Forks Bloodbank
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Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht

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Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht - Seite 2 Empty Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht

Beitrag  Rose_fan 4 ever So 24 Jun 2012, 14:56


26. Pläne machen

„Was wird er jetzt tun?“ Carlisles kühle Worte unterbrachen meine Gedankengänge.
„Es tut mir leid“, antwortete Laurent. „Als dein Junge sie verteidigte, befürchtete ich schon, dass es James anstacheln würde.“
„Kannst du ihn stoppen?“, hakte Carlisle nach, doch Laurent schüttelte den Kopf.
„Nichts kann James stoppen, wenn er einmal die Spur aufgenommen hat.“ Na toll, das klang ja wirklich vielversprechend. Hatte der Kerl noch mehr so aufmunternde Sprüche auf Lager? Zum Glück ließ mein Emmett sich nicht so schnell unterkriegen wie ich.
„Wir werden ihn stoppen“, versprach er und strahlte dabei so viel Zuversicht aus, dass ich seinen Worten fast schon Glauben schenkte – bis Laurent weitersprach:
„Ihr könnt ihn nicht zur Strecke bringen. So etwas wie ihn hab ich in meinen dreihundert Jahren noch nie gesehen. Er ist absolut tödlich – deshalb hab ich mich ihm angeschlossen.“ Was sollten wir also tun? Isabella einfach aufgeben? Laurent schien zumindest genau das zu denken, denn nachdem er das Mädchen eine Weile kritisch angesehen hatte, fragte er in die im Raum herrschende Stille hinein:
„Seid ihr euch sicher, dass sie es wert ist?“ Edwards Antwort darauf war ein äußerst erzürntes Brüllen, das Lauren zurückzucken ließ, die Entscheidung für mich jedoch keinesfalls erleichterte. Einerseits war da dieses seltsame Gefühl, das mich vorhin auf der Lichtung überkommen hatte und mich seitdem nicht mehr losließ. Dieses Gefühl, das mir sagte, dass Isabella längst zu uns gehörte und ich nicht länger dagegen angehen durfte.
Aber andererseits hatte ich auch Angst. Furchtbare Angst. Denn ich wusste, die Entscheidung, das Mädchen vor James zu beschützen, konnte jemanden von uns das Leben kosten.
„Ich fürchte, du musst eine Entscheidung treffen“, griff Carlisle meinen Gedanken von vorhin unwissentlich auf, indem er sich an Laurent wandte, der scheinbar ebenfalls noch ein wenig unschlüssig war. Er wartete einen Augenblick und musterte jeden von uns prüfend, Isabella ausgenommen. Als seine leuchtend roten Augen auf meine goldenen trafen, schüttelte ich kaum merklich den Kopf.
>>Du kannst machen, was du willst<<, dachte ich, obwohl mir natürlich klar war, dass er mich nicht hören konnte, >>aber ich traue dir nicht und daran ändert sich auch nichts, wenn du uns gegen James von Nutzen bist!<< Mit kaum verhohlenem Interesse hielt Laurent meinem Blick stand, jedoch verging eine weitere Minute des Schweigens, bevor er sich wieder an alle wandte:
„Mich fasziniert das Leben, das ihr euch hier geschaffen habt, aber ich halte mich aus der Sache heraus. Ich betrachte niemanden von euch als meinen Feind, doch ich werde mich nicht gegen James wenden. Vermutlich mache ich mich auf den Weg nach Norden, zu dem Clan in Denali.“
>>Gute Entscheidung<<, dachte ich, was mir einen bösen Blick von Edward einbrachte. Ich zuckte darauf jedoch nur gleichgültig mit den Schultern. Sollte er sich doch aus meinem Kopf heraushalten, dann brauchte er sich auch nicht zu ärgern.
„Unterschätzt James nicht“, fuhr Laurent langsam fort. „Er hat einen brillanten Verstand und einmalig scharfe Sinne. Er kann sich genauso sicher unter Menschen bewegen wie ihr und er wird euch nicht offen angreifen … Ich bedaure sehr, dass es dazu gekommen ist.“ Mit diesen rührseligen Worten schloss er seinen kleinen Vortrag und senkte betroffen den Kopf, allerdings nicht, ohne Isabella noch einen weiteren befremdeten Blick zuzuwerfen.
„Gehe in Frieden“, verabschiedete sich Carlisle steif. Das ließ Laurent sich nicht zweimal sagen. Noch einmal sah er sich um, dann eilte er aus dem Haus.
Er war kaum durch die Tür, da begann bei uns schon das große Planen. Scheinbar war ich wieder einmal die einzige, die noch mit ihrer Entscheidung haderte.
„Wie nahe?“, wollte Carlisle von Edward wissen, während Esme vorsichtshalber die automatischen Metallläden vor den Fenstern herunterließ.
„Ungefähr drei Meilen hinter dem Fluss; er pirscht dort umher, um sich mit der Frau zu treffen.“
„Was habt ihr vor?“
„Wir lenken ihn von ihrer Spur ab, dann bringen Jasper und Alice sie in den Süden“, erklärte Edward seinen Plan. Das klang zwar nicht dumm, wirkte auf mich allerdings dennoch ein wenig zu einfach. Wenn es so leicht wäre, James auszutricksen, hätte Laurent uns weniger eindringlich vor ihm gewarnt, oder nicht?
„Und dann?“, hakte Carlisle nach.
„Sobald Bella außer Reichweite ist, jagen wir ihn.“ Bei seinen Worten stellte sich ein äußerst mulmiges Gefühl in meiner Magengrube ein. Einen Tracker jagen? Keine gute Idee. Zu meinem Leidwesen hatte Carlisle dagegen doch nichts weiter einzuwenden.
„Es gibt wohl keine andere Möglichkeit“, stellte er bedrückt fest. Nach all diesen Jahren, die er sein Dasein nun schon als Vampir fristete, behagte es ihm noch immer nicht, einem anderen Lebewesen auf irgendeine Weise zu schaden – vom Töten ganz zu schweigen.
Auf einmal wandte sich Edward an mich. Mit einem Anliegen, von dem ich ganz und gar nicht begeistert war.
„Nimm sie mit hoch und tausch deine Kleidung mit ihr“, befahl er. Völlig entgeistert starrte ich ihn an.
„Warum sollte ich das tun?“, zischte ich giftig. „Was bedeutet sie mir? Abgesehen von Gefahr – eine Gefahr, der du uns alle aussetzt!“ Zwar hatte ich mich in den letzten Minuten damit abgefunden, dieses dämliche Mädchen beschützen zu müssen, aber meine Kleidung mit ihr tauschen? Das ging eindeutig etwas zu weit! Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie Isabella bei meinen Worten erschreckt zusammenzuckte. Also wirklich, was bildete sie sich denn ein? Dass ich so mir nichts dir nichts meine Designerkleidung gegen die minderwertige Massenware eintauschte, die sie zu tragen pflegte? Das konnte sie sich wirklich abschminken.
„Rose…“, versuchte Emmett, mich zu beruhigen und griff sanft nach meiner Schulter, doch ich drehte mich von ihm weg und schüttelte seine Hand ab. Wenn es um meine Kleidung ging, verstand ich keinen Spaß, und das wusste er. Edward schien das zum Glück auch begriffen zu haben, denn er wandte sich so beiläufig von mir ab, als wäre überhaupt nichts gewesen.
„Esme?“
„Na klar“, murmelte sie und zog Isabella mit sich nach oben.
Während unsere Mutter also ein Opfer brachte, das mir das Mädchen nicht wert gewesen war, begannen wir damit, Vorbereitungen für die anstehende Jagd zu treffen. Schnell packte ich ein paar Dinge zusammen, auf die ich trotz der brenzligen Situation unmöglich verzichten konnte – unter anderem meine Haarbürste, schließlich wusste niemand, wie lange diese Aktion dauern würde – und begab mich dann wieder ins Wohnzimmer, wo ein Teil der Familie bereits wartete.
Es dauerte nicht lange, bis auch Alice und Esme wieder zu uns stießen, die kleine Swan im Schlepptau. Carlisle verteilte noch schnell zwei neue Handys an die beiden, dann begann er zu sprechen, während er an der Kleinen vorbeiging:
„Esme und Rosalie nehmen deinen Transporter.“ Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Isabella nickte und dann einen scheuen Blick in meine Richtung warf. Zu ihrem Glück war ich der Meinung, mir heute schon genug Schelte eingefangen zu haben, deshalb begnügte ich mich damit, lediglich wütend zu Carlisle zu blicken. Den Transporter? War das sein Ernst?!
„Alice, Jasper“, fuhr er fort, „ihr nehmt den Mercedes. Die getönten Scheiben werdet ihr dort unten brauchen.“ Scheinbar hatte es tatsächlich so seine Nachteile, dass ich Isabella nicht ausstehen konnte. Wäre ich an Alice‘ Stelle, müsste ich jetzt wenigstens nicht mit dieser Rostlaube Vorlieb nehmen. So ein Mist.
„Wir nehmen den Jeep“, wurden meine Gedanken erneut von Carlisle unterbrochen, wobei sein ‚wir‘ Edward und Emmett einschloss. Zusammen würden die drei den Tracker jagen, während Esme und ich als Ablenkung fungieren sollten, damit er Isabella nicht aufspürte.
„Alice, werden sie anbeißen?“, wollte Carlisle noch abschließend wissen, um sich zu vergewissern, ob unsere Pläne überhaupt Erfolg haben konnten. Sämtliche im Raum Anwesenden starrten zu Alice, als ob unser aller Leben davon abhänge – was auf gewisse Weise ja auch der Wahrheit entsprach –, während sie völlig unbeweglich mit geschlossenen Augen da stand.
„Er wird dem Jeep folgen, die Frau dem Transporter. Danach müssten wir freie Bahn haben“, erklärte sie dann nach einer beinahe unerträglichen Minute des Wartens.
„Dann los“, gab Carlisle das Startsignal und ging in die Küche, um gemeinsam mit Emmett und Edward das Haus durch die Hintertür zu verlassen. Während Edward ein letztes Mal Isabella an sich zog und sie mit einer Leidenschaft zum Abschied küsste, die ich ihm in dieser Form gar nicht zugetraut hätte, wandte ich mich Emmett zu.
„Pass auf dich auf“, murmelte ich so leise, dass ich mir sicher sein konnte, dass meine Worte wirklich nur an seine Ohren drangen. Er nickte kurz, bevor er in derselben Lautstärke antwortete:
„Du auch.“ Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich etwas wie Besorgnis in seinen sonst so unbeschwerten Augen aufblitzen, doch noch ehe ich mir meiner Beobachtung wirklich sicher war, hatte er schon wieder ein typisch verschmitztes Grübchenlächeln aufgesetzt, bei dessen Anblick mir ganz warm ums Herz wurde.
„Aber keine Angst“, flüsterte er, seine Lippen so nah an meinem Ohr, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte. „Den Kerl schaffen wir mit links.“ Bevor ich noch etwas erwidern konnte, war er auch schon verschwunden. Die brennende Spur, die sein Abschiedskuss auf meiner Wange hinterlassen hatte, ließ mich mit aller Kraft hoffen, dass dies nicht der letzte gewesen war. Ich wusste, ich würde es nicht ertragen, Emmett zu verlieren. Niemals.

