zeit verging schmerzlichst langsam. Keiner von uns war richtig bei der Sache; wir ließen die Bälle nur noch abtropfen, statt sie mit ganzer Kraft zu schlagen, und standen auch um einiges näher beieinander als zuvor. Obwohl ich eigentlich beschäftigt sein sollte, konnte ich nicht anders, als ein paar Mal zu Isabella hinüberzusehen, der die Angst inzwischen ins Gesicht geschrieben stand. Ich bemühte mich um einen ausdruckslosen Blick, doch unter der Oberfläche brodelte die Wut. Das war das Mädchen, das unser so schön durchorganisiertes Leben auf den Kopf gestellt hatte. Das Mädchen, wegen dem mein Bruder schon seit Monaten nicht mehr ganz richtig im Kopf war. Das Mädchen, das wahrscheinlich mit seiner bloßen Anwesenheit heute unser aller Schicksal besiegelt hatte.
Im Gegensatz zu Isabella achtete ihr Lover nicht im Geringsten auf das Spiel; alle seine Sinne waren auf den Wald gerichtet, in dem die Gefahr lauerte.
„Es tut mir leid, Bella“, meinte er gequält. „Es war dumm und unverantwortlich, dich so in Gefahr zu bringen. Es tut mir so leid.“ Tja, das hätte ihm mal früher einfallen sollen. Ich wollte etwas sagen, wurde jedoch von einem Geräusch abgelenkt, das immer näher kam. Auch Edward hatte es gehört; er hielt den Atem an und richtete seinen Blick wieder auf den Waldrand außerhalb des Spielfeldes. Mit einem Schritt stellte er sich zwischen sein Mädchen und das, was da gerade auf uns zukam. Wir alle drehten uns in dieselbe Richtung; das leise Rascheln der Blätter und die leichten Schritte, die immer näher kamen, waren für das Mädchen wahrscheinlich völlig lautlos. Fast eine halbe Minute verging, dann traten sie im Abstand von einigen Sekunden nacheinander zu uns auf die Lichtung.
Der Mann, der als erstes aus dem Wald herauskam, blieb sofort stehen, als er uns sah, um den ebenfalls männlichen Gefährten, der hinter ihm kam, vorzulassen. Ihre Körpersprache ließ keinen Zweifel daran, wer von Beiden die Gruppe anführte. Als letzte folgte eine Frau, an der mir als erstes die leuchtend orangefarbene Haarpracht auffiel. Sie alle wiesen die typischen Merkmale für vampirische Nomaden auf und je näher sie kamen, desto deutlicher waren diese Punkte zu erkennen, in denen sie sich von uns unterschieden. Ihre Bewegungen waren katzenhafter, ihre Erscheinung weniger gepflegt als die unsere. Auf den ersten Blick sahen sie für Menschen wahrscheinlich aus wie normale Rucksacktouristen: Zerschlissene Jeans und abgetragene Button-down-Hemden, dazu leichte, aber wetterfeste Jacken. Ihre Kleidung war jedoch in einem sehr schlechten Zustand und im Gegensatz zu jedem Touristen in dieser Gegend trugen sie keine Schuhe, was wiederum typisch für ‚wilde‘ Vampire war. Schuhe behinderten uns auf der Jagd nur; sie fühlten sich wie unerwünschte Fremdkörper an unseren Füßen an. Die Männer trugen ihre Haare praktischerweise kurz, doch in der auffälligen Mähne der Frau hingen Blätter und Moosfetzen. Der wahrscheinlich gravierendste Unterschied zu einem Menschen lag allerdings, abgesehen von der außerordentlichen Schönheit – die der meinen jedoch noch nicht einmal nahe kam – in der Augenfarbe der drei. Da sie sich im Gegensatz zu uns von Menschenblut ernährten, wies ihre Iris einen unheimlich tiefen Rotton auf.
Carlisle trat, flankiert von Emmett und Jasper, mit reservierter Freundlichkeit und recht offener, kultivierter Haltung auf sie zu, um sie zu begrüßen, worauf sie sich gleichzeitig etwas aufrichteten und sich sichtlich entspannten.
