Forks Bloodbank
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Bis(s) zum Ende aller Tage

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Beitrag  Gast Do 30 Jul 2009, 15:18

Bis(s) zum Ende aller Tage Fenra

Nun, schon seit ich Bis(s) zum Ende der Nacht gelesen habe, geistert mir eine Geschichte im Kopf herum, wie es unseren Lieblingen weiter ergehen könnte.
Die grobe Struktur der Geschichte steht und ich habe es endlich geschafft etwas zu Papier zu bringen.

Die Charaktere sind allesamt von Stephenie Meyer übernommen.

Natürlich würde ich mich über jegliche Rückmeldung freuen. Besonders konstruktive Kritik und vielleicht auch Hilfe bei Rechtschreib- oder Grammatikfehlern sind willkommen 8)

* Titel
Bis(s) zum Ende aller Tage
* Autor/in
Neferubty
* Beta-Leser (falls vorhanden)
Karlastian (nicht hier im Forum angemeldet)
* Genre
Forsetzungsversuch (kein spezielles Genre)
* Altersbeschränkung
Öhm... Sagen wir mal ab 12... XD
* Kapitelanzahl
Noch offen
* Hauptcharaktere
Cullens, Volturi, Wölfe
* Inhaltsangabe
Aus Nessies Sicht geschrieben. Sie ist mittlerweile erwachsen und will nicht aus Forks wegziehen. Im Prolog erzählt sie, was in den Jahren bis zum Zeitpunkt, an dem die Geschichte startet, geschehen ist.
* Disclaimer
Alle Charaktere sind komplett von Stephenie Meyer übernommen. Ob vielleicht noch eigene Charaktere hinzukommen, lasse ich offen.

PDF:

Prolog:
Was war, was ist und was kommen wird?

Kapitel 1:
Unbeschwerte Zeit

Kapitel 2:
Freunde

Kapitel 3:
Ablenkung

Kapitel 4:
Nahuel

Kapitel 5:
Geboren um zu leben

Kapitel 6:
Freud und Leid

Kapitel 7:
Ungewissheit

Kapitel 8:
Fatale Fehler

Kapitel 9:
Fremde Welt

Reviews, Meinungen, Lob und Kritik bitte hierhin:
Hier Bis(s) zum Ende aller Tage 582515


Zuletzt von Neferubty am Fr 10 Sep 2010, 14:20 bearbeitet; insgesamt 11-mal bearbeitet

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Bis(s) zum Ende aller Tage Empty Re: Bis(s) zum Ende aller Tage

Beitrag  Gast Do 30 Jul 2009, 15:20

Prolog:
Was war, was ist und was kommen wird?

Mein Name ist Renesmee Carlie Cullen.

Eigentlich dürfte ich gar nicht existieren. Warum bin ich dann doch auf dieser Welt und kann meine einzigartige Geschichte erzählen?
Der Grund ist sehr komplex und andererseits doch bestechend einfach: Ich bin das Resultat der Liebe zweier Geschöpfe, die sich eigentlich voneinander fernhalten sollten.
Mein Vater heißt Edward und ist ein Vampir. Von ihm habe ich einige Dinge geerbt und wer jetzt der Annahme hingeht er sei mein Vater in dem Sinne, dass er mich zum Vampir gewandelt hat der irrt. Er ist mein biologischer Vater.
Natürlich drängt sich unweigerlich die Frage auf: Wie ist das möglich?
Und wieder ist die Antwort einfach: Bella, meine Mutter, war ein Mensch. Mittlerweile, und ich bin der Auslöser dafür, ist sie ebenfalls ein Teil unserer Vampirfamilie.
Zwar beteuert sie mir schon seit Jahren immer wieder, dass sie diesen Schritt sowieso irgendwann gegangen wäre, doch ich vertrete die Ansicht meines Vaters. Ich bin schuld, dass sie ein Monster geworden ist und auf ewig an dieses Dasein gebunden ist. Diese Worte würde mein Vater zweifellos niemals wählen und mir nicht direkt die Schuld daran geben. Jedoch war er schon vor meiner Zeit dagegen meine Mutter zu wandeln, da er sich selber nie wirklich mit seinem Dasein als Vampir anfreunden konnte. In seiner Vorstellung hat jedes lebendige Wesen eine Seele, außer Vampire. Wir verdienen keinen Seelenfrieden und sind auf ewig verdammt diesen ständigen Durst zu ertragen.
Bei mir stimmt dies jedoch nicht so ganz. Ich bin nur ein Halbvampir mit einem Herzschlag, Blutkreislauf und trotzdem der für Vampire typischen steinharten Haut ausgestattet. Schon als Säugling im Leib meiner Mutter hatte ich das Verlangen nach Blut und hätte sie dadurch fast umgebracht.
Heute jedoch habe ich mich unter Kontrolle und ernähre mich, wie der Rest der Familie, von tierischem Blut. Ab und an schafft es Großvater Carlisle für mich einige Blutkonserven aus dem Krankenhaus mitzubringen. Ich bin der Meinung, dass es ein guter Kompromiss ist, um wenigstens ab und zu mal in diesen Genuss kommen zu können.
Nur ganz selten esse ich menschliche Speisen, da mein Körper sie nicht zwingend zu benötigen scheint. Viele Menschen behaupten oft leichtsinnig sie würden für etwas besonderes sogar sterben. Wenn ich eines natürlichen Todes sterben könnte, so würde ich dies wohl einzig und alleine über Marshmallows behaupten.
Doch genug über mich, wenn es doch so viel wichtiges über meine Familie zu wissen gibt. Seit meiner Geburt vor 13 Jahren ist viel geschehen und es hat sich einiges verändert. Damit meine ich nicht nur, dass ich schon seit 6 Jahren körperlich und geistig durchaus erwachsen bin, sondern auch unsere allgemeine Situation.
Es wurde lange überlegt, ob wir Forks verlassen sollten, da Carlisle nun wirklich viel jünger aussah, als er sich ausgab. Eine sehr wichtige Rolle bei der endgültigen Entscheidung doch in Forks zu bleiben spielte ich.
Zum einen wollte ich natürlich möglichst lange mit Großvater Charlie zusammen sein können, der nun mal leider sterblich ist und andererseits wollte ich nicht von den Wölfen weg. Zwar war Jacob sofort bereit gewesen mit mir um die ganze Welt zu reisen, falls es sein musste, doch beide Rudel waren mir so sehr ans Herz gewachsen, dass ich nicht fort wollte.
So kam es, dass Carlisle noch 4 weitere Jahre nach meiner Geburt im Krankenhaus von Forks arbeitete, während die anderen Gerüchte verstreuten. Bella und Edward waren offiziell nach ihrer Hochzeit ein Jahr auf Weltreise, bevor sie sich im sonnigen Texas niederließen. Rosalie und Emmett hingegen gefiel Australien so sehr, dass sie beschlossen dort zu bleiben und zu studieren, während Alice und Jasper als Rucksacktouristen durch Asien unterwegs waren. Die Wirklichkeit sah jedoch ganz anders aus. Wir verbrachten alle ein paar wundervoll friedliche Jahre zusammen in unserem Haus in Forks, deren Höhepunkte die Ausflüge zur Jagd und die regelmäßigen Besuche von Charlie waren.
Nur ganz wenige Male kamen Jane und Alec von den Volturi aus Volterra vorbei, um sich „nach meinem Wohlbefinden zu erkunden“. Sie verschwanden allerdings auch immer gleich darauf wieder, um ihrem Meister Aro Bericht zu erstatten.
Ein einziges Mal blieb Jane für einige Stunden bei uns, weil sie nicht durch den aufgezogenen Sturm zurück wollte, was für einen Vampir eigentlich kein Problem dargestellt hätte. Ich bin bis heute der Überzeugung, dass sie einfach von ihrer unbändigen Neugier gepackt worden war und der Sturm eine gute Ausrede war, um uns noch etwas beobachten zu können. Da Alice das Gewitter vorhergesehen hatte, waren wir jedoch darauf vorbereitet und verhielten uns vorsichtig. Auch Edward, der ja unser aller Gedanken lesen kann, saß jederzeit bereit auf seinem Stuhl, falls er etwas verdächtiges in ihren Gedanken hören sollte.
Damals war ich biologisch gesehen schon über 10 Jahre alt, obwohl meine Geburt erst knapp 4 Jahre zurücklag und ich wunderte mich, dass ich schon fast genau so groß war, wie sie. Obwohl ich sie von damals, als die Volturi kamen um uns zu vernichten, noch sehr gut in Erinnerung hatte, so kann ich doch bis heute nicht leugnen, dass ich, trotz ihrer Grausamkeit, auf eine merkwürdige Weise fasziniert von ihr war und es auch immer noch bin.
Als Kind verstand ich einfach nicht, warum sie, da sie nicht wesentlich älter schien als ich, so grausam sein konnte und fühlte mich zu ihr hingezogen. Vielleicht hoffte ich ihre Gründe verstehen und sie umstimmen zu können, doch in Nachhinein kann ich darüber nur spekulieren.
Jane saß also in unserem großen Wohnzimmer auf einem Sessel und alle fühlten sich sichtlich unwohl in dieser Situation. Die Anspannung war fast greifbar und obwohl meine Mutter mich schon als Kind als reif und überlegt beschrieben hat, so tat ich doch etwas für meine Verhältnisse sehr naives. Ich löste mich aus Jacobs Griff, der mich immer, wenn fremde Vampire in der Nähe waren besonders fest umschlungen hielt und ging unter den verdutzen Blicken der anderen geradewegs auf Jane zu.
Alice gab einen ersticken Laut von sich, da sie sich in diesem Moment mal wieder sehr ärgerte, dass sie allgemein nichts voraussehen konnte, was direkt mit mir zu tun hat und alle anderen, Jane eingeschlossen, hielten die Luft an, eine meiner Meinung nach sehr dumme Angewohnheit, die vom Menschsein übrig bleibt, wo man doch als Vampir gar nicht atmen muss.
So ging ich direkt auf Jane zu und blieb kurz vor ihr stehen, während sie mich misstrauisch beäugte.
Bis heute habe ich meine Eigenheit nicht so gerne zu sprechen, sondern lieber meine Bilder zu zeigen, nicht verloren, doch früher was es für mich schon selbstverständlich, dass alle meine Hand nahmen, sobald sie sahen, dass ich sie auch nur leicht anhob, um zu sehen, was ich zu sagen hatte. Jane jedoch saß still vor mir und beobachtete, was ich tat.
Erst viel später im Nachhinein kam mir die Idee, dass es für sie vielleicht auch nur sehr schwer war sich unter Kontrolle zu halten. Schließlich spürte sie meinen Herzschlag und erschwerend kommt hinzu, dass ich nicht nur zur Hälfte Mensch bin, sondern auch so rieche. Alles Eigenschaften, die mir das Leben mit Vampiren noch oft genug schwer machen würden.
Dann jedoch tat ich etwas wirklich sehr unüberlegtes. Dass mich einige Dinge, wie die steinharte Haut, das lange Leben und auch die starke Kraft als Halbvampir auszeichneten wusste ich schon seit ich sehr klein war und so machte ich mir eine dieser Fähigkeiten zu nutze und griff so schnell nach Janes Hand, die auf ihren Knien lag, dass ich sogar meinte Edward hätte nicht schneller sein können. Binnen Sekundenbruchteilen zeigte ich ihr meine Erinnerungen von damals und fragte sie gleichzeitig damit, warum sie so gerne andere Wesen quäle. Direkt darauf folgend zeigte ich ihr Bilder von unserem schönen Familienleben und stellte mir vor, wie wunderbar so ein Leben auch für sie werden könnte.
An diesem Punkt löste sie sich aus ihrer Starre, zog ihre Hand zurück und sprang auf.
„Niemals! Lass mich in Ruhe, das geht dich einen Dreck an!“, rief sie und rannte auf die Balkontüre zu, die sie so heftig aufstieß, dass die Scheiben fast zersprungen wären. Sie blickte noch einmal kurz zu uns zurück und verschwand hinaus in den Regen.
Bis heute habe ich sie nicht wieder gesehen…
Alec übernahm ihre Aufgabe regelmäßig bei uns nach dem rechten zu sehen und in unserer Familie kam dieses Thema nicht mehr auf. Nur Edward, der in Gedanken genau gesehen hatte, was ich Jane gezeigt hatte, fragte mich einmal, als wir alleine waren, warum ich das getan hätte und wie ich auf solche Gedanken kommen würde. Leider konnte ich ihm bis heute keine Antwort darauf gehen, die mir selber schlüssig erscheint.
Ob er jemals mit Bella darüber gesprochen hat weiß ich nicht, nur dass sie auch nie mehr darüber gesprochen hat. Bella… irgendwie fühlt es sich innerlich immer noch merkwürdig an Mutter so zu nennen, doch ich habe schon daran gewöhnt. Irgendwann, wenn wir an einen anderen Ort ziehen müssen werde ich mit ihnen zusammen zur Schule gehen und wir werden für gleichaltrige gehalten werden. Daher beschloss ich vor ein paar Jahren mich möglichst früh umzustellen und die familiären Beinamen wegzulassen. Besonders gelitten hat am Anfang eigentlich nur Edward, der von mir nun nicht mehr mit einem überschwänglichen „Daddy!“ begrüßt wurde. Die Zeit heilt jedoch bekanntlich fast alle Wunden und so gewöhnte auch er sich daran, obwohl ich ihm manchmal den Gefallen tue und ihm nach einer längeren Jagd eben jene Begrüßung zurief und ihm in die Arme falle.
Rose, die schon vor meiner Geburt ein besonderes Band mit mir verknüpfte, war zwar auch ein wenig traurig darüber nicht mehr Tante genannt zu werden, doch ich glaube, dass Emmett sie ziemlich schnell darüber hinweg trösten konnte.
Nach diesen ersten 4 Jahren beschloss Carlisle, dass er nun wirklich nicht länger in Forks bleiben könne und es musste sich beraten werden, wo wir in Zukunft leben sollten. Wieder war ich der ausschlaggebende Grund, dass wir alle uns wieder nicht von Forks trennen konnten und obwohl es ihm unendlich schwer fiel, gab Carlisle unser aller Bitten nach und suchte sich keine neue Stelle. So konnten wir weiterhin in unserem Haus leben und hatten unendlich viel Zeit füreinander. Charlie half uns, indem er erzählte, dass Carlisle in Washington eine neue Stelle bekommen hätte und er mit Esme dorthin gezogen sei, das Haus hier in Forks jedoch weiterhin als Feriendomizil benutzen würde. So würden alle ohne Probleme auch mal aus dem Haus gehen können, ohne dass sich jemand im Ort wundern würde.
Und so vergingen 9 weitere, glückliche Jahre…

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Beitrag  Gast Do 30 Jul 2009, 15:21

Kapitel 1:
Unbeschwerte Zeit


„Sei lieb und ärgere Jacob nicht zu sehr!“, rief Bella mir hinterher, als sie und Edward in dem schwarzen Porsche Chayenne, den er ihr kurz nach meiner Geburt als Familienwagen geschenkt hatte, von unserer langen Auffahrt in Richtung Highway verschwanden.
Edward sagte nichts. Er hatte sich schon von mir verab-schiedet und saß nun grummelnd auf dem Beifahrersitz. Es wurmte ihn, dass Bella so unendlich stur sein konnte. Schon seit Jahren versuchte er regelmäßig ihr ein neues Auto schmackhaft zu machen, doch sie hielt an ihrem Entschluss fest, dass dieses Thema nicht diskutabel sei. Es würde sie zu sehr an meine ach zu kurze Kindheit erinnern und jedes Mal schwärmte sie von dem Bild, wie ich auf der Rückbank in meinem Kindersitz saß und mir die Zeit mit Alice und Jacob vertrieb.
Wenn Edward besonders lange auf sie einredete, entschloss sie sich zu ihrer wirksamsten Drohung: Sie würde nie wieder ein Geschenk von ihm annehmen.
Das war für ihn zu viel. Er liebte zweifellos alle unsere Fa-milienmitglieder, doch Bella und mich vergötterte er förmlich.
Seit fast 100 Jahren war er nun schon ein Vampir, doch sei-ne Erziehung aus Menschenzeit und dem Zeitalter, aus dem er stammt, würde wohl noch in 3000 Jahren tief verwurzelt ein Teil von ihm sein. Und zu seiner Zeit war es nun mal üblich, dass Frauen, denen man den Hof machte, mit Geschenken überhäuft wurden.
Bella war diese, eigentlich doch sehr schöne, Geste sehr unangenehm. Warum? Ich habe beim besten Willen keine Ahnung.
Ihr Wunsch genau dieses Auto am liebsten für die Ewigkeit zu behalten war so stark, dass sie nach einigen Jahren, als der Wagen anfing die ersten Krankheiten zu zeigen, bei Jacob in die Lehre ging. Sie ließ sich von ihm alles zeigen, was man über motorisierte Vierräder wissen musste.
Niemals werde ich Edwards Gesicht vergessen, als sie ihm davon erzählte. Am Anfang hatten sie es geheim gehalten und Jacob hatte es geschafft nie daran zu denken, wenn Edward in der Nähe war. In ihrem Leben als Mensch muss Bella wohl noch unfallfreudiger und unkoordinierter gewesen sein, als ich es bin. Tja, und heute ist sie so geschickt, dass sie an Autos herumbastelt.
Während ich grinsend zurückwinkte und mich umdrehte, hörte ich im Haus, wie der Kühlschrank aufgemacht und durchsucht wurde. Wenigstens hatte Jacob einen gesunden Magen.
Die wenigen Schritte zum Haus brachte ich schnell hinter mich, doch vor der offenen Tür blieb ich kurz stehen und holte tief Luft. Nun würde ich fünf Tage mit Jacob alleine sein. Dass er sich allerdings direkt über unsere Lebensmittelvorräte hermachte war kein besonders gutes Zeichen. Zwar ging er jedesmal mit auf die Jagd, doch nur ganz selten fraß er auch wirklich dabei. Ein dicker Braten mit Kartoffeln und Soße war ihm hundertfach lieber, als ein Wapiti.
Eben weil er nicht verstand, wie man so leckeres menschli-ches Essen verschmähen konnte, versuchte er ständig auch mir dessen Vorzüge näher zu bringen. Igitt, mir läuft es eiskalt den Rücken herunter, wenn ich daran denke, dass er einmal mit dieser komischen grünen Pampe ankam, die er Spinat nannte.
Nachdem ich mit geistig darauf eingestellt hatte wieder eine neue Kombination seiner Lieblingsspeisen – und der Kerl mochte einfach ALLES – probieren zu müssen, trat ich ein, schloss die Tür hinter mir und gesellte mich zu ihm in die Kü-che.
„Nessie, willst du auch etwas essen? Ich mache Nudeln mit Vanillepudding als Soße. Das musst du probieren!“
Ich seufzte setzte mich zum ihm an den Tisch, während er immer wieder aufsprang und mit allerlei Töpfen und Zutaten umher wirbelte.
„Warum tust du mir das an? Ich dachte immer du willst nur das Beste für mich. So wegen der Prägung und so. Aber DAS hier“ – ich zeigte dabei mit dem Finger auf den Pudding, der gerade in seinem Topf drohte anzubrennen – „will ich be-stimmt nicht.“, motzte ich und verzog dabei das Gesicht.
„Ach Nessie, natürlich will ich nur das Beste für dich. Dar-um koche ich ja auch für dich.“, erwiderte er mit einem unverschämt selbstsicherem Lächeln. Mit einem weiteren Seufzer hob ich die Hand, tippte mir mit dem Zeigefinger auf die Brust und erinnerte ihn daran, was ich war.
„Erinnerst du dich? Halb-Vampir!“
Schon wieder trat das gleiche Grinsen auf sein Gesicht, während er nun zwei Teller befüllte.
„Ich bevorzuge Halb-Mensch. Und Menschen essen nun mal. Probier doch wenigstens. Bitte.“
So schnell, wie er mir den Teller und Besteck hingelegt hat-te, konnte ich gar nicht widersprechen und so schob ich resig-nierend die Gabel mit einer einzigen Nudel in den Mund. Ja-cob hingegen grinste dauerhaft.
„Danke. So hab ich das Gefühl, dass ich nicht nur von Monstern umgeben bin, die Blut wollen.“
Bevor ich sie überhaupt richtig gekaut hatte, schluckte ich die Nudel herunter und sah ihn böse an.
„Du weißt genau, dass ich es nicht ausstehen kann, wenn du so über uns redest. Weißt du was? Iss deine blöden Nudeln doch alleine.“
Bevor er etwas erwidern konnte war ich schon oben in mei-nem Zimmer, welches ich hierher ins große Haus verlegt hatte. Obwohl Bella und Edward mir damals geschworen hatten, dass sie mich bei sich haben wollten, bezog ich vor einigen Jahren Edwards altes Zimmer, um sie in ihrem kleinen Waldhäuschen in Ruhe zu lassen. Ich war kein Kind mehr und für drei Leute wurde es wirklich eng.
Das war allerdings nur der offizielle Grund, den ich allen genannt hatte, weil ich sie nicht in ihrem trauten Glück stören wollte. Dies waren jedoch nicht die einzigen Gründe. Ich be-schloss, dass es besser wäre, wenn ich verschweige, dass ein großer Teil von mir sich wünschte nicht mehr ständig in Ed-wards Nähe sein zu müssen.
Es ist nicht so, dass ich Streit mit ihm hatte oder ihn nicht mehr mochte. Ganz im Gegenteil wir verstanden und sehr gut. Doch es gab etwas, dass ich bis heute nicht so gut vertragen konnte, wie alle anderen: seine Fähigkeit Gedanken zu lesen.
Ständig muss man sich konzentrieren an nichts zu denken, was peinlich werden könnte. Natürlich galt das nicht nur für mich, doch alle anderen hatten Jahrzehnte Zeit, um sich daran zu gewöhnen und außerdem ist Edward sehr dezent mit dem, was er preisgibt und was er diskret für sich behält.
Die anderen Familienmitglieder hatten jedoch einen ganz entscheidenden Vorteil: er war nicht ihr Vater.
Ich weiß er will, genau wie Jacob, nur das Beste für mich. Allerdings ist es unglaublich schwierig, wenn man auf jeden Zweifel angesprochen wird, wenn man keinen Gedanken zu Ende führen kann, weil er entweder zwischendurch bestätigt oder ihm entgegen argumentiert wird.
Stetig musste ich aufpassen, dass ich nichts Negatives dach-te oder über etwas Fragwürdiges grübelte. Es war, als hoffte er, dass er mir mit jeder Reaktion auf meine Gedanken helfen könnte, doch ich fand es sehr anstrengend und nur selten hilf-reich. Aber auch, wenn es anstrengend war, so schaffte ich es doch erfolgreich eine Menge vor ihm zu verbergen.
Mein Zimmer hier im Großen Haus war mein Zufluchtsort. Natürlich wollte ich nicht wirklich fliehen und mich auch nicht von der ganzen Familie absondern, ganz im Gegenteil. Die wenigen Jahre, die ich bis jetzt hier verbringen durfte waren wunderschön und der Gedanke zu wissen, dass dies al-les nicht so schnell vorbei gehen würde, war beruhigend.
Ab und an jedoch benötigte jeder Mal eine kleine Auszeit und darum war ich froh einige Tage Ruhe haben zu können.
Als hätte er es geahnt, dass ich gerade an Ruhe dachte, platzte Jacob zur Tür herein.
„Hey, schon mal was von anklopfen gehört?“
„Ach, stell dich nicht an. Und? Was machen wir jetzt? Wo-rauf hast du Lust? Sollen wir was spielen? Oder möchtest du lieber einen Film schauen?“
„Jetzt mal langsam mit den jungen Wölfen. Ich möchte im Moment nichts machen. Zumindest nicht mit dir. Ich bin sauer.“
Beleidigt zog ich einen Schmollmund und verschränkte die Arme vor der Brust. Er wusste genau, dass ich es zwar ernst meinte, ihm aber einfach nicht lange böse sein konnte.
„Sei ehrlich, du hast dich nur um den Abwasch gedrückt. Und um deine Portion Nudeln musste ich mich wohl oder übel auch kümmern.“
Für einen kurzen Moment lösten sich meine Lippen zu ei-nem Grinsen.
„Das ist dir ja auch soooo schwer gefallen, wo du ja gar kei-nen Hunger hattest.“
Trotz aller Anstrengung schaffte ich es nicht mehr wieder ernst zu werden und gab meine beleidigte Haltung auf. Er grinste und rieb sich den muskulösen Bauch.
„Also, wenn du dich nicht bald entscheidest, was du machen möchtest, gehe ich uns noch etwas kochen. Kennst du meinen Lieblingsnachtisch schon?“
„Ist ja gut! Ich überlege.“, unterbrach ich ihn, bevor er wei-ter ins Detail gehen konnte.
„Wie wäre es mit ein bisschen Fernsehen?“
Überraschenderweise fiel mir tatsächlich nichts Besseres ein. Sicher, ich könnte mir ein Buch aus Carlisle`s oder Ed-ward´s großer Auswahl aussuchen, doch ich wollte die Zeit mit Jacob zusammen verbringen. Eigentlich hatten wir immer viel Spaß miteinander, doch jetzt war es irgendwie anders.
Normalerweise war immer noch jemand aus meiner Familie dabei. Egal, ob wir mit Alice einkaufen, mit Emmett Basket-ball spielen oder mit Edward und Bella draußen unterwegs waren. Nicht, dass ich mich alleine mit Jacob unwohl fühlen würde, doch es war merkwürdig und ich wusste nicht vieles, was man alleine zu zweit machen konnte.
„Läuft etwas Bestimmtes oder sollen wir uns eine DVD an-sehen?“, fragte Jacob und stand auch schon auf um den Fern-seher anzuschalten.
„Also ich meinte nichts Bestimmtes. Was hältst du von et-was lustigem? Oder doch lieber Interview mit einem Vampir?“
„Du stehst doch bloß auf Brad Pitt. Schade, dass er zu alt für dich ist. Außerdem dachte ich immer, dieser Film sei eine Komödie.“
Ich ignorierte die Ironie in seiner Stimme und streckte ihm die Zunge raus.
„Na schön, du hast es so gewollt. Dann spielen wir eben et-was. Wie wäre es mit einer Runde Monopoly?“
Zweifellos würde er mir den Wunsch nie abschlagen dieses Spiel zu spielen, doch ich wusste, dass er ausgerechnet Mono-poly überhaupt nicht mochte. Dies war meine kleine Rache für seine Gemeinheiten in der Küche.
So schnell, dass er es bestimmt kaum mitbekam, sprang ich auf, schaltete den Fernseher wieder aus und öffnete meinen Spieleschrank.
„So du hast die Wahl. Wenn du kein Monopoly spielen möchtest, dann kann ich auch gerne meine alten Barbie Pup-pen vom Dachboden holen.“
Hinter mir hörte ich ein Glucksen. Ich fasste dies als Ant-wort auf und schnappte mir die Spielekiste. Wir gingen nach unten ins Wohnzimmer und stellten uns leise eine CD mit Musik von Edward an, bevor wir zu spielen begannen.
Es dauert nicht sonderlich lange, bis ich die meisten Straßen hatte und dank einiger Hotels kurz davor war zu gewinnen.
Gähnend streckte sich Jacob auf dem Sofa und versuchte abzulenken.
„Na, was meinst du? Kann man es mit mir alleine aushalten? Oder willst du lieber mal Alice anrufen und sie weinend um Hilfe bitten? Ich kann auch zurück nach La Push gehen, wenn du möchtest.“ Er lächelte.
„Du weißt genau, was ich jetzt sagen werde, aber extra für dich: Ich finde es super, dass du hier bist und auf mich auf-passt. Wobei ich mir immer noch die Frage stelle, wer hier in Wirklichkeit auf wen aufpasst…“

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Bis(s) zum Ende aller Tage Empty Re: Bis(s) zum Ende aller Tage

Beitrag  Gast Do 30 Jul 2009, 15:21

Kapitel 1
Teil 2

Er versuchte schon seit Jahren immer wieder, doch auch diesmal hatte ich mich schneller geduckt, als das Kissen über-haupt fliegen konnte, das er nach mir warf. Ich drehte mich um und sah, wie es nur ganz knapp an einer Vase vorbei flog, die neben uns auf einem kleinen Tisch stand.
„Jetzt hast du aber Glück gehabt.“
„Warum? Ich bin sicher Esme hätte mir verziehen, wenn ich die Vase kaputt gemacht hätte.“
„Esme garantiert, aber diese Vase hat Rosalie letztes Jahr von Emmett geschenkt bekommen.“
Er griff hinter sich und holte ein zweites Kissen hervor.
„Dann tut es mir ja sogar leid, dass ich sie verfehlt habe. Darf ich es noch einmal versuchen?“
„Untersteh dich! Es sei denn du willst, dass ich mich zwi-schen meiner Tante und meinem Freund entscheiden muss. Können wir jetzt bitte zu Ende spielen? Ich werde müde.“
Um meine Aussage zu unterstützen gähnte und streckte ich mich ebenfalls.
„Ist ja gut. Ich gebe auf. Du hast mal wieder gewonnen. Das ist einfach nicht mein Spiel.“
„Super. Ich mag es zu gewinnen. Wenn du jetzt so lieb wärst und aufräumst, dann kann ich mich bettfertig machen.“
Noch während ich sprach erhob ich mich und ging ins obere Stockwerk. Nachdem ich im Bad fertig war, betrachtete ich mich noch eine Weile in dem großen Spiegel.
Wie sehr hasste ich diese Zeit abends. Alle anderen brauch-ten nicht zu schlafen und ich hatte das Gefühl so unendlich viel wertvolle Zeit zu verpassen, wenn ich schlief. Als Kind – bei diesem Wort musste ich selber grinsen – hatte ich einmal versucht einfach nicht zu schlafen. Geendet hatte dieser Ver-such damit, dass ich zusammengebrochen war und mir mehr als eine Standpauke hatte anhören dürfen.
Ich atmete tief ein und ging in mein Zimmer, wo Jacob schon im Schlafanzug auf meinem Bett lag.
„Welche Gute-Nacht-Geschichte darf es denn heute sein? Rotkäppchen und der böse Wolf?“
Fragend sah ich ihn an, bis mir auffiel, dass mein Nacht-hemd, das ich wahllos aus dem Schrank gegriffen hatte, heute rot war. Ich sprang auf den Zug auf und rief entsetzt:
„Oh Großmutter, warum hast du so große Hände?“
Lachend schmiss ich mich aufs Bett und kuschelte mich un-ter den Rest der Decke, der nicht unter ihm begraben war.
„Darf ich, wenn ich Albträume bekomme, hier bei dir schla-fen?“
Eine ganze Weile musterte ich ihn und fragte mich, ob er scherzte oder es ernst meinte.
„Na los, verzieh dich. Sei froh, dass Rosalie und vor allem Edward dich überhaupt hier schlafen lassen. Es war sehr nett von Alice dir ihr Zimmer zur Verfügung zu stellen. Du darfst mich morgen früh gerne wecken, wenn das Frühstück fertig ist. Darf ich mir was aussuchen? Ich hätte gerne 0 positiv.“
Bei meinem letzten Satz funkelte er mich kurz an, warf mir dann jedoch eine Kusshand zu, wie er es jeden Abend tat und verschwand fast lautlos aus dem Zimmer.
Obwohl ich in meinem Leben eigentlich nichts zu beanstan-den hatte, lag ich noch einige Zeit was und dachte in Ruhe über einige Dinge nach, bevor ich in einen traumlosen Schlaf fiel.