Zusammen mit meinem großen Liebling hatte auch Edward das Haus verlassen; jetzt hieß es nur noch abwarten, bis Carlisle sich wieder bei uns meldete, was aber schätzungsweise nicht allzu lange dauern sollte.
Und richtig, bereits eine halbe Minute später vibrierte Esmes Handy und Carlisles Stimme ertönte am anderen Ende der Leitung:
„Ihr könnt los; er folgt uns.“
„Jetzt“, sagte Esme daraufhin laut, damit auch Isabella Bescheid wusste, und ohne mich noch einmal zu dem Mädchen oder zu Alice und Jasper umzudrehen, verließ ich das Haus und schritt hoch erhobenen Hauptes zu dem lädierten Transporter, der in der Einfahrt parkte.
„Und so was nennt sich tatsächlich ‚Auto‘…“, murmelte ich, als ich die Fahrertür öffnete und diese mir mit einem fürchterlichen Quietschen antwortete, das mir die Haare zu Berge stehen ließ.
„Es fährt, das ist das Wichtigste“, erwiderte Esme, während sie mit beiläufiger Eleganz auf den Beifahrersitz glitt. Der leichte Tadel, der in ihrer Stimme mitschwang, war nicht zu überhören. Ich seufzte noch einmal leicht theatralisch auf und startete dann den Motor, der Gott sei Dank gleich ansprang – allerdings klangen die Geräusche, die er von sich gab, in höchstem Maße ungesund.
„Das darf doch nicht wahr sein“, fluchte ich, während wir schwerfällig über die Auffahrt holperten. „Da wär Isabella ja zu Fuß schneller!“
„Rose, bitte…“ Obwohl Esme genauso liebevoll wie immer klang, war ihr ihre Nervosität deutlich anzumerken.
„Was?“, fauchte ich zurück, biestiger als eigentlich beabsichtigt. „Ich mach‘ doch, was ihr wollt, oder nicht? Muss ich mich da jetzt etwa auch noch drüber freuen?!“ Nun war Esme an der Reihe, ihre Gefühle in Gestalt eines tiefen Seufzers zum Ausdruck zu bringen.
Die Geduld, die sie seit meiner Verwandlung mit mir hatte, war schier grenzenlos. Egal, was passierte, immer war Esme für mich da und wenn sie dafür ihre eigenen Bedürfnisse hinten anstellen musste, dann nahm sie das in Kauf, ohne sich zu beschweren. Überaus selten kam es vor, dass sie sich ihre Unzufriedenheit anmerken ließ – jetzt war jedoch einer dieser Momente, was mir den Ernst der Lage noch einmal vor Augen hielt. Also riss ich mich zusammen und fuhr ohne einen weiteren Kommentar auf den Highway.
„Wohin jetzt?“
„Immer in Richtung Küste“, erklärte mir Esme ruhig. „Aber mach‘ um Himmels Willen einen Bogen um La Push.“
Als ob es nötig gewesen wäre, mich darauf noch einmal extra hinzuweisen. Ich war schließlich dabei gewesen, als wir den Vertrag mit den ansässigen Rothäuten geschlossen hatten, der besagte, dass wir uns um des Friedens Willen von ihrem Gebiet fernhalten sollten. Allein der Anblick dieser monströsen Wölfe war für mich damals schon Warnung genug gewesen, da bedurfte es keiner weiteren Erinnerung.

So fuhren wir eine Weile. Schweigend, weil jegliche Bemerkung von meiner Seite die Anspannung, die im Augenblick auf uns lastete, wohl kaum gelindert hätte, und Esme sich voll auf die draußen vorbeiziehende Landschaft konzentrierte.
„Folgt sie uns?“, fragte ich, die Augen immer noch stur geradeaus auf die Straße gerichtet.
„Ja“, bestätigte Esme. „Allerdings hätte ich sie anfangs fast übersehen; sie ist wirklich schnell.“ In Bezug auf Victorias Geschicklichkeit musste ich ihr Recht geben. Als ich einen Blick zur Seite warf, konnte ich zwischen den Bäumen des angrenzenden Waldes zuerst nur einen verschwommenen Schatten ausmachen, der sich immer einige Meter hinter uns hielt, und nur wenn mitunter ein Hauch von Rot hervorblitzte, war es möglich, diese Erscheinung unserer Verfolgerin zuzuordnen.
„Was meinst du, wie lange es dauern wird, bis sie merkt, dass das Mädchen nicht bei uns ist?“ Esme zuckte mit den Schultern.
„Nicht allzu lange, denke ich. Wir müssen sie auf jeden Fall im Auge behalten.“
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Beitrag  Rose_fan 4 ever So 30 Sep 2012, 22:13


27. Das Richtige tun

Es zeigte sich, dass Esme mit ihrer Prognose Recht behalten sollte. Victoria schien auf Nummer Sicher gehen zu wollen, denn sie folgte uns tatsächlich noch satte zwei Stunden in gebührendem Abstand. Trotzdem entschloss sie sich letztlich dazu, dass diese Hatz sie nicht zum Ziel bringen würde, und verschwand endgültig zwischen den Bäumen.
Sobald feststand, dass unsere Ablenkung keinen Sinn mehr hatte, wendete ich den Transporter mitten auf dem Highway in einem derart waghalsigen Manöver, dass Esme darüber nur den Kopf schütteln konnte, und fuhr so schnell, wie es diese Schrottlaube zuließ, zurück nach Forks. Ich parkte den Transporter in unserer Einfahrt, wo Chief Swan ihn sicher nicht zufällig entdecken würde, sprang hinaus und lief dann an Esmes Seite zu dem Haus, in dem Edwards Liebchen mit ihrem Vater wohnte. Früher oder später würde die Rothaarige wieder hier auftauchen und dann musste wenigstens eine von uns zur Stelle sein, um sie im Notfall davon abzuhalten, sich einen kleinen Snack in Form des Chiefs zu gönnen.
Und tatsächlich – keine Viertelstunde später sah ich sie auch schon vorsichtig ums Haus herumschleichen. Sie schien uns noch nicht bemerkt zu haben, denn ansonsten hätte sie wohl eher das Weite gesucht, immerhin waren wir in der Überzahl. Allerdings machte sie keinerlei Anstalten, in das Haus einzudringen, obwohl es ihr als Vampir natürlich ein leichtes gewesen wäre. Stattdessen begnügte sie sich damit, durch diverse Fenster hineinzusehen und den Rest des Grundstücks abzusuchen, was Esme und mich dazu zwang, uns etwas weiter zurückzuziehen, damit Victoria uns nicht entdeckte.
Schließlich zog die rote Gefahr von Dannen, ohne auch nur in die Nähe von Isabellas Vater gekommen zu sein, und während Esme zur Sicherheit weiterhin vor dem Haus der Swans wachte, heftete ich mich unauffällig an ihre Fersen.

Victoria folgte bei ihrer Suche keinem bestimmten Muster, soweit ich das beurteilen konnte. Ihre Versuche, Isabellas Spur aufzunehmen, verliefen scheinbar nacheinander allesamt im Sand und das, obwohl sie sämtliche Straßen, die Forks und Umgebung aufzuweisen hatten, untersuchte, und sogar in die Forks High School einbrach.
>>Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte, als auch noch nachts zur Schule zu gehen<<, dachte ich genervt, während ich vorsichtig über das verlassene Gelände huschte. Es grenzte beinahe an ein Wunder, dass Victoria noch nicht auf mich aufmerksam geworden war – obwohl man mir zu Gute halten musste, dass ich mich überaus geschickt anstellte, was diese Art von Verfolgungen betraf. Ich wollte allerdings gar nicht erst daran denken, was passieren würde, wenn sie mich trotz meiner Vorsicht entdeckte. Denn ohne eins meiner Familienmitglieder an meiner Seite konnte diese Aktion durchaus gefährlich für mich werden, schließlich hatte ich keinen blassen Schimmer, wie erfahren die Rothaarige im Kampf war. Kein Wunder also, dass meine Gedanken in dieser Nacht unermüdlich um eine für mich äußerst typische Frage kreisten: Warum tat ich das hier eigentlich? Es war eine Sache, Isabella zu tolerieren – und selbst davon war ich meines Erachtens noch meilenweit entfernt –, jedoch war es eine andere, tatsächlich mein eigenes Leben für dieses Mädchen aufs Spiel zu setzen, das mir noch immer ein Dorn im Auge war. Warum also ließ ich es nicht einfach bleiben? Es wäre so einfach. Ein paar Schritte in die andere Richtung und das Isabella-Problem war vielleicht für immer aus der Welt geschafft und das ganz ohne mein Zutun. Etwas hielt mich jedoch davon ab, auf diese Weise zu handeln. Etwas, das eine erschreckende Ähnlichkeit zu meinem Gewissen aufwies, jedoch den Namen Edward trug. In diesem speziellen Fall käme die so simpel scheinende Lösung des Nichtstuns nämlich leider einem Mordversuch an Isabella gleich, was mit Sicherheit höchst unangenehme Folgen für meine körperliche Unversehrtheit mit sich brachte. Es kam also nicht in Frage, Victoria auch nur einen Augenblick aus den Augen zu lassen, wenn ich nicht riskieren wollte, Edwards Zorn auf mich zu ziehen. Wenn ich also nur die Wahl hatte, mich entweder von der Rothaarigen oder von meinem eigenen Bruder zerstückeln zu lassen – nun, dann entschied ich mich doch lieber für die erste Möglichkeit, da rechnete ich mir deutlich größere Chancen aus, die Prozedur zu überleben.