Der Anführer des Zirkels war meiner Meinung nach der schönste der drei; seine Haut wies trotz der typischen Blässe einen angenehmen Oliveton auf und seine Haare waren glänzend schwarz, woraus ich schloss, dass er irgendwo aus dem Süden stammen musste. Er hatte eine normale Statur, war aber muskulös, wie die meisten Vampire; ein Vergleich mit Emmett fiele jedoch keinesfalls zu seinen Gunsten aus. Sein Lächeln, mit dem er uns jetzt bedachte, war freimütig und entblößte zwei Reihen blitzend weißer Zähne, trotzdem wirkte es auf mich ziemlich aufgesetzt, weshalb ich mir vornahm, ihn im Auge zu behalten.
Die Frau wirkte noch wesentlich wilder als ihr Begleiter. Ihr ganzes Erscheinungsbild wies starke Ähnlichkeit mit einer Wildkatze auf und ihr ruheloser Blick huschte ständig zwischen der Gruppe um Carlisle und uns hin und her. Ihre Haare, die bei etwas mehr Pflege wahrscheinlich wunderschön gewesen wären, waren hoffnungslos verfilzt und zitterten in der leichten Brise.
Der andere Mann hielt sich währenddessen unauffällig im Hintergrund. Er war um einiges zierlicher als der Anführer und weder sein hellbraunes Haar, noch seine Gesichtszüge fielen mir besonders auf. Sein Blick war im Gegensatz zu dem der Frau ruhig, doch er schien mir noch wesentlich aufmerksamer zu sein, als seine Gefährten. Auch ihn wollte ich genauer beobachten. Die Zeit hatte mich gelehrt, unauffällig wirkende Leute niemals zu unterschätzen.
Immer noch unaufhörlich lächelnd trat der Anführer nun auf Carlisle zu.
„Uns war, als hörten wir jemanden spielen“, sagte er mit ruhiger Stimme und offenbarte einen kaum wahrnehmbaren französischen Akzent, der meine Vermutung nach seiner Herkunft bestätigte. Südfrankreich, tippte ich.
„Ich bin Laurent, das sind Victoria und James“, fuhr er fort und deutete auf seine Begleiter. Victoria. Die Siegerin – der Name passte zu der wilden Frau.
„Ich bin Carlisle. Das ist meine Familie – Emmett und Jasper, Rosalie, Esme und Alice, Edward und Bella.“ Mir fiel auf, dass er uns geschickterweise grüppchenweise vorstellte, damit niemand unvorteilhaft in den Vordergrund rückte. Er nannte das Mädchen in einem Atemzug mit Edward, als gehörte sie ganz dazu, was mich ein wenig ärgerte. Ich konnte ihn jedoch nur zu dieser Taktik beglückwünschen, auch wenn ich mir sicher war, dass Isabellas Menschlichkeit früher oder später trotzdem aufflog. Was würde dann wohl passieren? Würde sich einer der Nomaden auf sie stürzen und so das Problem ihrer Existenz aus dem Weg schaffen? Wir waren zweifellos stark genug, um die drei zu besiegen, aber wenn wir nicht aufpassten, könnte das Verluste auf unserer Seite zur Folge haben. Ein Risiko, dass ich eigentlich nicht eingehen wollte. Außerdem schob sich immer wieder Edwards glückliches Gesicht in meine Gedanken. Würde er je über den Verlust seines Maskottchens hinwegkommen?
„Hättet ihr noch Platz für einige Mitspieler?“, unterbrach Laurent meine Gedanken. Seine Frage klang ein wenig überheblich, als würde er denken, es sei ein Privileg, mit ihm zu spielen, das wir gar nicht abschlagen könnten. Carlisle behielt seinen freundlichen Tonfall jedoch bei, als sei ihm das nicht aufgefallen.
„Wir wollten eben aufbrechen, aber ein andermal sehr gerne. Bleibt ihr eine Weile in dieser Gegend?“
„Wir sind eigentlich nach Norden unterwegs, waren aber neugierig, wer hier lebt. Wir haben lange niemanden mehr getroffen.“ Ganz selbstverständlich sprach Laurent für seinen Zirkel, trotzdem ließ ich seine Begleiter nicht aus den Augen.