Am nächsten Morgen erwachte ich durch das Klappern von Besteck aus der Küche. Langsam zog ich mich um und ging hinunter zu Jacob.
„Guten Morgen. Gut geschlafen? 0 positiv war leider aus. Hoffentlich reicht dir Toast als Ersatz. Ich wollte die Küche nicht mit einem erlegten Hirsch vollsauen.“
Ich hielt träge meine rechte Hand hoch und er nahm sie, um zu sehen, was ich ihm zu sagen hatte. Grinsend „hörte“ er mir zu. Als ich geendet hatte, blickte er mich tadelnd an.
„Du bist ja immer noch so ein Morgenmuffel. Klar, wir können nachher gerne einkaufen fahren. Du hast ja noch nicht genug zum Anziehen.“
Schweigend saßen wir nebeneinander, während er frühstückte. Auf menschliche Nahrung war ich nicht besonders scharf und der nächste Jadgausflug hatte durchaus noch Zeit, bis zumindest Edward und Bella wieder da waren, da ich kurz vor ihrer Abreise noch mit Alice unterwegs gewesen war.
Als ich an Alice dachte, musste ich grinsen, was Jacob na-türlich mitbekam.
„Darf ich fragen, was so lustig ist? – Oh, ach ja das war äu-ßerst amüsant. Vor allem, wie sie Edward verunsichert hat.“, fügte er hinzu, als ich unmotiviert meine Hand auf seinen Arm gelegt und ihm meine Erinnerung gezeigt hatte.
Bella hatte versucht sie zu beruhigen, doch Alice lief, wie von der Tarantel gestochen, durchs Haus und murmelte unab-lässig, dass sie einen Fehler begehen würden, wenn sie Jacob und mich alleine zu Hause lassen würden. Nicht, dass sie uns nicht vertrauen würde, doch es wäre einfach zu riskant, dass etwas Unerwartetes passieren wird.
Obwohl sie meine Lieblingstante war, konnte sie einem manchmal doch ziemlich auf die Nerven gehen, wenn sie im-mer so schwarz sah. Ok, genau genommen sah sie wegen Ja-cob und mir überhaupt nichts und genau das beunruhigte sie.
Jasper hatte sich geweigert sie zu beruhigen und ich konnte es ihm beim besten Willen nicht verübeln. Wenn sie wollte, konnte sie ihm das Leben sehr, sehr schwer machen, wenn sie sauer war.
Folglich mussten wir es auf die altmodische Art probieren. Bella ging am Ende siegreich hervor mit dem Argument, dass Alice ja trotzdem noch alles sah, was die Volturi planten und wir rechtzeitig gewarnt wären.
Nachdem Alice Ruhe gegeben hatte, fing Edward eine halbe Stunde vor Abreise auch an nervös zu werden und lief unruhig auf und ab. Nicht so hektisch wie Alice, doch fast genau so nervig. Nur ganz selten sah man in seinem Gesicht Spuren von Nervosität, Angst oder Unruhe.
Dieses Mal jedoch schaltete sich Jasper ein, der dieses hin und her der Gefühle nicht länger ertragen wollte. Zum Ab-schied drückte mich Edward ganz fest und flüsterte mir etwas ins Ohr, das anscheinend kein anderer mitbekommen sollte:
„Denk bitte daran: Du musst nichts tun, was du nicht wirk-lich willst. Ich hab dich lieb.“
„Ich… dich auch, Dad.“
Ganz plötzlich riss Jacob mich aus meinen Gedanken. Zum Glück hatte ich unbewusst die Hand von seinem Arm genom-men, bevor ich zu der Stelle mit Edward kam.
„Wie es Rosalie und Emmett wohl geht? Ich hoffe sie ist schon von ein paar Krokodilen angefallen worden und hat sich ihre Frisur ruiniert.“
Wieder sah ich ihn genervt an und mühte ein paar Worte aus mir heraus:
„Hör auf damit. Sie ist meine Tante und ich mag sie. Find dich damit ab.“
Schon wieder trat dieses nervige Grinsen auf sein Gesicht und während er abräumte verfiel ich wieder in meine eigenen Gedanken an meine Familie.
Rosalie und Emmett waren für eine Weile tatsächlich nach Australien aufgebrochen, um mal wieder ein paar kleine Flit-terwochen zu genießen. In spätestens zwei Monaten jedoch würden sie schon wieder zurück sein.
Mir fiel ein, wie ich selber gestern Abend über Auszeiten gegrübelt hatte und gönnte ihnen diesen Urlaub.
Carlisle, Esme, Alice und Jasper hingegen waren zu Besuch bei den Denalis. Eigentlich sollte ich mit Edward, Bella und Jacob zu Hause bleiben, doch dann kam der Anruf von Char-lie. Mein Stiefgroßvater Phil hatte einen kleinen Unfall gehabt und von seiner Seite aus keinerlei Familie mehr, die sich um ihn kümmern konnte. Charlie wäre gerne selber gefahren, doch sein Hilfssheriff Mark war ausgerechnet jetzt in Urlaub und er konnte unmöglich aus Forks weg.
Bella hatte sich, besonders nach Renee´s vollkommen uner-wartetem Tod, immer sehr gut mit Phil verstanden und so war es für sie selbstverständlich ihm zu helfen. Renee´s Tod war damals ein großer Schock für uns alle gewesen. Es war kurz nachdem wir die Volturi getroffen hatten, als die schreckliche Nachricht kam, dass sie in einen schweren Autounfall verwi-ckelt geworden sei und keine Chance gehabt hätte.
Für mich war diese Nachricht ebenfalls eine sehr schlimme Sache. Ich hätte meine Großmutter doch so gerne kennenge-lernt, nachdem mir alle so nette Dinge über sie erzählt hatten, doch ich begriff relativ schnell, dass man daran nun mal nichts ändern konnte. Das war der Lauf der Dinge. Zumindest der, der Menschen.
Für Edward stand fest, dass er Bella nicht alleine fahren las-sen wollte und bat Alice darum, ihre Reise zu den Denalis zu verschieben. Jacob und mir gelang es jedoch auch ihn zu überzeugen, dass wir mittlerweile alt genug seien, um auch mal ein paar Tage ohne einen Wachhund – Jacob hätte sich fast verschluckt, als ich das Wort benutzte – verbringen konnten.
„Ich bin fertig. Möchtest du jetzt einkaufen fahren? Oder doch lieber etwas anderes?“
Wieder riss er mich aus meinen Gedanken.
„Ich glaube zum einkaufen habe ich doch nicht wirklich Lust. Wie wäre es, wenn wir ein bisschen Krach machen wür-den?“
„Gerne. Aber nur, wenn ich Bass spielen darf.“
Schon war er ins Wohnzimmer verschwunden. Ich seufzte und ging langsam hinterher. Warum fragte ich überhaupt, ob er Lust hatte? Er würde auf jeden Fall tun, was ich wollte.
Vor einigen Jahren erzählten Bella und Edward mir, dass es bei einigen Wölfen ein ziemlich merkwürdiges Ereignis gab, das sie Prägung nannten. Sobald einer von ihnen seinen See-lenverwandten traf, konnten sie sich einfach nicht mehr voneinander trennen. Er wäre bereit alles aufzugeben, alles zu tun, um sie glücklich zu machen.
Und er machte mich wirklich glücklich. Wir hatten schon so viel Zeit miteinander verbracht und mir fiel nicht ein einziger Tag ein, an dem wir uns richtig gestritten hatten oder der nicht wunderschön gewesen war.
Manchmal jedoch wünschte ich mir, dass er auch einmal ei-nen Wunsch äußern würde und sich selbst, sein eigenes Ich sich dadurch auch mal entfalten könne. Ich wollte einfach nicht, dass er sich selber darüber hinweg vollkommen vergaß.
„Nun komm schon Nessie, sonst schlaf ich ein.“, rief er und wie ein geölter Blitz eilte ich hinter mein Schlagzeug. Ich schlug die Stöcke im Takt um ihm zu zeigen, dass ich fertig war und es losgehen konnte.
Edward hatte immer gehofft aus unserer Familie mal ein klassisches Orchester bilden zu können, seit Bella angefangen hatte Harfe zu spielen. Jacob jedoch machte ihm ungewollt einen Strich durch die Rechnung, als er mir zu Weihnachten eine CD mit Rock-Songs schenkte.
Ich war begeistert von der Musik und trommelte ständig den Rhythmus mit den Händen mit. Emmett hat das bemerkt und es gefiel ihm so gut, dass schon wenige Tage später das komplette Equipment für eine ganze Rockband direkt neben dem Klavier im großen Wohnzimmer stand.
Sehr schnell fand ich mich am großen Schlagzeug zurecht, doch auch die Gitarre machte mir Spaß. Emmett spielte je-weils das, worauf ich gerade keine Lust hatte, während Jacob erstaunlicherweise am Bass voll aufging.
Stück für Stück hatten wir es sogar geschafft Esme und Car-lisle dafür zu begeistern. Es war ein herrlicher Anblick, wenn die zierliche und gutmütige Esme hinter dem Schlagzeug zu einem Rocker mutierte. Alice hatte sich sogar bereit erklärt unsere Songs zu singen und schon nach kurzer Zeit hatten wir sogar einen Namen: Rockmonster.
Ich suchte mir für den Anfang einen etwas ruhigeren Song aus, um erstmal wieder ein bisschen rein zu finden und dann legten wir richtig los. Einige Stunden lang spielten wir selbst geschriebene, aber auch bekannte Rock-Songs, bevor wir er-schöpft auf dem Sofa landeten.
„Das ist wirklich klasse hier. So ganz ohne Nachbarn.“
Ich lachte und schnappte mir ein Kissen, um es nach ihm zu werfen.
„Ja allerdings. Vor allem ist es toll, dass einen keiner hört, wenn man so viele Fehler macht, wie du. Dann werden wir wenigstens nicht wegen Körperverletzung verklagt.“
Erst im letzten Moment entschloss ich mich das Kissen doch nicht zu werfen und sprang auf.
„So, ich weiß nicht, wie es bei dir aussieht, aber ich könnte eine Abkühlung vertragen.“
„Na klar. Gerne.“
Fix zogen wir uns um und mit einer riesigen Bombe sprang Jacob in den riesigen Pool, den ich mal zu Weihnachten von Emmett unten im Keller gebaut bekommen hatte. Es gab eine riesige Flutwelle und ich sprang hinterher.
Einige Zeit alberten wir einfach so herum und spielten mit einem Ball und einer Frisbee. Das war meine Paradedisziplin. Egal, was wir spielten, Jacob ließ mich fast immer gewinnen. Hier jedoch musste er sich wirklich anstrengen, um überhaupt den Hauch einer Chance zu haben. Im Wasser war ich um ei-niges wendiger und schneller, als er. Zwar konnte ich nicht unendlich lange die Luft anhalten, doch ich war geübt und es machte mir Spaß.

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Beitrag  Gast Do 30 Jul 2009, 15:22

Kapitel 1
Teil 3

„Fang mich doch.“
Ich floh vor ihm, indem ich unter tauchte. Schon nach kurzer Zeit merkte ich, dass er es so nicht schaffen würde und wurde mutiger. Ich versuchte ihm zwischen den Beinen hindurch zu tauchen, als seine Hände mich mittendrin plötzlich an der Taille packten und hoch zogen.
„Hab ich dich.“, jubelte er, nachdem ich das Wasser aus-spuckte, das ich vor Überraschung geschluckt hatte.
Er zog mich an seine Brust und sah mich triumphierend an.
„Ich habe dich gefangen. Was ist denn jetzt meine Beloh-nung?“
Grinsend ging ich auf seinen Scherz ein.
„Bella hat mir mal erzählt, dass du gerne Zuckerherzen magst. Ich glaube, ich könnte davon eine Tüte besorgen.“
„Zuckerherzen wären klasse, aber das dauert mir zu lange. Ich möchte sofort belohnt werden.“
Langsam senkte er den Kopf. Ich wusste nicht, ob er scherz-te. Vollkommen perplex stammelte ich etwas davon, dass ich gerade nichts dabei hätte, während er mit seinen großen Hän-den meinen Rücken entlang wanderte.
Mit einem Ruck löste ich mich von ihm und sprang aus dem Pool. Ich nahm mir mein Handtuch und ging zur Tür. Ohne mich umzudrehen blieb ich stehen und flüsterte:
„Ich gehe in mein Zimmer. Ich bin müde.“
Eine Weile später lag ich oben auf meinem Bett und dachte nach. Jacob war mir nicht gefolgt und hatte nicht versucht mit mir zu reden.
Ich grübelte darüber nach, was sein Handeln wohl für eine Bedeutung hatte. Was konnte er mit Belohnung gemeint ha-ben? Was hätte ich ihm im Schwimmbad schon geben kön-nen? Er hatte mir sicher keine Angst machen wollen, doch sein Blick war merkwürdig gewesen. So unbekannt. Fremd.
Solange ich auch nachdachte, kam ich doch auf kein Ergeb-nis. Es dämmerte bereits und erst, als mein Handy klingelte, sah ich auf die Uhr. Bella war am Telefon und erkundigte sich nach meinem Tag und ob alles in Ordnung wäre. Ich erzählte ihr nichts von dem Vorfall im Schwimmbad und beschloss es für mich zu behalten und einfach zu vergessen.
Nach dem Telefonat, das sich hinzog, weil Edward zusätz-lich auch noch einmal jede Einzelheit des Tages erzählt haben wolle, bemerkte ich, wie mich auf einmal die Müdigkeit überrannte.
Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie wir alle auf ewig in Frieden als Familie zusammen sein würden. Langsam veränderte sich das Bild. Die große Familie verschwand und wurde zu drei Männern, die lange, schwarze Kapuzenumhänge trugen. Obwohl ich sie vor langer Zeit und auch nur als Kind ein einziges Mal gesehen hatte, wusste ich noch allzu gut, wer diese Gestalten waren.
Hinter ihnen tauchte ein Mädchen auf und schrie, als würde sie Höllenqualen leiden. Ihr Gesicht war nicht zu erkennen, doch es war mir egal, wer sie war. Ich wollte ihr helfen und lief auf sie zu, doch ich kam keinen Schritt von der Stelle. Die drei Männer lachten. Es war ein kaltes, grausames Lachen und plötzlich durchfuhr mich ein unbeschreiblicher Schmerz.
Ich schrie, doch es hörte nicht auf. Schweißgebadet erwach-te ich von meinem eigenen Schrei. Was war das für ein merk-würdiger Traum gewesen? Warum träumte ich ausgerechnet von den Volturi und wer war dieses Mädchen? Und warum fühlte das alles so real an?
Noch bevor ich die Gedanken weiterführen konnte ging die Tür auf und Jacob trat ein.
„Renesmee, ist alles in Ordnung?“
Die pure Angst stand in seinen Augen. Es bedeutete schon einiges, wenn er mich bei meinem vollen Namen nannte.
„Es geht mir gut. Ich hatte nur einen Albtraum.“, keuchte ich. Er setzte sich neben mich aufs Bett und nahm mich in den Arm. Vorsichtig wischte er mir den Schweiß von der Stirn und küsste mich aufs Haar, wie Edward es immer bei Bella machte. Das war wieder der Jacob, den ich kannte.
„Pscht, ist ja gut. Ich bin da und passe auf dich auf.“
Es tat gut mich in seine Arme zu schmiegen. Das Grauen des Traumes verflog und ich beruhigte mich allmählich.
Nach einigen Augenblicken löste ich mich leicht aus seiner Umarmung und sah ihm in die Augen.
„Danke Jake. Ich hab dich lieb.“
„Und ich liebe dich. Sehr sogar.“
Ich erschrak. Da war er wieder, der Ausdruck in den Augen. Und diesmal begriff ich, was er mir sagen wollte.
„Ich liebe dich so sehr. Bitte meine kleine Nessie, sag mir, was du denkst und was du fühlst. Wie du… empfindest… für mich.“
Was war bloß mit Jacob los? Warum sagte er so komische Dinge? Natürlich liebte ich ihn. Doch ich liebte ihn genau so, wie ich auch Rosalie oder Carlisle liebte. Ich hatte das Gefühl keinen Tag ohne ihn verbringen zu können, schließlich war er mein Jacob.
Aber Liebe? Darüber hatte ich mir noch nie Gedanken ge-macht, weil es so selbstverständlich war, dass er mein bester Freund ist.
Mit offenem Mund starrte ich ihn an.
„Ähm… also ehrlich… ich…“
Er legte mir einen Finger auf die Lippen.
„Pscht, schon gut.“
Diese Worte hatte ich eben schon mal gehört, doch da war ich noch froh darüber getröstet zu werden.
„Du musst es nicht unbedingt sagen. Es reicht auch, wenn du es mir zeigst.“
Er nahm meine Hand und hielt sie sich an die Wange. Als er merkte, dass keine Bilder kamen, keine klaren Gedanken, sondern nur verwirrte Fetzen, interpretierte er es falsch.
„Ich weiß, wie du dich fühlst. Ich bin auch durcheinander.“
Es sollte wohl verständnisvoll klingen, doch es hatte eher die gegenteilige Wirkung. Ich saß wie angewurzelt in seinem Arm, als er wieder den Kopf zu mir neigte, die Augen schloss und versuchte mich zu küssen. Es blieb allerdings nur bei dem Versuch, denn wieder befreite ich mich schnell aus seinem Griff und sprang auf.
„Nein! Das ist… falsch. Jake, was… denkst du dir?“
Bevor er jedoch etwas erwidern konnte, schnappte ich mir meine Handtasche vom Stuhl und verschwand nach unten.
Nur kurz überlegte ich, wohin ich gehen sollte, doch das war genau genommen egal. Schnell schrieb ich einen Zettel für Jacob, öffnete die Tür und verschwand hinaus in die Dunkelheit.
Folge mir nicht. Sag Mom und Dad, dass ich sie lieb hab und wiederkomme. Irgendwann.
Ich hoffte sehr für ihn, dass er sich daran halten würde, denn ich wollte einfach nur weg von ihm.
Irgendwohin.

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Bis(s) zum Ende aller Tage Empty Re: Bis(s) zum Ende aller Tage

Beitrag  Gast Do 13 Aug 2009, 23:24

Sry für Doppelpost, aber das zweite Kapitel ist endlich fertig. Und wieder gilt: Immer schön Lob,Kritik und Verbesserungsvorschläge posten Bis(s) zum Ende aller Tage 143787

Kapitel 2:
Freunde

Langsam schlichen die ersten zartorangenen Strahlen der Morgenröte über den Horizont, während ich weiter durch den dichten Wald aus Nadelbäumen rannte und die Tiere um mich herum erwachten. Einige Vögel sangen hoch in den Wipfeln ihre Lieder in der Hoffnung einen Partner anzulocken, Insek-ten schwirrten durch die Büsche und hier und da erschrak ein Hase oder Eichhörnchen, wenn ich seinen Weg kreuzte.
Meine scharfen Augen realisierten jede noch so kleine Be-wegung um mich herum und erstaunt stellte ich Unterschiede zu dem fest, was ich bis jetzt immer im Wald erlebt hatte. Die Tiere realisierten zwar meine Anwesenheit, doch sie zeigten kaum Angst. Sie schreckten nicht so voller Panik zurück, wie sonst.
Ich benötigte eine Weile, bevor ich den Unterschied erkannte. Bis jetzt war ich noch nie alleine unterwegs gewesen. Es war immer jemand aus meiner Familie und Jacob dabei. Reine Vampire und ein Werwolf. Da war es kein Wunder, dass alle Tiere automatisch davor zurückschreckten sich auch nur einen Millimeter zu bewegen.
Bei mir jedoch war es anders. Ich roch auch leicht vampi-risch, doch der schwere, menschlich süße Geruch überwiegte laut meiner Familie.
Ich genoss die Ruhe und blieb einige Male kurz stehen, um in dieser Idylle die verschiedensten Tiere zu beobachten. Die Sonne war inzwischen aufgegangen und langsam spürte ich die Müdigkeit, die sich jeden Tag aufs Neue in mir ausbreite-te, wie ein nerviges Insekt. Letzte Nacht hatte ich nur wenige Stunden geschlafen und war bis jetzt ohne längere Pause ge-laufen.
Bald würde ich den nächsten Ort und eine Herberge aufsu-chen müssen. Zum Glück hatte ich meine Handtasche mitge-nommen. Schon seit einigen Jahren hatte Carlisle mir meine eigene Kreditkarte gegeben – falls mal etwas passieren sollte und ich Geld bräuchte.
Heute würde ich sie wohl das erste Mal benutzen müssen. Mir war klar, dass meine Familie durch den Gebrauch dieser Karte zurückverfolgen konnte, wo ich mich befand, doch in-stinktiv wusste, oder vielmehr hoffte, ich, dass ich ihnen ver-trauen konnte. Sie würden mir nicht folgen, wenn Jacob ihnen meine Nachricht zeigt. Wenn.
Ich lief immer weiter und schon seit geraumer Zeit hatte sich die Landschaft um mich herum verändert. Die Anzahl der Bäume hatte abgenommen und die dichten Wälder wurden stückweise durch weite Steppenlandschaften und zerklüftete Felsen ersetzt.
Die Einsamkeit war erstaunlich angenehm und die Änderung der Umgebung wirkte sich positiv auf mein Gemüt aus. Im Wald war ich zwar frei, doch im Gegensatz zu dieser Art Wüstenebene fühlte ich mich selbst in der altgewohnten Umgebung eigenartig bedrängt. Dieses Gefühl der Freiheit beflügelte mich und ich legte ein wenig an Tempo zu.
Ich lief noch eine ganze Weile, bevor ich mich dazu ent-schloss endlich eine Schlafmöglichkeit zu suchen.
Die nächste Ortschaft zu finden war nicht schwer. Ich muss-te einfach nur dem Geruch folgen, den der Wind sanft zu mir trug und schon nach wenigen Minuten war ich nur noch einige Kilometer von einer kleinen Stadt entfernt.
Wenn die Landschaft um mich herum anders gewesen wäre, dann hätte man diesen Ort wirklich fast für Forks halten kön-nen. Das Ortseingangsschild allerdings kündigte eine Stadt namens Ruth an. Ich befand mich also schon in Nevada.
Gerade, als ich mich auf die Hauptstraße zum Ortseingang begeben wollte, um ein kleines Hotel zu suchen, klingelte mein Handy. Langsam suchte ich es aus meiner Tasche und sah auf das Display. Bella.
Ich hatte zwar damit gerechnet, dass sie es versuchen würde, doch so schnell war es überraschend. Nur kurz überlegte ich, bevor ich abnahm und sofort drauf los redete.
„Es ist alles in Ordnung, Mom. Mir geht’s gut und ich brau-che nur etwas Zeit. Ich melde mich wieder bei euch. Lieb dich.“, flüsterte ich schnell ins Telefon. Bevor sie etwas sagen konnte, hatte ich schon aufgelegt.
Einige Sekunden blieb ich wie angewurzelt stehen, bevor ich wie der Blitz losrannte. Ich war wirklich müde, doch gerade jetzt wusste ich, dass ich nicht schlafen konnte. Innerlich war ich zu aufgewühlt und einige Stunden würde ich noch aushalten.
Der Wind wehte mir durch die offenen Haare und die Sonne brannte unablässig vom Himmel herab. Die Hitze machte mir jedoch nichts aus und ich lief bis in den frühen Abend hinein.
Da ich schon einmal in der Gegend war, beschloss ich die Nacht in Phoenix zu verbringen. Bella hatte dort lange gelebt und ich wollte die Gelegenheit nutzen, um mir einen Eindruck von der Stadt zu verschaffen.
Schnell fand ich ein kleines Hotel in einem Vorort, wo ich die Nacht verbrachte. Ich schlief ruhig und traumlos. Der merkwürdige Traum von den Volturi und dem Mädchen war in weite Ferne gerückt.
Schon früh am nächsten Morgen erwachte ich und zog eini-ge Zeit durch die Stadt. Noch nie war ich in der Nähe von so vielen Menschen gewesen und ich spürte eine Trockenheit in meiner Kehle, die mir fremd war. All diese herrlichen Gerüche um mich herum irritierten mich. Zweifellos würde ich doch eher als gedacht jagen müssen.
Einige Zeit überlegte ich, ob ich mir einen Mietwagen neh-men oder vielleicht sogar einen kleinen, alten Gebrauchtwa-gen kaufen sollte, doch da, wo ich hin wollte, würde ich mit einem Auto nicht sehr weit kommen.
Als der Durst nicht mehr auszuhalten war und ich alles, was ich hatte sehen wollen, auch gesehen hatte, ließ ich die Stadt hinter mir und machte mich wieder auf den Weg weiter Rich-tung Süden.
Nach einer halben Stunde begegnete ich zufällig einer Rin-derherde und stillte meinen Durst mit dem zähflüssigen Blut eines großen Bullen. Diese Stärkung war genau das, was ich brauchte und frisch motiviert schaffte ich es im Laufe des Ta-ges ohne weitere Unterbrechungen oder Komplikationen ganz durch Mexiko bis nach Guatemala.
Noch vor Anbruch der Dunkelheit hatte ich wieder ein klei-nes Hotel gefunden und mich früh ins Bett begeben. Ich hätte nie gedacht, dass man seine Vorlieben innerhalb von so kurzer Zeit ändern könnte, doch ich stellte fest, dass ich früh morgens viel vitaler und motivierter unterwegs war. Noch vor zwei Tagen hatte ich morgens eigentlich immer schlechte Laune und kam nur schwer in die Gänge.
Am folgenden Tag stand ich also wieder früh auf und mach-te mich auf dem Weg nach Brasilien. Als ich davongelaufen bin, wollte ich zuerst zu meiner Familie bei den Denalis, doch ich brauchte mehr Abstand von allem. Ich beschloss Zafrina suchen zu gehen und dabei etwas von der Welt zu sehen.
Heute würde ich es auf jeden Fall bis nach Brasilien schaf-fen und ich überlegte fieberhaft, wie ich die Suche nach ihnen am besten gestalten sollte. Ich wusste von ihnen eigentlich nur, dass sie sich hauptsächlich im Amazonasgebiet aufhielten und nur in kleinen Städten jagten.
Irgendwie würde ich sie schon finden. Wer weiß, vielleicht zählte ich ja mal zu den Glücklichen und konnte zufällig auf meiner Reise ihre Spur riechen, der ich folgen konnte.
Glücklicherweise waren meine Sinne vampirisch geprägt und nicht menschlich schwach. Ich war selber erstaunt darü-ber, wie schnell ich vorankam und wie sich die Umgebung er-neut zu einem dicht bewachsenen Wald voller Lebewesen verwandelt hatte.
Alles war so neu und ich konnte mich kaum satt sehen an den vielen Farben und Formen der Pflanzen und Tiere. Auch, wenn es mir sehr schwer fiel, so musste ich mich doch primär darauf konzentrieren Zafrina, Kachiri und Senna zu finden. Sie hatten uns erst vor drei Monaten besucht und waren, wie immer, zu dritt gekommen und auch wieder abgereist.
Ein klarer Vorteil unserer Familie war, dass alle ein Handy besaßen und so gut wie immer erreichbar waren. Die Amazo-nen dagegen wollten mit dieser Art der Zivilisation nichts zu tun haben und trugen noch nicht einmal Kleidung aus Stoff, sondern Tierhäute und –felle. Da war an ein Handy gar nicht zu denken. Es würde einfach nicht zu ihrem Lebensstil passen.
Schon früh kam ich an der brasilianischen Grenze an und streifte zu Beginn an der Küste entlang, bevor ich mich für ein Dorf entschieden hatte, in dem ich übernachten wollte. Diesmal unternahm ich vor dem Zu-Bett-Gehen einen kleinen Ausflug und sah mich in dem Dorf um.
In einem kleinen Laden für Touristen besorgte ich mir, was ich schon viel früher gebraucht hätte: eine Landkarte. So konnte ich viel gezielter suchen und würde nicht aus Versehen das Land verlassen. Viel mehr gab es in dem Dorf nicht zu sehen und meinen Durst hatte ich Minute für Minute, die ich unter Menschen verbrachte, besser unter Kontrolle.
Bei Anbruch der Dunkelheit begab ich mich in mein Hotel-zimmer und studierte die Landkarte. Eine Zeit lang überlegte ich das Land systematisch abzusuchen, entschied mich jedoch dagegen. Ich wusste nicht, ob die Amazonen sich bevorzugt an einer Stelle aufhielten oder wirklich durch das komplette Land zogen. Bei letzterem wären sie sowieso ein wenig schneller unterwegs, als ich und da bei mir auch die Nächte wegfielen, hatte ich so eigentlich keine Chance. Mir blieb wohl oder übel nichts anderes übrig, als einfach durch den Regenwald zu streifen und darauf zu hoffen ihre Spur zu finden.
Langsam glitt ich in den Schlaf, der diesmal nicht traumlos blieb. Überall war es grün. Rings um mich herum und sogar, wenn ich nach oben sah, war diese Farbe allgegenwärtig. Zu-erst dachte ich, es sei der bekannte Wald aus Forks, doch et-was war anders. Das Grün der Pflanzen war heller und kräfti-ger und überall wurde es von Blüten aller nur erdenklichen Farben unterbrochen. Wie bunte Tupfer waren sie überall ver-teilt und leuchteten in voller Pracht. Ich brauchte eine Weile, um mich zu erinnern, woher mir diese Farbenpracht bekannt vorkam. Als ich es erkannte, war ich ein bisschen sauer auf mich selber, weil ich fast nicht auf eines meiner Lieblingsbil-der gekommen wäre. The Garden of Joan Miró, bei dem man sich bis heute nicht sicher war, ob es wirklich von Miró selber stammt oder eine Hommage an ihn sein soll.
Mir war es vollkommen egal, wer es gemalt hat, denn mir war nur wichtig, dass es die Phantasie anregte und alles andere als Trist war, wie fast alle Bilder des spanischen Künstlers. In meinem Traum erschienen jedoch nicht nur die unbekannten Pflanzen, sondern auch Tiere, die ich seit meiner Ankunft im Regenwald gesehen hatte. Das ganze wirkte paradoxerweise wirklich eher wie ein Traum, als eine Erinnerung an den vergangenen Tag.
Ich zog noch eine ganze Zeit lang durch diese Traumland-schaft, bevor ich von den ersten sanften Sonnenstrahlen des Tages geweckt wurde. Statt direkt loszuziehen, besorgte ich mir in dem kleinen Laden, in dem ich am Vorabend die Karte gekauft hatte, etwas Neues zum Anziehen.
Alice wäre bei diesem Anblick wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen, wenn sie es könnte, doch ich fand es toll und wollte so ein Outfit eigentlich schon immer mal angezogen haben. Ich räkelte mich vor einem großen Spiegel, als die Verkäufe-rin mich sichtlich aus Spaß fragte, ob ich es direkt anbehalten wolle.
Ihr Gesichtsausdruck, als ich dies bejahte, war herrlich. Ich sah aus, als wäre ich einer Daktari-Folge entsprungen.