Inzwischen hatten wir die Schule verlassen, nachdem Victoria auch dort keine nennenswerten Erfolge hatte verbuchen können – zumindest nahm ich das an, denn sie wirkte zusehend unzufriedener, soweit ich das aus der Ferne beurteilen konnte. Sie hinterließ auf jeden Fall mehr Spuren als zuvor, was auf eine Mischung aus Ungeduld und Eile schließen ließ.
Es dauerte nicht lange, bis wir die nächste Station unseres nächtlichen Unternehmens erreichten – den örtlichen Flugplatz. Hier würde Victoria erst recht nichts finden, schließlich wurde er, soweit ich wusste, überwiegend für Privatflugzeuge und vielleicht ab und an einmal für einen medizinischen Notfall genutzt. Ich sah keinen Grund dafür, weshalb Isabella jemals hier gewesen sein sollte, denn reguläre Flüge nach Forks waren schlichtweg nicht existent. Man musste, wenn man denn unbedingt fliegen wollte, den Umweg über Port Angeles nehmen. Allerdings schien Victoria partout nicht einsehen zu wollen, dass ihre Suche hier völlig aussichtslos war. Sie durchstöberte das Gelände so gründlich, dass ich schon dachte, sie wollte auch noch das letzte Staubkorn umdrehen, bevor sie endlich aufgab und sich fürs Erste zurückzog, und da Esme mir eingeschärft hatte, sie nicht einmal einen Augenblick lang aus den Augen zu lassen, während sie selbst den Chief überwachte, folgte ich Victoria auch wieder zurück in die Wälder, obwohl mir vollkommen klar war, dass dieser Trip weder ihr noch mir zu irgendwelchen bahnbrechenden Erkenntnissen verhelfen würde.
Und richtig – nachdem wir noch einige Zeit scheinbar ziellos zwischen den Bäumen umhergeirrt waren, schlug Victoria einen Bogen und wir kamen wieder genau dort raus, wo die Suche vor wenigen Stunden begonnen hatte: In dem Wald, der an das Haus der Swans grenzte. Allerdings machte die rothaarige Vampirin noch immer keine Anstalten, sich über den Chief herzumachen. Stattdessen verschanzte sie sich in einem der Bäume und beobachtete von ihrem Aussichtsplatz aus das Haus, in dem sich immer noch nichts regte. Kein Wunder – die Sonne ging schließlich gerade erst auf und ich schätzte den örtlichen Chief nicht als einen Mann ein, der mit dem ersten Singvogel sofort aus dem Bett hüpfte.
Um ehrlich zu sein wäre es mir jedoch lieber gewesen, wenn Victoria wenigstens irgendetwas gemacht hätte. Die Langeweile, die mich überkam, während ich sie bei dieser stumpfsinnigen Tätigkeit von weitem beobachtete, war kaum auszuhalten. Wie viel sinnvoller wäre es gewesen, wenn ich mit den anderen Jagd auf James hätte machen dürfen – aber nein, das war Männersache. Natürlich. Ich war nur gut genug für ein bisschen Spionieren und selbst dabei übernahm Esme die Hauptaufgabe, denn was Isabella betraf, traute man mir nicht. Zu Recht, wie ich leider zugeben musste, aber trotzdem – ich hatte es deshalb noch lange nicht verdient, derart vom eigentlichen Geschehen ausgeschlossen zu werden. Zu allem Überfluss fing es nun auch noch an, zu regnen. Nicht, dass mir die Nässe als Vampir groß was ausmachen würde, nur meine Haare entwickelten sich zu einem solchen Desaster, dass ich ausnahmsweise einmal froh war, dass mich niemand so sehen konnte. Wenigstens sah ich noch immer weitaus besser aus als Victoria – sie trug den halben Wald in ihren verkletteten roten Strähnen spazieren. Typisch Nomadin. Diese Leute hatten einfach keinen Sinn dafür, wie man sich ordentlich anzog – ganz zu schweigen von dem für manche Menschen oder auch Vampire höchst komplizierten Unterfangen, sich gekonnt zu frisieren.
Doch dann, als ich mich gerade fragte, warum zu den Haupteigenschaften von Vampiren nicht auch schnelltrocknende Haare gehören konnten, tat sich beim Haus der Swans endlich etwas. Isabellas Vater trat heraus, blieb einen Moment stehen und blickte mit trübseliger Miene auf den Platz, wo der Transporter seiner Tochter normalerweise geparkt war. Dann zog er die Tür hinter sich zu – als Chief müsste er doch wissen, dass dadurch nicht mal die unfähigen Verbrecher dieses Kaffs aufgehalten wurden – und stieg in seinen eigenen Wagen, um sich zur Arbeit aufzumachen. Dabei merkte er nicht, dass ihm ein Schatten in Gestalt meiner Mutter folgte, die sich vergewisserte, dass er auch tatsächlich in Sicherheit war, während ich weiter in meinem Versteck verharrte und auf irgendeine Reaktion von Victorias Seite wartete. Sie schien sich jedoch erst davon überzeugen zu wollen, dass Papa Swan auch tatsächlich nicht mehr zurückkam, denn sie wartete noch einige Minuten in ihrem Baum, bevor sie sich erneut vorsichtig an das Haus heranpirschte. Dieses Mal beließ sie es allerdings nicht dabei, lediglich durch die Fenster zu sehen. Stattdessen hangelte sie sich elegant an der Regenrinne hoch – genauso wie ich wenige Monate zuvor, als ich Edward nach dem unangenehmen Glastisch-Unfall hinterherspioniert hatte – und kletterte durch eines der Fenster, das der Chief leichtsinnigerweise halb geöffnet gelassen hatte.
>>Meine Güte, die Polizisten sind heutzutage auch nicht mehr das, was sie mal waren<<, dachte ich, kopfschüttelnd über so viel Dummheit. Aber wie auch immer, ich konnte im Augenblick nicht mehr tun als abzuwarten. Es wäre mehr als nur unvorsichtig, Victoria auch noch in das Haus hinein zu folgen, weshalb ich mich weiterhin im Hintergrund hielt, so sehr es mich auch langweilte.
Während die Rothaarige wahrscheinlich damit beschäftigt war, im Haus nach Hinweisen über Isabellas momentanen Aufenthaltsort zu fahnden, konnte ich mich nun voll und ganz darauf konzentrieren, meinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Immerhin wurde ich jetzt noch nicht einmal mehr von ihrem unvorteilhaften Erscheinungsbild abgelenkt und das stellte in jedem Fall eine Verbesserung dar, obwohl meine Beschäftigung dadurch auf keine Weise weniger eintönig wurde. Im Gegenteil – nun, da der Chief seinen Wohnsitz verlassen hatte, war meine Aufgabe wenn möglich noch nutzloser geworden. Was sollte hier schließlich noch groß passieren? Auf jeden Fall nichts Weltbewegendes – außer Victoria entschloss sich in einem Anfall von Frustration dazu, das Haus anzuzünden oder über die Nachbarn herzufallen. Das war aber eher unwahrscheinlich. Also was zum Teufel sollte ich dann noch hier?
>>Und wieder bin ich bei der Eine-Millionen-Dollar-Frage angekommen. Na toll!<< Es ärgerte mich tierisch, dass ich von dieser Frage nicht loskam, schließlich folgte ich Victoria so oder so, der Grund dafür sollte demzufolge eigentlich nicht weiter wichtig sein. Doch egal, was ich auch tat, ich kam immer wieder darauf zurück. Woran lag das nur?
>>Daran, dass du nicht zugeben willst, dass du es auch für sie tust<<, flüsterte eine gehässige Stimme in meinem Kopf. Sollte das etwa die Antwort sein? So was Dämliches! Warum zur Hölle sollte ich mich auch nur im Geringsten für Isabellas Wohlbefinden interessieren? Ich tat das hier nicht für sie, ich tat es für Edward. Für die Familie. Für mich. Und doch, ich konnte nicht anders, als diesen Gedanken weiterzuverfolgen. Egal, wie absurd es sich auch anhörte, ich musste zugeben, dass darin wenigstens ein kleines Fünkchen Wahrheit steckte, schließlich konnte ich nicht leugnen, dass sich in mir am Abend zuvor eine Art Beschützerinstinkt für sie entwickelt hatte. Auch, wenn dieses Gefühl nur von äußerst kurzer Dauer gewesen war…
>>Verdammt, das darf doch nicht wahr sein!<< Es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte vor lauter Groll die letzten Worte laut herausgeschrien. Da hatte ich mich monatelang gegen die Isabella-Invasion gewehrt und das nur, um jetzt feststellen zu dürfen, dass all meine Bemühungen völlig umsonst gewesen waren? Frustriert raufte ich mir die ohnehin schon ruinierten Haare. Wie hatte das nur passieren können? Wie hatte ich mich selbst nur so sehr täuschen können? Ich mochte das Mädchen nicht – und daran würde sich auch nichts ändern, soviel stand fest –, aber in meiner Eifersucht hatte ich mich so sehr in meinen Hass auf sie hineingesteigert, dass ich förmlich blind für jegliche andere Gefühle gewesen war. Ich hatte mich tatsächlich erst so langweilen müssen wie heute, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen. So wenig ich das Mädchen auch ausstehen konnte, so konnte ich sie dennoch nicht wirklich hassen. Sie war ein kleines, dummes Menschenmädchen, das nicht den blassesten Schimmer von Mode hatte, aber das waren definitiv nicht genügend Gründe, um derartige Mordgelüste gegen sie zu hegen, und solange mich niemand dazu zwang, mich mit ihr anzufreunden, würde ich mich wohl oder übel mit ihr abfinden müssen. Es war endlich an der Zeit, sie als Teil meiner Familie zu akzeptieren. Es war an der Zeit, das Richtige zu tun.
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Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht - Seite 2 Empty Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht

Beitrag  Rose_fan 4 ever Mi 31 Okt 2012, 22:13


28. Einsamkeit

Die nächsten Stunden zogen sich hin wie Kaugummi. Was zum Teufel trieb Victoria nur da drin? Die bahnbrechende Erkenntnis, die ich durch das lange Ausharren auf meinem Posten gewonnen hatte, trug auch nicht gerade dazu bei, meine Laune zu heben – im Gegenteil. Ich wurde von Minute zu Minute gereizter und brannte darauf, mich irgendwie abzureagieren. Jemandem den Kopf abzureißen wäre jetzt zum Beispiel nicht schlecht, aber nein, daran ließ man mich ja nicht teilhaben…
Immer und immer wieder kreisten meine Gedanken um dieselben Themen, bis ich schier wahnsinnig wurde. Ich war kurz davor, die Festung in Form des Hauses der Swans zu stürmen, als ich in der Ferne das Geräusch des Streifenwagens, den der Chief fuhr, ausmachte.
>>Na endlich!<< Victoria schien es auch gehört zu haben, denn sie erschien am Fenster, landete mit einem Sprung katzengleich auf dem Rasen und verschwand erneut zwischen den Bäumen. Erst dachte ich, sie wolle sich zur Abwechslung vielleicht einmal einer interessanten Beschäftigung widmen, aber nein, sie bezog nur wieder ihren Beobachtungsposten auf dem Baum. Meine Güte, wie geduldig konnte ein Vampir denn sein? Was langweiliges Herumsitzen und Observieren betraf, hatte sie mir auf jeden Fall so einiges voraus.
Im Gegensatz zu ihr hatte ich das einsame Warten jedoch inzwischen gründlich satt, weshalb ich mich vorsichtig etwas näher ans Haus heranschlich, wo Esme sich versteckt hielt, von wo aus ich die Rothaarige aber immer noch im Blick hatte. Eine Weile standen wir einfach nur so nebeneinander und konzentrierten uns auf unsere jeweilige Aufgabe, bis Esme plötzlich leise meinte:
„Ich kann jetzt eigentlich auch allein weitermachen. Du kannst nach Hause gehen, wenn du willst. Sollte ich deine Hilfe brauchen, rufe ich dich einfach an.“
„Bist du sicher? Zu zweit sind wir schließlich im Vorteil“, äußerte ich besorgt. Zwar war ich einerseits erleichtert, dass ich mich endlich verziehen durfte, doch andererseits könnte ich es mir nie verzeihen, sollte Esme aufgrund meiner Abwesenheit etwas zustoßen.
„Ich glaube nicht, dass wir uns Sorgen machen müssen. Es scheint so, als sei es nicht ihre Absicht, jemanden zu verletzen. Sie ist schließlich noch nicht einmal in die Nähe von Bellas Vater gekommen, obwohl sie es durchaus gekonnt hätte. Außerdem muss sie uns eigentlich bemerkt haben, aber trotzdem hat sie keinen Angriff gewagt. Auch nicht, als du allein hier warst, oder?“ Ich schüttelte den Kopf. Esme hatte Recht, Victoria hatte tatsächlich nichts dergleichen versucht, obwohl sie mir rein kräftemäßig sicher mindestens ebenbürtig war. Zwar hatte ich die ganze Zeit gedacht, sie hätte mich einfach nicht gesehen, aber wenn ich jetzt so überlegte, ging mir auf, wie unwahrscheinlich das eigentlich war. Kein Vampir, der alle seine Sinne beisammen hatte, wäre in solch einer Situation derart unaufmerksam. Esmes Schlussfolgerungen klangen daher durchaus logisch. Komisch, dass ich nicht selbst darauf gekommen war. Also entschloss ich mich dazu, das Angebot meiner Mutter anzunehmen und das Feld zu räumen. Im Notfall war ich schließlich über mein Handy erreichbar, wie Esme schon ganz richtig festgestellt hatte, viel passieren konnte daher eigentlich nicht.
„Auf deine Verantwortung“, sagte ich noch rasch, bevor ich mich endlich in Richtung nach Hause davonmachte.