„Hier gibt es tatsächlich nicht viele“, erklärte Carlisle. „Nur uns und gelegentlich Besucher wie euch.“ Die anfängliche Anspannung hatte sich langsam aufgelöst; ich war mir sicher, dass das vor allem Jaspers Verdienst war. Trotzdem blieb ich weiterhin wachsam; die Schlacht war noch nicht geschlagen.
„Wie weit reicht euer Jagdgebiet?“, erkundigte sich Laurent beiläufig.
„Wir sind hier in den Olympic Mountains unterwegs und gelegentlich entlang der Coast Ranges. Nicht weit von hier haben wir einen festen Wohnsitz. In der Nähe von Denali gibt es noch eine Ansiedlung wie unsere“, erläuterte Carlisle, ohne die selbstverständliche Annahme, die hinter der Frage steckte, dass wir Menschenblut zu uns nahmen, zu beachten.
„Ein fester Wohnsitz? Wie denn das?“ In Laurents Stimme lag aufrichtige Neugier, trotzdem war er bei Carlisles Erklärung kaum wahrnehmbar zurückgewichen.
„Warum kommt ihr nicht mit zu uns nach Hause, dann können wir uns in Ruhe unterhalten. Es ist eine recht lange Geschichte.“ Oh ja, das war es. Dennoch war es ziemlich riskant, diesen wilden Zirkel einfach so einzuladen; ich an seiner Stelle wäre etwas vorsichtiger. Und was wollte er mit Isabella machen? Wenn die anderen ihr noch näher kamen…
Als Carlisle von einem Zuhause sprach, wechselten James und Victoria einen erstaunten Blick; Laurent hatte seine Mimik besser unter Kontrolle.
„Das klingt interessant und einladend.“ Sein herzliches Lächeln löste einen kalten Schauer aus, der mir über den Rücken lief, so unecht wirkte es aus meiner Sicht. „Wir sind seit unserem Aufbruch in Ontario auf der Jagd und konnten schon lange kein Bad mehr nehmen.“ Anerkennend wanderten seine Augen über Carlisles gepflegtes Erscheinungsbild.
„Versteht mich nicht falsch, aber wir würden euch bitten, in der unmittelbaren Umgebung auf das Jagen zu verzichten. Für uns ist es wichtig, kein Aufsehen zu erregen“, nahm Carlisle den Faden wieder auf.
„Selbstverständlich.“ Laurent nickte. „Wir werden natürlich nicht in eurem Territorium wildern. Ohnehin haben wir gerade erst außerhalb von Seattle gegessen“, sagte er mit einem kleinen Lachen, als handele es sich bei seiner geschilderten Mahlzeit nicht etwa um einen grausamen Mord, sondern nur um einen kleinen Restaurantbesuch.
„Wenn ihr mit uns laufen wollt, zeigen wir euch den Weg – Emmett und Alice, geht ihr doch mit Edward und Bella den Jeep holen“, fügte er beiläufig hinzu.“ Sein Plan war gut, trotzdem ging er nicht auf, wie ich schön befürchtet hatte. Denn noch während er sprach, bewegte ein Luftzug Isabellas Haares, so dass ihr Duft mir direkt ins Gesicht geweht wurde. Und nicht nur mir.
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Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht
25. Auf Messers Schneide
>>Verdammter Mist!<< In meinem Kopf war dieser Gedanke so laut, dass er einem Aufschrei beinahe gleichkam. So sehr ich Isabella auch hasste, so wollte ich doch nicht mehr, dass sie als Nachtisch eines unserer Besucher endete. Denn natürlich war der süße Duft, der von der Kleinen ausging und nun durch die Luft gewirbelt wurde, nicht unbemerkt geblieben. James hatte, als die Welle dieses köstlichen Aromas ihn erfasste, sofort reagiert und hatte sich Isabella in einer schnellen, ruckartigen Drehung zugewandt. Aus seinen tiefroten Augen leuchtete die blanke Gier, als er sie mit geblähten Nasenlöchern anstarrte. Bevor auch nur einer von uns reagieren konnte, machte er schon einen Ausfallschritt und nahm eine geduckte Jagdhaltung ein – bereit, dem Mädchen die zarte Kehle aufzureißen.