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Beitrag  Gast Do 13 Aug 2009, 23:25

Kapitel 2
Teil 2

Feste Wanderschuhe, beige Hose und Bluse. Dazu, um dem Ganzen das gewisse Etwas zugeben, einen Buschhut in Tarnfarben.
Nachdem die Verkäuferin verstanden hatte, dass ich es ernst meinte, erklärte sie sich sogar bereit meine alten Kleidungs-stücke zu entsorgen und wünschte mir, als ich den Laden ver-ließ einen erfolgreichen Tag. Wenn sie gewusst hätte, wie sehr ich den brauchen könnte.
Ich verstaute Handy, Portemonnaie und die Landkarte in dem Rucksack, den ich mir ebenfalls gekauft hatte, um nicht mit meiner lilanen Handtasche herumlaufen zu müssen. Die neuen Kleidungsstücke versetzten mich in Hochstimmung und trugen dazu bei, dass ich mich wie ein richtiger Entdecker fühlte, der im unbekannten Urwald auf Mission ging.
Tatsächlich geschah das, wovon ich kaum zu träumen ge-wagt hatte. Ich kam gut voran und schon gegen Mittag traf ich auf einen bekannten Geruch, der eindeutig vampirisch war. Die Spur war erst wenige Stunden alt und ich folge ihr in die Richtung, in der sie stärker wurde. Sie führte mich zu einem kleinen Dorf und vollkommen auf den Geruch konzentriert erschrak ich, als ich plötzlich rechts von mir eine Stimme hörte.
„Óla, quemes?“, fragte mich eine ältere Frau auf Portugie-sisch. In diesem Moment war ich glücklich, dass ich Edward damals gebeten hatte mir nicht nur Französisch, Italienisch und Deutsch beizubringen, sondern auch Spanisch und das sich nur kaum unterscheidende Portugiesisch.
„Óla. O meu nome e…“, setzte ich an. Allerdings kam ich nicht mehr dazu der Frau, dich mich gefragte hatte, wer ich bin, meinen Namen zu nennen. Urplötzlich schoss aus dem Baum hinter ihr eine lange Gestalt und riss sie so schnell zu Boden, dass sie noch nicht einmal Zeit zum Schreien hatte.
Wie angewurzelt blieb ich mit offenem Mund stehen, bis Kachiri ihr Opfer ausgesaugt hatte. Schon oft hatte ich mir darüber Gedanken gemacht, dass unsere Familie eine Aus-nahme war. Andere Vampire griffen wehrlose Menschen, wie auch Charlie einer war, an. Auch ich mochte lieber das süße Menschenblut, doch nur sehr selten gönnte ich mir diesen Ge-nuss und wenn, dann aus gespendetem Blut. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen ein Menschenleben, in dem es Familie und Freunde gab, einfach auslöschen zu können.
Es war das erste Mal, dass ich es sah, ja vielmehr mit anse-hen musste. Schon im gleichen Moment wurde mir klar, dass ich es auch nie wieder mit ansehen wollte.
Als Kachiri fertig war, erhob sie sich und sah mich freund-lich an.
„Also Nessie, dich hätte ich hier nun wirklich nicht erwartet. Vielen Dank, dass du sie abgelenkt hast. Es war nicht einfach sie aus dem Dorf heraus zu locken. Fast hätte ich dich angegriffen. Deine vampirische Hälfte ist wirklich nur ziemlich schwach zu riechen.“
Sie lächelte und zeigte auf die Leiche. Ich war außer Stande zu antworten. Lediglich meinen Mund hatte ich mittlerweile schließen können.
„Ist alles in Ordnung mit dir? Sag mal, was machst du ei-gentlich hier? Sind Bella und Edward auch da? Wie siehst du eigentlich aus? Nessie?“
Besorgt sah sie mich an und kam langsam auf mich zu.
„Diese… Frau…“, stammelte ich.
Kachiri blickte kurz über die Schulter zurück und verstand nun, was los war.
„Oh. Ach so ist das. Tut mir sehr leid. Ich hatte vergessen, dass du… nun ja, vegetarisch jagst.“
In ihren Augen spiegelte sich ihre Aufrichtigkeit und es tat ihr wirklich sehr leid. Langsam kam ich wieder zu mir.
„Ist schon gut. Es war nur das erste Mal, dass ich das mit angesehen habe. Ehrlich gesagt möchte ich das auch so schnell nicht wieder miterleben.“
Ich atmete tief ein und löste meinen Blick von der toten Frau. Inzwischen war Kachiri bei mir und hielt mir die Arme für eine Umarmung hin. Darauf ging ich gerne ein und Stück für Stück kehrte die Freude ein, dass ich sie tatsächlich so schnell gefunden hatte.
„Ich bin alleine hier. Eigentlich suche ich Zafrina. Weißt du, wo sie ist?“, fragte ich sie, als wir uns wieder voneinander gelöst hatten. Sehr zu meiner Freude nickte sie und bot mir an mich zu ihr zu führen.
Den Weg brachten wir schweigend hinter uns. Ihre langen Haare waren zu einem Zopf geflochten, ihre Bewegungen ge-schmeidig wie Seide und die Tierhäute verdeckten dezent nur das nötigste. Ich fragte mich, ob sie so still war, weil sie von Gewissensbissen geplagt wurde, oder ob sie einfach nur nicht sehr gesprächig war und musste mir eingestehen, dass ich nie wirklich viel Zeit mit ihr verbracht hatte, obwohl sie uns schon oft besucht hatten. Wenn, dann war ich immer mit Zafrina zusammen gewesen. Senna und Kachiri waren meistens in Gegenwart von Carlisle und Esme.
Wenig später, ich war erstaunt, wie gut ich mit ihr mithalten konnte, kamen wir mitten im Urwald an eine kleine Lichtung, auf der eine winzige Holzhütte mit Blätterdach stand.
„Ihr habt ein Haus? Ich dachte immer ihr seid Nomaden.“
Erstaunt betrachtete ich das Häuschen und blieb vor dem Eingang stehen.
„Waren wir auch. Aber mittlerweile waren wir so oft bei euch, dass wir gemerkt haben, wie schön es sein kann, wenn man eine feste Anlaufstelle hat. Es ist nichts besonderes, aber weil Zafrina schon länger hofft, dass du mal zu Besuch kommst, haben wir sogar ein Bett reingestellt.“
Mit einer ausschweifenden Handbewegung deutete sie mir einzutreten. Es war nicht sonderlich groß, wirkte jedoch ge-mütlich. An den Wänden hingen farbenfrohe Bilder und auf zwei Regalen standen Tontöpfe in verschiedenen Größen und einige Bücher. Auf dem Boden lag das Fell eines Pumas und in einer Ecke direkt unter dem einzigen Fenster stand ein kleines Bett.
„Es ist wunderschön hier.“ Ich war wirklich erstaunt darü-ber, was sie hier geschaffen hatten und setzte mich auf das weiche Bett.
„Zafrina ist anscheinend noch nicht zurück. Ich werde ihr Bescheid sagen, dass du da bist. Mach es dir bequem und fühl dich ganz, wie zu Hause.“ Sie grinste und war auch schon in dem dichten Dschungel verschwunden.
Ich entspannte mich und strich mit den Händen über das Bett, auf dem ich saß. Es hatte eine richtige Matratze und statt einer Decke gab es, wie konnte es auch anders sein, das Fell eines mir unbekannten Tieres. Probehalber legte ich mich hin und das Kissen, mit etwas scheinbar körnerartigem gefüllt, war sehr bequem. Zu bequem, ich wie feststellen musste und schnell richtete ich mich wieder auf, bevor ich aus Versehen einschlief.
Es war ein herrliches Gefühl nun hier zu sitzen. Der ganze Druck fiel vollkommen von mir ab, denn ich hatte es tatsäch-lich geschafft sie zu finden. Ganz alleine war ich bis nach Brasilien gereist, hatte die verschiedensten Wunder der Natur gesehen und mich selber neu gefunden.
Wahllos griff ich nach einem der Bücher auf einem der Re-gale und fing an zu lesen. Es konnte, wenn mein Glück er-schöpft war, Stunden dauern, bis sie wieder hier waren und so hatte ich wenigstens etwas zu tun. Tatsächlich schaffte ich es meine Gedanken auf den Inhalt der Seiten zu fokussieren.
Das Buch handelte von dem altägyptischen Pharao Ramses II. und das Leben im Einklang mit Mythen, Magie und Freun-den. Es fesselte mich total und ich hatte es schon fast halb durch, als eine Stimme wie aus dem Nichts mich erschreckte.
„Gute Wahl, das ist mein Lieblingsbuch.“
Diese Stimme war mir nur allzugut bekannt und als ich zum Eingang sah, stand Zafrina in lässiger Haltung an den Türrah-men gelehnt.
„Zafrina!“ Ehe ich mich versah, war ich auch schon auf-gesprungen, hatte das Buch aufs Bett geworfen und war ihr um den Hals gefallen.
Am liebsten hätte ich sie nie wieder los gelassen und ich erinnerte mich daran, warum ich eigentlich hier war. In den letzten Tagen hatte ich mir sorgsam ein Haus aus all den schönen Dingen, die ich gesehen und erlebt hatte, um mich herum gebaut, das nun in sich zusammenfiel. Schlagartig kam die Erinnerung zurück und meine Reaktion kam mir plötzlich etwas übereilt vor.
Erst, als Zafrina mich sanft aber bestimmend von sich löste, merkte ich, dass ich weinte.
„Renesmee, was ist los?“
Das mochte ich an ihr. Zwar war sie neugierig und wollte wissen was los war, doch sie bombardierte mich nicht so mit Fragen, wie Kachiri. Behutsam führte sie mich zum Bett und sah mich eindringlich an. Ich hielt kurz inne. Irgendetwas in ihrem Blick war anders, als sonst, doch ich kam nicht darauf, was.
„Was..?“, setzte ich an, doch sie unterbrach mich.
„Ich weiß, was du meinst. Darüber reden wir später. Was ist mir dir los?“
Kurz veränderte sich das Bild vor meinen Augen. Die klei-ne, gemütliche Hütte verschwand und ich sah zuerst das kleine Häuschen von Bella und Edward, gefolgt von unserer großen Villa.
So kannte ich Zafrina. Sie wollte mir die Sache erleichtern und bot mir an es ihr auf unsere Weise zu erzählen. Dankbar zeigte ich ihr ein schwaches Lächeln. Ich hob die Hand und hielt sie ihr an die Wange.
Die ersten Bilder, die ich ihr zeigte, waren die Erinnerungen, was überhaupt bei uns zu Hause los gewesen war. Ich zeigte ihr, dass der Großteil unserer Familie bei den Denalis war, um beim Umzug zu helfen, dass Bella und Edward bei Phil waren, um ihm zu helfen und dass Jacob und ich ein paar Tage alleine bleiben sollten.
„Nicht ganz so schnell. Da komme selbst ich nicht mit.“
Ich hielt inne. Die letzten Bilder von Jacob waren zu durch-einander gewesen. Eine kalte Klammer legte sich um mein Herz. Tiefes durchatmen und volle Konzentration waren nötig, um meine Gedanken zu ordnen und in der richtigen Reihenfolge weiterzumachen.
Zafrina wartete geduldig uns ließ mir Zeit. Ihre Gesichtszü-ge waren weich und liebevoll strich sie mir mit einer Hand über den Rücken. Hier, in ihrem Zuhause, wirkte sie viel ruhi-ger, als bei uns. Sie sah nicht ständig nervös in alle möglichen Richtungen und ihr Körper wartete nicht ständig angespannt darauf zu fliehen.
Langsam fuhr ich fort und zeigte ihr, wie Bella und Edward mittags zu Phil gefahren sind, dass zu Beginn alles in Ordnung gewesen war und wie viel Spaß wir gehabt hatten. Dann den ersten Abend, als Jacob diese komische Anmerkung gemacht hatte, die ich erst jetzt richtig verstand. Ich weiß nicht, ob Zafrina direkt bewusst wurde, worauf das hinauslief und fuhr ohne Unterbrechung fort.
Als ich die Bilder aus dem Schwimmbad zeigte, musste ich aufpassen, um nicht wieder verwirrend und zu schnell zu wer-den. Ich zeigte ihr, wie Jacob mich verunsichert hatte und erinnerte mich an das Gefühlschaos, das er in mir verursacht hatte. Als er mich hatte küssen wollen und ich aufgesprungen war, stoppte ich die Bilder und sah Zafrina unsicher an.
Zwar wollte ich, dass sie reagierte und etwas sagte, doch an-dererseits fürchtete ich mich ein wenig davor. Was sollte ich tun, wenn sie mich direkt zurückschicken würde? Wenn sie nicht verstand, warum ich so reagiert hatte.
Sie sah zu Boden und ihre Miene war unergründlich. Erst drei unendlich lange Sekunden später blickte sie mir wieder in die Augen.

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Bis(s) zum Ende aller Tage Empty Re: Bis(s) zum Ende aller Tage

Beitrag  Gast Do 13 Aug 2009, 23:25

Kapitel 2
Teil 3

„Ich muss gestehen, dass ich wirklich überrascht bin.“
Als ich nach einigen Sekunden merkte, dass sie nicht weiterreden würde, fragte ich nach.
„Wieso? Ich verstehe das alles nicht. Bitte erkläre es mir.“
„Damals…“, begann sie, lehnte sich zurück und sah an die Decke.
„... als du klein warst und wir uns kennenlernten, hatten wir alle sehr große Angst um die Zukunft. Genauer gesagt hatten wir Angst, ob wir überhaupt eine Zukunft haben würden. Als die Sache dann vorbei war, fühlten wir uns fast wie neugebo-ren.“
Sie grinste bei ihren eigenen Worten.
„Der Kampf oder wie auch immer man das nennen mag, was wir ausstehen mussten, war eine besondere Erfahrung für uns alle. Vor allem der Teil mit den Werwölfen. Eigentlich sollten wir Feinde sein, doch allein die Beziehung zwischen dir und Jacob hat uns um diese einzigartige Erfahrung bereichert. Nie hat auch nur einer von uns daran gezweifelt, dass das ganze tatsächlich gut gehen kann. Auch, als ich euch ab und zu besucht habe wart ihr immer ein Herz und eine Seele. Wie zwei Teile eines Ganzen. Wir alle wussten, was es für einen Werwolf heißt geprägt worden zu sein. Er tat wirklich alles, nur um dich glücklich zu sehen. Ich hätte nie gedacht, dass es dir nicht bewusst wäre.“
„Aber was denn bewusst? Ich habe doch überhaupt nichts anders gemacht, als sonst.“
Meine Augen füllten sich mit Tränen. Offenbar hatten alle kommen sehen, was passiert war. Alle wussten, dass es früher oder später so kommen würde – nur ich nicht.
Zafrina sah mir in die Augen und sah fast schon schuldbe-wusst aus, als sie sagte:
„Dass es irgendwann mehr, als nur eine besonders innige Freundschaft wird. Dass es Liebe wird.“
„Aber…“
Mehr brachte ich nicht heraus. Schweigend stand ich auf, ging zur Türöffnung und starrte in den dichten Dschungel.
„Renesmee, bitte tu mir den Gefallen und zeig mir, was da-nach passiert ist.“
Sie war bereits dabei aufzustehen um mir entgegenzukom-men, als ich sprach und die Hand hob, um ihr zu deuten, dass sie sitzen bleiben könne.
„Nichts. Ich habe einen Zettel für Jacob geschrieben, auf dem ich ihn gebeten habe der Familie auszurichten, dass sie sich keine Sorgen machen müssen und ich irgendwann wie-derkommen werde. Dann bin ich auf direktem Wege hierhin. Unterwegs hat… Mom mich angerufen, doch ich habe sie ab-gewimmelt.“
Zafrina sprang nun auf und war mit einem Satz bei mir.
„Was, sie wissen war nicht, wo du bist? Super und als näch-stes erzählst du mir, dass du zu Fuß gekommen bist.“
Eigentlich sollte es wohl ein Scherz sein, doch ich drehte meinen Kopf schuldbewusst zur Seite und vermied Augenkontakt.
Sofort verstand Zafrina und funkelte mich mit bösem Blick an.
„Das darf doch wohl nicht wahr sein. Weißt du, was alles hätte passieren können?“
Ich wollte nicht sauer werden, doch das war zu viel für mich. Es war schon schwer genug zu verstehen, was in den letzten Tagen passiert war. Da konnte ich eine Moralpredigt absolut nicht gebrauchen.
„Mir ist aber nichts passiert. Ganz im Gegenteil, ich habe so vieles erlebt. Mir ist bewusst geworden, wie wenig ich eigent-lich von der Welt kenne. Sieh mich doch an. Mein Entdecker-geist ist geweckt. Jahrelang war ich in Forks und dachte ich wäre glücklich, doch jetzt weiß ich, was mir alles entgangen ist. Ich habe tolle Dinge gesehen und nachts habe ich mir in Hotels ein Zimmer genommen. Trotz der Pausen habe ich nur drei Tage gebraucht. Und ich habe euch ganz alleine gefun-den.“
Zafrina verdrehte die Augen und seufzte
„Ich weiß, dass du kein Kind mehr bist und nicht bevor-mundet werden möchtest, aber gerade deswegen solltest du dich bei ihnen melden. Ich werde dich nicht wegschicken, aber diesen Gefallen musst du mir tun. Wir werden eine Lösung für dein Problem finden. Wenn du möchtest, dann komme ich sogar mit nach Forks, aber nimm ihnen die Sorgend oder ich tue es.“
Ein kurzes Schweigen trat ein. Ich setzte mich wieder auf das Bett und suchte im Rucksack nach meinem Handy. Bevor ich jedoch die Nummer wählte, hielt ich inne und sah Zafrina bittend an.
„Stört es dich, wenn ich das alleine machen möchte??“, fragte ich vorsichtig.
„Aber nein. Ich wollte eh noch jagen. Kachiri hatte mich unterbrochen, als ich gerade… oh tut mir leid. Ich bin schon weg.“
Mein Blick schien meine Gefühle widerzuspiegeln und ein kleiner Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich mich daran erinnerte, dass ich Kachiri heute schon hatte jagen sehen. Noch größer wurde er allerdings bei dem Gedanken meine El-tern anzurufen.
Ich atmete tief ein und drückte die grüne Taste. Es klingelte nur ein einziges Mal, bevor Bella mit ihrer hellen Stimme fast ins Telefon schrie.
„Nessie, wo bist du? Geht’s dir gut? Warum hast du dich nicht gemeldet?“
Aus dem Hintergrund hörte ich Edward, der versuchte sie zu beruhigen.
„Nun lass sie doch erst einmal zu Wort kommen, Liebste.“
Ich fasste all meinen Mut zusammen.
„Bella, hör mir doch zu. Es geht mir gut.“, flüsterte ich wie ein kleines Kind, das fürchtet eine Standpauke anhören zu müssen.
„Oh Gott sei Dank, es geht ihr gut.“
Ich meinte leise Alice´ Stimme gehört zu haben und Bella wandte sich wieder an mich.
„Bitte Nessie, sag mir wo du bist.“
„Ich bin bei Zafrina und…“ Ich kam gar nicht dazu meinen Satz zu Ende zu führen.
„Ganz alleine? Wie bist du dort hingekommen?“
Edward räusperte sich laut.
„Wenn du alles wissen willst, dann musst du mich schon ausreden lassen, Mom.“
Vom anderen Ende der Leitung kam kein Laut mehr. Ich schloss aus dem Schweigen, dass sie nicht mehr vorhatte mich zu unterbrechen.
„Ich bin bis nach Brasilien gelaufen. Nur nachts habe ich in Hotels geschlafen und mir neue Sachen zum Anziehen be-sorgt. Ich brauchte einfach etwas Zeit für mich. Und bevor du mich jetzt mit hunderten weiterer Fragen löcherst, beantwor-test du mir bitte nur eine einzige: Was hat Jacob euch er-zählt?“
Ein kurzes Knacken war zu hören. Dann ertönte Edwards Stimme, doch diesmal war sie lauter und direkt an mich ge-richtet.
„Nessie, hör mir bitte zu. Deine Mutter und ich haben nur eine SMS von Jacob bekommen, dass wir ohne Umwege wie-der zurück nach Forks kommen sollten. Selbstverständlich machten wir uns sofort auf den Weg, doch als wir hier anka-men waren du und Jacob fort. Wir fanden lediglich deinen Zettel, wurden daraus aber nicht schlau. Ich hatte Glück, dass Jacob noch nicht allzu weit entfernt war und konnte mit ein wenig Anstrengung noch einen Gedankenfetzen von ihm mit zu bekommen. Er hat sich verwandelt und streift alleine durch Nordamerika. Seth und Leah weigern sich uns zu erzählen, was genau passiert ist. Viel zu schnell verlor ich seine Gedanken wieder. Stimmt es, dass du ihn nicht liebst?“
Durch diese Frage geriet ich total aus den Fugen. Ich selber hatte sie mir in den letzten Tagen oft gestellt, doch bis jetzt war ich noch nicht auf die Antwort gekommen.
„Das kann ich dir nicht sagen. Um genau diese Antwort zu finden bin ich hier. Er hat versucht mich zu küssen und du kennst mich. In den letzten Jahren hab ich nicht einmal annä-hernd an so etwas gedacht. Ich erzähle euch alles ganz genau, wenn ich wieder zu Hause bin. Gebt mir bitte ein wenig Zeit. Ich verspreche ich werde mich melden.“
Die Erleichterung war groß, dass ich ihnen endlich die Wahrheit gesagt und sie beruhigt hatte.
Inzwischen war Bella wieder am Telefon und ihre Stimme klang jetzt liebevoll.
„Ist ok, Schatz. Wir waren einfach nur sehr besorgt um dich. Lass dir Zeit und grüße bitte Zafrina, Senna und Kachiri ganz lieb von uns. Wir werden übrigens nicht zurück zu Phil fahren. Er hat Maßlos übertrieben und kommt wunderbar alleine klar. Von Emmett soll ich dir ausrichten, dass du unbedingt mal Ameisenbären probieren musst.“
Ein Grinsen zwang sich auf meine Lippen und erst jetzt be-merkte ich, dass ich die ganze Zeit mit einer meiner Haarlo-cken herumgespielt hatte.
„Mache ich. Ich hab euch lieb.“
„Wir dich auch. Und übrigens danke, dass du dich gemeldet hast.“
Im Nachhinein war ich Zafrina auch sehr dankbar, dass sie mich zu diesem Schritt praktisch gezwungen hatte.
„Danke Mom für euer Vertrauen. Bis bald.“
Das bekannte Tuten erklang aus dem Hörer und ich verstau-te das Handy wieder in meinem Rucksack. Laut rief ich nach Zafrina und nur Sekunden später saß sie neben mir auf dem Bett.
„Hast du wenigstens Grüße von mir bestellt?“
Ich legte eine überraschte Miene auf und tat, als wäre ich geschockt.
„Sag bloß du hast nicht gelauscht und weißt das noch nicht?“
Zafrina ging auf das Spiel ein und sagte mit einer Un-schuldsmiene:
„Wie könnte ich es wagen? Familiäre Krisen sind nichts für Außenstehende. Nein, aber mal im Ernst, ich halte mich da lieber raus.“
Nun zog ich einen Schmollmund.
„Ach ja? Und warum hast du mich dann dazu gezwungen hu Hause anzurufen? Aber egal. Du hattest Recht. Edward und Bella wissen jetzt Bescheid. Nun möchte ich dir aber mal eine Frage stellen: Was ist mir deinen Augen?“
Schlagartig wurde ihr Blick ernst. Sie stand auf und beugte sich über mich, um mir einen Kuss auf die Stirn zu geben. Ihr langer Haarzopf fiel ihr dabei über die Schulter und erst jetzt fiel mir auf, dass sie keine Schuhe anhatte.
„Es ist zwar kein fünf Sterne Hotel, aber ich wünsche ihnen trotzdem eine geruhsame Nacht, kleine Mrs. Cullen. Für alles andere haben wir morgen noch genügend Zeit.“
Ein kurzer Blick aus dem Fenster machte mich darauf auf-merksam, dass es tatsächlich schon dunkel geworden war. Ge-rade, als ich wieder zu Zafrina sah und ihr eine gute Nacht wünschen wollte, merkte ich, dass sie schon weg war.