Es war eine Wohltat, mich endlich meiner feuchten, leicht verdreckten Klamotten zu entledigen und mir die langersehnte Dusche zu gönnen. Das hatte ich nach der Hetze- und Warterei im Regen wirklich nötig gehabt. Als ich jedoch etwa eine Stunde später fertig umgezogen ins Wohnzimmer kam, wurde ich mir mit einem Mal der bedrückenden Leere bewusst, die im Haus herrschte. Noch immer waren die metallenen Rollläden vor den Fenstern heruntergelassen, was mir ein Gefühl gab, als befände ich mich außerhalb der Öffnungszeiten in einer Art Museum. Nur mit dem Unterschied, dass hier noch nicht einmal ein Wachmann durch die Gänge patrouillierte. Hier war absolut niemand. Totenstille erfüllte das Haus bis in den letzten Winkel. Die Absätze meiner Schuhe machten auf den dicken Teppichen nicht das kleinste Geräusch, dafür drang der Klang meiner eigenen, eigentlich vollkommen überflüssigen Atemzüge überdeutlich an meine Ohren, begleitet von dem leisen Rascheln von Seide, als ich mich auf einem der Sofas niederließ. Es kam selten vor, dass ich tatsächlich ganz allein zu Hause war, und normalerweise genoss ich diese Momente der vollkommenen Ruhe, doch nicht heute. Heute spürte ich nichts weiter, als niederschmetternde Einsamkeit. Waren meine Gedanken innerhalb der letzten langen Stunden überwiegend um die Ungerechtigkeit gekreist, die mir widerfuhr, so liefen sie jetzt in völlig entgegengesetzten Bahnen. Sorge stellte sich dort ein, wo vorher nur Ärger und Ungeduld gewesen waren. Sorge um meine Familie, Sorge um Emmett. Ich begann, darüber nachzudenken, was alles passieren könnte, wenn der Plan aus irgendeinem Grund schief ginge. Wenn einem von ihnen trotz aller Vorsichtsmaßnahmen etwas zustieße. Wenn Esme von Victoria überwältigt würde und nicht an ihr Handy herankäme. Wenn der Tracker Isabella in eine Falle lockte und Edward bei dem Versuch, sie zu retten, selbst umkäme. Wenn Emmett wieder zu leichtsinnig wäre… Einen Moment lang erwog ich, ihn anzurufen, doch ich verwarf den Gedanken gleich wieder. Viel zu gefährlich. Das bloße Klingeln eines Handys konnte so verräterisch sein… Aber warum zur Hölle hatte er sich noch nicht bei mir gemeldet? Ich wusste natürlich, dass er momentan zusammen mit Edward und Carlisle ausschließlich mit dem Jagen des Trackers beschäftigt war, aber ein klitzekleiner Anruf? War das zu viel verlangt? Was war so schwer an einem simplen „Hey Süße, wir leben noch. Alles läuft nach Plan!?“ Doch wie ich Emmett kannte, kam er wahrscheinlich gar nicht erst auf die Idee, dass ich mir Sorgen machen könnte. Warum auch? Für ihn war das nichts weiter als ein Spiel. Eine weitere Art, sein Können unter Beweis zu stellen. Und wenn tatsächlich etwas passiert wäre, hätte mir sicher jemand Bescheid gesagt.
Ich sollte wirklich aufhören, mich verrückt zu machen. Das kam alles nur daher, dass ich schon wieder untätig herumsaß. Etwas Ablenkung würde mir mit Sicherheit gut tun, also setzte ich mich kurzerhand an den Flügel und begann, zu spielen. Die Musik verdrängte die unangenehme Stille und erfüllte nun an ihrer statt das Haus. Ich war so vertieft in die unzähligen Melodien, die durch meine Hände miteinander verschmolzen und mit einer schier unglaublichen Schönheit wieder auseinanderliefen, dass ich alles um mich herum völlig vergaß. Isabella, der Tracker, Emmett, das alles verschwand in einem klingenden Wirbel von Harmonien.

Als ich etliche Stunden später nach einer ausgiebigen Jagd wieder am Haus ankam, fühlte ich mich schon wesentlich besser. Mit dem Brennen in meiner Kehle waren durch die Blutzuführung auch die deprimierenden Gedanken fürs Erste beiseite gedrängt worden. Doch plötzlich stutzte ich. Ich war mir nämlich hundertprozentig sicher, dass ich das Haus nicht so hell erleuchtet zurückgelassen hatte – und auf keinen Fall hatte ich die automatischen Rollläden wieder hochgefahren.
„Was zur Hölle?!“ Aber dann hörte ich die Stimmen und mit einem Mal breitete sich eine altbekannte Wärme von meiner Mitte bis in die Fingerspitzen aus. Freudig erregt erhöhte ich mein Tempo noch ein wenig und stürmte ins Wohnzimmer, wo ich als allererstes Emmett um den Hals fiel. Ohne auch nur einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, was die drei Jäger plötzlich wieder hier machten, küsste ich den meinen mit einer Leidenschaft, die locker für zehn Vampire gereicht hätte. Es kam mir vor, als sei er nicht einen Tag, sondern mindestens einen ganzen Monat weggewesen.
„Ich unterbreche euch ja höchst ungern“, ertönte etwas später Carlisles Stimme, begleitet von einem leisen Hüsteln, „aber wir sollten uns jetzt vielleicht dringlicheren Dingen zuwenden.“ Emmett mochte sich trotz Carlisles kleiner Ermahnung offensichtlich genauso wenig von mir lösen, wie ich mich von ihm, weshalb er sich kurzerhand aufs Sofa setzte und mich auf seinen Schoß zog. Glücklich schmiegte ich mich in seine starken Arme, während Carlisle weitersprach:
„Du wirst dich wahrscheinlich gefragt haben, warum wir zurückgekommen sind, Rose.“ Oh … ja … irgendwann zwischen zwei Küssen war mir diese Frage tatsächlich doch noch in den Sinn gekommen.
„James ist uns leider entkommen. Er hat in Seattle ein Flugzeug bestiegen und wir vermuten, dass er zum jetzigen Zeitpunkt bereits wieder hier ist, um noch einmal von vorn mit seiner Suche anzufangen.“ Jetzt hatte er wieder meine volle Aufmerksamkeit.
„Aber hier gibt es keine Spuren! Ich habe die Rothaarige die ganze Nacht verfolgt und sie hat definitiv nichts gefunden, das wäre mir mit Sicherheit aufgefallen.“
„Das wissen wir“, erklärte Carlisle gewohnt ruhig. „Esme hat mich heute Morgen kurz angerufen, während sie Bellas Vater bewachte, und auf den neusten Stand gebracht. Aber es gibt kaum eine andere Möglichkeit; James kann nicht wissen, wohin wir Bella gebracht haben.“
„James…“ Ich schnaubte abfällig. „Warum nennst du ihn nicht ‚den Tracker‘, wie wir anderen auch? Er ist keiner von uns.“
„Aber er könnte es sein. Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass es sich bei ihm um einen Angehörigen unserer eigenen Art handelt. Die Jagd liegt nun mal in seiner und auch in unserer Natur.“ Ich konnte nicht anders, als ein zweites Mal zu schnauben. Dieses Mal ungläubig.
„Er ist ein Monster.“
„Das sind wir alle“, entgegnete Carlisle schlicht. „Egal, wie sehr wir uns anstrengen, besser als die anderen zu handeln, so bleiben wir im Grunde doch wir selbst. Vampire.“ Ich seufzte. Es hatte keinen Zweck, gegen Carlisles Argumente ankommen zu wollen, denn natürlich hatte er Recht mit dem, was er sagte. Ich sträubte mich jedoch dagegen, den Tracker auf diese Weise zu sehen. Carlisle machte es sich nicht einfacher, indem er ihn beim Namen nannte, obwohl er genau wusste, dass er ihn in naher Zukunft würde auslöschen müssen. Doch so war er nun einmal, ohne diesen unglaublich guten und menschlichen Zug wäre er nicht der Carlisle, der uns erschaffen hatte.
„Jedenfalls“, schaltete Emmett sich ein, bevor ich mich doch noch mehr in dieses heikle Thema hineinsteigern konnte, „sind wir zurückgekommen, um ganz sicher zu gehen, ob er nicht vielleicht doch wieder hier ist. Eine andere Möglichkeit haben wir schließlich nicht.“
„Esme passt weiter auf Bellas Vater auf, bis wir diese Möglichkeit ganz ausgeschlossen haben“, ergänzte Carlisle. Ich nickte; das ergab Sinn.
Während ich noch überlegte, wie ich meiner Familie am besten zur Seite stehen konnte, bemerkte ich plötzlich, dass Edward sich bis jetzt noch gar nicht an unserem Gespräch beteiligt hatte. Er stand schon die ganze Zeit über einer Statue gleich mitten im Raum und blickte ins Leere, ohne uns auch nur irgendwelche Beachtung zu schenken. Mir fiel auf, dass er noch mutloser wirkte, als es gestern schon der Fall gewesen war. Nicht das kleinste Fünkchen Hoffnung war in seinen Zügen zu erkennen; er sah so aus, als ob ein Teil von ihm sein Mädchen bereits aufgeben hätte.
„Das habe ich nicht!“, zischte er plötzlich, worauf ich erschreckt zusammenzuckte. Für einen Moment hatte ich tatsächlich vergessen, dass er ja jeden einzelnen meiner Gedanken hören konnte.
„Dann hör auf, so wehleidig zu gucken, wie ein junger Hund, dem man auf den Schwanz getreten hat“, erwiderte ich in meiner gewohnt direkten Art. Zu meinem Erstaunen ließ Edward das Gesagte jedoch gänzlich unkommentiert, allerdings änderte sich in der nächsten Zeit auch nichts an seinem depressiven Verhalten.