Ich wollte mich bewegen, wollte irgendetwas tun, um ihn aufzuhalten, doch ich konnte nicht. Es war, als hielte mich irgendeine unsichtbare Macht an meinem angestammten Platz fest. Und in diesem Moment, als ich so verzweifelt wie angewachsen dastand und hilflos die Szenerie verfolgte, die sich vor mir abspielte, wurde mir etwas klar. Ich weiß nicht, wie lange dieser Instinkt bereits in mir schlummerte, aber – so unglaublich es auch war – ich wollte Isabella beschützen. In genau diesem Moment sorgte ich mich um sie, als sei etwas eingetreten, was ich seit Monaten hatte verhindern wollen. Als sei Isabella Swan nun ein Teil unserer Familie. Ein nerviger, kleiner Teil vielleicht, ohne auch nur einen Hauch von Modebewusstsein, aber immerhin…
Ich kam nicht mehr dazu, diesen höchst verstörenden Gedanken zu Ende zu führen, da sich nun Edward aus der Starre löste, die von uns allen Besitz ergriffen hatte. Mein Bruder kauerte sich seinerseits hin und entblößte seine blendend weißen Zähne. Das Knurren, das sich dann den Weg durch seine Brust bahnte und seinem Mund entsprang, war wild und furchterregend – um einiges gefährlicher als die Geräusche, die er von sich gab, wenn wir uns zofften. In diesem Augenblick kam das Raubtier in Edward zum Vorschein und siegte über die höfliche, kultivierte Hülle, die diese Seite an ihm sonst verdeckte. Ich sah, wie Isabella bei dem Anblick zusammenzuckte, doch zum Glück war sie schlau genug, sich nicht von der Stelle zu rühren. Sie wusste, dass ihr Leben gerade auf Messers Schneide stand.
„Was soll das bedeuten?“ Es war Laurents verblüffte Stimme, die den Bereich, dem meine Aufmerksamkeit galt, wieder etwas erweiterte. Allerdings nahm sie der Situation nicht die Spannung, denn weder James noch Edward waren scheinbar Willens, eine lockerere Haltung einzunehmen.
„Sie gehört zu uns.“ Carlisles Antwort klang streng und es lag eine Härte in ihr, die nicht so recht zu ihm passen wollte, was die ganze Sache für mich nur noch beängstigender machte.
„Ihr habt euch einen Imbiss mitgebracht?“, hakte Laurent nach, dessen verwirrte Miene die Absurdität seiner Aussage perfekt widerspiegelte, als er unwillkürlich einen Schritt auf Isabella zumachte. Edwards Reaktion darauf war ein noch wütenderes Knurren, das ihn erschreckt wieder zurückweichen ließ.
„Ich sagte, sie gehört zu uns“, berichtigte ihn Carlisle ruhig.
„Aber sie ist ein Mensch!“ Laurents Protest war nur natürlich und er barg er keinerlei Aggressionen, lediglich Erstaunen.
„Ja.“ Mittlerweile hatte sich Emmett zu Carlisle gesellt. Er stand neben seinem Vater wie ein Bodyguard, den Blick bedrohlich auf James gerichtet, der sich, ohne Isabella aus den Augen zu lassen, nun langsam aufrichtete. Noch immer waren seine Nasenlöcher beunruhigenderweise gebläht. Im Gegensatz zu ihm behielt Edward jedoch seine angespannte Position gänzlich bei; die Gefahr war noch nicht vorüber.
„An Gesprächsstoff wird es uns nicht fehlen, würde ich sagen“, ließ Laurent nach einigen Sekunden verlauten. Er sprach freundlich und beruhigend, um der Situation die Schärfe zu nehmen. Als Carlisle ihm antwortete, klang seine Stimme jedoch trotzdem noch, als käme sie aus den Tiefen eines Gefrierschrankes.