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Bis(s) zum Ende aller Tage Empty Re: Bis(s) zum Ende aller Tage

Beitrag  Gast Di 29 Jun 2010, 12:23

Falls es überhaupt noch Leser gibt, die es interessiert: Nach fast einem Jahr ist nach privaten Problemen nun endlich Kapitel 3 draußen und demnächst gehts noch weiter Bis(s) zum Ende aller Tage 582515

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Kapitel 3:
Ablenkung
Um mich herum war es dunkel.
Vollkommene Schwärze umhüllte mein Sichtfeld. Nur das Mädchen war von einem schwachen Schein erleuchtet. Ihr dunkler Umhang verdeckte den größten Teil ihrer kleinen Gestalt und ihr gellender Schrei schien nicht enden zu wollen.
Sie war nur wenige Meter entfernt, doch so sehr ich auch rannte und mich anstrengte, ich kam ihr nicht einen Zentimeter näher. Die Verzweiflung übermannte mich und ich stieß einen kurzen Schrei aus.
Ich wachte auf.
Kaum, dass ich die Augen aufgeschlagen hatte, stand Zafrina auch schon vor mir und sah mich voller Sorge an.
„Was ist passiert? War es ein Tier? Ich habe doch so gut aufgepasst.“
Es war ein eigenartiges Gefühl. Ich war diejenige, die den Albtraum gehabt hatte und musste nun Zafrina beruhigen. Die Situation war irgendwie verkehrt herum.
„Ist schon gut. Ich hatte nur einen komischen Traum.“
Ein überraschter Ausdruck huschte über ihr Gesicht und einige Sekunden dachte sie nach.
„Ich glaube, ich habe einfach vergessen, wie es ist zu schlafen. Dazu gehört dann wohl auch das Träumen.“
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Ich seufzte.
„Leider kann ich das nicht vergessen. Ich wünschte, ich könnte es, doch es geht nicht.“
Mein Tonfall war wohl grimmiger, als beabsichtigt, denn Zafrina sah mich leicht irritiert an.
„Warum? Träumen stelle ich mir sehr schön vor. Es ist bestimmt so, als würde ich jemandem meine Bilder zeigen. Man kann einfach alles sehen, was die Fantasie preisgibt.“
Sie setzte sich zu mir auf das Bett, zog die Beine an und schloss die Augen, als würde sie schlafen und auf einen Traum warten.
„Wenn es schöne Träume sind, ist es ganz angenehm, doch mich plagen ziemlich oft Albträume. Jeden Abend gehe ich ins Bett und fühle mich unwohl. Überleg doch einmal, wie viel Zeit ich verpasse! Ich würde gerne so vieles mehr lernen, viel mehr von der Welt kennen und Zeit mit meiner Familie verbringen können. Nur Edward bekommt das mit und ich mag es nicht mit ansehen zu müssen, wie hilflos er sich fühlt. Dabei kann er mich dabei gar nicht helfen. Und davon bekomme ich dann wiederum ein schlechtes Gewissen.“
Die letzten Worte waren fast geflüstert.
Zafrina hatte die Augen wieder geöffnet und sah mich nachdenklich an. Der Schrei eines mir unbekannten Vogels zerriss die Stille und ließ mich zusammenfahren. Sie jedoch fuhr unbeirrt fort.
„Das verstehe ich nicht. Du bist zwar Halb-Mensch, doch wir wissen von Nahuel und seinen Schwestern, dass der
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Vampirteil in dir auch dir auch unendlich langes Leben beschert. Du brauchst nicht mit der Angst zu leben, dass deine Zeit begrenzt ist. Die ganze Welt steht dir offen und nachts kannst du dich ausruhen. Warum machst du dich also selber so fertig?“
Über die Antwort auf diese Frage musste ich nicht lange nachdenken.
„Weil alle um mich herum mir immer wieder zeigen, dass ich so vieles verpasse. Jeden Morgen erzählen sie mir, was sie alles gemacht haben.“
Jetzt grinste Zafrina und ich fühlte mich ausgelacht. Ich schüttete ihr mein Herz aus und erzählte ihr Dinge, die sonst niemand außer Edward wusste und ihr fiel nichts Besseres ein, als zu Grinsen.
„Was ist daran so lustig?“
„Glaubst du wirklich, dass sie dir das alles erzählen, damit du das Gefühl hast, dass du eine Menge Zeit verpasst?“
Ich spürte, wie meine Wangen anfingen zu glühen und rot wurden.
„Was soll es denn bitte sonst sein?“
„Ich denke eher, dass sie dich an der Zeit teilhaben lassen wollen, damit du eben nicht traurig sein brauchst.“
Ich stockte und starrte sie mit offenem Mund an.
Aus dieser Sichtweise hatte ich es noch nie betrachtet. Wussten die anderen, dass ich so unter dieser Tatsache litt? Ich hatte mich immer sehr bemüht nicht daran zu denken,
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wenn Edward in der Nähe war und meinen Versuch, nicht zu schlafen, als kindlichen Trotz abgetan.
Tief in diese Gedanken versunken zuckte ich zusammen, als Zafrina das Thema wechselte.
„Na das ist ja ein toller Start in den Morgen. Du bist doch hier, um dich abzulenken. Lass uns ein wenig Spaß haben. Es wird Zeit, dass ich dir meine Welt zeige. Senna und Kachiri lassen sich entschuldigen. Sie wollen uns ein wenig Zeit alleine gönnen und machen… Urlaub.“
Sie sprang auf und in ihrem Blick spiegelte sich die unendliche Freude, dass ich endlich einmal vorbei gekommen war, um sie zu besuchen. Ja, genau deshalb war ich hier. Ich wollte Ablenkung und Zeit zum Nachdenken.
„Dann zeig mir doch mal, was dein Brasilien so zu bieten hat. Es muss schon etwas wirklich Besonderes sein, damit es mit Forks mithalten möchte.“
Ihr Grinsen wurde noch breiter und sie rannte los.
„Warts ab. Dein Forks wird noch grüner werden – und zwar vor Neid!“, rief sie mir über die Schulter hinterher und passte sich meinem Tempo an.
Die nächsten Tage verbrachten wir Hier und Dort und viele Dinge, die mir alleine nur am Rande aufgefallen wären, bekamen einen Sinn, als Zafrina ein erstaunliches Wissen zeigte.
Sie erzählte mir vieles von ihrer Vergangenheit, was ich noch nicht wusste. Genau genommen wusste ich sogar fast überhaupt nichts über sie. Bei uns zu Hause hatten wir immer
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über andere Dinge gesprochen oder haben Anderes gemacht, als uns zu unterhalten.
Seit ihrer Wandlung hatte sie Südamerika erst wenige Male verlassen. Genau genommen sogar das erste Mal, als sie uns gegen die Volturi unterstützt hat. Sie hatte nie den Drang verspürt die Welt zu erkunden und verschiedene Länder kennen zu lernen. Allerdings betonte sie mehrfach, dass sie niemals den Schritt bereut hätte zu uns gekommen zu sein. Sie glaubte, dass sie alleine durch uns mehr gelernt hätte, als der ganze Rest der Welt es ihr bieten könnte.
Jeden Abend kehrten wir in das winzige Häuschen zurück und Zafrina bewachte mich im Schlaf vor wilden Tieren. Nach fast zwei Wochen rief ich das erste Mal wieder in Forks an.
Ich erfuhr, dass jetzt auch der ganze Rest der Familie wieder da war. Rosalie hatte genug von Emmetts Känguruhwahn und darum hatten sie Australien wieder verlassen.
Die Denalis waren fertig mit ihrem Umzug und wohnten jetzt in Kiruna, ganz im Norden von Schweden. Carlisle und Esme waren erst vor wenigen Tagen zurückgekehrt, weil Esme die letzten Tage der Mitternachtssonne miterleben wollte. Am Telefon erzählte sie voller Begeisterung, wie wundervoll dieses Schauspiel war, bei dem die Sonne nie untergeht und ihren Bogen spiegelverkehrt läuft.
Ich versprach ihr nächstes Jahr mit ihr wieder dorthin zu fahren, um uns dieses Naturschauspiel gemeinsam anzusehen. Carlisle war zwar nicht ganz begeistert, wie Esme, doch auch er meinte, dass es vor allem für Vampire, für die die Nacht ja
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zum Tage wird, sehr interessant sei. Man würde sich anders fühlen und er würde sehr gerne auch einmal zu den Polarnächten dorthin fahren.
Auch Alice und Jasper ging es gut. Sie waren schon zurückgekommen, als ich vor zwei Wochen abgehauen war. Kurze Zeit später war Alice beunruhigt, weil sie gesehen hatte, dass Alec demnächst auf Kontrollbesuch vorbeikommen würde. Alice sah natürlich auch seine Reaktion voraus, falls ich nicht anwesend wäre und sie beschloss einen Brief zu verfassen, indem sie erzählte, dass ich bei Zafrina zu Besuch wäre. Demetri würde uns nicht aufspüren und die Volturi abwarten, bis ich wieder zu Hause wäre. Es schien fast, als hätten die letzten Jahre voller regelmäßiger Besuche genügt und die Volturi nun langsam die Lust an mir zu verlieren.
Vor allem Edward war sehr skeptisch und von Zweifeln geplagt. Er hatte selber in Alice Kopf gesehen, dass sie Recht hatte, doch sein tiefer Hass gegen die Volturi riet ihm weiterhin misstrauisch zu sein.
Selbst Zafrina war nicht beunruhigt, als ich ihr von dem Telefonat erzählte. Wieder war sie diskret in den Dschungel gegangen, während ich telefonierte. Jederzeit hätte sie lauschen können, doch ich war aufrichtig davon überzeugt, dass sie es nicht tat. Sie ließ sich alles genau von mir erzählen und fragte mich, ob ich auch artig ihre Grüße ausgerichtet hätte.
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Wir machten eigentlich sehr viele Späße miteinander, doch als ich ihr von Alice und dem Brief erzählte, wurde ihre Miene sehr ernst.
„Du musst wissen, dass wir alle sehr viel von Alice halten. Sie alleine hat uns damals vor einer Tragödie bewahrt. Es reicht nicht, wenn man nur mit einer solchen außergewöhnlichen Gabe gesegnet ist, sondern man muss sie auch zu nutzen wissen. Stell dir vor, was geschehen wäre, wenn Alice nicht mit ihrer Gabe umgehen könnte. Es ist genau, wie bei deinem Vater. Er ist sehr gewissenhaft und überlegt genau, welche Gedanken er preisgibt und welche nicht. Bei Bella und dir ist es auch so. Und natürlich bei mir.“
Wir saßen, wie so oft in den letzten zwei Wochen, auf dem kleinen, aber gemütlichen Bett in ihrer Hütte. Kurz dachte ich über ihre Worte nach.
„Ich glaube, ich verstehe nicht ganz, was du damit meinst. Bellas Gabe ist wichtig, sie hat uns ebenfalls speziell vor Jane und Alec beschützt, doch was meinst du mit meiner Gabe? Du kannst andere mit deinen Bildern unschädlich machen, aber ich bin machtlos. Nicht, dass ich damit Probleme hätte, denn es gibt schließlich immer noch genügend Vampire ganz ohne besondere Fähigkeiten. Wir sind ja doch eher die Ausnahme.“
Nun lächelte sie mich wieder freundlich an.
„Ja, das stimmt. Das vergisst man allerdings ziemlich schnell, da es immer mehr und variablere Fähigkeiten zu geben scheint. Aber ich glaube du unterschätzt deine eigenen Kräfte.“
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Ich wollte sie unterbrechen, doch ich kam gar nicht dazu überhaupt ein Wort zu sagen. Seufzend lehnte ich mich wieder zurück und hörte ihr zu Ende zu.
„Genau genommen hast du sogar zwei Kräfte. Das wissen wir allerdings nur, weil eine davon nur in Bezug auf Bellas Kraft erkannt werden konnte. Deine andere Gabe kann jedoch durchaus als stark angesehen werden, wobei man eigentlich allgemein keine Gabe als schwach einstufen darf. Ich denke du weißt, was ich meine. Überlege doch mal, was wir durch deine Gabe erreichen konnten. Wie viele sind geblieben, als du ihnen die Wahrheit gezeigt hast? Wie hast du sie dazu gebracht über ihre Grundfesten nachzudenken? Wie hast du Jacob damals davon überzeugen können, dass Esme die Pfannkuchen ganz alleine für dich gebacken hat?“
Bei dieser Erinnerung musste ich lachen. Niemals hätte Esme nur für mich etwas zu Essen gemacht, doch ich wollte Jacob ärgern und habe ihm damals eine gefälschte Erinnerung gezeigt, dass Esme sie für mich gemacht hätte. Damals hatte ich herausgefunden, dass ich nicht nur Erinnerungen und Gedanken zeigen kann, sondern gezielt Bilder senden kann. Wenn ich also etwas zeigen wollte, was gar nicht so war, so würde derjenige, dem ich das zeige es trotzdem glauben.
Fast so, wie bei Zafrina. Mein einziger großer Nachteil war, dass bei mir eine direkte Berührung notwendig ist.
„Ich glaube, ich verstehe, was du meinst.“
Zafrina sprang in Windeseile auf und lächelte nun wieder.
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„Siehst du? Die Gabe deiner Tante ist besonders mächtig, aber sie weiß sie zu beherrschen. Daher müssen wir uns absolut keine Sorgen machen. Aber weißt du was? Langsam bekomme ich wirklich Durst.“
Erst jetzt bemerkte ich meinen eigenen starken Durst. Es war jedes Mal wieder ein lustiges Gefühl. Eine kaum beschreibbare Mischung aus menschlichem Hungergefühl und einem leichten Kratzen in der Kehle.
Ab und An hatte Emmett so einen Andrang von kreativen Fragen über mein Halb-Vampir-Dasein und wir hatten uns einmal auch über das Durstgefühl unterhalten. Ich war auch neugierig, denn natürlich interessierte es mich auch, in wie fern ich anders war. Daher wusste ich, dass ich normalerweise ein feuriges Brennen und nicht nur ein Kratzen im Hals hätte verspüren müssen.
Es war egal, ob ich Blut trank, oder menschliche Nahrung aß, das Sättigungsgefühl stellte sich bei beidem ein und trotz richtiger Nahrung musste ich nicht auf die Toilette. Carlisle hatte natürlich viele Theorien zu meinen natürlichen Begebenheiten, doch immer, wenn er mich genauer untersuchen wollte, als nötig, mischte sich Esme ein und erklärte ihm immer wieder, dass ich seine Enkelin und nicht sein Versuchskaninchen sei. Daher blieb es bei der Vermutung, dass mein Körper die Nahrung einfach zu 100% umsetzen konnte. Auch, wenn Emmett mich nur Allzugerne in einem Labor, eingesperrt in einem Käfig und verkabelt mit Schläuchen und Drähten, gesehen hätte.
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„Ich würde sagen, dann trennen wir uns jetzt. Reichen dir 2 Stunden?“, schlug ich ihr vor und sah dabei auf meine Armbanduhr, die im gleichen Stil gearbeitet war, wie mein geliebtes Medaillon, das mir Bella einst geschenkt hatte und das winzige Fotos meiner gesamten Familie beinhaltete.
2 Stunden würden wohl reichen, um einen Ameisenbären und bei Bedarf vielleicht sogar noch einen Tapir oder sogar ein Faultier probieren zu können.
„Wir müssen uns nicht trennen – Lass mich ausreden!“
Beschwichtigen hob sie mitten im Satz die Hände, als ich anfangen wollte zu protestieren. Ich konnte während der Jagd einfach nicht bei ihr bleiben. Die Bilder von Kachiris… Mahl waren mir nur allzu deutlich in Erinnerung geblieben und ich legte keinen Wert darauf sie noch einmal aufzufrischen.
Innerhalb einer Zehntelsekunde hatte sich wieder ein kleiner Kloß in meinem Hals gebildet und ich versuchte vergeblich ihn direkt wieder hinunterzuschlucken.
„Du hast mich mal gefragt, warum meine Augen so anders aussehen, als sonst…“
Schlagartig fiel es mir wieder ein. An dem Abend, als ich hier angekommen war, waren mir ihre Augen aufgefallen, doch ich kam nicht gleich darauf, was genau anders war. Nach ihrem, mehr oder weniger guten, Ablenkungsmanöver hatte ich danach schlichtweg wieder vergessen.
Nun jedoch erwischte mich die Neugier mit voller Wucht und ich brannte darauf zu erfahren, was sie mir sagen wollte. Die sonst so selbstsichere, wilde Amazone wurde plötzlich
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leise, fast schüchtern und wenn sie es gekonnt hätte, wäre sie wohl rot angelaufen. Sie scharrte sogar ein wenig mit dem rechten Fuß, als sie endlich weitersprach:
„Ich habe seit einiger Zeit versucht mich auch vegetarisch zu ernähren.“
Da blieb mir vor Verwunderung tatsächlich der Mund offen stehen. Mit großen Augen starrte ich sie an, während sie aufstand. Als ich merkte, dass sie von sich aus nicht weiterreden würde, fragte ich nach:
„Wirklich? Warum?“
Viel mehr geistreiches bekam ich einfach nicht zu Stande. Zwar hatte ich erst nach der Begegnung mit Kachiri wirklich verstanden, was es bedeutet vegetarisch zu leben, doch es war einfach so selbstverständlich, dass die Amazonen so leben wollten.
Aus diesem Grund verblüffte mich dieses Geständnis, doch wenn ich genauer darüber nachdachte, dann fand ich es eigentlich sehr rücksichtsvoll und nett von ihr.
„Seit wir uns damals das erste Mal getroffen hatten, habe ich des Öfteren daran gedacht, euren Lebensstil auch einmal auszuprobieren. Natürlich kannte ich diese Möglichkeit sich so zu ernähren schon früher, doch erst bei unserem letzten Besuch habe ich beschlossen es wirklich zu versuchen. Darum bin ich auch nicht mehr die ganze Zeit mit Senna und Kachiri zusammen. Sie machen es mir sehr schwer und es ist nicht so einfach, wie ich gedacht hatte. Jahrzehnte lang war es selbstverständlich für mich mein Schicksal so zu akzeptieren
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und von Menschenblut zu leben. Plötzlich jedoch soll ich mir selber dieses merkwürdig schmeckende Tierblut ausgesucht haben? Ich stand jedoch immer zu dieser Entscheidung und habe es schon geschafft 3 Monate lang durchzuhalten. Nur vor ungefähr 5 Wochen bin ich ein einziges Mal schwach geworden.“
Gnadenlos und unvermittelt lachte ich laut auf. Fast im gleichen Moment tat es mir sehr leid, als ich ihr Gesicht sah. Es zeigte eine Mischung aus Verwirrung, aber auch Verletzlichkeit, die bei ihr neu war.
„Es tut mir leid, das ist nicht böse gemeint. Du hast dich nur sehr lustig angehört. Wie ein Drogenabhängiger, der einen Rückfall gesteht.“
Ich wurde wieder ernst, stand auf und nahm ihre Hand. Langsam zeigte ich ihr, wie sehr sie mich damit gerührt hatte und ich sie wirklich nicht hatte verletzen wollen. Fast bekam ich sogar ein schlechtes Gewissen, weil ich so etwas noch nie für jemanden getan hatte.
Jacob hatte mich beinahe täglich dazu überreden wollen mich von menschlicher Nahrung zu ernähren, doch ich hatte immer nur probiert und dann dankend abgelehnt. Nun tat Zafrina etwas, das gegen ihre jahrelangen Gewohnheiten und Vorlieben verstieß.
Würde ich überhaupt etwas so aufopferndes für jemanden tun können? Ich hatte Jacob damals ja noch nicht einmal meine Pfannkuchen gegönnt. Tief in meine Gedanken
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versunken spürte ich plötzlich, wie Zafrina meine Hand in ihre nahm. Erschreckt zuckte ich zusammen.
Ich sollte mehr darauf achten, an was ich dachte, während ich jemanden berührte, denn wenn ich mich dabei nicht konzentrierte oder abgelenkt war, dann konnte dies äußerst unangenehm werden.
Zafrina bemerkte also meine Unsicherheit und lächelte aufmunternd.
„Es tut mir leid, aber das stimmt so nicht. Diese Illusion muss ich dir nehmen.“
Ich verstand nicht, was sie meinte und sah sie fragend an.
„Was meinst du?“
„Sei bitte nicht beleidigt, aber ich habe diese Entscheidung nicht für dich getroffen. Natürlich wart ihr der Auslöser, aber ich habe es für mich entschieden.“
Sie machte eine Pause, ließ meine Hand los und fuhr mit der Hand eine Strähne entlang, die aus ihrem langen, dicken Haarzopf entflohen war.
„Eigentlich war ich mit meinem Dasein als Vampir immer zufrieden. Es war einfach normal mich von Menschen zu ernähren, durch den Dschungel zu streifen und einfach mein Leben zu leben, sofern man das so nennen kann. Seit ich jedoch das erste Mal bei euch war, geriet meine Einstellung ins Wanken. Mit jedem Besuch plagten mich immer größere Zweifel. Du bist zur Hälfte Mensch und ihr seid eine richtige Familie. Wenn ich nun auf der Jagd war, hatte ich immer im Hinterkopf, dass ich damit einen Teil einer eben solchen
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Familie auslösche. Lange vergessene Erinnerungen an mein Leben als Mensch sind in mir erwacht. So konnte ich nicht weitermachen und beschloss es zu versuchen. Schließlich schafft deine Familie es schon seit Jahrzehnten.“
Ihr aufrichtiger Blick und die selbstbewusste Körperhaltung erstaunten mich und ich zweifelte keine Sekunde daran, dass sie es wirklich schaffen und ihren Frieden darin finden konnte.
„Ich bin sicher, dass du das Richtige tust.“
Ich umarmte sie und hakte mich bei ihr ein, wie Alice es immer tat, wenn wir einkaufen waren.
„Lass uns jagen gehen. Emmett meinte, ich solle unbedingt Ameisenbär probieren. Was kannst du denn empfehlen?“
Endlich lächelte auch sie wieder und wir machten uns auf die Jagd.
Wir waren noch nicht allzu lange unterwegs, als sie mich plötzlich am Arm packte und den Finger vor den Mund legte. Lautlos deutete sie dann hinter mich und als ich mich umdrehte, sah ich nur eine Horde kleiner Affen durch das Gebüsch huschen.
„Meinst du die Affen? Ich dachte wir suchen etwas, naja, Größeres.“
Sie lächelte schelmisch und sprintete los, den Affen hinterher.
„Lass dich einfach überraschen.“, rief sie mir zu und ich folgte ihr im wahrsten Sinne des Wortes in einem Affentempo.
Mit einem schnellen Sprung holte ich sie ein und landete auf halber Höhe eines Baumes, der gut 50 Meter hoch zu sein
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schien. Auch Zafrina folgte mir nun in die Bäume, um auf der gleichen Höhe, wie die Affen zu sein.
Inzwischen hatten wir sie locker eingeholt und ich fixierte schon das Tier, welches ich jagen wollte. Ein mittelgroßes Männchen, ungefähr 50 Zentimeter groß und ziemlich flink. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte ich, wie Zafrina ebenfalls ein Tier anvisierte und zum entscheidenden Sprung ansetzte.
Ich konzentrierte mich wieder auf das Männchen und spannte ebenfalls die Muskeln, um zu springen. Mit einem kraftvollen und gezielten Sprung packte ich den Affen am Arm und am Kopf, neigte diesen ein wenig zur Seite und schlug meine Zähne in seinen Hals. Er war schon nicht mehr zu großem Widerstand fähig, als ich mit gierigen Schlucken sein warmes Blut trank.
Sofort bemerkte ich, warum Zafrina ausgerechnet hinter diesen Affen her war. Sie schmeckten tatsächlich fast, wie menschliches Blut. Edward schien mit seiner Theorie doch richtig zu liegen, dass Blut von Raubtieren und Fleischfressenden Tieren besser schmeckte. Aber diese Mischung hier war absolut atemberaubend. Und bei mir ging das ja wirklich.
Viel zu schnell war der Affe ausgesaugt und mein Durst bei weitem noch nicht gestillt. Zafrina war bereits wieder bei mir und sah mich belustigt an.
„Habe ich zu viel versprochen?“
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Sie wirkte aufgeregt. Beinahe, wie ein Kind, das den Eltern etwas Selbstgebasteltes geschenkt hat und nun auf die Reaktion wartet.
„Das ist fantastisch!“
Viel mehr brachte ich nicht zustande und sie schien zu verstehen, was ich meinte.
„Allerdings. Leider sind sie ziemlich klein und vermehren sich nicht allzu schnell. Sieh es einfach als Leckerbissen. Wenn du vor Emmett damit angeben möchtest: das waren Wollaffen.“
Ich sah auf das tote Tier hinab und erkannte beim Anblick des dichten, wolligen Fells sofort die Herkunft des Namens. Lange konnte ich mich jedoch nicht darauf konzentrieren, denn jetzt war mein Durst erst richtig geweckt und ich wollte mehr.
„Lass uns weiterziehen. Ich habe noch eine Rechnung mit einem Ameisenbären offen.“, forderte ich sie auf und wir gingen lachend weiter.
Glücklicherweise fanden wir tatsächlich noch einen Ameisenbären und Zafrina bevorzugte einen Puma.
Im Vergleich zu dem Wollaffen war das Blut des Bären fast nahezu geschmacklos und mir tat die arme Rose schon leid. Nach Australien würde sie nun in den nächsten Monaten wahrscheinlich um die ganze Welt reisen müssen, um mit Emmett sämtliche Affenarten zu probieren.
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Es dunkelte bereits wieder, als wir in der kleinen Hütte ankamen. Ich war tatsächlich ein wenig müde, was wirklich äußerst selten der Fall ist, und schmiss mich auf mein Bett.
„Ich lasse dich jetzt alleine. Schlaf gut.“
Zafrina hatte sich bereits umgedreht und wollte gerade hinausgehen, als ich beschloss endlich das Thema anzusprechen, weshalb ich eigentlich hier war.
„Was soll ich tun?“, fragte ich unvermittelt.
Ich wusste, dass sie verstehen würde, was ich meinte und wie nicht anders erwartet, drehte sie sich wieder um, seufzte und zuckte mit den Schultern.
„Das kann ich dir leider nicht beantworten. Die Antwort musst du selber finden.“
Ich deutete neben mich auf das Bett und zog meine Beine an. Das hatte mir schon immer geholfen besser nachdenken zu können. Vielleicht würde es auch dieses Mal helfen.
„Aber wie finde ich die Antwort? Du hast gesagt, dass ihr alle die ganze Zeit gewusst habt, was passieren wird. Also wisst ihr doch auch bestimmt, was die Antwort ist.“
Als ich diese Worte aussprach wurde mir klar, dass es ein kläglicher Versuch war die Entscheidung von mir auf andere abzuwälzen.
Ich war einfach zu feige über die Situation und meine Gefühle nachzudenken und meinen Entschluss zu fassen, mit dem ich andere vielleicht verletzen würde. Bisher wurde mir alles leicht gemacht, nie musste ich mir über wichtigere
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Dinge, als meine Kleidung oder die täglichen Unternehmungen Gedanken machen.
Nun war jedoch der Zeitpunkt gekommen, wo ich nicht mehr davonlaufen konnte. Auch Zafrina bemerkte diese Ausflüchte und versuchte mit ihren harten Gesichtszügen ein aufmunterndes Lächeln zustande zu bringen.
„Ach, Renesmee. Höre in dich hinein und du wirst wissen, was zu tun ist.“
Mittlerweise saß sie neben mir und streichelte mir liebevoll über den Arm. Ich spürte Wut über mich selber in mir aufsteigen und zog den Arm weg. Es war nicht richtig, doch diese Wut ließ ich Zafrina spüren.
„Ich weiß es aber nicht! In mir ist nur vollkommene Verwirrung. Woher soll ich wissen, ob es Liebe ist, was ich für Jacob fühle, wenn ich gar nicht weiß, wie sich das anfühlt?“
Zafrina blieb weiterhin ruhig und war geduldig.
„Jetzt überleg mal ganz ruhig. Du sagst, Jacob sei immer bei dir gewesen, aber das ist ein normaler bester Freund auch. Wie fühlst du dich denn, wenn du an ihn denkst?“
Ihre langsamen Worte schafften es tatsächlich mich zu beruhigen und ich zwang mich dazu mich zu konzentrieren.
Was war es für ein Gefühl bei Jacob zu sein?
Ich fühlte mich wohl bei ihm, aber das tat ich beim gesamten Rest der Familie auch. Er tat wirklich alles für mich, aber war ich mehr, als einfach nur dankbar? Nein, das war ich nicht.
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Alice hatte mir einmal erzählt, warum sie sich in Jasper verliebt hatte. Es war nicht einfach, dass es ihr durch die Version fast „befohlen“ worden ist, sondern sie liebte alle seine kleinen Eigenheiten und wollte keine Minute ohne ihn sein.
So allerdings konnte ich von Jacob nicht sprechen. Auch ohne ihn ging es mir gut. Jedenfalls, wenn ich mal von ihm getrennt war. Das war zwar nicht wirklich oft in meinem Leben gewesen, doch es war Ab und Zu mal vorgekommen.
Ziemlich schnell kam ich zu dem Schluss, dass meine Gefühle wohl mehr auf Freundschaft, als auf Liebe basierten und sah Zafrina in die Augen.
„Ich denke nicht, dass ich ihn liebe. Zumindest nicht so, wie Bella und Edward einander lieben. Eher so, wie ich auch Charlie und die gesamte Familie liebe.“
Zafrina nickte.
„Siehst du, es ist gar nicht so schwer, wie es anfangs scheint. Unangenehm, aber nicht schwer. Du musst vor allem ehrlich zu dir selber sein.“
„Aber ich will niemanden verletzen.“
Meine Worte waren leise und ich lehnte den Kopf dabei an mein Knie.
„Glaub mir, es verletzt viel mehr, wenn du lügst, um es jemandem Recht zu machen.“
„Meinst du wirklich?“
Seltsamerweise fühlte ich mich auf einmal sehr erleichtert. Zwar war ich in den letzten Tagen auf andere Gedanken
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gekommen, doch innerlich hatte mich dieses Thema die ganze Zeit über beschäftigt und es war gut, dass ich mich ihm endlich gestellt hatte.
Jetzt konnte ich ruhigen Gewissens nach Hause gehen und mit Jacob reden. Falls er überhaupt schon wieder dort war.
„Ja, du schaffst das schon. Du rufst jetzt besser mal deine Eltern an und sagst ihnen, dass du bald nach Hause zurückkommst.“
Sie hatte Recht und ich suchte neben dem Bett nach meiner Handtasche, um mein Handy herauszuholen.
„Nach Hause… Ja, ich freue mich, aber dort wird mir wieder täglich bewusst, dass ich nur ein Halb-Vampir bin und so viel verpasse.“
So frustriert, wie meine Worte klangen, waren sie eigentlich nicht gemeint und bevor Zafrina darauf antworten konnte fügte ich hinzu:
„Weißt du, das ist einfach schwierig. Niemand aus meiner Familie kann das wirklich nachvollziehen. Ich glaube, damit muss ich einfach leben. Ich rufe jetzt erst mal an.“
Gerade, als ich die altbekannte Nummer wählen wollte, nahm Zafrina mir das Handy aus der Hand und ich sah plötzlich die Bilder, die sie mir sendete.
Ich befand mich in einem Dschungel, ähnlich dem hiesigen in Brasilien. Anfangs war ich alleine, doch dann trat ein Mann aus dem Dickicht direkt auf mich zu. Im ersten Moment erkannte ich ihn nicht, weil ich ihn schon so lange nicht mehr gesehen hatte, doch dann wusste ich, wen sie mir da zeigte.
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„Nahuel? Was willst du mir damit sagen?“
Ich wusste beim besten Willen nicht, was sie meinte und nahm ihre Hand, um ihr meine Verwirrung zu zeigen. Das Bild vor meinen Augen verschwand und ich wandte mich ihr zu.
„Ja, Nahuel! Soweit ich weiß, wohnt er in Chile, mit seiner Tante Huilen. Du bist doch gerade in der Nähe. Wie wäre es, wenn du deinen Urlaub verlängerst und ihn besuchst? Wenn dich jemals jemand verstehen kann, dann er.“
Dieser Vorschlag überraschte mich, doch je länger ich darüber nachdachte, desto besser gefiel er mir. Natürlich hatte sie Recht. Warum war ich da nicht schon vorher drauf gekommen?
Seit dem Treffen mit den Volturi damals hatte ich ihn nicht wiedergesehen und schon fast wieder vergessen.
Bis nach Chile war es tatsächlich nicht weit und anhand seiner Spuren würde ich auch ihn finden, wie ich schon Kachiri gefunden hatte. Es wäre die ideale Möglichkeit endlich mit jemandem über alles reden zu können, der so ist, wie ich.
„Ja, du hast Recht.“
Ich nickte und tippte die Nummer von Bella fertig ein.
„Ich sage nur zu Hause Bescheid und mache mich gleich morgen früh auf die Suche nach ihm!“