In den frühen Morgenstunden klingelte plötzlich Carlisles Handy und die Stimme meiner Schwester ertönte am anderen Ende:
„Ich hatte wieder eine Vision. Der Tracker war im Haus von Bellas Mutter.“ Erschreckt warf ich einen Blick zu Edward, der ein Gesicht machte, als habe Emmett ihm gerade überraschend einen heftigen Schlag in die Magengrube versetzt. Er machte Anstalten, Carlisle das Handy aus der Hand zu reißen, doch der machte eine abwehrende Geste und setzte das Telefonat fort.
„Und du bist dir wirklich sicher? Er weiß, dass sie in Phoenix ist?“
„Ja, er hat unser Manöver scheinbar durchschaut. Sie ist hier nicht mehr sicher.“
„Wir müssen sie wegbringen und verstecken“, schaltete sich Edward ein.
„Ja“, bestätigte Carlisle. „Alice, hast du gehört?“
„Natürlich. Wann kommt ihr?“
„Mit dem ersten Flug von Seattle, wir machen uns sofort auf den Weg.“
„Gut. Wir treffen uns am Flughafen. Ihr kümmert euch um Bella; Jasper und ich bleiben noch hier, um auf ihre Mutter Acht zu geben. Was macht die Rothaarige?“
„Beschattet immer noch Bellas Vater. Esme ist an ihr dran.“
„Okay, dann bis gleich.“ Es klickte in der Leitung, dann legte auch Carlisle auf. Das Gespräch hatte nur wenige Sekunden gedauert und doch waren wir dadurch jetzt ein ganzes Stück weiter als vorher.
Es dauerte nicht lange, bis die Männer erneut reisefertig waren. Schon lag ich in Emmetts Armen und verabschiedete mich von ihm. Zum zweiten Mal innerhalb von nur eineinhalb Tagen, das durfte auf keinen Fall zur Gewohnheit werden. Ich gab ihm noch einen letzten Kuss, bevor er mit Carlisle und Edward in Richtung Seattle verschwand und mich völlig allein im Wohnzimmer zurückließ. Schon wieder.
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Beitrag  Rose_fan 4 ever So 25 Nov 2012, 22:42


29. Komplikationen


Da ich nicht die geringste Lust dazu verspürte, erneut mutterseelenallein im Haus herumzusitzen, beschloss ich, Esme etwas Gesellschaft zu leisten. Allzu lange konnte die ganze Aktion ja eigentlich nicht mehr dauern, immerhin wussten wir dank Alice jetzt, wo der Tracker zu finden war.
Ich fand meine Mutter – welch eine Überraschung – beim Haus der Swans, wo sie ein Auge auf Victoria hielt, die es noch immer nicht aufgegeben hatte, den Chief zu beschatten – warum auch immer. Eine ganze Weile tat sich überhaupt nichts, so dass ich mich bereits fragte, was eigentlich so schlimm daran sein sollte, mich allein zu Hause aufzuhalten. Weder die Rothaarige noch Esme schienen sich in den letzten Stunden auch nur um einen Millimeter von der Stelle gerührt zu haben. Doch dann – es war gerade einmal sechs Uhr in der Früh – wurden wir plötzlich Zeugen, wie Victoria einen Anruf entgegennahm, und spätestens jetzt war endgültig klar, dass sie sehr wohl wusste, dass sie beobachtet wurde. Warum sonst sollte sie sich erst hektisch umsehen und dann den Mann am anderen Ende erzürnt anfahren, er solle doch gefälligst leiser sprechen? Doch auch ohne dass sie es sagte, war uns vollkommen klar, dass es der Tracker sein musste, mit dem sie sprach, denn beim Klang seiner Stimme war der Anflug eines Lächelns auf ihrem Gesicht zu erkennen gewesen und wem sonst sollte sie mit den Worten „In Ordnung, Liebling“ antworten? Mehr hatte sie der Vorsicht halber nicht gesagt und da auch ihr Gesprächspartner nach ihrer Ermahnung seine Stimme merklich gedämpft hatte, hatten wir auf die Entfernung nicht mehr von ihm mitbekommen können, als die liebevolle Begrüßung. Er nannte die Rothaarige doch tatsächlich Kätzchen, war das denn zu fassen? Schade, dass sich dieser offensichtliche Mangel an Kreativität nicht auch auf sein Jagdverhalten auswirkte, das hätte die Sache für uns erheblich einfacher gemacht. Das Gespräch mit ihrem Isabella jagenden Lover hatte jedoch auch durchaus etwas Gutes, denn es bewegte Victoria immerhin dazu, endlich von ihrem Baum herunterzukommen und sich zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder in Bewegung zu setzen. Ich signalisierte Esme, sie solle weiter darauf aufpassen, dass Papa Swan nicht zu Schaden kam, und heftete mich erneut an Victorias Fersen. Dabei achtete ich nicht mehr besonders darauf, ob sie mich denn nun sah oder nicht, denn wie Esme bereits gestern angemerkt hatte: Sie schien eine direkte Konfrontation um jeden Preis vermeiden zu wollen.

Einige Zeit später stand ich in Seattle am Flughafen und sah zu, wie die Rothaarige in ein Flugzeug nach Phoenix stieg. Ich wäre ihr nur zu gern auch noch dorthin gefolgt, schließlich brachte diese Maschine sie direkt an den Ort des Geschehens, doch Esme hatte mir auf meinen Anruf hin dringend davon abgeraten. Immerhin wären in Phoenix schon fünf von uns, irgendjemand müsse ja hier die Stellung halten. Natürlich hatte sie vollkommen Recht mit dem, was sie sagte. Auf einen mehr oder weniger kam es dort eigentlich nicht an, ich konnte also genauso gut hier bleiben. Mir behagte zwar die Vorstellung nicht, dass Emmett gegen den Tracker kämpfte und ich ihm nicht beistehen konnte, aber da keine unmittelbare Gefahr für ihn oder ein anderes Familienmitglied bestand, war das noch lange kein Grund, um ausgerechnet die Frau allein zu lassen, der ich mehr bedeutete als zu Lebzeiten meiner leiblichen Mutter. Deshalb machte ich mich, sobald Victorias Flugzeug gestartet war, schweren Herzens auf den Weg zurück nach Forks, wo Esme und ich nun endlich das Grundstück der Swans verlassen und zusammen in unser eigenes Haus zurückkehren konnten. Dem Chief der Stadt drohte keine Gefahr mehr.

Viertel vor zehn. Wenn alles glatt gegangen war, musste das Flugzeug, das unsere Männer genommen hatten, jetzt in Phoenix angekommen sein. Gespannt behielt ich die Wohnzimmeruhr im Auge, während ich darauf wartete, dass Carlisle endlich Entwarnung gab.
Zehn Uhr. Eigentlich müsste jetzt mal was passieren. Zumindest, wenn sie pünktlich gelandet waren.
Viertel nach zehn. Ich merkte, dass Esme neben mir zunehmend besorgter wirkte. Immer wieder wanderte ihr Blick zu dem silbernen Handy, das vor uns auf dem Tisch lag. Wann riefen sie endlich an?
Halb elf. Die Anspannung, die auf uns lastete, nahm langsam unerträgliche Ausmaße an.
„Verdammt, was ist bei denen los? Die müssen doch längst auf Alice und Jasper getroffen sein. So groß kann dieser Flughafen auch nicht sein und das Mädchen riecht man doch meilenweit!“ Esme nickte nur abwesend, scheinbar war der Sinn meiner Worte gar nicht richtig bei ihr angekommen. Ich konnte es ihr nicht verübeln. Es war inzwischen sogar so weit, dass ich selbst anfing, an meinem unfehlbaren Vampirverstand zu zweifeln. Hatte ich, was ihre Ankunft in Phoenix betraf, vielleicht einen Fehler gemacht? Oder hatte es eine Planänderung gegeben und man hatte einfach nur vergessen, uns davon in Kenntnis zu setzen? Aber nein, das war natürlich nichts weiter als haarsträubender Unsinn. Es war als Vampir schlichtweg nicht möglich, irgendetwas zu vergessen oder auch nur eine Uhrzeit zu verwechseln. Selbst, wenn ich gewollt hätte. Viertel vor zehn, diese Information hatte sich unauslöschlich in mein und auch in Esmes Hirn gebrannt. Irgendetwas musste schief gelaufen sein, sonst hätten sie sich längst gemeldet.
Da – endlich. Ich hielt das Handy bereits in der Hand, bevor Esme auch nur reagieren konnte.
„Sie ist weg!“ Das war Alice und sie klang furchtbar panisch.
„Was?“ Ich traute meinen Ohren kaum. Sie meinte doch nicht etwa …?
„Bella, sie ist weg! Jasper hat sie zur Toilette begleitet und sie muss zum Hinterausgang raus sein. Als ich sah, was sie vorhatte, war es bereits zu spät!“ Also doch.
„Ich wusste, dass so was passieren würde. Ich hatte schon im Hotel diese komische Vision. Warum habe ich nicht …?“„Alice!“, unterbrach ich meine Schwester mit scharfer Stimme, bevor sie noch völlig durchdrehte. „Wann ist das passiert?“
„Schon bevor die anderen hier angekommen sind. Sie ist jetzt bei ihm.“„Bei dem Tracker?“ Ein Schauer lief mir über den Rücken bei der Vorstellung, was er Isabella antun würde.
„Ja. Sie sind in dem Ballettstudio, in dem Bella früher Unterricht hatte.“ Mein erster Gedanke bei den Worten Isabella und Ballett war das Bild des Elefanten im Porzellanladen. Reichlich fehl am Platz. Dann erst ging mir auf, was meine Schwester gerade gesagt hatte.
„Du weißt, wo sie ist? UND WARUM ZUM TEUFEL TUST DU DANN NICHTS?“ Ich war kurz davor, eine schreckliche Wuttirade auf Alice loszulassen, doch sie unterbrach mich, bevor es soweit kommen konnte:
„Wir sind doch längst unterwegs! Aber dieses Studio ist nicht mal eben so um die Ecke und Bella hat einen Vorsprung.“ „Verdammt. Verdammt, verdammt, VERDAMMT!“ Ich war nicht mehr in der Lage, klar zu denken. Alles, was mir in den Sinn kam, waren schreckliche Verwünschungen, die ich mir in Gegenwart meiner Mutter besser verkneifen sollte.
„Gib mir bitte mal Esme“, verlangte Alice in dem Moment, als hätte sie meine Gedanken gelesen. Himmel, sie war doch nicht Edward! Es reichte, einen Gedankenleser in der Familie zu haben.
Stumm hielt ich Esme das Handy hin; ich hatte Angst, dass jedes weitere Wort von mir die Sorge, die ihren kompletten Körper zu beherrschen schien, noch verstärken könnte. Ich war noch nie besonders feinfühlig gewesen. Doch als meine Mutter das Handy nun ergriff und zu sprechen begann, wich mit einem Mal jede Spur von Angst aus ihrem Gesicht und machte einem anderen Gefühl Platz. Hoffnung. Sie verwandte all ihre Kraft darauf, ihre verzweifelte Tochter zu beruhigen, die eigenen Ängste spielten dabei keine Rolle. Jeder zweite Satz schien mit den Worten „Mach dir keine Sorgen“ anzufangen, um dann mit einem „Ihr schafft das schon“ aufzuhören. Warum klangen diese Floskeln aus ihrem Munde nur immer so überzeugend? Die Lösung lag auf der Hand. Weil sie jedes einzelne Wort ernst meinte. Sie glaubte tatsächlich an das, was sie sagte, und wenn man ihr so zuhörte, überkam einen dieses herrliche Gefühl, als könne einem nie wieder etwas Schlimmes passieren, wenn sie nur weitersprach. Sie schaffte es, selbst in der aussichtslosesten Situation ein Fünkchen Hoffnung zu entdecken. Zu schade, dass mir diese Gabe nicht vergönnt war. Ich war wohl einer der pessimistischen Vampire, die diese Welt je gesehen hatte – wenn man von Edward einmal absah. Aus diesem Grund konnte ich nicht anders, als die liebevolle Stimme meiner Mutter auszublenden und mich in aller Ruhe meinen eigenen deprimierenden Gedanken zu widmen. Esme mochte an all das glauben, was sie da von sich gab, aber ich tat es nicht. Ich glaubte nicht daran, dass alles gut werden würde. Ich glaubte noch nicht einmal daran, dass die anderen Isabella in einem Stück vorfinden würden, wenn sie schließlich in besagtem Ballettstudio ankamen. In meinen Augen war die Lage mehr als nur aussichtslos, schließlich wollte der Tracker Isabella nicht nur jagen, er wollte sie auch töten. Und nun, da sie ihm so bereitwillig in die Arme gelaufen war, hatte er das sicher längst getan. Vor meinem geistigen Auge lief eine Reihe von furchtbaren Bildern ab. Isabella leblos auf dem Boden eines großen Saals voller Spiegel. Edward, der sich über sie beugte und ihr das Haar aus dem bleichen Gesicht strich, wobei er die hässliche Halswunde entblößte, die der Tracker ihr beigebracht hatte. Alice, die schluchzend in Jaspers Armen lag und ohne Tränen weinte. Carlisle, der Edwards Bitte, ihn umzubringen, verwehrte…
Verdammt! Meine Fantasie ging mit mir durch. Ich hatte in all den Jahren, die ich nun auf dieser Erde weilte, definitiv zu viele schlechte Filme gesehen. Was sollte dieser Unsinn? Noch war schließlich nicht alles verloren. Vielleicht war es endlich mal an der Zeit, mir ein Beispiel an meiner Mutter zu nehmen und auf einen guten Ausgang der Geschehnisse zu hoffen. Denn wie hieß es noch so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt.
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Beitrag  Rose_fan 4 ever Mi 26 Dez 2012, 13:50