„In der Tat.“
„Wir nehmen eure Einladung sehr gerne an“, fuhr Laurent fort und warf Isabella einen prüfenden Blick zu, bevor er sich wieder an Carlisle wandte. „Und selbstverständlich werden wir dem Mädchen nichts tun. Wie gesagt, wir jagen nicht in eurem Gebiet.“ Die Erleichterung, die bei diesem Satz durch meinen Körper ging, war beinahe greifbar. James‘ Gesichtsausdruck nach zu urteilen war er jedoch von Laurents Versprechen alles andere als begeistert und sein flüchtiger Blickwechsel mit Victoria verhieß offensichtlich nichts Gutes. Auch Carlisle war allem Anschein nach noch nicht wirklich von diesem Friedensangebot überzeugt, denn er musterte Laurent mehr als skeptisch, bevor er an alle gerichtet sagte:
„Wir zeigen euch den Weg. Jasper, Rosalie, Esme?“ Auf sein Kommando hin fanden wir drei uns zusammen und verdeckten dabei unauffällig Isabella, um sie im Fall der Fälle besser verteidigen zu können. Ich fragte mich zwar noch immer, warum ich das eigentlich tat und woher dieser plötzliche Beschützerinstinkt der Kleinen gegenüber rührte, allerdings sah selbst ich ein, dass jetzt der falsche Augenblick war, um gegen meinen Vater aufzubegehren. Währenddessen stellte sich Alice zu Edwards Muse und auch Emmett entfernte sich langsam von James, wobei er jedoch noch darauf achtete, dem rotäugigen Vampir nicht den Rücken zuzukehren.
„Komm Bella, wir gehen“, murmelte Edward leise. Eine tiefe Niedergeschlagenheit klang aus seinen Worten. Isabella reagierte aber gar nicht darauf; mein Bruder musste sie am Ellbogen mit sich ziehen, um sie von dort, wo sie stand, wegzukriegen. Sie folgte ihrem Lover ziemlich unbeholfen; immer wieder stolperte sie über Flächen, die aus meiner Sicht überhaupt kein Hindernis bargen – bis auf ihre Füße vielleicht. Alice und Emmett gingen hinter den Beiden, um sie so vor den Blicken unserer ‚Besucher‘ abzuschirmen. Gemeinsam liefen sie in einem für Vampire sehr langsamen Tempo in den Wald, wo Edward Emmetts Jeep abgestellt hatte.
Wir Hinterbliebenen nahmen uns keine Zeit, den anderen noch länger hinterherzusehen, sondern machten uns nun unsererseits auf den Weg nach Hause, wobei wir allerdings ein weitaus vampirtypischeres Tempo einschlugen. Die Bäume flitzten nur so an mir vorbei, als ich hinter den drei Nicht-Vegetariern herlief, die Carlisle und Esme folgten. Jasper bildete mit mir zusammen die Nachhut des Gespanns. Ich konnte nicht anders, als die geschmeidigen Bewegungen der Rothaarigen zu bewundern. Beim Rennen schien sie den Boden kaum zu berühren, so schnell war sie, und auch James bereitete es augenscheinlich keine Mühe, mit ihr mitzuhalten, während Laurent ein wenig zurückfiel.
Wir waren erst kurze Zeit gelaufen, als unsere Gruppe auf einmal zersplitterte. Gerade waren wir noch zu siebt gewesen und im nächsten Augenblick waren James und Victoria abseits von uns zwischen den Bäumen verschwunden.
„Verdammt“, entfuhr es mir leise; sofort drehten sich die anderen zu mir um.
„Rose?“ Fragend zog Carlisle die Augenbrauen hoch.
„Sie sind weg!“ Eine Andeutung von Panik schwang in meiner Stimme mit. Wenn die beiden jetzt Jagd auf Isabella machten… Schließlich wäre James schon vorhin überaus gern über sie hergefallen.
„Wir könnten hinterher“, begann Carlisle, doch ich schüttelte den Kopf.