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Bis(s) zum Ende aller Tage Empty Re: Bis(s) zum Ende aller Tage

Beitrag  Gast Di 06 Jul 2010, 15:01

So, diesmal war ich flotter ^^


Kapitel 4:
Nahuel

Das Gespräch mit meinen Eltern verlief wesentlich angenehmer, als ich es erwartet hätte. Besonders von Edward und Alice hätte ich gedacht, dass sie durchdrehen würden, wenn ich ihnen von meinem Vorhaben berichten würde. Erstaunlicherweise blieben sie jedoch ruhig und als Bella mir Edward reichte, machte er mich nur darauf aufmerksam, dass es sehr gefährlich wäre alleine nach Chile zu gehen.
Am Abend zuvor schien es eine übereilte Entscheidung gewesen zu sein, doch als ich genauer darüber nachdachte wusste ich, dass ich es einfach tun musste. Zafrina hatte mir mit ihrer Idee eine mögliche Lösung für meine Probleme gezeigt.
Sicherlich würde ich weiterhin damit leben müssen nachts zu schlafen, doch vielleicht half es wirklich darüber mit jemandem zu reden. Jemand, der das Gleiche fühlte und erlebte, wie ich.
Edwards einzige Bedenken bestanden darin, dass Alice wenigstens Dinge, die Zafrina betrafen, hatte sehen können, bei Nahuel würde sie dies nicht können. Ich beruhigte ihn und versicherte ihm immer wieder, dass ich mich selber ganz gut verteidigen konnte, wenn es nötig war.
Obwohl ich die Video-Funktion meines Handys nicht benutzte, wusste ich, was zu Hause los war. Als ihr Handy geklingelt hatte, rief Bella durch das ganze Haus nach dem Rest der Familie und in nur wenigen Sekunden waren sämtliche Familienmitglieder, die in der Nähe waren, um sie herum versammelt. Nähere Umgebung war bei uns etwas großzügig definiert und bedeutete etwa 10 km im Umkreis.
Ich bat sie, mich auf Lautsprecher zu stellen und wünschte allen einen schönen Tag, bevor ich wieder mit Bella alleine sprach. Sie schickte mir einen Kuss durch die Leitung.
„Pass bitte auf dich auf und melde dich regelmäßig. Über deine Handy-Rechnung brauchst du dir übrigens keine Sorgen zu machen. Deine Tante hat sich den Spaß gegönnt und im Lotto gewonnen.“
Ich lachte, legte auf und fühlte mich endgültig erleichtert. Meine Gefühle Jacob gegenüber kannte ich und wenn ich nach Forks zurückkam würde ich offen mit ihm reden können. Leah hatte es geschafft ihn zum Zurückkommen zu überreden. Bella und sogar Edward hatten mit ihm geredet und ihm klar gemacht, dass ihm gar nichts anderes übrig blieb, als nach Hause zu kommen und zu warten, bis ich wieder da war.
Er würde alles andere, als erfreut sein zu hören, dass sich meine Rückkehr nun weiter verzögern würde, doch er musste nun mal warten. Zwar wollte ich ihn nicht noch mehr verletzen, doch diese Chance endlich Antworten auf so viele Fragen bekommen zu können, konnte ich mir nicht entgehen lassen.
Bella nahm ich noch das Versprechen ab Jacob Bescheid zu geben, dass er sich noch ein wenig gedulden musste.
Während des Telefonats war Zafrina auf meinen Wunsch hin bei mir geblieben, denn ich hatte mich innerlich schon auf eine lange Debatte eingestellt und wollte sie als seelische Unterstützung dabei haben. Dies hatte sich erfreulicherweise als unnötig erwiesen, doch ich war trotzdem froh, sie dabei zu haben. Hatte ich ihr das eigentlich schon einmal so gesagt?
Sobald ich das Telefon weggelegt hatte, umarmte ich sie und drückte sie fest an mich.
„Oh, womit habe ich das denn verdient?“, fragte sie lachend, erwiderte aber die Umarmung.
„Ein Dankeschön. Für alles.“
Ich flüsterte und Tränen stiegen mir in die Augen, als mir bewusst wurde, was sie alles für mich getan hatte. Ein leises Schniefen entwich mir und Zafrina schob mir sanft von sich weg. Sie legte die Hände auf mein Gesicht, um mir direkt in die Augen zu sehen.
„Gerne. Ich bin für dich da.“
Dann umarmte sie mich noch einmal kurz, stand auf und verschwand in der Dunkelheit.
Ich breitete mich auf dem Bett aus und klappte mein Medaillon aus. Meine gesamte Familie lächelte mir entgegen. Ich beschloss auch ein Bild von Zafrina demnächst darin unterzubringen und bei Jacobs Anblick fühlte ich mich wieder sicher. Er war wirklich nicht mehr, als ein Familienmitglied für mich. Jedenfalls noch nicht. Wer weiß schon, was noch kommen mochte?

Ich hatte mich schon so sehr daran gewöhnt früh aufzustehen, dass ich am nächsten Morgen wach wurde, als die Sonne gerade im Begriff war aufzugehen. Versehentlich war ich in meiner Safari-Kleidung eingeschlafen und muss ausgehen haben, wie ein wilder Affe, denn als Zafrina die Hütte betrat, sah sie mich skeptisch an.
„Du solltest dich dringend einmal bürsten. Und eine Wäsche könnten sowohl du, als auch deine Kleidung vertragen.“
Die letzten 2 Wochen hatte ich sie immer in einem kleinen Fluss ausgewaschen, doch nun war es an der Zeit mal wieder der modernen Zivilisation einen Besuch abzustatten.
Ich strich mir über die Bluse, warf die Haare kopfüber nach vorne und strich mit meinen Fingern hindurch. Mit Leichtigkeit hatte ich sie schnell wieder in Ordnung gebracht und warf sie wieder zurück.
„Also mich würde das stören. Vor allem beim Jagen.“
In den letzten Wochen hatte ich immer wieder von ihr zu hören bekommen, dass meine oberschenkellangen, offenen Haare sie sehr stören würden und ich ignorierte es mittlerweile nur noch.
Meine Haare waren ein wichtiger Bestandteil von mir und ich würde sie weder zusammenbinden oder flechten, noch abschneiden, wie Alice es getan hatte.
„Darum hast du deine ja geflochten. Wie sieht es aus? Begleitest du mich noch ein Stück?“
Ich nahm meinen Rucksack und atmete tief durch. Heute hatte das Ausruhen ein Ende. Zwar würde ich Zafrina vermissen, doch endlich konnte ich einen Schritt nach vorne tun.
Meine erhoffte Antwort auf das Problem mit Jacob hatte ich gefunden. Nun wollte ich meine Chance nutzen und Nahuel suchen.
Selbst, wenn ich ihn nicht finden sollte, so konnte ich mir nicht vorwerfen es nicht wenigstens versucht zu haben und in aller Ruhe nach Folks zurückkehren.
„Natürlich. Bis zur Grenze nach Bolivien kommen wir mit.“
„Wir?“, fragte ich erstaunt.
„Ja, Senna und Kachiri wollen sich auch von dir verabschieden.“
Die beiden hatte ich fast vergessen, freute mich aber umso mehr, dass sie an mich gedacht hatten. Anscheinend waren sie also nicht sauer, dass ich Zafrina so lange beschlagnahmt hatte.
„Dann lass uns aufbrechen.“
Motiviert und gut gelaunt folgte ich ihr nach draußen, wo Senna und Kachiri aus dem dichten Blättergewühl traten. Wir kamen gut und ziemlich schnell an die Grenze, wo wir uns verabschiedeten. Zafrina versprach uns bald wieder in Forks besuchen zu kommen und Senna, dass sie aufhören würde Zafrina wegen ihrer neuen Ernährungsweise zu ärgern.
Ich bedankte mich noch einmal und machte mich dann alleine auf den Weg nach Chile, das ich bei gleichbleibendem Tempo noch heute Abend erreichen würde.
Durch die Geographie des Landes hoffte ich, dass es einfach werden würde, denn an seiner breitesten Stelle war das Land gerade einmal 400 km lang.
Ich lief ohne Verzögerung durch und kam am frühen Abend in Arica an. Ziemlich schnell fand ich ein Hotel, in dem ich übernachten wollte und schaffte es sogar noch, mir etwas Neues zum Anziehen zu kaufen. Der Dschungel-Look war eine Zeit lang schön gewesen, doch um Nahuel zu suchen wollte ich etwas normales, um mich nicht gleich zu blamieren.
Schon früh ging ich schlafen, denn am nächsten Morgen wollte ich früh aufstehen, um mir in einem Internetcafe ein paar Informationen einzuholen. Nahuel hatte damals einiges über sich erzählt, als er uns zu Hilfe gegen die Volturi kam und danach noch ein wenig bei uns geblieben war.
Schnell fand ich im Internet, was ich brauchte. Er war vom Stamm der Mapuche, die Uhreinwohner Chiles, bevor die Spanier das Land besetzten, das wusste ich noch. Folglich fand ich heraus, dass die Mapuche sich hauptsächlich in Mittelchile aufhielten und es immer noch einige Dörfer und Gemeinden gab, obwohl viele Mapuche in die größeren Städte, wie Santiago de Chile und die Mapuche-Hauptstadt Temuco abgewandert waren.
Das Bild, das ich von ihm im Kopf hatte, passte eher zu einem traditionellen Mapuche, der Großstädte mied und sie höchstens einmal zum Jagen aufsuchte. Nachts ging mir diesmal zum Glück keine Zeit verloren, da er schließlich auch schlafen musste.
Vielleicht traf ich ja auch zuerst auf seine Tante. Huilen war ihr Name, wenn ich das richtig im Kopf hatte. Ich wusste nicht, ob die beiden ständig zusammen waren, oder nur sporadisch, daher war mir erst einmal beides recht.
Also zog ich los und machte mich auf die Suche nach einer Spur.
Am ersten Tag kam ich bis Santiago de Chile ohne auf einen von ihnen zu stoßen. Teilweise war ich fasziniert von der, sich verändernden, Natur um mich herum. Auf meinem Weg quer durch die Staaten bis Brasilien hatte ich einiges gesehen, doch dieses Mal waren es so viele Klimazonen, auf die man in nur einem einzigen Land treffen konnte. Zwar wusste ich schon aus dem Internet, was mich erwartete, doch die Landschaften waren in Wirklichkeit noch viel schöner und atemberaubend.
Alleine die Atakama-Salzwüste während des Sonnenaufgangs war unbeschreiblich. So ließ ich mir also auch ein wenig Zeit, um zu genießen und schaffte es sogar abends noch einiges von Santiago de Chile zu sehen, bevor ich in mein Hotel zurückkehrte und schlafen ging.
Um besser den Überblick zu behalten, hatte ich mir eine Karte gekauft und studierte diese eingehend. Unterhalb der Insel Chiloé würde ich wahrscheinlich gar nicht suchen müssen, da die Mapuche keine Dörfer weiter südlich angesiedelt hatten.
Leider herrschte Winter und die Temperatur lag nur bei unangenehmen 15° Celsius, wobei das schon ziemlich warm war. Allerdings hatte ich Glück, denn der stärkste Regen war schon vorbei und so waren die Bedingungen gar nicht so übel für mich.
Am nächsten Morgen lief ich langsam, um ja keine Spur zu verpassen, bis nach Puerto Montt, wo ich auf eine Fähre bis nach Ancud auf der Insel Chiloé stieg. Auf der Insel musste ich feststellen, dass sich dort keine Mapuche-Siedlung mehr befand. Schnell streifte ich trotzdem einmal über die Insel, fand keine einzige Spur, die auf einen Vampir oder Halb-Vampir hindeutete und fuhr mit der Fähre wieder zurück zum Festland.
Den Rest des Tages suchte ich das Gebiet rund um Temuco ab, bevor ich abends in eben dieser Stadt ein Hotel suchte.
In der Nähe eines kleinen Dorfes hatte ich eine Spur entdeckt, doch es dämmerte bereits und ich musste sie aufgeben.
Mein dritter Tag in Chile startete unerwartet spannend. Als ich aus dem Hotel trat, um mich wieder auf die Suche nach der definitiv vampirischen Spur zu machen, wollte ich gerade losgehen, als mir genau dieser Geruch in die Nase trat. Anscheinend hatte man meine Spur entdeckt und war mir gefolgt.
Ich blieb stehen und sah mich skeptisch um. Es war nichts Auffälliges zu sehen und ich realisierte, dass die Spur noch nicht sehr alt war. Wenn derjenige mich finden wollte, dann würde ich ihm diesen Gefallen tun und den Spieß umdrehen, indem ich seinem Geruch folgte.
In der Hoffnung, dass er oder sie keinen allzu großen Vorsprung hatte, beeilte ich mich besonders und ziemlich schnell war ich wieder im Umland von Temuco. So sehr ich mich auch anstrengte, ich erreichte meinen Verfolger nicht und musste abends genervt aufgeben, um mich zu erholen.
Die nächsten beiden Tage liefen nach dem gleichen Muster ab. Ich vernahm morgens vor meinem Hotel, obwohl ich die Hotels wechselte, die frische Spur, verfolgte sie den ganzen Tag und musste abends aufgeben.
Erst am vierten Tag entschloss ich mich dieses Spiel nicht mehr mitzuspielen. Die letzten Tage wurde ich in unregelmäßigen Bahnen durch die weitläufige Gegend um Temuco herum gescheucht und daher war es nicht einfach sich eine Stelle auszusuchen, um meinen Plan in die Tat umzusetzen.
Letztlich entschied ich mich für eine große Waldlichtung im Nationalpark Conguillio, der mir schon in den letzten Tagen wegen seines hohen Araukarienbestandes aufgefallen war. Am Fuß einer besonders prächtigen Araukarie ließ ich mich nieder, nachdem ich mir als Aufmunterung einen Chinchilla gefangen und mich an ihm gut getan hatte.
Einige Minuten genoss ich die Landschaft, bevor ich tief Luft holte.
„Nahuel! Huilen! Zeigt euch. Ich will mit dir reden Nahuel.“
Noch während ich rief, bemerkte ich, wie um mich herum sämtliche Lebewesen die Flucht ergriffen. Wenn ich wütend wurde, schien der Vampirteil in mir stärker hervorzutreten und dieser hatte natürlich eine ganz andere Wirkung auf die Tiere.
Nach etwa 3 Minuten rief ich erneut nach Nahuel und nach weiteren 5 Minuten und wiederholten Rufen, hörte ich das Herzklopfen und Atmen einer Person, die schnell näher kam. Dann trat ein Mann hinter einem Baum am anderen Ende der Lichtung hervor.
Dank Zafrina konnte ich mich wieder sehr genau an ihn erinner und erkannt ihn auf Anhieb. Zu meiner Überraschung blieb er jedoch alleine und ich spürte in unserer Nähe niemand anderen.
Es war ein merkwürdiger Moment. Vollkommen bewusst stand ich jemandem gegenüber, der von der gleichen Art war, wie ich und ich wusste plötzlich, wie sich meine Familie in meiner Anwesenheit fühlte. Ich hörte sein Herz pochen und das Blut, das durch seine Adern floss, roch gut, aber auf eine Art und Weise, die kein Durstgefühl bei mir auslöste.
Nahuel trat auf die Lichtung und kam langsam näher, bis er ungefähr in der Mitte stehen blieb und mich finster ansah. Langsam kamen meine eigenen Erinnerungen von damals zurück und ich stellte fest, dass er sich kein bisschen verändert hatte.
Seine langen, schwarzen Haare trug er offen und sein markantes Gesicht wurde durch die teakholzfarbenen Augen gemildert. Seine Kleidung war eher traditionell im Stil der Mapuche, als modern geprägt. Über einer dreiviertellangen Hose trug er einen reich mit Mustern und Perlen verzierten Poncho und braune Ledermokassins an den Füßen.
Ich erhob mich und seine finster blickenden Augen verfolgten jede meiner Bewegungen.
„Hallo Nahuel.“
Ich sah ihn direkt an, um ihm zu zeigen, dass er mich nicht einschüchtern konnte und ihm gleichzeitig nichts Böses wollte. Glücklicherweise antwortete er mir auf Englisch, denn ich beherrschte zwar Spanisch, doch Mapudungun, die Sprache der Mapuche, war mir fremd.
„Wer bist du?“
Sein Blick verriet Verwirrung, als ich ihn mit Namen ansprach.
„Mein Name ist Renesmee Cullen.“
Seine Körperspannung löste sich ein wenig und ich merkte, dass er mich erkannt hatte.
„Was willst du hier?“
Diese Reaktion überraschte mich, weil sie weiterhin so ablehnend war. Ich versucht mir nichts anmerken zu lassen und setzte ein leicht gezwungenes Lächeln auf.
„Ich würde mich gerne mit dir unterhalten.“
„Dafür verfolgst du mich so hartnäckig? Verschwinde wieder zu seiner tollen Familie und lass mich in Ruhe.“
Er drehte sich bereits um und wollte verschwinden, doch ich weigerte mich, mich so einfach abwimmeln zu lassen, obwohl ich sehr für diesen Moment gearbeitet und mir so viel davon versprochen hatte.
„Warte! Warum schickst du mich weg?“
„Weil ich nicht mit dir reden will. Mit euch allen will ich nichts zu tun haben.“
Immerhin hatte er sich wieder zu mir gedreht. Wenn ich ihn noch dazu bewegen konnte mir alles zu erklären, dann war noch nicht alles verloren.
„Sagst du mir wenigstens warum? Und wen meinst du mit uns? Ich bin alleine.“
Obwohl ich es nicht für möglich gehalten hätte, verfinsterte sich seine Miene noch weiter, aber er antwortete mir, wenn auch widerwillig.
„Euch Cullens.“
Mehr sagte er nicht, doch damit gab ich mich nicht zufrieden.
„Warum? Vielleicht kann ich das ändern.“
„Du.“
Er zischte das Wort mehr, als dass er es sprach.
„Du bist doch Schuld an allem! Ohne dich hätte ich von all dem nie erfahren und könnte ganz normal weiterleben.“
Ich stand vollkommen ratlos da und presste nur ein leises „Was?“ heraus. Er schien einen richtigen Hass gegen mich entwickelt zu haben und ich konnte mir beim besten Willen nicht erklären, wieso.
Damals war Nahuel als einer der letzten von uns zu Hause weggegangen und wir hatten nie viel miteinander gesprochen, weil ich ständig bei Zafrina war. Was konnte ich ihm getan oder gesagt haben, dass er nun so reagierte?
„Verstehst du es wirklich nicht? Du und deine perfekte Familie. Ihr kümmert euch doch einen Dreck um die Gefühle anderer.“
„Das stimmt nicht!“
Ich wurde wütend. Die Fäuste ballend, schleuderte ich ihm die Worte fast ins Gesicht. Mochte er über mich denken, was er wollte, doch meine Familie sollte er gefälligst aus der Sache raushalten.
„Wir versuchen immer, es möglichst Allen Recht zu machen und niemanden zu verletzen.“
„Ha!“
Er machte eine abwertende Geste.
„Warum habt ihr mir dann damals immer wieder deutlich gemacht, dass ihr eine so perfekte Familie seid? Ich wollte euch helfen und war da, um gegen die Volturi auszusagen. Ihr hingegen hattet eure Freude daran mir zu beweisen, dass ich ein Monster bin!“
Perfekte Familie. Wieso wiederholte er das immer wieder? Ich verstand gar nichts mehr und meine Wut wandelte sich langsam wieder in Verwirrung.
„Wieso Monster?“
Er mochte mich wahrscheinlich für dumm halten, doch noch immer verstand ich nicht, worauf er hinaus wollte.
Ein lautes Lachen kam aus seiner Kehle.
„Du weißt es immer noch nicht, oder?“
Ich schüttelte den Kopf und drapierte mit der Hand eine lockige Strähne hinter mein Ohr, die beim Kopf schütteln hervor gefallen war.
„Erkläre es mir. Bitte.“
Es war ein komisches Gefühl so dar zustehen. Obwohl ich nicht wusste, war er uns vorwarf und ob es überhaupt stimmen würde, hatte ich ein flaues Gefühl im Bauch und ein schlechtes Gewissen.
Ich ließ meine Schultern hängen, während ich auf die Antwort wartete. Mein selbstbewusstes und freundliches Auftreten war dahin.
„Genau das meine ich. Ihr tut so freundlich und versucht damit zu vertuschen, wie selbstverliebt ihr seid und dass ihr euch für etwas Besseres haltet.“
Ich warf ihm einen flehenden Blick zu. Konnte er nicht endlich mit diesen Beschuldigungen aufhören?
„Ich hasse dich. Ich wollte dir helfen, weil ich dachte du wärst genau so schlecht dran, wie ich und meine Halbschwestern. Doch dann musste ich mit ansehen, wie leicht du es hattest. Deine Familie wäre für dich gestorben und du hast nichts getan, um ihnen zu helfen. Meine Mutter starb bei meiner Geburt und mein Vater hat nur seine eigenen Vorteile im Kopf. Wenn Huilen nicht wenigstens gewesen wäre, dann hätte ich nichts. Zuerst dachte ich, dass ihr mir zeigen wolltet, ich könnte nichts für dieses Schicksal, doch Minute für Minute wurde mir klarer, dass ihr mir genau das Gegenteil gezeigt habt. Ihr seid die perfekte Familie und ich hatte schon während meiner Geburt alles verloren, meine Mutter getötet und meine Tante zu einem Leben verdammt, dass sie selber niemals gewählt hätte. Darum bin ich ein Monster.“
Er sprach schnell und aufgeregt, doch der letzte Satz war geschrien. Die ganze Wut, die er in den letzten Jahren aufgebaut hatte, platzte in diesem Moment aus ihm heraus.
Ich begriff plötzlich, wie töricht ich gewesen war. Seit meiner Geburt hatte ich nie Probleme gehabt, die auch nur an seine heranreichten. Meine Familie lebte, ich brauchte nicht mit solche einem Gewissen zu leben und vor allem hielt mir niemand meine Fehler vor.
Nahuel fing an zu schluchzen und ich sah Tränen über sein Gesicht kullern. Die Wut war verschwunden und einer Verletzlichkeit gewichen, die ich bei ihm niemals zu sehen gedacht hätte.
„Glaub mir, das haben wir nicht gewollt. Wir dachten, du hättest durch uns gesehen, dass du eben nichts dafür kannst. Es tut mir leid.“
Ich ging ein wenig auf ihn zu und hob beschwichtigend und tröstend die Hände.
„Es wart nicht nur ihr. Als wir wieder zurück waren, fing Huilen plötzlich an, mich mit Vorwürfen zu überschütten und mittlerweile habe ich sie schon seit fast 10 Jahren nicht mehr gesehen.“
Auf eine merkwürdige Art fand ich es rührend, wie er mir sein Herz ausschüttete und ich tat einen Schritt, der genau so unüberlegt war, wie der, damals auf Jane zuzugehen.
Ich trat an ihn heran und umarmte ihn. Er sollte nicht so leiden. Erst Recht nicht wegen etwas, was er gar nicht verbrochen hatte.
„Bitte, hör auf dich zu quälen“, flüsterte ich und zeigte ihm die Bilder, die ich seit meiner Geburt im Kopf hatte. Bilder, wie Bella blutverschmiert vor mir lag.
„Auch ich dachte damals, ich hätte sie verloren. Das ist der Preis für unser Leben. Ich hatte einfach nur mehr Glück, als ich verdient habe.“
Ich ließ ihn los und sah ihm in die Augen.
„Danke.“
Seine Stimme klang rau und brüchig und ich wusste, dass ich es geschafft hatte ihn zu überzeugen. Zafrina hatte Recht behalten, dass meine Gabe zu vielem fähig war und ich einiges mit ihr erreichen konnte.
„Dank nicht mir. Ganz im Gegenteil, ich sollte dir danken. Ich kam her, weil mich dumme Fragen quälten, die ich für wichtiger, als alles andere hielt. Du jedoch hast mir gezeigt, auf was es wirklich im Leben ankommt.“
Fragend sah er mich an und bot mir etwas an, mit dem ich nicht gerechnet hatte.
„Ich denke, wir haben noch vieles zu Bereden. Was hältst du davon mit zu mir nach Hause zu kommen? Wenn du möchtest, kann ich dich dann gerne zum Übernachten in dein Hotel nach Temuco zurückbringen.“
Einen kurzen Moment überlegte ich. Was hatte ich zu verlieren? Es war bestimmt gemütlicher, als hier auf der Lichtung und ich war froh, dass er überhaupt noch mit mir reden wollte.
„Gerne.“
Dann folgte das erste Lächeln, das ich auf seinem Gesicht sah und es gefiel mir wesentlich besser, als sein hasserfülltes Gesicht.
Wir brauchten eine halbe Stunde zu seiner Hütte, die, genau, wie Zafrinas, mitten im Wald, fernab aller Zivilisation lag. Sie war nicht besonders groß, doch für 2 Personen war genügend Platz. Die Wände bestanden aus Lehm, der mit Holz verstärkt war und das Dach war pur aus Holz. Merkwürdigerweise hatte sie keine Fenster und der Fußboden war naturbelassener Boden. In der Mitte gab es eine Feuerstelle und herum standen 2 Betten. Anscheinen hatte Huilen damals netterweise auch ein Bett gewollt, obwohl sie als Voll-Vampir keines benötigte.
„Schön hast du es hier.“
Diese Worte waren ehrlich gemeint und kamen von ganzem Herzen und er schien sich tatsächlich darüber zu freuen, denn er lächelte glücklich.
„Bitte, setz dich doch.“
Er deutete auf eines der Betten und nahm selber auf dem anderen Platz.
„Also, wie kommt es, dass du ausgerechnet mich hier aufsuchst, weil du Antworten auf einige Fragen möchtest?“
Er klang ehrlich neugierig und ich spürte, wie mir die Röte in die Wangen stieg. Nachdem, was geschehen war, konnte ich ihn jetzt doch nicht mit solch unwichtigen Dingen nerven.
„Nun, ich…“
Ich spielte mit meinen Haaren und vermied es, ihm direkt in die Augen zu sehen.
„Ich kann mich mit einigen Dingen des Halb-Vampir-Daseins nicht so recht anfreunden und hatte gehofft, ich könnte mit jemandem darüber reden, der vielleicht dieselben Probleme hat.“
Ein mildes Lächeln schlich sich auf seine Züge.
„Erst einmal möchte ich dir danken. Ich war eben sehr unfreundlich zu dir. Es war nicht leicht für mich die ganzen Jahre mit der Gewissheit zu leben, dass es nicht unmöglich gewesen wäre meine Mutter zu retten. Fast 150 Jahre lang war dies mein einziger Trost und dann wurde dieser mir auch noch genommen.“
„Nun, ich denke, ich hatte wirklich einfach nur Glück.“
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und begann, mich leicht unwohl zu fühlen. Ja, ich hatte unverschämtes Glück gehabt, denn ich hatte eine Familie, die meine Mutter gerettet hatte.
„Genau darum geht es mir. Es darf nicht von Glück abhängig sein, ob ein Mensch überlebt. Du hast mir gezeigt, dass selbst deine Mutter fast gestorben wäre, doch dein Vater rettete sie. Mein Vater hätte das auch tun können. Mittlerweile bin ich froh, dass die Volturi kurzen Prozess mit ihm gemacht haben.“
„Sie haben was?“
Mit großen Augen starrte ich ihn an, während ich mich aufrichtete. Wir hatten damals spekuliert, ob die Volturi auf Joham mit seiner Idee der neuen Vampir-Mensch-Superrasse reagieren würden, doch irgendwann hatten wir nichtmehr darüber nachgedacht.
„Kurz, nachdem die Volturi bei euch waren, haben sie Joham einen Besuch abgestattet und ihn ohne lange Umschweife eliminiert. Suyai hat es uns berichtet, als wir zurück waren.“
Sein Gesicht zeigte keine Regung, als er diese Worte sprach. Es war fast so, als erzähle er mir, dass es im Supermarkt nebenan momentan Milche im Angebot gäbe. Wahrscheinlich hätte er dabei sogar noch mehr Interesse gezeigt.
Ich lehnte mich wieder an die Wand und senkte den Blick.
„Dann haben sei seinem Plan also einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber darf ich fragen, wer Suyai ist?“
„Meine älteste Halbschwester. Zufällig ist sie den Volturi begegnet, als diese gerade mit Joham fertig waren. Erstaunlicherweise haben diese ihr den Vorfall erklärt und ihr sogar versichert, dass sie vorhätten uns in Ruhe zu lassen. Nur dir wollten sie regelmäßig eine Patrouille schicken. Daraufhin waren wir beruhigt und hatten endlich unsere Ruhe.“
Warum überwachten die Volturi nur mich? Diese Frage war in meinem Kopf allgegenwärtig, doch ich stellte sie nicht laut. Ich würde nach meiner Rückkehr mit Edward und Carlisle reden müssen.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“
Schnell blickte ich hoch und lächelte ihn an.
„Ja, tut mir leid. Es ist immer noch ungewohnt in Ruhe nachdenken zu können.“
„Dein Vater kann Gedanken lesen, oder?“
„Allerdings.“
Und genau deswegen bin ich hier, fügte ich in Gedanken hinzu und seufzte. Ich war hergekommen, um mit ihm genau über diese Dinge zu sprechen, doch jetzt, wo seine warmen, braunen Augen mich direkt ansahen spürte ich, wie ich den Mut verlor. Es war ein mir völlig unbekanntes Gefühl, das mich ergriff und ich traute mich nicht mehr so recht. Stattdessen lenkte ich das Gespräch auf ihn.
„Wo leben eigentlich deine Schwestern?“
Bisher wussten wir, dass er 3 Halbschwestern hatte, doch weder Namen, noch sonstige Details waren uns bekannt.
„Meine Halbschwestern halten sich alle hier in der Gegend auf. Es ist schon merkwürdig, dass du auf dem Weg hierhin nicht auf ihre Spur gestoßen bist. Joham hatte anscheinend eine Schwäche für Mapuche Frauen, denn wir sind allesamt von dieser Art. Allerdings ist mir schleierhaft, wieso zwischen unserer Zeugung so lange Abstände liegen.“
Er zuckte mit den Schultern.
„Wie lange?“
Inzwischen hatte mich echte Neugier gepackt und es interessierte mich wirklich, wie unsere spezielle kleine Rasse auf der Welt vertreten war.
„Suyai ist die Älteste. Wie alt genau können wir leider nicht sagen, denn damals waren die Jahresbezeichnungen für unser Volk einfach nicht wichtig. Wir schätzen, dass sie jetzt so um die 200 Jahre alt ist. Ich bin der Zweitälteste und ungefähr 165 Jahre alt. Rayen ist dagegen schon um einiges jünger. Sie wurde vor 108 Jahren geboren. Das wissen wir sehr genau, weil Joham Suyai damals erzählt hatte, dass er schon wieder eine unnütze Tochter erhalten hätte. Als letztes folgte Malen. Sie ist erst 20 Jahre alt, also nicht viel älter, als du. Von ihr haben wir erfahren, als ich auf der Jagd fast ihre Mutter mit ihr im Leib getötet hätte. Danach haben Huilen und ich uns die ersten 5 Jahre um sie gekümmert, bis sie meinte, dass sie alleine klar kommt.“
Ich lauschte seinen Worten und meine Neugier war jetzt richtig geweckt. Noch nie zuvor hatte ich mir Gedanken darüber gemacht, wie Nahuel und seine Halbschwestern lebten.
„Das hört sich nicht so an, als hätte dein Vater irgendein System verfolgt.“
Er lachte kurz auf, wurde jedoch schnell wieder ernst.
„Wir haben eine Vermutung. Zwar leben wir hier alle in einem ziemlich kleinen Gebiet und würden es eigentlich mitbekommen, doch niemand kennt die Dunkelziffer. Selbst, wenn es hier in Chile nicht mehr von uns geben sollte, so ist es nicht ausgeschlossen, dass er vielleicht sogar auf anderen Kontinenten Kinder mit Menschenfrauen gezeugt hat. Es kann auch sein, dass viele Neugeborene einfach nicht überlebt haben.“
„Wie kann das sein? Ich dachte, wir können nicht sterben.“
Was ich empfand war pures Entsetzen. Wie konnten Halb-Vampire sterben? Er hatte doch eben noch gesagt, dass Suyai ungefähr 200 Jahre alt sei.
„Hast du dich noch nie gefragt, was passiert, wenn ein Vampir kein Blut bekommt?“
Nein, diese Frage hatte ich mir tatsächlich noch nie gestellt. Wenn wir Durst verspürten, gingen wir auf die Jagd. Nahuel schien meine Unsicherheit zu bemerken und erklärte mir, was er meinte.
„Nun, wenn ein Neugeborenes keine Hilfe hat, kann es passieren, dass es nicht intuitiv reagiert und jagt. Bei einem ausgewachsenen Vampir und auch Halb-Vampir kann man die Jagd bis zu 6 Wochen hinauszögern, ohne dass er körperlich gefährdet ist. Das hat Rayen einmal bei einem Selbstversuch getestet. Wir vermuten jedoch, dass Neugeborene nicht länger, als ca. 1 Woche durchhalten, da sie ungeheure Energie zum schnellen Wachstum benötigen. Wenn sie dann immer noch kein Blut oder keine Nahrung erhalten, dann sterben sie tatsächlich.“
„Das habe ich nicht gewusst. Es könnte also wirklich noch mehr von uns dort draußen geben.“
„Ich hoffe doch mal, dass dem nicht so ist.“
Nahuel schaffte es wirklich mich immer wieder zu überraschen. Ich setzte einen fragenden Blick auf.
„Nun, mir reicht es, wenn wir mit diesem elenden Los leben müssen.“
Da war er. Der Keim Hoffnung, der gerade aus meinem Inneren gedieh, als ich diese Worte vernahm. Wenn auch er Probleme mit seinem Dasein hatte, dann konnten wir vielleicht doch miteinander darüber reden.
Als ich meinen Mut zusammengesammelt hatte und ihn fragen wollte, gähnte er ausgiebig.
„Soll ich dich eigentlich noch nach Temuco zurückbringen? Es wird bereits dunkel. Wenn du kein Problem damit hast, kannst du auch gerne hier schlafen, dann können wir morgen früh weiterreden.“
„Gerne, danke.“
„Kein Problem. Dann mach es dir bequem und schlaf gut.“
Schon wenige Minuten später war Nahuel eingeschlafen. Erst jetzt bemerkte ich, dass der Tag doch ziemlich anstrengend gewesen war und legte mich bequem hin. Einige Gedankenfetzen gingen mir noch einmal durch den Kopf und bald schon war auch ich eingeschlafen.