30. Wieder vereint

Es dauerte, bis wir endlich von dieser quälenden Ungewissheit erlöst wurden. Scheinbar endlose Minuten lang hingen wir in der Schwebe zwischen der Angst, dass der Tracker Isabella inzwischen schon getötet haben konnte, und der Hoffnung, dass wir uns irrten.
„Sie lebt“, sagte Esme mit fester Stimme, als sie meinen besorgten Blick auffing.
„Woher willst du das wissen? Du bist nicht Alice!“, erwiderte ich eine Spur zu verächtlich, doch Esme ließ sich davon nicht beirren.
„Nein, das bin ich nicht. Aber ich vertraue auf sie und den Rest unserer Familie“, erklärte sie und in ihren goldenen Augen konnte ich sehen, dass ihre Zuversicht nicht gespielt war. Sie glaubte tatsächlich an das, was sie sagte. Wie immer.
„Nun, ich hoffe, du hast Recht“, seufzte ich. „Ich will nämlich gar nicht wissen, was mit Edward passiert, falls du doch falsch liegst.“ Esme sagte darauf nichts mehr; sie nahm nur stillschweigend meine Hand und hielt sie fest. So fest, dass von den Fingern eines Menschen an meiner Stelle wohl nicht viel mehr als ein paar zerbröselte Knochen übrig geblieben wären, doch ich hielt ihrem Griff stand, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Denn ich wusste, sie brauchte das jetzt, da konnte sie äußerlich in diesem Moment noch so stark wirken. In ihrem tiefsten Inneren hatte auch sie schreckliche Angst.
Bevor ich mir jedoch noch mehr Gedanken machen konnte, erlöste uns bereits zum zweiten Mal innerhalb der letzten Stunde das Klingeln des Handys, das immer noch vor uns auf dem Tisch lag, und keine Sekunde später erklang auch schon Carlisles Stimme an meinem Ohr:
„Bella lebt; es geht ihr den Umständen entsprechend gut, ebenso wie uns anderen. Ihr braucht euch also keine Sorgen mehr zu machen. Es ist vorbei.“„Sie lebt?!“ Lächelnd drehte ich mich zu Esme um, als ich die frohe Botschaft vernahm. Die Erleichterung war ihr anzusehen; genau wie mir schien auch ihr in diesem Moment eine ganze Wagenladung Steine vom Herzen zu fallen. Das Mädchen lebte und mit ihr war auch unser Familienleben gerettet – fürs Erste zumindest.
Der erste Glücksrausch ging jedoch für meinen Geschmack viel zu schnell vorbei. Schon bald fiel ich wieder in alte Gewohnheiten zurück und begann, darüber nachzudenken, wo an Carlisles Worten der Haken war.
„Was bedeutet ‚den Umständen entsprechend‘ in diesem Fall genau? Ich meine, heißt das, dass es ihr tatsächlich gut geht oder nur, dass es dem Tracker nicht gänzlich gelungen ist, sie zu Hackfleisch zu verarbeiten?“
„Es geht ihr gut“, beruhigte mich Carlisle sofort. „Es gab nur … Komplikationen.“
„Komplikationen?“
„Er hat ihr ein Bein gebrochen, ein paar schwere Schnittwunden zugefügt und … sie gebissen.“
„WAS?!“ Nein, das durfte nicht wahr sein! Ich war vielleicht endlich bereit dazu, Isabella als einen Teil unserer Familie zu akzeptieren, wenn es denn unbedingt sein musste. Aber als Vampir? Niemals!
„Rose, beruhig dich, bitte. Ich sagte doch, Bella lebt. Es hat keine Transformation stattgefunden.“ Nicht?
„Aber … wie das?“, fragte ich verblüfft.
„Edward hat das Gift schnell genug heraussaugen können, bevor es sich in Bellas ganzem Körper ausbreiten konnte.“
„Oha…“ Ich konnte es kaum glauben, das musste eine unglaubliche Qual für meinen Bruder gewesen sein. Zwar hatte ich nie selbst menschliches Blut gekostet, aber ich erinnerte mich noch lebhaft an Emmetts Beschreibungen von den Frauen, deren Blut eine ähnlich starke Wirkung auf ihn gehabt hatte wie Isabellas auf Edward. Wie um Himmels Willen hatte er nur dem Drang widerstehen können, sie komplett auszusaugen? Ich konnte nicht anders, als ein gewisses Maß an Stolz für meinen Bruder zu empfinden. Noch vor ein paar Monaten war es schier unerträglich für ihn gewesen, bloß neben dem Mädchen zu sitzen und jetzt hatte er es geschafft, ihr Blut zu trinken, ohne sie umzubringen. Respekt.
„Und was ist mit dem Tracker?“, wollte ich noch wissen, da mir plötzlich eingefallen war, dass Carlisle dessen Schicksal mit keinem einzigen Wort erwähnt hatte.
„Tot“, erwiderte er knapp. „Emmett und Jasper haben sich seiner angenommen, während ich mich zusammen mit Alice und Edward um Bella gekümmert habe.“
„Gut so“, meinte ich, obwohl ich genau wusste, dass Carlisle diese Einstellung missbilligte. Doch zu meiner Überraschung sagte er nichts weiter dazu, sondern ging stattdessen zu einem anderen Thema über.
„Vor seinem Ableben hat er allerdings noch ein anderes Rätsel auflösen können.“
„Was denn für ein Rätsel?“
„Alice. James wusste, weshalb sie sich weder an ihr Menschenleben noch an den Prozess ihrer Verwandlung erinnern kann.“
„Aber … warum … woher?“ Das mit Alice war eine seltsame Sache und es hatte eine Zeit gegeben, in der sie förmlich besessen davon gewesen war, Dinge über ihre Vergangenheit herauszufinden, doch ohne Erfolg. Mittlerweile hatte sie sich damit abgefunden, dass sie nicht mehr über sich wusste als ihren Namen und nun tauchte einfach so mir nichts dir nichts jemand auf, der Licht in die Angelegenheit brachte? Das konnte doch unmöglich mit rechten Dingen zugehen.
„James war hinter her, als sie noch ein Mensch war. Ihr Blut hatte scheinbar eine ähnliche Wirkung auf ihn wie Isabellas auf Edward. Sie kann sich an nichts erinnern, weil sie aufgrund ihrer Visionen sehr lange Zeit im Dunkeln in einer Anstalt eingesperrt war. Einer der Pfleger dort hat sie verwandelt, um sie vor James zu retten.“ Ich brauchte eine Weile, bis ich das ganze Ausmaß dieser Erklärung erfassen konnte. Natürlich musste es ungeheuer wichtig für meine Schwester sein, dass James endlich Licht in ihre Vergangenheit gebracht hatte, aber das war noch nicht alles.
„Könnte es nicht sein, dass er auch deshalb so hartnäckig sein Ziel verfolgt hat, Isabella umzubringen? Ich meine, natürlich ist er ein Tracker und das erklärt eigentlich alles, aber es könnte für ihn doch auch eine Art Revanche gewesen sein. Weil er Alice damals nicht bekommen hat.“
„Es wäre eine Möglichkeit, ja“, meinte Carlisle nachdenklich. „Er hat so etwas auch zu Bella gesagt, wenn ich mich nicht irre.“
„Obwohl das eigentlich auch nicht mehr viel zur Sache tut, nicht wahr? Jetzt, wo James sowieso tot und Isabella euch sei Dank wohlauf ist. Wann kommt ihr denn wieder nach Hause?“
„Das ist noch nicht ganz klar. Ich denke, sobald Bella aus dem Krankenhaus entlassen werden kann. Es wäre nicht gut, sie jetzt einfach nach Forks zu verlegen. Schätzungsweise in einer Woche, vielleicht auch früher.“
„Eine Woche?“ Meiner Stimme war anzuhören, dass ich mit dieser Antwort alles andere als zufrieden war. Es war für mich schon schwierig genug, auch nur ein Wochenende ohne Emmett zu überstehen, eine ganze Woche ohne ihn war definitiv zu viel. Besonders nach der Aufregung der letzten zwei Tage. Nein, das konnte und wollte ich nicht akzeptieren. Obwohl mir vollkommen klar war, dass ich ziemlich überreagierte, wenn man bedachte, was für eine Katastrophe Carlisle und meine Geschwister gerade abgewendet hatten, machte ich mich dazu bereit, ersterem gehörig die Meinung zu sagen. Doch auf einmal erklang eine Stimme an meinem Ohr, die nicht die seine war:
„Rose?“
„Emmett!“ Ein Strahlen breitete sich auf meinem Gesicht aus und wenn er jetzt hier neben mir gestanden hätte, wäre ich ihm wohl erst mal um den Hals gefallen und hätte ihn so geküsst, wie es ihm als dem Mann gebührte, den ich gleich mehrere Male geheiratet hatte.
„Ich vermisse dich schrecklich. Es ist echt langweilig hier, jetzt, wo der Tracker kein Problem mehr für uns darstellt.“
„Und ich dich erst“, seufzte ich. „Ich weiß gar nicht, wie ich es noch so lange ohne dich hier aushalten soll.“ Am anderen Ende hörte ich Emmett lachen, bevor er antwortete:
„Das musst du überhaupt nicht. Ich hab mir gedacht, ich komme ein bisschen früher. Bella hat genug Leute hier, die ‚die Ruhe stören, die der Arzt ihr verordnet hat‘, zumindest sagt das Carlisle. Morgen Mittag bin ich wieder bei dir.“
„Wirklich? Das ist wunderbar! Ich freue mich schon unglaublich darauf, dich endlich wiederzusehen, Liebling. Es kommt mir vor, als seist du seit einer halben Ewigkeit weg, obwohl ihr erst heute Morgen geflogen seid.“
„Ja, mir auch. Das waren schon ein paar aufregende Tage… Du, ich muss Schluss machen. Gibst du mal bitte Esme das Handy, damit Carlisle mit ihr sprechen kann?“
„Natürlich.“
„Ich liebe dich, mein Engel. Wir sehen uns morgen.“
„Ich liebe dich noch viel mehr. Ich wüsste gar nicht, was ich ohne dich anfangen sollte.“ Die jüngsten Ereignisse hatten mir nur allzu deutlich ins Bewusstsein gerufen, wie leicht auch ein scheinbar unsterblicher Vampir das Zeitliche segnen konnte. Emmett lachte jedoch nur über meine Rührseligkeit, bevor er sich endgültig verabschiedete, indem er mir noch einen Kuss durch die Leitung zuwarf, und dann das Handy an Carlisle weiterreichte.