„Wenn wir auch nur den Hauch einer Chance hätten, stünde ich wohl nicht mehr hier, oder? Wenn Edward hier wäre vielleicht, aber so…“
„Sie hat Recht.“ Verblüfft drehte ich mich um; ich hatte gar nicht darauf beachtet, dass Laurent noch bei uns war.
„Sie sind zu schnell“, erklärte er, als sei das keine für alle offensichtliche Tatsache.
„Und was machst du noch hier?“, fragte ich misstrauisch. „Vorhin warst du doch noch der große Zirkel-Führer.“ Laurent schüttelte den Kopf.
„Ich habe mich ihnen angeschlossen, nicht umgekehrt. Es tut mir leid, dass es so kommen musste, das lag keineswegs in meiner Absicht.“
„Es tut dir leid? Ist das alles, was du zu sagen hast oder strengst du vielleicht auch mal dein Hirn an, um uns zu helfen?“, fauchte ich.
„Rose, bitte.“ Beruhigend legte Esme eine Hand auf meinen Arm. „Sei doch nicht so unhöflich, schließlich ist er heute unser Gast.“
„Wir sollten unseren Weg nach Hause fortsetzen und dort warten, falls Edward Bella dorthin bringt“, überging Jasper meinen Ausbruch, bevor ich meinen Unwillen noch deutlicher zum Ausdruck bringen konnte. Zweifellos hatte er Recht mit dem was er sagte, schließlich war niemandem damit geholfen, wenn wir weiter mitten im Wald stehen blieben und uns gegenseitig anschrien. Trotzdem war mir nicht wohl dabei, Laurent zu vertrauen. Wer wusste schließlich, ob seine Absichten nicht von ganz anderer Natur waren, als es den Anschein hatte? Meine Einwände wurden jedoch ignoriert und nur wenige Minuten später hatten wir unser Anwesen erreicht. Bei Laurents staunendem Gesichtsausdruck konnte ich nicht anders, als ein stolzes Lächeln aufzusetzen. Ja, einem einfachen Nomaden wie ihm musste unser Haus wahrscheinlich noch viel mehr imponieren.
Obwohl ich es nicht guthieß, führte Carlisle Laurent direkt in unser Wohnzimmer und ich dachte schon, seine tiefroten Augen würden ihm gleich aus dem Kopf fallen, soweit riss er sie auf, als er sich in dem großen Raum umsah.
„Beeindruckend“, meinte Laurent nach einigen langen Sekunden des Schweigens. „Wirklich beeindruckend. Darf ich fragen wie? Ich meine, wie ist das möglich? Ihr seid anders. Eure Augen…“
„Das liegt daran, dass wir kein Menschenblut zu uns nehmen“, erklärte Carlisle.
„Was? Aber was…“
„Wir ernähren uns ausschließlich von Tierblut“, fuhr Esme fort, „da es uns zuwider ist, Menschen zu töten, um zu überleben.“
„Das funktioniert?“, fragte Laurent verblüfft.
„Es ist nicht leicht“, schaltete sich nun Jasper ein. „Ein ständiger Kampf. Tierblut schmeckt nicht halb so gut, wie das von Menschen.“ Seine Stimme hatte wieder diesen sehnsüchtigen Klang, den ich nur allzu gut kannte.
„Aber das ist es wert“, meinte Esme fest und warf Jasper einen tadelnden Blick zu. „Wir sind keine Mörder. Und es ermöglicht uns, dieses Leben zu führen.“
„Nicht zu vergessen, dass wir um einiges besser aussehen. Das Gold unserer Augen ist viel kleidsamer als dieses irritierende Rot.“ Laurents Blicke wanderten nun zu mir.
„Das stimmt.“ Anerkennung lag in seinen Worten und ich konnte nicht umhin, mich geschmeichelt zu fühlen. Ein Glück, dass Emmett gerade nicht da war, der wäre vor Eifersucht fuchsteufelswild geworden. Er konnte es gar nicht leiden, wenn irgendein Mann, ob Mensch oder Vampir, mich auf diese Weise ansah.