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Beitrag  Gast Mi 21 Jul 2010, 14:57

Kapitel 5:
Geboren um zu Leben


Als ich die Augen öffnete, erschrak ich.
Ich befand mich in einem großen Raum, der fast vollständig von dem riesigen Bett gefüllt wurde, in dem ich lag. Umgeben von dicken, flauschigen Kissen lag ich unter einer schweren Decke und beobachtete die Vorhänge des Himmelbettes, die durch den zarten Wind des geöffneten Fensters bewegt wurden. Die Sonne schien und ich konnte keine einzige Wolke am Himmel ausmachen, die diesen schönen Tag getrübt hätte.
Langsam sah ich mich um und versucht mich zu orientieren. Diesen Raum hatte ich noch nie gesehen und ich wollte gerade aufstehen, um aus dem Fenster zu sehen, als die Tür am Fußende des Bettes aufging. Schnell schwang sie auf und vor mir stand sie.
Das Mädchen aus meinen Träumen. Auch dieses Mal fing sie wieder an mich um Hilfe zu bitten und streckte die Hand nach mir aus. Ich richtete mich auf und wollte gerade aufstehen, um zu ihr zu gehen, als ein starker Wind durch das Zimmer wehte. Die Tür ging mit einem lauten Knall zu, ich wachte auf.
Durch die Türöffnung der kleinen Hütte wehte ein starker Wind und ich zuckte zusammen, als ein lauter Donner durch das Rauschen des Regens hindurch polterte. Schlagartig war ich wach und sah zu Nahuel hinüber.
Der letzte Donner hatte auch ihn geweckt und verschlafen rieb er sich die Augen.
„Guten Morgen. Willkommen im chilenischen Winter.“
Seine Stimme war heiter und ich musste lachen, bis mich ein erneuter Knall zum Schweigen brachte. Der Wind war wirklich äußerst stark und rüttelte ganz schön an der Hütte. Skeptisch sah ich zum Dach hinauf und wandte mich an Nahuel.
„Ich möchte echt nicht unhöflich sein, aber hält das Haus ein solches Gewitter aus?“
Er lachte, richtete sich auf und klopfte mit der flachen Hand auf die Wand an seinem Bett.
„Diese Hütte hat schon viel schlimmere Dinge ausgehalten.“
Wieder einmal zuckte ich zusammen, als ein Blitz die Gegend erhellte und fast gleichzeitig ein lauter Donner erklang.
„Dann ist ja gut. Weißt du, ich mag Gewitter nicht sonderlich.“
Nahuel hatte sich weder erschreckt, noch mit der Wimper gezuckt, als der Donner über uns hereinbrach und ich bewunderte das. Schon als Kind hatte Emmett mich damit aufgezogen, dass ich eines der stärksten Wesen der Welt sei, aber Angst vor einem lächerlichen Gewitter hatte. Einzig Edward und natürlich auch Jasper hatten sich mitfühlend gezeigt.
„Mich stört es nicht. Ganz im Gegenteil, so können wir uns heute in Ruhe über einige Dinge unterhalten. Oder möchtest du, dass ich dir bei diesem Wetter etwas von meiner Heimat zeige?“
Sein Grinsen war ansteckend und wie auf Befehl ruckte ein erneuter Windstoß an der Hütte. Natürlich war mir nicht kalt, doch es war ungemütlich draußen und ich wollte nicht unbedingt hinaus.
„Ich denke das verschieben wir besser, aber ich würde mich wirklich freuen, wenn du mir deine Heimat zeigen würdest.“
„Das mache ich sehr gerne. Du wirst staunen, was wir Mapuche alles zu bieten und zu erzählen haben.“
Kurz ergriff mich das leichte Gefühl eines Déjà-vu. Zafrina hatte das selbe über ihre Heimat behauptet und ich fand es faszinierend so unerwartet vieles über fremde Länder und Kulturen zu lernen.
Wenn ich es irgendwann einmal schaffen sollte mich von Forks zu trennen, dann würde ich auf Weltreise gehen und möglichst viel sehen wollten.
„Ich bin gespannt. Hättest du etwas dagegen, wenn ich kurz meine Eltern anrufe?“
Bei dem Wort Eltern hätte ich mir fast selbst auf die Zunge gebissen. Hoffentlich war es nicht zu früh, um so offen und locker mit ihm über dieses Thema zu sprechen. Unsere Auseinandersetzung war keine 24 Stunden her und eigentlich hatte ihm mehr Zeit lassen wollen dieses Thema erneut anzusprechen, damit er in Ruhe noch über einige Dinge nachdenken konnte.
„Kein Problem. Ich denke nur, du solltest nicht unbedingt erwähnen, dass du hier bei mir übernachtet hast.“
Er schlug mit der Hand auf seinen Oberschenkel, als hätte er einen äußerst lustigen Witz gemacht, doch ich beschloss diesen Spaß lieber ernst zu nehmen und grinste nur halbherzig. Edward war sowieso nicht begeistert davon, dass ich Jacob so vor den Kopf gestoßen hatte, da musste ich ihm nicht auch noch auf die Nase binden, dass ich bei einem fremden Mann übernachtet hatte.
Schnell war das Handy aus dem Rucksack gefischt, doch die Ernüchterung kam noch schneller.
„Kein Netz. War ja klar.“
„Was bedeutet das?“
Seine klaren, braunen Augen blickten mich fragend an, während erneut ein Blitz die Hütte erhellte. Der Regen prasselte nicht mehr ganz so stark, wie noch vor wenigen Minuten, doch er war noch lange nicht dabei zu versiegen. Dank unserer guten Augen brauchten wir kein Licht, doch durch den Blitz trat ein hübsches Aufleuchten in seine Augen.
„Ich kann sie nicht anrufen.“
Kannte er etwa keine Handys? Sogar Zafrina kannte alle möglichen technischen Geräte. Sie besaß zwar keines, doch zumindest wusste sie, wie sie funktionierten und wie man sie benutzte.
„Warum nicht? Ich dachte mit diesen tragbaren Dingern könnte man jederzeit telefonieren.“
Sein letztes Wort verschwand fast gänzlich unter einem erneuten Donner. Langsam ging er sich mit den Händen durch die langen, offenen Haare, bevor er aufstand und unter sein Bett um einige Stück Holz hervorzuholen. Mit geübten Griffen drapierte er sie auf der Feuerstelle in der Mitte der Hütte und begann mit 2 Steinen der Umrandung Funken zu erzeugen.
Er wusste also wirklich nicht, wie Handys funktionierten. Das war zwar ungewöhnlich, aber nicht weiter wichtig.
„Leider nicht. Was genau machst du da eigentlich?
Ich lehnte mich nach vorne, lehnte die Ellenbogen auf meine Knie und stützte den Kopf auf die Hände. Lächelnd sah ich ihm zu.
„Es war gut, dass ich gestern noch ein wenig Holz gesammelt habe. Jetzt kann ich uns ein gemütliches Feuer machen. Leider ist durch die Feuchtigkeit das Stroh auch etwas feucht geworden. Daher kann es etwas dauern, bis der Funke überspringt.“
Kurz kam mir der Gedanke einfach aus meinem Rucksack mein Feuerzeug zu holen, doch ich entschied mich dagegen, als ich sah, wie viel Mühe er sich gab. Er zeigte einen Enthusiasmus, den ich irgendwie niedlich fand und ich wollte ihn nicht mindern oder gar kränken.
Ganz abgesehen davon zeigte es mir, wie ich eigentlich vom modernen Leben abhing. Niemals würde ich mit 2 einfachen Steinen ein Feuer entfachen können. Dieser Gedanke brachte mich auf eine Idee.
„Darf ich es auch mal probieren?“
Ehe ich wirklich darüber nachgedacht hatte, was ich da gerade gesagt hatte, waren die Worte schon aus meinem Mund bekommen. Ein schüchternes Lächeln trat auf seine Lippen.
„Aber klar. Komm, ich zeige dir, wie es geht.“
Zuerst erklärte er mir ausführlich die Theorie, zeigte mir die Bewegung und übergab mir dann die beiden Steine. Um mich nicht zu blamieren hatte ich besonders gut aufgepasst und versuchte die Steine im richtigen Winkel gegeneinander zu schlagen. Bei den ersten Schlägen hielt ich sie jedoch zu weit vom leichten Stroh weg, bemerkte diese Dummheit aber zum Glück rechtzeitig und schon bald hatte ich tatsächlich geschafft eine kleine Flamme durch meine Funken zu erzeugen.
Eine unbekannte Euphorie durchströmte mich. Schnell legte Nahuel weiteres Stroh nach und nach kurzer Zeit hatten wir ein prasselndes Feuer, während es draußen wieder angefangen hatte leicht zu donnern.
Mittlerweile war ich auch froh, dass die Hütte keine Fensteröffnungen hatte, denn sonst wären wir völlig durchnässt gewesen. Durch die Türöffnung kam ein wenig Regen herein und Nahuel befestigte eine dicke Wolldecke, die mit überaus hübschen Mustern verziert war, an den Haken über der Öffnung.
„Gute Idee.“
„Danke. Auf die Idee hat Huilen mich mal gebracht. Die Decke kann ruhig nass werden und so kommt wenigstens kein Wasser herein. Auch der Wind wirkt so nicht mehr so stark.“
„So eine Decke muss ich unbedingt für Esme mitnehmen. Sie wird außer sich sein vor Freude. Die Muster sind so schön bunt.“
Er schmiss sich auf sein Bett und zog die Decke über sich. Zum Schlafen hatte ich mich, aus purer Gewohnheit und nicht aus Kälte, auch darunter gelegt, doch nun saßen wir hier, um uns zu unterhalten und dabei wirkte das ziemlich merkwürdig. Fast so, als sei ihm wirklich kalt.
Aber das konnte doch gar nicht sein. Ich beschloss die Gelegenheit zu ergreifen und das Thema so dezent auf meine Fragen zu lenken.
„Ist dir etwa kalt?“
Ich grinste ihn an, um zu zeigen, dass diese Frage keinesfalls böse gemeint war und wartete innerlich gespannt auf seine Antwort.
„Nein, natürlich nicht. Die Außentemperatur ist mir egal.“
Seine Miene wurde plötzlich fragend und er sah mich an.
„Dir etwa? Tut mir leid, aber ich bin davon ausgegangen, ohne zu fragen, weil es bei meinen Schwestern auch so ist.“
„Nein, nein“, wehrte ich schnell ab und hob die Hände für eine beschwichtigende Geste.
Sein plötzlicher Anflug eines schlechten Gewissens löste in mir seltsame Gefühle aus, die ich nicht zuordnen konnte und selbst, wenn ich es gewesen wäre, so hätte ich spätestens dann nicht mehr sauer auf ihn sein können.
„Kann ich dich mal was fragen?“
Ich saß wieder auf meinem Bett und sah ein wenig verlegen auf meine Hände. Obwohl er nicht mehr sauer auf mich war, konnte ich unser Gespräch vom Vortag nicht vergessen und fühlte mich immer noch unwohl solch unwichtigen Dingen anzusprechen.
„Natürlich. Dafür bist du doch extra den weiten Weg aus Forks bis hierhin gekommen.“
Ich zog den Kopf zwischen die Schultern. Langsam stieg mir Blut in die Wangen und ich spürte, wie sie warm wurden.
„Ja… nein… also…“, stammelte ich ohne ihn anzusehen.
„Keine falsche Schüchternheit. Sag mir einfach, was dich bedrückt.“
Herrje, er verstand meine Reaktion vollkommen falsch. Eigentlich musste ich ihm ja gar nicht verraten, dass ich sowieso schon in Brasilien gewesen war. Ich übersprang diesen Teil einfach.
„Hast du Probleme mit deinem Dasein, als Halb-Vampir?“, platzte es aus mir heraus.
Da ich den Geständnisteil übersprungen hatte, beruhigte sich mein Puls und die Röte wich aus meinem Gesicht. Langsam aber sicher entspannte ich mich wieder und sah Nahuel neugierig in die Augen. Endlich war es raus und nun überwältigte mich meine Neugier auf seine Reaktion. Nachdenklich sah er in das knisternde Feuer.
„Ich glaube, ich verstehe nicht so ganz, was du meinst.“
Anscheinend hatte ich ihn mit meiner Frage überrumpelt und sie nicht gut genug gestellt. Ich versuchte es mit einem Beispiel und nahm dazu einfach direkt mein größtes Problem.
„Nun, ich persönlich habe Probleme mich damit abzufinden, dass ich nachts schlafen muss.“
Weiterhin den Blick gesenkt, ging er sich noch einmal durch die schulterlangen Haare und blähte die Wangen auf, bevor er pustend die Luft heraus ließ.
„Puh. Da hab ich noch nie drüber nachgedacht. Die Eigenheiten meiner Existenz waren immer vollkommen normal für mich. Aber jetzt, wo du es sagst, fällt mir etwas ein. Als Kind hatte ich ein paar Mal versuch nachts nicht zu schlafen, als Huilen mir erzählt hatte, dass sie gar nicht schlafen muss. Bis dahin hatte ich immer geglaubt sie würde einfach später schlafen gehen und früher aufstehen, als ich.“
Mich überkamen ein lautes Lachen und das Gefühl von Verständnis.
„Das habe ich als Kind auch mal versucht. Die Standpauke, die ich damals erhalten habe, habe ich heute noch in den Ohren. Ich finde es einfach nur nervig.“
Er wandte den Blick vom Feuer ab und sah mich wieder direkt an. Ausgerechnet in diesem Moment erhellte ein erneuter Blitz den Raum und ich zuckte zusammen.
Nahuel lachte und fing laut an zu zählen.
„21, 22, 23, 24, 25…“
Als er bei der letzten Zahl angekommen war, grollte ein leiser Donner, der selbst mich nicht mehr erschrecken konnte, über uns hinweg.
„Was hast du gezählt?“
Ich zog die Augenbrauen zusammen und blickte ihn fragend an. Den Sinn seiner Zählerei verstand ich überhaupt nicht.
„Kennst du das nicht? Du kannst mit so einem komischen Gerät, wie diesem tragbaren Telefon umgehen, aber nicht bestimmen, wie weit ein Gewitter entfernt ist?“
Jetzt verstand ich überhaupt nichts mehr. Was hatten diese Zahlen mit dem Gewitter zu tun? Verdammt, er schaffte es irgendwie immer wieder mich zu verblüffen und mir klar zu machen, wie wenig ich doch wusste.
„Nein, das kenne ich nicht. Erklärst du es mir bitte?“
Er ließ sich nicht lange bitten und erklärte mir, dass ein Gewitter so viele Kilometer entfernt war, wie viele Sekunden zwischen Blitz und Donner vergingen.
Fasziniert lauschte ich ihm und beschloss, dass ich gut mit einem Gewitter leben konnte, dass 5km entfernt war.
„Siehst du, jetzt kannst du vor deiner Familie angeben, wenn das nächste Mal bei euch ein Gewitter ist.“
Das erste Mal seit gestern sprach er von sich aus meine Familie an und ich war erstaunt. Keinerlei Schmerz oder Wut waren mehr in seiner Stimme zu hören. Nur ehrliche Freude, dass er mir etwas von seinem Wissen weitergegeben hatte.
„Darf ich dich auch etwas fragen?“
„Gerne, wenn es nicht gerade mit Gewittern zu tun hat.“
Er erwiderte mein Lächeln, zog die Beine zu sich ran und umschlang sie mit seinen Armen.
„Warum hast du Probleme mit deinem Dasein als Halb-Vampir? Warum hasst du es, zu schlafen?“
Da war es wieder. Das schlechte Gewissen. Gestern hatte er mir gezeigt, dass ich eigentlich alles hatte, um glücklich zu sein. Ich beklagte mich über Dinge, die absolut nebensächlich waren.
„Es hat mir meiner Familie zu tun. Ist das ok, wenn ich darüber spreche?“
Sein ernstes Gesicht zeigte eine Zufriedenheit, die seine Worte unterstrichen.
„Ja. Glaub mir, ich beneide dich zwar, doch ich weiß, dass ich nichts für diese ganze Situation kann. Warum sollte ich dir dafür böse sein, dass du einfach Glück hattest?“
Diese Worte waren eine sehr große Erleichterung für mich. Er hatte mir wirklich verziehen und innerhalb kürzester Zeit innerlich akzeptiert, dass er sich die letzten Jahre über etwas eingeredet und geglaubt hatte, das nicht stimmte.
„Meine Familie ist sehr nett zu mir. Jeden Morgen erzählen sie mir, was sie nachts gemacht haben, um mir zu zeigen, dass ich nichts Wichtiges verpasst habe und sie mich an ihrem Leben teilhaben lassen wollen. Leider bewirken sie jedoch damit genau das Gegenteil von dem, was sie erreichen wollen. Es muntert mich nicht auf, sondern macht mich traurig. Ich verpasse so viele Dinge, wenn ich nachts schlafe. Und auch, wenn Suyai deiner Aussage nach ungefähr 300 Jahre alt ist, so begleitet einen doch ständig die Ungewissheit, ob man auch unsterblich ist. Ich bin nicht ganz so stark und so schnell, wie meine Familie. Sie lassen mich das nicht spüren, aber irgendwie stört es mich. Darum wollte ich mir mit reden. Ich dachte, es würde helfen, wenn ich mit jemandem darüber reden kann, der vielleicht die gleichen Probleme hat.“
Nahuel hatte mich die ganze Zeit angesehen und ich war froh, dass er meine Probleme ernst nahm. Er hätte sich genauso gut darüber lustig machen können, dass ich solch läppische Probleme hatte.
„Du bist merkwürdig.“
Und wieder reagierte er auf eine Art und Weise, mit der ich nicht gerechnet hatte.
„Warum denkst du das?“
Ein wenig knickte es mich schon, dass er mein Geständnis anscheinend doch nicht so ganz ernst nahm.
„Weil du dir selber dein Leben kaputt machst. Du hast eine große Familie, Freunde und auch keine Geldprobleme. Sieh doch mal die positiven Seiten unserer Existenz. Du hast die Wahl, ob du Blut oder menschliche Nahrung zu dir nehmen willst. Du kannst schlafen und dich einfach vom Tag erholen, denn Bewegung kostet uns nun mal mehr Anstrengung. Außerdem würde ich eines vermissen, wenn ich nicht mehr schlafen bräuchte. Ich könnte dann nämlich nicht mehr mit der Vorfreude auf den nächsten Tag ins Bett gehen.“
Er machte eine kurze Pause und atmete tief ein. Ich saß stumm auf meinem Bett. So hatte ich es noch nie betrachtet. Innerhalb von wenigen Wochen hatte ich mich jetzt schon das zweite Mal belehren lassen müssen. Es wurde Zeit, dass ich selber öfters mal versuchte die Dinge aus anderen Blickwinkeln zu betrachten. Ich konnte nicht mein Leben lang darauf bauen, dass immer jemand kam, um mich auf gewisse Dinge aufmerksam zu machen.
„Rayen hat Malen mal etwas sehr Schönes gesagt, als Joham damals verkündet hatte, dass er sie nur als unnütze Tochter sehen würde, die seinen Plänen nicht helfen würde. Malen war sehr traurig gewesen und das war auch der Punkt, dass Suyai und sogar Rayen, die bis dato immer voll hinter unserem Erzeuger gestanden hatte, sich von ihm abgewendet hatten.“
Er hielt inne und lächelte in das flackernde Feuer, als würde ihm diese Erinnerung sehr gefallen. Als nach fast 2 Minuten nichts weiter von ihm kam, fasste ich mir ein Herz. Er hatte es geschafft, dass ich mich wirklich besser fühlte. Vor allem musste ich mir Eines eingestehen: Er hatte einfach Recht. Es brachte nichts, Trübsal zu blasen und in allem nur das Negative zu sehen.
„Was hat sie Malen damals gesagt?“
Seine Augen wurden glasig und der Schein des Feuers erhellte seine Züge.
„Denk immer daran: Wir wurden geboren, um zu leben.“
Stumm saß ich auf dem weichen Bett. Schon einige Minuten lang war kein Donner mehr zu hören gewesen und sogar der Regen schien kurz vor dem Versiegen. Kaum mehr als ein fast lautloses Nieseln war noch übrig.
So etwas Ähnliches hatte Bella einmal gesagt, als wir meinen Geburtstag gefeiert hatten. Emmett hatte mich damit aufgezogen, dass ich gar nicht auf der Welt wäre, wenn Bella sich nicht so für mich eingesetzt hätte. Ihr Blick wurde dabei genauso glasig, wie jetzt Nahuels und ein liebevolles Lächeln schlich sich auf ihre Lippen.
„Sogar dein Vater war damals zu besorgt um mich, um zu erkennen, was für ein wundervolles Leben in mir heranreifte. Dabei hat er wohl vergessen, wie wertvoll doch jedes Leben ist.“
So waren ihre Worte gewesen. Edward war danach zwar ein wenig sauer gewesen, dass sie mir das erzählt hatte, doch ich konnte ihn schnell davon überzeugen, dass ich es ihm nicht übel nahm und wusste, wie sehr er mich liebte.
Langsam verstand ich, was Bella mir damals hatte sagen wollen. Ich hatte den Blick für das Wesentliche verloren und mich auf Dinge versteift, die eigentlich auch eine schöne Seite hatten.
„Jetzt liegt es an mir, dir zu danken. Du hast Recht, wir sind etwas Besonderes. Ich muss lernen mich selbst zu mögen, sonst werde ich niemals glücklich. Selbst, wenn das Glück mich fast anspringt.“
Ich hatte mich aufgerichtet und die Beine ausgestreckt, während ich tief durchatmete. Es war ein erstaunliches Gefühl sich eines solch wichtigen Gedankens bewusst zu werden. Gerade so, als wäre ich plötzlich frei hätte vorher gar nicht gewusst, was es heißt zu Leben. Wie konnte ich auch nur ansatzweise wissen, was es bedeutete, wenn ich mich selber daran hinderte?
Auch Edwards Fähigkeit meine Gedanken lesen zu können war für mich immer nur unangenehm gewesen, weil ich selber nicht mit mir und meinen Gedanken umgehen konnte. Wenn ich aber mit meinen Eigenheiten und jetzt auch mit meinen Gefühlen Jacob gegenüber im Einklang war, so gab es nichts, was Edward nicht erfahren sollte.
Der Gedanke an Edward und meine Familie erweckte plötzlich starkes Heimweh in mir. Am nächsten Tag würde ich sie anrufen und schon bald nach Hause kommen.
Nahuels Stimme durchbrach die Stille, während ich in meinen Gedanken versunken war.
„Ich habe nur weitergegeben, was mich gelehrt wurde. Aber es freut mich, wenn ich dir so helfen konnte.“
Ich zeigte ihm ein dankbares Lächeln und blickte zur Türe. Der Regen hatte tatsächlich aufgehört und durch die Schlitze zwischen Türöffnung und Decke sah ich, dass es schon zu dunkeln begann.
„Darf ich heute noch einmal hier übernachten?“
Auch er sah zur Türe und erhob sich, um die Decke abzuhängen. Von draußen kam frische, klare Luft, die von einem lauen Wind hereingeweht wurde.
Nahuel warf die Decke ans Fußende seines Bettes und ging mit schnellen Schritten hinaus aus der Hütte. Schnell sprang ich auf, um ihm zu folgen. Zum Einen, weil ich neugierig war, was er vorhatte und zum Anderen, weil ich wirklich etwas frische Luft gebrauchen konnte.
Als ich den ersten Schritt über die nicht vorhandene Schwelle gesetzt hatte, wurde mir klar, was er mir zeigen wollte.
Blau-goldene Striemen, die von leichten Schleierwolken durchzogen wurden, zierten den Himmel. Ein zarter Geruch stieg von der feuchten Erde auf und überall von den Bäumen, Blumen und Farnen tropften die letzten Reste des Regenwassers. Um uns herum bewegten sich langsam wieder die ersten Tiere und tausende von Insekten schwirrten durch die Luft.
Mit meinen guten Augen konnte ich selbst die winzigsten Mücken in ihren großen Schwärmen erkennen und ich musste lachen, als sich eine von ihnen auf meinem Arm niederließ und versuchte ihren kleinen Rüssel in meine Haut zu stechen, um an mein Blut zu gelangen. Ich hob den Arm und sah die kleine Mücke belustigt an.
„Hey Kleine, tu dir nicht weh. Das schaffst du nicht.“
Nahuel lachte laut auf und die Mücke machte sich auf den Weg, um ein neues Opfer zu suchen.
„Das versuchen sie bei mir auch ständig. Wir riechen wohl zu köstlich.“
Er schnupperte kurz und trat an mich heran, bis sein Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt war.
„Wobei du anders riechst, als meine Schwestern. Mehr nach… verschiedenen Blumen und weniger nach Erde und Lehm.“
Ich wusste nicht, ob das ein Kompliment sein sollte und erinnerte mich an die Situation mit Jacob im Schwimmbad.
Vielleicht ein wenig zu schnell wich ich einen Schritt von ihm zurück.
„Danke… Ich denke wir sollten jetzt wieder reingehen und schlafen, damit wir morgen fit sind, um deine Heimat zu erkunden. Oder steht dein Angebot nicht mehr?“
Grinsend ging ich vor und wartete seine Antwort gar nicht erst ab, als ich mich aufs Bett setzte und noch einmal mein Handy überprüfte. Natürlich befand sich immer noch kein Balken auf der Netz-Anzeige.
„Oh, warts ab. Morgen Abend wirst du hundemüde ins Bett fallen und gar nicht mehr wissen, wo oben und wo unten ist. Dann schlaf jetzt. Ich wünsche dir eine gute Nacht und schöne Träume.“
Er legte sich hin, zog sich die Decke fast bis zur Nase, schloss die Augen und war schon wenige Sekunden später eingeschlafen.
Ich grinste, bewunderte diese Fähigkeit und war mir in Einem sicher: Meine Träume würden wunderbar werden.