Am nächsten Tag fuhr ich zeitig los, um Emmett vom Flughafen abzuholen. Zwar war das eigentlich nicht zwingend notwendig, aber ich konnte den Gedanken, auch nur die eine Stunde zu verschwenden, die er brauchen würde, um von Port Angeles nach Forks zu gelangen, unmöglich ertragen.
Voller Ungeduld wartete ich darauf, dass seine Maschine endlich landete; ich konnte es kaum erwarten, ihn wiederzusehen. Esme hatte angeboten, mich zu begleiten, aber ich hatte abgelehnt. Ich wollte lieber mit Emmett allein sein. Es war schließlich nicht nur die Tatsache, dass ich ihn vermisst hatte, damit wäre ich noch klargekommen. Aber ich hatte ernstlich um sein Leben gebangt und das war schlimmer gewesen, als alle Qualen, die ich je hatte erleben müssen. Einschließlich der Schmerzen meiner Verwandlung und das sollte was heißen.
Als Emmett dann schließlich auf mich zukam, war das ein nahezu überwältigender Moment. Wäre ich noch dazu in der Lage gewesen, hätte ich wohl geweint, so glücklich war ich, als ich ihm entgegenlief und mich dabei stark zusammenreißen musste, um nicht auf meine Vampirkräfte zurückzugreifen. Emmett grinste bis über beide Ohren und offensichtlich kümmerte es ihn nicht im Geringsten, ob wir auffielen oder nicht, denn als wir endlich aufeinandertrafen, begnügte er sich nicht damit, mich einfach in die Arme zu schließen, sondern er wirbelte mich derart stürmisch durch die Luft, dass die Leute um uns herum verschreckt auseinandersprangen. Ich lachte laut auf und genoss die Aufmerksamkeit, die uns zuteilwurde, in vollen Zügen. Sowohl die wohlwollenden als auch die missbilligenden Blicke, so mancher konnte bei unserem Anblick seinen Neid offenbar nur schwer verbergen. Allerdings konnte ich es ihnen wohl kaum verübeln, immerhin sah man nicht alle Tage ein derart perfektes Paar wie uns und sie konnten schließlich nicht wissen, dass das Geheimnis unserer Beziehung vor allem in unserer Unsterblichkeit lag.
„Endlich“, seufzte mein Liebling, nachdem er mich wieder auf dem Boden abgesetzt hatte. Er hielt mich mit beiden Armen fest umschlungen und vergrub sein Gesicht neckisch in meinen Haaren, doch ich war in diesem Moment zu glücklich, um ihn darauf hinzuweisen, dass ich für meine Frisur kostbare Zeit vor dem Spiegel verbracht hatte. Stattdessen drehte ich mich zu ihm um und zog ihn ein Stück zu mir herunter, um ihm endlich den langersehnten Begrüßungskuss zuteilwerden zu lassen. Für die nächste Viertelstunde versanken wir derart in unserer eigenen Welt, dass wir alles andere um uns herum völlig vergaßen. Erst, als ein Anzugträger um die dreißig auf uns zukam mit dem Gesuch, wir sollten uns doch bitte „ein Zimmer nehmen“, lösten wir uns wieder voneinander und schritten Arm in Arm in Richtung Parkplatz davon.
„Das war doch eigentlich gar keine so schlechte Idee“, meinte Emmett grinsend, als wir an meinem BMW angekommen waren.
„Was?“ Ich hob fragend eine Augenbraue.
„Na, das mit dem Zimmer. Was hält uns davon ab, noch eine Nacht hier zu verbringen, bevor wir wieder nach Hause fahren?“ Ich lachte.
„Ach Emmett, und was ist mit Esme? Willst du sie etwa ganz allein lassen? Sie hat dich fast genauso sehr vermisst wie ich.“
„Oh komm schon“, bettelte er und setzte diesen flehenden Blick auf, von dem er ganz genau wusste, dass ich ihm nur schwer widerstehen konnte. Und jetzt gerade war ich schwach.
„Also gut“, gab ich schließlich nach, als ich seinen drängenden Küssen nicht länger Stand halten konnte, und unterlegte das Ganze mit einem theatralischen Seufzer. „Aber du rufst Esme an!“ Er nickte und drückte mich voller Freude über seinen Sieg noch einmal an sich, bevor er freiwillig auf dem Beifahrersitz Platz nahm und wir uns gemeinsam auf die Suche nach dem luxuriösesten Hotel machten, das wir in dieser Gegend finden konnten.
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Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht - Seite 2 Empty Re: Und dann kam SIE – Twilight aus Rosalies Sicht

Beitrag  Rose_fan 4 ever Sa 19 Jan 2013, 13:13


31. Bella

Das Schuljahr neigte sich dem Ende zu und brachte nach all der Aufregung wegen Edward und seiner kleinen Geschmacksverirrung in Sachen Liebe nun endlich eines der wenigen erfreulichen Ereignisse mit sich, die eine High School zu bieten hat: Den Jahresabschlussball. Trotz der eher zweifelhaften Tanzkünste der anderen Schüler und obwohl das Ambiente dieser Veranstaltung hier in Forks etwas gewöhnungsbedürftig war – der Ball fand in der Turnhalle der Schule statt, weil die Stadt keinen anderen Raum zu bieten hatte, in dem für diesen Anlass genügend Platz war – freute ich mich schon seit geraumer Zeit auf diesen Abend. Zum einen fand ich es immer wieder herrlich amüsant, dabei zuzusehen, wie sich die unbeholfenen menschlichen Teenager vor aller Augen lächerlich machten, und zum anderen tanzte ich einfach unglaublich gern. Es war einer der größeren Nachteile dieser Zeit, dass Tanzveranstaltungen, die meinen Ansprüchen in den meisten Punkten gerecht wurden, inzwischen eine Rarität waren, weil die Gesellschaft viel weniger Wert auf sie legte, als es noch zu meinen Lebzeiten der Fall gewesen war.
Ich war daher dermaßen von meiner Vorfreude erfüllt, dass mir noch nicht einmal Isabellas Anwesenheit die Laune verderben konnte. Alice hatte sie bereits am frühen Nachmittag angeschleppt und stundenlang mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, ihr unscheinbares Äußeres aufzupolieren – mit eher mäßigem Erfolg, wie ich fand. Natürlich sah Isabella wesentlich besser aus als sonst, aber das war ja auch keine Kunst. Das herrliche tiefblaue Kleid, das Alice für sie ausgesucht hatte, war meiner Meinung nach jedenfalls total an sie verschwendet. Ich bezweifelte, dass ihr der Designer überhaupt etwas sagte, und wenn sie wüsste, was es gekostet hatte, würde sie vor lauter Schreck wohl auf der Stelle tot umfallen statt das Kleid entsprechend zu würdigen. Generell verstand ich nicht, was das Mädchen auf dem Ball zu suchen haben sollte, schließlich war ihr eines Bein noch immer eingegipst, so dass sie noch weniger in der Lage sein würde, zu tanzen, als es ihr durch ihre ausgeprägte Tollpatschigkeit schon im Normalzustand ermöglicht wurde. Aber Edward hatte sich in den Kopf gesetzt, mit ihr hinzugehen, und war von der Idee nicht abzubringen gewesen, obwohl er ganz genau wusste, dass Isabella nicht zu dem Typ Mädchen gehörte, dem man mit einer Einladung zum Jahresabschlussball eine Freude macht. Er hatte sogar beschlossen, ihr den Grund für ihre elegante Garderobe zu verschweigen, bis sie an der Schule angekommen waren, damit sie ihm nicht im letzten Moment noch entwischen konnte. Was für eine hirnrisse Aktion; sie würde ihm den Kopf abreißen, wenn sie könnte.
Nun, das war nicht mein Problem. Ich hatte mich in der letzten Zeit weitestgehend aus Edwards Beziehung zu Isabella herausgehalten, weil ich mittlerweile begriffen hatte, dass ich damit nur noch mehr Schaden anrichtete, und das sollte in der Zukunft möglichst auch so bleiben. Nur mögen tat ich das Mädchen deshalb trotzdem noch lange nicht, obwohl sowohl Emmett als auch der Rest der Familie sich nach wie vor blendend mit ihr verstand. Gut, Jasper hielt meistens etwas Abstand, um nicht in Versuchung zu geraten, sich in einem schwachen Moment auf sie zu stürzen, aber abgesehen davon war ihr Verhältnis zu uns fast schon erschreckend harmonisch. Selbst ich hatte aufgehört, ständig abfällige Kommentare über sie abzugeben, wenn sie in der Nähe war, und war dazu übergegangen, lediglich so zu tun, als existiere sie gar nicht. Allerdings reichte das noch immer nicht, um Edward zufrieden zu stellen. Er ermahnte mich in regelmäßigen Abständen, etwas freundlicher zu Isabella zu sein, da diese sich in meiner Nähe unwohl fühlte, doch so sehr ich es auch versuchte, ich konnte mich einfach nicht dazu durchringen, seiner Bitte Folge zu leisten. Das Mädchen würde lernen müssen, sich mit meinem abweisenden Verhalten zu arrangieren, denn gegen meine Abneigung ihr gegenüber konnten weder sie noch Edward noch ich auch nur das Geringste tun.
Nachdem ich das ein für alle Mal festgestellt hatte, warf ich noch einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel und begab mich dann nach unten, damit wir endlich losfahren konnten. Am Fuß der Treppe wartete Emmett bereits auf mich und musterte mich anerkennend, als ich oben auf dem Absatz erschien.
„Sehr heiß“, kommentierte er mein flammend rotes Kleid schließlich mit Blick auf das selbst für meine Verhältnisse äußerst gewagte Dekolleté.
„Du hast es doch noch gar nicht richtig sehen können“, erwiderte ich mit einem Lächeln und drehte mich einmal um die eigene Achse, um Emmett die Möglichkeit zu geben, das Kleid auch von hinten zu begutachten, damit er sehen konnte, dass es rückenfrei war und in einer prächtigen gerafften Schleppe auslief, mit der ich garantiert Aufsehen erregen würde.
„Bist du sicher, dass du überhaupt zum Ball gehen willst?“, wollte er schließlich wissen, nachdem er meine Aufmachung eingehend betrachtet hatte.
„Aber natürlich!“, entgegnete ich empört, da ich nicht gleich begriff, was er mit seiner Frage bezwecken wollte.
„Schade“, seufzte Emmett, grinste jedoch verschmitzt, als er dann fortfuhr: „Sonst hätten wir gleich wieder nach oben gehen können. Mir fallen da noch ein paar schönere Beschäftigungen ein als tanzen.“ Ich lachte und fuhr ihm neckisch durch die dunklen Locken.
„Später, Schatz. Dieses Kleid verdient es, gesehen zu werden – und deshalb müssen wir jetzt los.“