Die anderen fuhren damit fort, Laurent in die Geheimnisse unserer Existenz einzuweihen. Meiner Meinung nach redeten sie eindeutig zu viel; ich vertraute diesem Typen noch immer nicht. Aber mich fragte ja keiner. Mal wieder. Ein Blick auf die Uhr sorgte jedoch dafür, dass ich mich gezwungen sah, das in Anbetracht der Situation fast schon fröhliche Geplauder zu unterbrechen. Edward war mit seiner Kleinen für meinen Geschmack schon entschieden zu lange weg.
„Was passiert denn jetzt?“, zog ich die Aufmerksamkeit der anderen wieder auf mich. „Mit Isabella, meine ich.“
„Das Mädchen hat keine Chance“, antwortete mir Laurent. „James ist der Beste. Ich hab noch nie erlebt, dass jemand ihn überlistet hätte. Was er will, das bekommt er gewöhnlich.“ Ich wollte gerade etwas Bissiges erwidern, als plötzlich Carlisles Handy klingelte.
„Edward?“ Na endlich, ich hatte schon gedacht, wir würden gar nicht mehr von ihm hören.
„Wir kommen jetzt.“
„Gut, dann…“ Doch Edward hatte bereits aufgelegt. Er hatte gehetzt und angstvoll geklungen, was mich noch mehr beunruhigte. Warum kam er denn erst jetzt? Er hätte doch genauso gut auf direktem Weg nach Hause fahren können, oder nicht? Kutschierte er sein Liebchen etwa noch nach Belieben durch die Gegend? Oh dieses Miststück! Wegen ihr begab sich mein Bruder wieder in Gefahr. Und Alice und Emmett riss er gleich mit ins Unglück. Allerdings … eigentlich konnte Isabella ja wirklich nichts dafür, dass Edward ihr so verfallen war. Vielleicht sollte ich langsam mal damit anfangen, meinem Bruder etwas entgegenzukommen. Immerhin waren wir eine Familie… Eine Familie, deren letztes Stündlein nun möglicherweise geschlagen hatte. Verdammt, wie ich es hasste, wenn man mich über etwas im Unklaren ließ. Dieses Warten war einfach unerträglich…
Doch dann, nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit, hörte ich, wie zwei Wagen auf die Auffahrt fuhren. Ich erkannte beide sofort; Emmetts Jeep hatte ich selbst getuned, dieses Geräusch würde ich überall heraushören, und kein anderes Auto röhrte so laut, wie Isabellas Rostlaube von einem Truck. Also deshalb hatte es so lange gedauert; sie waren noch bei dem Mädchen zu Hause gewesen. Was hatten sie da denn noch gemacht?
Kaum hatten die Autos geparkt, als auch schon die Tür aufgerissen wurde und Emmett mit Isabella auf dem Arm hineinstürzte. Edward und Alice folgten ihm und mein Liebling setzte das Mädchen neben ihrem Lover ab, der gerade damit beschäftigt war, Laurent böse Blicke zuzuwerfen und ihn feindselig anzuknurren.
„Er verfolgt uns.“
„Ich habe es kommen sehen“, entgegnete Laurent scheinbar zutiefst bekümmert, doch ich achtete nicht weiter auf ihn, da Alice gerade auf Jasper zuging und ihm nun so leise etwas ins Ohr flüsterte, dass selbst ich es nicht verstehen konnte. Dann verschwanden die beiden Seite an Seite in der oberen Etage. Nachdenklich folgte ihnen mein Blick. Was wollte Alice nun schon wieder vor uns geheim halten? Nun, ich würde es sowieso nicht eher herausfinden, als meine Schwester beschloss, mit offenen Karten zu spielen, und das konnte dauern. Also beschloss ich, mich den wirklich wichtigen Dingen zuzuwenden, und gesellte mich zu Emmett. Ich merkte, dass Isabella mich anstarrte, und warf ihr einen wütenden Blick zu – sie sollte schließlich nicht auf die Idee kommen, dass sich meine Haltung ihr gegenüber irgendwie geändert hätte. Nachher bildete sie sich noch etwas darauf ein…
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