„Guten Morgen. Aufwachen.“
Seine sanfte, warme Stimme flüsterte die Worte zärtlich in mein Ohr und als ich die Augen aufschlug, befand sich sein Gesicht wieder nur Zentimeter entfernt, von meinem. Ich schreckte hoch und gab einen erstickten Laut von mir, der ihn beleidigt dreinblicken ließ.
„Oh, tut mir leid. Ich habe mich nur erschreckt.“
Entschuldigend sah ich ihn an und hoffte, dass er nicht wirklich beleidigt war.
Manchmal konnte er einen sehr überraschen und war schwer einzuschätzen. Am Anfang hatte er sich mir ablehnend gezeigt, doch nach unserem Streit war er eigentlich sehr freundlich mir gegenüber gewesen. Am Tag zuvor jedoch war er nett und hilfsbereit, aber auch nachdenklich und besonnen gewesen.
„Kein Problem. Dann habe ich mein Ziel ja erreicht.“
Ich lachte und drohte ihm mit erhobenem Zeigefinger, wie Esme es immer gemacht hatte, wenn Jasper, Emmett oder Jacob zu wild mit mir gespielt hatten und wir in die Nähe irgendwelcher antiken Gegenstände gekommen waren.
Ziemlich schnell waren wir bereit und machten uns auf den Weg meine Eltern anzurufen und sein Volk zu erkunden.
Schon kurz, nachdem wir seine Hütte verlassen hatten, hatte mein Handy wieder Netzempfang und ich konnte Edward anrufen. Ich erzählte ihm, dass ich Nahuel gefunden hatte und schon bald vorhatte nach Hause zurückzukommen.
Es war ein kurzes Gespräch und er schien wirklich erfreut, dass meine Suche von Erfolg gekrönt war.
Die nächsten beiden Tage waren dann voller Informationen, Kultur und Spaß. Er erklärte mir, dass die Araukarien, die hier so zahlreich vorkamen, die heiligen Bäume der Mapuche waren und zeigte mir die chilenische Wachsglocke, auch Copihue genannt. Eine Blume, deren Blüten wie lange Glocken nach unten hingen und die die Landespflanze Chiles darstellte.
Es gab lustig aussehende, kamelartige Tiere, die Vikunja hießen und wir bestiegen den Volcan Llaima, östlich von Temuco. Nahuel schaffte es sogar sich zu überwinden und mit mir in das Mapuchemuseum in Temuco zu gehen.
Abends kehrten wir immer in seine Hütte zurück und er erzählte mir Geschichten aus seinem Volk und erklärte mir Dinge, die wir im Museum gesehen hatten.
So war den Mapuche das Blau des Himmels heilig, ihr oberster Gott hieß Gvnechen und alle 4 Jahre wurde das große Ritual Gilhatun gefeiert, bei dem sogar die heiligen Pferde geschlachtet wurden und alle ihr Essen miteinander teilten.
Alleine die ganzen Bedeutungen, die seine kleine Hütte hatte, faszinierten mich.
Die Hüttenart hieß Ruka und der Fußboden war extra naturbelassen, um die Verbundenheit seines Volkes zur Erde zu demonstrieren. Die Türöffnung liegt immer in Richtung Osten und die Feuerstelle in der Mitte des Raumes soll heilende Kräfte inne haben.
Diese ganzen Informationen saugte ich auf, wie ein Schwamm, doch so begeistert ich auch von all dem war, so zog es mich nun doch nach Hause.
Nach einem weiteren Telefonat hatten meine Eltern für mich einen Flug gebucht, damit ich die ganze Strecke nicht wieder zurücklaufen musste. Sie meinten, ich hätte ihnen genug zugemutet und könnte ihnen diesen Gefallen doch tun.
Nahuel wirkte ein wenig niedergeschlagen, doch er war sehr nett und begleitete mich sogar bis zum Flughafen, wo ich noch eine dieser bunten Decken für Esme und einen kleinen Plüschaffen für Emmett kaufte.
Zum Abschied drückte er mir einen leichten Kuss auf die Wange, als mein Flug aufgerufen wurde und wir versprachen, uns gegenseitig wieder zu besuchen. Sein Abschiedsgeschenk, ein Ableger einer Copihue, musste ich leider am Zoll abgeben, doch ich beschloss mir in Forks eine neue zu kaufen, weil sie mir so gut gefiel.
Mein Flieger startete pünktlich und glücklicherweise war es ein Nachtflug, denn so konnte ich die ganzen 12 Stunden über schlafen und war ausgeruht, als mich am Flughafen in Seattle alle 8 Mitglieder meiner Vampirfamilie begrüßten.


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Zuletzt von Neferubty am Fr 10 Sep 2010, 14:26 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet

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Beitrag  Gast So 25 Jul 2010, 20:18

Kapitel 6:
Freud und Leid


„Mom, Dad!“, rief ich und rannte auf sie zu. Glücklicher-weise hatte ich nur Handgepäck und war schnell aus dem Flugzeug raus gewesen.
Erst im Anflug auf Seattle hatte ich bemerkt, wie sehr ich meine Heimat wirklich vermisst hatte. Ich konnte mir nicht vorstellen einmal von hier weg zu ziehen, wie wir es eigentlich schon vor Jahren hätten tun sollen. Die Umgebung von Forks war meine Heimat, hier hatte ich meine Kindheit verbracht und hier hatte ich einen Teil meiner Familie, der nicht einfach umziehen konnte: Charlie.
Solange es etwas zu verpassen gab, würde man mich nicht von hier wegbekommen. Jedenfalls nicht freiwillig.
Edward stürmte auf mich zu und ich erkannte einen leicht gequälten Gesichtsausdruck. Er musste sich wahrscheinlich beherrschen, um mich nicht in der Geschwindigkeit begrüßen, die er gewählt hätte, wenn um uns herum nicht hunderte von Leuten gewesen wären.
Als er endlich bei mir war, ließ ich die Tasche fallen und umarmte ihn fest. Ich schloss die Augen und atmete tief ein. Sein vertrauter Geruch stieg mir in die Nase. Diese Mischung aus Honig, Flieder und Sonne war einmalig und ich würde sie unter Hunderten wiedererkennen.
Plötzlich wusste ich, warum mir Nahuels Spur direkt aufgefallen war. Mit meinen feinen Sinnen wusste ich zwar genau, dass es nicht Edwards Geruch war, doch der vampirische Teil in Nahuels Spur roch dem Edwards erstaunlich ähnlich. Ich versuchte mich an Nahuels Geruch genauer zu erinnern. Nach Sonne und Honig hatte er auch gerochen, jedoch nicht nach Flieder, eher nach etwas fruchtigem. Mango. Das war es. Der fehlende Teil war Mangogeruch. Es kam mir sehr bekannt vor, weil Jacob mich einmal dazu überredet hatte eine Mango zu probieren.
Jacob… Der Gedanke an ihn holte mich zurück in die Gegenwart.
Ich öffnete die Augen und löste mich langsam von Edward. Seine Augen sahen mich liebevoll an und seine Hände lagen weiterhin auf meinen Schultern.
„Ich bin froh, dass du wieder da bist.“
Seine Stimme war ernst, doch ich konnte die Erleichterung heraushören.
Auch der Rest meiner Familie war bei mir angekommen und Einer nach dem Anderen umarmte mich, während Edward meine Tasche nahm, um sie zum Auto zu tragen.
Rosalie, Emmett und auch Alice fingen an mich mit Fragen zu löchern und Jasper ging ziemlich schnell dazwischen, als er bemerkte, dass ich mich unwohl fühlte und mir alles ein wenig zu schnell ging.
„Lasst uns erst mal nach Hause fahren. Dort haben wir genug Zeit, um zu reden.“
Esme und Edward verstanden am schnellsten und Edward ging mit meiner Tasche vor, während Esme sich bei mir unterhakte.
„Du kannst bei Carlisle, Edward, Bella und mir mitfahren. Den Porsche magst du doch am liebsten.“
Ihr Lächeln und diese wohlige Wärme, die mein Herz umschlossen hatte, als ich durch die Glaswände des Flughafens meine Familie gesehen hatte, bestätigte mir, dass es die richtige Entscheidung gewesen war wieder nach Hause zu kommen.
Carlisle setzte sich hinter das Steuer und Edward überraschte mich, indem er einen USB-Stick an das Autoradio anschloss und schon wenige Sekunden später drang eine Mischung aus Edwards selbst komponierten Liedern und Songs von unserer Band Rockmonster aus den Lautsprechern. Die Fahrt verlief ruhig und schon bald sah ich das Ortseingangsschild, welches in großen Lettern unsere kleine Heimatstadt ankündigte.
Ich grinste die ganze Fahrt über und als wir von der Straße auf unsere Einfahrt einbogen, flüsterte ich:
„Es ist schön wieder zu Hause zu sein.“
„Freu dich nicht zu früh. Ich glaube, du hast deine Tante vergessen“, brummelte Esme und verzog das Gesicht, wie sie es immer zu Weihnachten tat, wenn Alice das Haus schmückte.
Ich fasste mir mit den Händen an den Kopf und ahnte Schlimmes. Wenn Esme bereits so reagierte, dann gab es mindestens eine mittelgroße Willkommensparty, inklusive Dekoration, Musik und vielleicht sogar ein paar Geschenken.
Wir hielten nicht vor dem Haus, sondern fuhren direkt in die Garage und Emmett, Rosalie, Alice und Jasper taten es uns in Emmetts neuem Landrover gleich. Alle lächelten und wir gingen gemeinsam ins Wohnzimmer, wo mich eine ganz besondere Überraschung erwartete.
Das Zimmer war geschmückt mit bunten Girlanden, Luftballons, Luftschlangen und in der Mitte des Raumes stand Charlie mit einem großen Blumenstrauß. Ich erkannte sofort die großen, weißen Lilien, denn es waren meine absoluten Lieblingsblumen.
„Nessie! Schön, dass du wieder da bist.“
Seine Augen füllten sich mit Tränen und Esme musste den Strauß auffangen, als Charlie mich umarmte, denn sonst wäre er auf den Boden gefallen. Er umarmte mich lange und küsste mich immer wieder auf Wangen, Stirn und Nase.
„Ich bin froh, dass du gesund zurückgekommen bist. Warum musstest du ausgerechnet ganz alleine auf Reisen gehen? Du bist doch mein kleines Mädchen.“
Sein Blick wurde vorwurfsvoll und er hob seinen Zeigefinger. Nun musste ich lachen und zuckte die Achseln.
„Wenn du möchtest, dann können wir das nächste Mal gerne zusammen in Urlaub fahren. Ich habe Blut geleckt und möchte gerne mehr von der Welt sehen.“
Hinter mir hörte ich, wie Emmett losprustete, doch ich fuhr einfach fort:
„Was hältst du von einer Reise nach Asien? Ich bin sicher Alice und Jasper können uns Tipps geben, was wir dort alles machen können.“
Mit diesem Angebot hatte er anscheinend nicht gerechnet, denn er sah mich fragend an, bevor Alice die Situation rettete und sich zwischen uns drängte.
„Ich bin sicher, dass wir euch da helfen können. Pack doch jetzt erst mal deine Geschenke aus.“
„Geschenke?“
Jetzt war ich diejenige, die überrascht war. Noch vor wenigen Minuten, als wir im Auto saßen, hatte ich darüber nachgedacht, doch da war es eher ein Scherz gewesen.
Wir setzten uns alle um den großen Wohnzimmertisch herum, als wir uns durch die Berge von Luftballons gebahnt hatten und ich bat Edward mir meine Tasche zu geben.
Ich sackte ein wenig in mich zusammen, als ich die Mitbringsel für Esme und Emmett herausholte, denn nun plagte mich ein schlechtes Gewissen. In meiner Eile nach Hause zu kommen hatte ich nicht daran gedacht den Anderen auch etwas mitzubringen. Wenn ich nur ein wenig mehr Zeit darin investiert hätte, dann hätte ich sicherlich für alle etwas Passendes finden können.
Erstaunlicherweise reagierte nicht Edward, sonder Jasper als Erster auf meine Gedanken oder eher auf meine Gefühle.
„Die meisten von uns waren schon einmal Brasilien. Es ist toll, dass du trotzdem etwas für uns gefunden hast.“
Uns. Er hatte uns gesagt. Das war meine Rettung und nutzte sie sofort aus. Die Decke konnte ich einfach allen schenken und wenn Esme sie aufhängen würde, dann könnten alle sie bewundern.
Erleichterung breitete sich in mir aus und holte die große Decke nun vollends aus der Tasche.
„Hier, die habe ich euch allen mitgebracht. Das ist eine traditionelle Decke der Ureinwohner.“
Esme sprang begeistert von ihrem Platz auf und nahm leichthändig die schwere Decke in Empfang.
„Ich weiß schon genau, wo ich sie hinhängen werde. Diese Muster sind wunderschön.“
Meine Wangen glühten vor Freude und ich bemerkte, dass Edward grinste und nickte. Wahrscheinlich hatte er in Esmes Gedanken gesehen, wo genau sie die Decke platzieren wollte und fand diesen Ort passend.
Charlie sah, ganz nebenbei, auf seine Uhr und sprang ebenfalls auf.
„Es tut mir leid, aber ich muss los. Mark wartet auf mich.“
Ich deutete den Anderen an im Wohnzimmer zu bleiben und begleitete Charlie bis zur Haustüre.
„Danke, dass du mich so lieb begrüßt hast. Das war echt eine tolle Überraschung.“
„Nichts zu danken. Aber übereile deine Entscheidungen nicht immer so.“
Wir umarmten uns und ich winkte ihm hinterher, als er mit seinem alten Streifenwagen aus unserer Auffahrt fuhr. Ich schloss die Tür und bewegte mich in weniger, als 1 Sekunde wieder ins Wohnzimmer, wo meine Familie mich neugierig anblickte.
Ich setzte mich wieder auf meinen Platz und schwieg. Ich wusste genau, wie sehr sie darauf warteten, dass ich ihnen alles erzählte, was ich wirklich erlebt hatte, doch sie konnten ruhig ein wenig zappeln.
Anstatt endlich nach meiner Reise zu fragen, nahm Bella einen tiefen Atemzug und sagte:
„Ich rieche Stoff. Was hast du noch in deiner Tasche?“
Grinsend holte ich den Plüschaffen heraus und warf ihn Emmett zu, der ihn überrascht auffing.
„Deine Ameisenbären kannst du vergessen. Wollaffen heißt das Zauberwort.“
Ich erinnerte mich an den leckeren Geschmack des Affenblutes und sowohl Edward, als auch Jasper reagierten sofort.
„Wow“, entfuhr es Edward, dessen Augen groß wurden, während Jasper sich an den Hals griff.
„Diese Intensität habe ich ewig nicht mehr gespürt.“
Jaspers Reaktion zeigte den Anderen mehr, als ich mit Worten hätte erklären können.
„Es scheint tatsächlich mit der Ernährung zusammen zu hängen. Zafrina meinte, dass diese Art Affen sowohl Pflanzen, als auch kleine Säugetiere zu sich nimmt. Daher ist die Blutkonsistenz der eines Menschen sehr ähnlich.“
Das war der Startschuss für meine Erzählung und über eine Stunde berichtete ich von meinen Erlebnissen. Auch, als ich erklärte, dass ich mir über meine Gefühle für Jacob klar geworden war, unterbrach mich niemand. Erst, als ich erklärte, dass Joham von den Volturi gerichtet worden war und sie nur mich unter Beobachtung gestellt hatten, wurde vor allem Edward wütend.
„Es war zu erwarten, dass es ihnen nicht nur um Nessie als Halb-Vampir geht. Sie wollen vor allem unsere Familie unter Kontrolle behalten und ausspionieren.“
Die Hände zu Fäusten geballt schritt er im Zimmer hin und her, bis Bella ihn am Arm festhielt und auf die Lehne des Sessels zog, auf dem sie saß.
„Beruhige dich. Es bringt nichts, sich jetzt aufzuregen. Jetzt wissen wir zwar, was wir immer vermutet haben, doch ändern können wir daran nichts.“
„Sie hat Recht, Edward. Wir sollten so tun, als wüssten wir nicht, dass sie nur uns beobachten, wenn Alec das nächste Mal auf Kontrollbesuch kommt.“
Alle wussten, dass Carlisle die Wahrheit sprach. Es brachte nichts, sich darüber aufzuregen. Stattdessen würden wir einfach vorsichtig sein und auf die passende Gelegenheit warten müssen.
Wir gaben es auf weiter darüber zu grübeln und ich erzählte, was Nahuel mir alles von Chile und seinem Volk gezeigt hatte, bevor ich zurückgekehrt war. Über meine Beweggründe, warum ich überhaupt zu Nahuel aufgebrochen war und wie sehr er mir geholfen hatte, brachte ich dabei nicht zur Sprache und versuchte auch nicht daran zu denken.
Lieber lenkte ich das Gespräch wieder darauf, dass ich in den nächsten Jahren wirklich gerne mehr von der Welt sehen würde. Emmett ging sofort darauf ein und schlug mir ein Spiel vor: Wir würden parallel durch die Welt reisen und wer das Tier fand, das am besten schmeckte, der würde dem anderen für 5 Jahre lang 1Mal die Woche das Zimmer aufräumen.
Lachend ging ich auf dieses Spiel ein und fing einen finsteren Blick von Esme auf. Sie wusste genau so gut, wie wir alle, dass Emmett sehr unordentlich war und dies ein Schritt in genau die Richtung war, aus der sie ihn eigentlich heraus lenken wollte.
Dann wurde mir bewusst, dass ich alles erzählt hatte und mich nun unangenehmen, aber wichtigen Dingen widmen musste.
„So, wo ist Jacob? Ich glaube, ich habe ihm etwas zu erklären.“
Bella nahm meine Hand in ihre, streichelte darüber und sah mir tief in die Augen, die ihren früheren so ähnlich sahen.
„Was willst du ihm sagen?“
Gerade sie wusste, was es für Jacob bedeuten würde, wenn ich seine Liebe nun auch abwies. Wahrscheinlich würde es bei mir sogar noch viel schlimmer werden. Die Prägung war eine sehr ernste Sache und meine Reaktion vor ungefähr 3 Wochen hatte in seiner Seele bestimmt schon einen großen Schaden angerichtet.
„Dass ich ihn nicht liebe. Jedenfalls nicht so, wie du Edward liebst. Allerdings möchte ich auch nicht, dass er uns verlässt. Wer weiß, was noch kommen wird? Jetzt sehe ich alles von einem anderen Blickwinkel aus.“
Es brachte nichts, mein Familie zu belügen. Selbst, wenn es nur Edward war, so konnte ich es sowieso nicht geheim halten und es würde niemandem etwas nützen.
„Er wird es verstehen. Sei ehrlich zu ihm und sage ihm genau das, was du mir gerade gesagt hast. Es wird ihm weh tun, aber er wird dich weiterhin lieben. Du findest ihn bei Billy in La Push.“
„Danke“, sagte ich und erhob mich. Ich wollte möglichst schnell mit ihm reden, denn es war bereits Mittag und das Gespräch würde eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen.
„Warte.“
Auch Rosalie war aufgestanden und sah mich ernst an.
„Renesmee, egal was passiert. Wir sind für dich da. Wir alle.“
Sie machte eine ausschweifende Armbewegung und ich war ihr sehr dankbar dafür, dass sie das extra noch einmal betonte, obwohl ich es tief in meinem Inneren wusste.
„Ihr alle wisst gar nicht, wie froh ich bin, dass ich euch habe.“
„Glaub mir, ich weiß das“, sagten Edward und Jasper gleichzeitig und wir fingen alle an zu lachen, bevor ich mich auf den Weg zur Garage machte, um mich ihm zu stellen.