Als wir wenig später zusammen mit Alice und Jasper die mit Luftballons und pastellfarbenen Girlanden geschmückte Turnhalle der Forks High betraten, zogen wir wie erwartet sofort sämtliche Blicke auf uns. Nicht ganz ohne Genugtuung beobachtete ich, wie neidisch besonders die Mädchen waren, weil sie weder mit Alice noch mit mir auch nur im Geringsten mithalten konnten. Besonders amüsierte mich jedoch eine in frisches Frühlingsgrün gekleidete und erkennbar selbstbewusste Zwölftklässlerin, die ihrem Begleiter wütend ihren mindestens zehn Zentimeter hohen Absatz in den Fuß rammte, als sie bemerkte, dass er mich mit offenem Mund anstarrte. Aus einer spontanen Anwandlung heraus schenkte ich ihr im Vorbeigehen ein anerkennendes Lächeln, auch wenn ich nicht sicher war, ob sie es in ihrer gereizten Stimmung richtig zu deuten wusste, denn sie reagierte darauf nur mit einem äußerst finsteren Blick, der mich scheinbar auf direktem Weg in die Hölle schicken sollte. Was für ein Pech aber auch, dass ich schon längst das Zeitliche gesegnet hatte und ihr Todesblick daher nicht die geringste Wirkung bei mir zeigte.
Ohne den Neid der anderen Schüler weiter zu beachten, schritt ich hoch erhobenen Hauptes an Emmetts Seite auf die Tanzfläche, die sich mit einem Mal schlagartig leerte. Die Paare, die eben noch getanzt hatten, zogen sich zurück an den Rand, um aus einer gewissen Distanz heraus beobachten zu können, was jetzt geschah. Ich konnte es ihnen nicht verübeln, immerhin waren die meisten von ihnen aufgrund der wenigen anderen Bälle, die in der Zeit, die wir diese Schule besuchten, stattgefunden hatten, bereits vertraut mit unseren Tanzkünsten. Es war also kein Wunder, dass es kein Mensch im Umkreis wagte, sich mit uns zu messen. Inzwischen hatten sich auch Alice und Jasper zu uns gesellt und einen Moment warteten wir gemeinsam, bis das Lied ausklang und die ersten Takte eines neuen ertönten, dann erst begannen wir, zu tanzen.
Schon bei den ersten Schritten spürte ich, wie all die Sorgen der vergangenen Wochen und Monate von mir abfielen und der Freiheit Platz machten, die ich bereits zu meinen Lebzeiten jedes Mal verspürt hatte, wenn ich in den Armen eines Mannes lag und die Musik einsetzte. Das Tanzen verlieh mir Flügel – jetzt noch mehr, wo meine Beine nicht mehr müde werden und dem Vergnügen damit ein allzu abruptes Ende bereiten konnten. Es dauerte nur wenige Umdrehungen, bis ich alles um mich herum vergaß. Ich vergaß, dass wir uns in einer geschmacklos dekorierten Turnhalle befanden. Ich vergaß, dass jeder uns anstarrte. Alles, was ich wahrnahm, war Emmett. Emmett und die Musik, in deren Takt wir uns in vollendeter Perfektion bewegten.

Dieser glückliche Rausch, den das Tanzen in mir auslöste, wurde erst unterbrochen, als ich sah, wie Edward und Isabella die Halle betraten. Wie ich bereits geahnt hatte, beschwerte sie sich bei meinem Bruder und weigerte sich, zu tanzen. Lächerlich. Sie würde sowieso nichts Kompliziertes anstellen müssen, davor bewahrten sie ihr Gipsbein und die Tatsache, dass Edward, altmodisch wie er war, selbstverständlich führen würde. Was stellte sie sich so an? Jetzt, wo sie einmal hier war, gab es sowieso keinen Weg mehr zurück, dafür würde Edward schon sorgen.
Es zeigte sich schon bald, dass ich Recht damit hatte, denn nur wenige Minuten später wirbelten auch Isabella und Edward um uns herum – sie stand auf seinen Füßen und musste nichts weiter tun, als nicht herunterzufallen, doch in Anbetracht ihrer unübertreffbaren Tollpatschigkeit war das bestimmt schon eine Herausforderung für sie.
„Ich fühle mich wie eine Fünfjährige“, hörte ich Isabella passenderweise sagen, nachdem sie einige Minuten Tanz wie durch ein Wunder heil überstanden hatte.
>>So siehst du auch aus<<, dachte ich und ignorierte den bitterbösen Blick, den Edward mir bei diesem Gedanken zuwarf. Da sah man mal wieder, wie blind Liebe machen konnte. Ich war wirklich gespannt, wie lange es noch dauerte, bis Edward endlich aufhörte, Isabella nur durch seine rosarote Brille zu betrachten. Er musste doch auch wissen, dass diese Beziehung keine Zukunft hatte. Schließlich weigerte er sich, sie zu verwandeln, was bedeutete, dass sie weiter alterte und spätestens in vierzig oder auch fünfzig Jahren würde man ihn für ihren Enkel halten. Das konnte doch keiner der beiden wirklich wollen! Und was passierte, wenn Isabella eines Tages der Wunsch überkam, eine Familie zu gründen? Egal wie sehr sie ihn vergötterte – war dieser Wunsch einmal erwacht, würden ihr die Grenzen ihrer Beziehung schmerzlich bewusst werden. Wie konnte sie nur so naiv sein und sich ihre Zukunft derart verbauen? Verstand sie denn nicht, was es bedeutete, einen Vampir zu lieben? Was es bedeutete, unsterblich zu sein und was man dafür einbüßen musste? Ich hätte alles gegeben, um in diesem Moment mit Isabella tauschen zu können. In diesem Moment spielte es keine Rolle, dass sie nicht besonders hübsch oder auf irgendeine andere Art außergewöhnlich war. Es spielte keine Rolle, weil sie die Wahl hatte. Sie hatte die Wahl, eine Entscheidung zu treffen, die mir nie vergönnt gewesen war, doch sie war dabei, meinen Bruder und damit die Unsterblichkeit zu wählen. Sie war dabei, das Falsche zu tun, und niemand hinderte sie daran.
Ich war so vertieft in meine Gedanken, dass ich Emmetts prüfenden Blick erst bemerkte, als er mich ansprach.
„Süße, was ist los? Du guckst so traurig.“ Oh, tat ich das?
„Es ist nichts“, meinte ich und schenkte ihm ein kleines Lächeln. „Ich dachte nur gerade darüber nach, was die Zukunft für Edward und seine Bella bringen wird. Daran, dass ihre Beziehung unter keinem guten Stern steht.“ Doch anstatt auf meine Sorgen einzugehen, anstatt mich mit irgendeinem Spruch oder Kuss abzulenken, wie es sonst so seine Art war, guckte Emmett nur äußerst verdattert. Und dann breitete sich plötzlich ein glückliches Strahlen auf seinem Gesicht aus, was ich nicht so recht deuten konnte.
„Was ist?“, wollte ich stirnrunzelnd wissen. „Warum grinst du so?“
„Du hast es nicht bemerkt?“
„Was soll ich denn bemerkt haben?“ Emmett lächelte und drückte mich einen Moment fest an sich, bevor er mich weiter herumwirbelte.
„Weißt du, was gerade passiert ist? Du hast Bella gesagt. Du hast sie nicht Kleine, Isabella oder das Mädchen genannt. Einfach Bella. Und das kann nur eins bedeuten.“
„Und das wäre?“ Der Argwohn in meiner Stimme war unüberhörbar.
„Du beginnst, deine Abneigung gegen sie zu überwinden“, erwiderte Emmett schlicht, was ihm einen entsetzten Blick meinerseits einbrachte. Wie kam er nur auf diese Idee? Ich setzte schon zu einer scharfen Antwort an, doch dann stutzte ich und nahm mir noch einen Augenblick Zeit, um über Emmetts These nachzudenken – und mit Schrecken festzustellen, dass er Recht hatte.



Ende
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