Mit meinem himmelblauen Ford Fiesta, den ich von meiner Familie geschenkt bekommen hatte, fuhr ich die altbekannte Straße in Richtung La Push entlang und genoss das vertraute Gefühl. Damals war es für Bella und Edward sehr schwer gewesen mich gehen zu lassen, doch schon relativ bald hatten sie mich immer öfters alleine mit Jacob nicht nur in der Nähe unseres Hauses, sondern auch in La Push umherstreifen lassen.
Damals hatten wir immer viel Spaß gehabt und ich kannte diese Umgebung wie meine Westentasche.
Jedoch hätte ich niemals gedacht mit solch einem schweren Vorhaben hierhin zu kommen.
Ich drehte das Radio lauter und versuchte meine Gedanken noch einmal zu sammeln, als ich von Weitem das rote Haus sah, in dem Jacob aufgewachsen war. Billy wusste über unsere Familie Bescheid und schon früher war ich oft und gerne hier gewesen.
Direkt neben dem Haus parkte ich den Wagen und beeilte mich zu der Haustür zu gehen. Ich wusste, dass es sein musste, aber innerlich versuchte ich mich doch davor zu drücken.
Als ich endlich vor der Haustür stand, atmete ich tief durch und hob meinen Arm um zu klingeln, als die Tür auch schon geöffnet wurde.
„Hallo Renesmee. Ich hab dein Auto gehört. Komm doch rein.“
Billy hatte mich schon immer Renesmee genannt, weil er meinte Nessie wäre eine furchtbare Abkürzung für solch einen schönen Namen. Mir war es eigentlich immer egal gewesen, denn sogar Bella nannte mich hin und wieder Nessie.
„Hi Billy. Ist Jacob da?“
Er drehte sich um und rollte in den Flur, während ich eintrat und hinter ihm die Tür schloss.
„Ja, du weißt, wo du ihn findest?“
Ich ging voran zu Jacobs Zimmertür und als ich öffnen wollte, flüsterte Billy:
„Bitte Renesmee, bringe es ihm schonend bei.“
Ich wollte antworten, doch da war Billy schon im Wohnzimmer verschwunden. Wie schaffte er es immer zu wissen, was los war, obwohl er keine Gedanken lesen konnte. Von Edward war ich ja einiges gewohnt, doch Billy hatte einfach ein Feingefühl, das mir Ehrfurcht einflößte.
Obwohl ich wusste, dass es unnötig war, klopfte ich an die Tür und wartete, bis ich nach einem Seufzen ein „Herein“ vernahm. Langsam öffnete ich die Tür und dann sah ich ihn.
Er saß, nur bekleidet von einem weißen Muskelshirt und einer kurzen, braunen Shorts, auf seinem Bett und sah mich erwartungsvoll an. Ich schloss die Tür hinter mir und setzte mich zu ihm an das andere Ende des Bettes.
„Hallo Jake.“
Meine Worte waren leise, doch ich wusste, dass er mich sehr genau verstand. Ich sah ihm direkt in die Augen und stellte erstaunt fest, dass er nicht sonderlich verändert wirkte. Er saß aufrecht und schaute mich selbstbewusst an, als wüsste er, was ihn erwartete.
„Hi Nessie.“
„Es tut mir leid. Ich hätte nicht so übereilt davonlaufen dürfen.“
Das musste ich loswerden, bevor wir überhaupt irgendwie weiterreden konnten, doch er schüttelte nur den Kopf.
„Nein Nessie, mir muss es leid tun.“
Ich verzog die Augenbrauen und hob fragend die Schultern.
„Wieso? Du bist nicht einfach abgehauen.“
Er sah hinaus aus dem Fenster, während er weitersprach.
„Das nicht, aber ich habe einen Fehler begangen, der unverzeihlich ist. Seit über 13 Jahren kann ich nicht mehr ohne dich leben, das war mir immer vollkommen klar. Du kannst deinen Vater fragen, ich habe niemals andere Gedanken gehabt, als den Wunsch, dass es dir einfach gut geht.“
Er machte eine Pause und sah mich wieder an. Seine Finger spielten mit einer kleinen Holzfigur, die er einmal geschnitzt hatte, als ich an meinem Auto herum geschraubt hatte.
„Doch dann unterlief mir ein großer Fehler. Ich hatte mich für wenige Augenblicke nicht im Griff und ließ mich von meinen Gefühlen übermannen. Das hätte nicht passieren dürfen.“
„Jake, ich bin sehr froh, dass das passiert ist.“
Ich lehnte mich leicht nach vorne und Jacob legte den Kopf schief, während er mich fragend ansah.
„Wenn du mir nicht gesagt hättest, was du für mich empfindest, dann hätte ich dich wahrscheinlich noch weitere 20 oder sogar 50 Jahre lang gequält.“
„Wie kommst du darauf, dass du mich quälst? Ich bin schon glücklich, wenn es dir gut geht. Da kann von quälen keine Rede sein.“
Sein Blick wurde ernst und ich meinte für einen Augenblick etwas in ihm zu erkennen, das mich glauben ließ, er sei beleidigt.
„Ich bin sicher es hätte dich gequält, denn solche Momente hätten sich noch öfters ergeben. So jedoch habe ich zwar unbedacht gehandelt, als ich weggelaufen bin, doch bei Zafrina konnte ich über einiges nachdenken.“
„Bei Zafrina warst du also?“
Seine Stimme klang dumpf und brüchig, als würde ihm jeden Moment die Stimme versagen.
Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass Edward oder Bella ihm mitgeteilt hätten, wo ich war, doch das war nun auch egal.
„Ja. Sie hat mir sehr geholfen zu erkennen, was ich fühle.“
Ich versuchte meine Worte wohlüberlegt zu formulieren, um ihm jetzt keine falschen Hoffnungen zu machen, ihn aber auch nicht direkt in ein tiefes Loch stürzen zu lassen. So eine wichtige Unterhaltung hatte ich noch nie in meinem Leben führen müssen und ich wusste, dass es mir auf ewig in Erinnerung bleiben würde.
In seinen Augen spiegelte sich eine Vielzahl an Gefühlen wieder. Sowohl Hoffnung, als auch Verzweiflung und ein wenig Angst. Wir beiden wussten genau, dass nun der Moment kam, den wir beide seit 3 Wochen fürchteten.
Ich atmete noch einmal tief durch und riss mich zusammen.
„Jake, du bist immer für mich da gewesen. Du wolltest immer nur, dass ich glücklich war und das habe ich zu schätzen gewusst. Dein Geständnis hat mich einfach so überrascht, weil ich damit niemals gerechnet hätte.“
Ich pausierte kurz, um meine weiteren Worte noch einmal zu überdenken. Sie sprachen mir aus der Seele und ich musste sie Jacob sagen, sonst würde es niemals geklärt werden.
„Glaub mir, ich habe lange gebraucht, um mir dessen klar zu werden, aber ich liebe dich im Moment nicht so, wie du mich. Ich liebe dich, wie ich auch Edward, Bella, Alice, Rosalie und alle meine Familienmitglieder liebe. Und genau das bist du für mich: Ein Familienmitglied. Darum möchte ich…“
Er unterbrach mich und es ärgerte mich ein wenig, dass ich meine lange überlegte Ansprache nicht zu Ende führend konnte.
„Das freut mich.“
Das überraschte mich. Er hatte mir seine Liebe gestanden und ich ihm gerade gebeichtet, dass ich nicht so für ihn empfand und er… freute sich?
Meine Gesichtszüge entgleisten mir und ich war zu keiner Regung fähig, bis er weitersprach.
„Du hast gesagt: Im Moment. Das heißt, dass für mich nicht alles verloren ist. Wir haben alle Zeit der Welt und vielleicht ändern sich deine Gefühle für mich ja irgendwann, wenn ich bei dir bleibe.“
In mir stieg ein glückliches Gefühl auf und breitete sich schnell in meinem ganzen Körper aus. Genau auf diese Worte hatte ich so sehr gehofft. Ich wollte, dass er bei mir blieb, denn niemand konnte wissen, was die Zukunft uns bringen würde. Selbst Alice nicht.
„Jake…“
Wieder sprach er, ohne dass ich ausreden konnte, doch diesmal störte es mich nicht.
„Deine Mutter hat mich damals sehr verletzt. Ich dachte, ich würde nie wieder jemanden lieben können, doch dann kamst du. Dein purer Anblick macht mich glücklich und erfüllt mich mit innerem Frieden. Und ich habe einen ganz entscheidenden Vorteil bei dir.“
Ich konnte nicht mehr folgen und war vollkommen verwirrt. Was damals, vor meiner Geburt, gewesen war, hatten Bella und Edward mir schon vor vielen Jahren erzählt, doch ich wusste nicht, worauf Jacob hinauswollte.
„Von was für einem Vorteil redest du?“
Mittlerweile hatte ich meine Schuhe ausgezogen und mich im Schneidersitz auf dem Bett breit gemacht. Ein dickes Kissen im Rücken erlaubte mir, mich an die Wand anzulehnen und Jacob trotzdem ansehen zu können.
Sein Lächeln wurde jetzt wieder liebevoll und seine Stimme klang fest und selbstsicher.
„Bei Bella hatte ich damals von Anfang an keine Chance. Sie liebte deinen Vater schon immer mehr, als mich, doch ich wollte das lange Zeit nicht einsehen. Du jedoch liebst nur mich. Anders, als ich dich liebe, doch das kann sich noch ändern. Aber ich bin nicht chancenlos, weil dein Herz niemand anderem gehört.“
Es überraschte mich, dass er so dachte. Ich wusste schon länger, dass er nicht aufgab, wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, doch innerlich hatte ich tierische Angst gehabt, dass er fortgehen würde, wenn ich ihm meine Gefühle gestand.
„Danke Jake. Du weißt gar nicht, wie viel mir das bedeutet. Ich weiß, dass es ein selbstsüchtiger Gedanke ist, aber ich würde es nicht ertragen, wenn du fortgehen würdest.“
Ich sprach leise und hielt meinen Blick während der letzten Worte gesenkt. Nicht mal in meinen Träumen hätte ich zu hoffen gewagt, dass er tatsächlich bei mir bleiben würde. Eine Welle der Erleichterung überrollte meine Gefühle.
„Jetzt komm schon her.“
Sein lautes Lachen erfüllte den kleinen Raum und er deutete auf seinen Schoß. Nun ebenfalls lachend erhob ich mich und nahm auf seinen Beinen Platz, um ihn zu umarmen.
Es war schön, seine Wärme zu spüren und den vertrauten Duft zu riechen, den er verströmte. Leider hatte ich nie herausgefunden, warum Jacob für mich nicht unangenehm roch. Ganz im Gegenteil, er roch nach einer Mischung aus Marshmallows und Kiefernnadeln, die ich sehr mochte.
Wahrscheinlich war es der menschliche Teil in mir, der ja auch auf den Geruch von Nahrung ganz anders reagierte, als der Rest meiner Familie.
Die Umarmung fühlte ich gut und richtig an. Wir konnten Freunde sein, denn wir waren uns gegenseitig wichtig. Und wer weiß, vielleicht würde sich ja wirklich irgendwann einmal etwas an meinen Gefühlen ändern.
Ich löste mich von ihm und hielt ihm meine Hand an die Wange, wie ich es schon als Kind immer getan hatte, um ihm meine Gedanken und Gefühle zu zeigen.
Bei Zafrina und Nahuel war ich von dieser Vorliebe ein wenig abgekommen, doch hier war alles wieder so vertraut, dass mir viele Worte unnötig erschienen und ich auf diese altbekannte Weise zurückgreifen konnte.
Ich zeigte ihm meine Erinnerungen an die Zeit bei Zafrina. Die Affenjagd und die Erkundungstouren quer durch Brasilien. Die ganzen verschiedenen Pflanzen und Tiere die ich gesehen hatte, die gemütlich kleine Hütte von Zafrina, die sie extra für mich…
„Ist alles in Ordnung?“, unterbrach Jacob mich und sah mich besorgt an.
„Natürlich. Wieso? Ich fand es toll, dass sie die Hütte extra für mich gebaut hat.“
Zu seiner Besorgnis gesellte sich nun auch Verwirrung.
„Was für eine Hütte? Und wer hat sich für dich gebaut?“
Ich dachte er würde scherzen und fuhr fort ihm meine Erinnerungen zu zeigen. Die Reise bis nach Brasilien, die gewaltige Veränderung der Landschaft und sogar, dass ich zu Nahuel gegangen war.
Ich sah ihn nach einigen Sekunden erwartungsvoll an, doch er zeigte keinerlei Reaktion auf meine Bilder. Er sah mich immer noch fragend an.
„Gefällt dir nicht, was ich dir gezeigt habe?“
Leicht geknickt sah ich ihn an und wartete, dass er endlich etwas sagte. Diese Ungewissheit war furchtbar.
„Gezeigt? Nessie, ich habe nichts gesehen.“
Ich sprang auf und schnappte nach Luft. Langsam machte sich eine leichte Panik in mir breit. Er machte wirklich keine Witze.
„Das kann nicht sein. Warte.“
Schnell war ich wieder bei ihm und berührte ihn am Arm. Wahllos ließ ich Erinnerungen durch meinen Kopf schwirren.
„Und?“
„Nichts.“
Ungläubig starrte ich ihn an. Das konnte unmöglich sein! Ich spürte, wie sich mein Magen drehte und mir flau wurde. Jacob hielt mich fest, als ich anfing zu taumeln und auf das Bett zurücksackte.
„Geht es dir gut?“
Pures Entsetzen war seinem Gesicht abzulesen und ich nickte.
„Ja, aber vor meinen Augen dreht sich plötzlich alles.“
„Ich bringe dich nach Hause.“
Schnell hob er mich hoch und trug mich zum Auto. Ich hörte nur dumpf, wie er Billy noch etwas zurief und wir uns schon wenige Sekunden später auf der Straße zurück nach Hause befanden. Das Gefühl in meinem Magen hatte sich nicht gebessert und ich schrieb es dem Schock zu, dass meine Gabe versagt hatte. Es gab nur eine sichere Möglichkeit um sicher zu gehen, dass alles ok war: Ich musste an Anderen testen, ob es dort funktionierte. Besonders bei Bella, denn ich war die einzige, die ihren geistigen Schutz durchbrechen konnte.
Jacob raste über die Straße und schnell waren wir vor unserem Haus angekommen, als Edward auch schon heraus gestürmt kam.
Ich fühlte mich kraftlos und konnte kaum alleine auf die Beine kommen. Jacob und Edward halfen mir vorsichtig und langsam gingen wir ins Haus, wo die Anderen mit sorgenvollen Mienen warteten.
„Was ist los?“
Alice war die einzige, die wie ein aufgedrehter Zirkusaffe herumlief und ihre Hände knetete. Auch nach all den Jahren konnte sie sich nicht daran gewöhnen nichts sehen zu können, was die Wölfe und mich betraf.
„Ich kann Jacob meine Gedanken und Bilder nicht zeigen. Das kann doch nicht sein.“
Flehend sah ich zu Bella herüber und setzte mich neben sie, bevor ich ihre Hand griff und ihr zeigte, was eben geschehen war.
Ihr Blick veränderte sich nicht und nach wenigen Sekunden zuckte sie die Achseln.
„Es tut mir leid, aber ich kann auch nichts sehen.“
Wut stieg in mir hoch. Das konnte einfach nicht sein. Ich sammelte meine volle Konzentration, zog die Stirn in Falten und gab mir alle Mühe bei dem, was mir sonst so einfach fiel.
Ich umarmte Bella, um möglichst viel Körperkontakt herzustellen und bemühte mich ihr zu zeigen, was eben bei Jacob passiert war.
„Nessie, ich sehe nichts.“
Ihre Stimme klang verzweifelt und ich spürte, wie mein Körper unter der Anstrengung nachgab. Das schummrige Gefühl in meinem Kopf war wieder da und drohte mich zu übermannen. Ich spürte noch, wie Bella mich vorsichtig von sich schob, als meine Augen zufielen und ich das Bewusstsein verlor…



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Zuletzt von Neferubty am Fr 10 Sep 2010, 14:26 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet

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Beitrag  Gast Sa 31 Jul 2010, 11:46

Kapitel 7:
Ungewissheit


„…noch eine Decke… sie hat… Carlisle, sie kommt… Renesmee?“
Nur bruchstückhaft verstand ich einige Worte um mich herum, als ich wach wurde und der Nebel in meinem Kopf sich langsam lichtete. Vorsichtig schlug ich die Augen auf. Um mich herum konnte ich alle vertrauten Gerüche meiner Familienmitglieder riechen und dann sah ich sie auch.
Bella und Jacob saßen jeweils rechts und links neben mir, während die Anderen im Zimmer verteilt standen. Nur Alice saß auf meinem Schreibtischstuhl und hatte die Hände vor ihrem hübschen Gesicht. Jasper stand hinter ihr und rieb ihr mit einer Hand über den Rücken, als wolle er sie trösten. Ich verstand. Sie machte sich mal wieder Vorwürfe, dass sie es nicht hatte vorhersehen können.
Ich realisierte erst langsam, dass ich mich in meinem eigenen Zimmer befand und unter mehreren Decken in meinem Bett lag. Trotz der ganzen Decken hatte ich ein merkwürdiges Gefühl im ganzen Körper, welches ich niemals vorher gespürt hatte und das mich erzittern ließ. Mir war tatsächlich kalt.
Das konnte doch nicht sein. Ich erinnerte mich an die Momente, bevor ich bewusstlos geworden war und musste mir eingestehen, dass ich auch gedacht hatte, dass es unmöglich wäre, dass meine Gabe nicht mehr funktionieren würde.
Diese ganzen Gedanken gingen mir in etwa 10 Sekunden durch den Kopf und mittlerweile sahen mich besonders meine Eltern extrem besorgt an. 10 Sekunden war eigentlich keine Zeit, doch ich fühlte mich richtig ausgelaugt und merkte, dass ich länger benötigte, als sonst.
Ich beschloss mich zusammen zu reißen und sah Bella an.
„Was… ist passiert?“
Bevor sie mir antwortete, war Carlisle durch die geöffnete Tür eingetreten und mit einer weiteren Decke bei mir am Bett. Flink und geschickt breitete er die Decke über mir aus, bevor er mir seine kalten Hände auf die Stirn legte.
Ich erschauerte und schloss für diesen kurzen Moment die Augen. Als er seine Hand von meiner Stirn nahm, öffnete ich sie wieder und sah ihn an.
„Was ist geschehen? Was passiert mit mir?“
Wenigstens meine Stimme hatte sich nun etwas gefestigt und ich konnte wieder klar denken. Ich hatte mich mit Jacob versöhnt und meine Gabe hatte nicht funktioniert. Daraufhin war mir schummrig geworden und als ich es bei Bella noch einmal versucht hatte, hatte ich das Bewusstsein verloren. So viel wusste ich noch.
„Wir haben dich hier in dein Zimmer gebracht und schon nach wenigen Minuten hattest du plötzlich hohes Fieber. Dann hast du angefangen zu zittern. Helfen die Decken?“
In diesem Moment war ich unendlich froh, dass Edward meine Gedanken lesen konnte und wusste, woran ich mich erinnerte. Fragend sah ich Carlisle an.
„Wie kann das sein? Mir war noch nie kalt. Ich wusste gar nicht, wie sich das anfühlt. Und Fieber? Ich verstehe das alles nicht.“
„Das Fieber ist sehr schnell, nachdem du ohnmächtig geworden warst, ausgebrochen, doch ebenso schnell war es auch wieder weg. Auch das Zittern hatte aufgehört, als dein Atem ruhiger wurde und dein Körper sich im Schlaf erholt hat. Glaub mir, ich bin genauso ratlos, wie wir alle. Allerdings habe ich eine Vermutung…“
„Nein! Carlisle, hör auf damit. Sie ist deine Enkelin.“
Esmes Stimme bebte vor Wut. So sauer hatte ich ihre helle, liebevolle Stimme noch nie vernommen. Nicht einmal, als Emmett eines ihrer Lieblingsbilder kaputt gemacht hatte. Sie hatte ihre Stimme zwar erhoben, doch sie konnte nicht wirklich böse sein. In diesem Augenblick jedoch glaubte ich, dass Haus würde es nicht überstehen, wenn sie sich weiterhin aufregen würde.
„Esme, wovon redest du?“
Nicht nur, dass ich nicht verstand, was mit mir und meiner Fähigkeit los war, jetzt redete meine Familie noch wirr.
Carlisle entfernte sich von meinem Bett und ging auf Esme zu, die Arme ausgestreckt, um sie an den Schultern zu fassen.
„Du weißt genau, dass ich ihr niemals weh tun würde. Aber ich bin hier mit meiner Humanmedizin am Ende. Ich muss einige Dinge testen.“
Verzweifelt sah sie ihn an. Ihre Miene war traurig verzerrt und sie legte den Kopf leicht auf die Seite, als sie endlich sprach.
„Versprichst du, dass du aufhörst, wenn es ihr zu viel wird?“
„Aber natürlich.“
Kurz umarmten sie sich und schnell kam Carlisle wieder zu mir ans Bett.
Das merkwürdige Gefühl, dass mich hatte erzittern lassen, war fast verschwunden. Ich verspürte sogar ein wenig Durst und richtete mich auf. Gestützt von einigen Kissen lehnte mein Oberkörper nun am Kopfende meines Bettes und ich konnte besser in die Gesichter meiner Familie blicken.
Alle zeugten von Traurigkeit und Verzweiflung. Einzig Jacobs Miene war ein Hauch von Erleichterung anzusehen, dass es mir schon besser ging und ich wieder wach war.
Als Carlisle bei mir angekommen war, sah er mich entschuldigend an und nahm meine Hand, als müsste er mir etwas beichten. Bella war vom Bett aufgestanden und nun konnte sich Carlisle an ihren Platz setzen, um mich zu untersuchen. Es war ein merkwürdiges Gefühl in meinem Bett zu liegen, umgeben von meiner Familie und niemand wusste, was überhaupt mit mir geschehen war.
„Nessie, es tut mir leid, aber ich muss etwas testen. Wärst du so lieb und versuchst mir ein paar deiner Bilder zu zeigen?“
Er sprach mit mir, als wäre ich ein Kind und für den Hauch eines Augenblicks wollte ich dagegen protestieren, doch aus dem Augenwinkel sah ich, wie Edward den Kopf schüttelte. Anscheinend konnte er meine Gedanken weiterhin lesen und Alice mich immer noch nicht sehen. Das hieß, dass doch nicht alles an mir kaputt war.
„Es geht mir wieder gut. Mit jeder Sekunde, seit ich wach bin, wird es besser. Carlisle, wie kann es sein, dass mir kalt war?“
Bevor ich auf seine Frage einging, wollte ich erst einige Fragen stellen. Auch, wenn er wahrscheinlich genau so ratlos war, wie ich selbst und auch alle anderen Familienmitglieder, so hatte er jedoch jahrhundertelange Erfahrung als Arzt und ein unheimliches Gespür für Krankheiten.
„Meinst du ehrlich, es wäre eine Krankheit? Das ist so ziemlich das Einzige, was wir noch nicht in Betracht gezogen haben.“
Edward hatte in meinen Gedanken gelesen und etwas ausgesprochen, das sogar Carlisle stocken ließ.
„Das kann nicht sein! Sie ist zur Hälfte Vampir. Wir werden nicht krank.“
Rosalie hatte sich eingeschaltet und man hörte die Verzweiflung aus ihrer Stimme heraus, während Carlisle die Hand ans Kinn hob und nachdenklich nach unten sah.
„Rein theoretisch ginge das leider schon.“
Er sprach leise und sah mich traurig an. Rosalies Augen weiteten sich.
„Du bist nun mal auch zur Hälfte Mensch und vor allem: du hast einen Blutkreislauf. Es kann durchaus sein, dass du dir eine Infektion zugezogen hast.“
Er machte eine Pause und ließ uns die Worte erst einmal verdauen. Rosalie lehnte sich an Emmett, der einen Arm um ihre Hüfte legte, während Alice die Hände vom Gesicht nahm. Jacob ging sich durch die Haare, atmete tief ein und pustete die Luft durch den Mund aus. Das machte er immer, wenn er nicht wusste, was er tun sollte.
Ich schob Carlisle mit meinen Beinen vom Bett runter, schlug die Decke zurück und stellte erstaunt fest, dass ich einen Schlafanzug anhatte. Meine Gedanken hatten sich in den letzten Minuten um andere Dinge gedreht und ich beachtete es nicht weiter.
„Aber wie ich eben gesagt habe: es geht mir gut! Ich habe kein Fieber mehr, die Kälte ist verschwunden und ich fühle mich nicht mal annähernd so kraftlos, wie eben noch. Höchstens ein wenig müde.“
Um meine Aussage zu unterstützen, sprang ich aus dem Bett und landete sicher auf meinen Füßen. Tatsächlich ging es mir wesentlich besser und auch die erste innere Panik war gänzlich verschwunden.
„Wie lange habe ich eigentlich geschlafen?“
Jacob war der Schnellste.
„Seit gestern Nachmittag. Und jetzt haben wir 10 Uhr morgens. Also deine normale Zeit zum Aufstehen.“
Er war der Einzige, der mich endlich wieder anlächelte. Alle anderen hatten immer noch Trauermienen aufgesetzt und begannen mir langsam auf die Nerven zu gehen.
„Jasper. Würdest du ihnen bitte bestätigen, dass es mir gut geht?“
Genervt sah ich ihn an und glücklicherweise bestätigte er schnell meine Aussage.
„Ja das stimmt. Aber Nessie, wir machen uns aber trotzdem Sorgen.“
„Stellt euch nicht so an. Unsere einzige Sorge besteht jetzt darin, dass meine Gabe weg ist. Hat jemand eine Idee, was wir tun können?“
Alles in mir sträubte sich dagegen auch so deprimiert zu sein und ich wollte das Ganze von einer positiven Seite aus betrachten.
Carlisle stellte sich vor mich und schob mich sacht in Richtung Bett zurück, bis ich so nah dran stand, dass ich drohte das Gleichgewicht zu verlieren und mich wieder hinsetzen musste. Er setzte sich neben mich und sah mich so ernst an, wie er es noch niemals zuvor getan hatte.
„Bitte Schatz. Hör Carlisle jetzt gut zu.“
Diese Worte stammten von Bella, die mir die ganze Zeit über Ab und Zu über den Arm gestreichelt hatte. Ihr Blick war anders. Das sonst flüssige Gold in ihren Iriden hatte sich in ein tiefes Schwarz verwandelt und es war nicht einfach Besorgnis, die ich in ihnen erkannte. Es war vielmehr eine Mischung aus Verzweiflung und purer Angst.
„Ok… Mom.“
Der Klang ihrer Stimme zeigte mir, dass es sich hier absolut nicht um einen Spaß handelte und ich sah meinen Großvater erwartungsvoll an. Sie hatte mich neugierig gemacht, denn so hatte ich sie noch nie erlebt.
„Also nochmal: Bitte Nessie, kannst du versuchen mir ein paar deiner Bilder zu zeigen?“
„Natürlich. Vielleicht funktioniert es ja wieder.“
Ich legte meine Hand auf seinen Arm und konzentrierte mich. Die Bilder, die ich ihm zeigte waren schöne Erinnerungen aus meiner Kindheit. Das Pfannkuchen essen mit Jacob, unsere Jagdausflüge und…
Ich unterbrach die Übertragung und wartete darauf, dass Carlisle uns mitteilte, ob er etwas sah, oder nicht.
„Bitte mach weiter“, sagte er jedoch schlicht.
Die nächsten Bilder waren aus der Zeit bei Zafrina und Nahuel. Die Jagd auf die Wollaffen, das Entzünden des Feuers in Nahuels Hütte und der Anblick von Seattle im Anflug.
Ich bemerkte, dass meine Gedanken schleppend langsam wurden, versuchte jedoch weiterhin Carlisle meine Bilder zu senden. Eine Hitzewelle durchflutete mich und ich musste mich mit der Hand auf dem Bett abstützen, um nicht zusammen zu sacken. Ich fühlte mich nun kraftloser, denn je und ein dunkler Nebel breitete sich in meinem Kopf aus.
„Schon gut. Hör bitte auf, Nessie.“
Ich versuchte meine Hand von seinem Arm zu lösen, doch ich war zu keinerlei Regung fähig. Edward schien das Wirrwarr in meinem Kopf zu sehen und stürzte auf mich zu, um mich wieder ins Bett zu legen. Na toll, noch vor wenigen Sekunden ging es mir blendend und schon war mir wieder elend zumute.
„Habe ich es mir doch gedacht.“
Er machte eine qualvoll lange Sekunde Pause, bevor er weitersprach und schien seine Worte genauestens zu überlegen.
„Nessie, du zeigst diese Krankheitssymptome nur, wenn du versuchst deine Fähigkeit einzusetzen. Dieses Mal haben wir rechtzeitig abgebrochen, aber gestern hast du dich absolut verausgabt. Dein Körper musste sich erholen und du hast das Bewusstsein verloren. Das ist eine ganz normale körperliche Abwehrreaktion.“
Vollkommen überrascht lag ich wieder in meinem Bett und lauschte Carlisles Worten, die leise zu mir durchdrangen, als wären wir durch mindestens 3 dicke Wände voneinander getrennt. Das schummrige Gefühl und der Neben in meinem Kopf lichteten sich sehr schnell wieder und ich schloss kurz die Augen, da ich das Gefühl hatte so den Vorgang beschleunigen zu können.
Es half tatsächlich und bereits wenige Sekunden später hatte ich ein wenig Kraft gesammelt und konnte mich wieder aufrecht hinsetzen.
„Hast du wenigstens gesehen, was ich dir gezeigt habe?“
Meine ganze Hoffnung lag in diesen Worten und ich betete innerlich, dass es funktioniert hatte. Wir waren nie sonderlich religiös gewesen, doch ich war der festen Überzeugung, dass es eine unsichtbare Macht geben musste, die selbst solche Wesen, wie uns, erschaffen hatte.
„Leider nicht. Nicht ein einziges Bild oder Gefühl.“
Carlisle schüttelte den Kopf und erhob sich.
„Somit sind wir aber schon einen großen Schritt voran gekommen. Wir können eine Krankheit ausschließen, denn dann hättest du dauerhaft Symptome. Ruh dich jetzt ein wenig aus. Alles andere können wir später besprechen. Es… tut mir leid, Nessie. Ich wollte dir nicht weh tun.“
Seine letzten Worte überraschten mich, weil sie meiner Meinung nach so unnötig waren. Ich lächelte ihn an.
„Aber Opa, das weiß ich doch. Schließlich hat es uns schon geholfen. Aber wenn du so ein schlechtes Gewissen hast, dann hätte ich nichts gegen eine kleine Konserve mit 0 positiv.“
Und da war es wieder. Das Gefühl, dass eigentlich alles in Ordnung ist und es meiner Familie gut geht.
Zu meiner Überraschung schaltete sich Emmett ein, als Carlisle antworten wollte und pikste mir mit seinem Zeigefinder in den Bauch.
„Als Onkel ist es meine Pflicht darauf aufzupassen, dass deine Großeltern dich nicht zu sehr verwöhnen. Und du bekommst jetzt keine Konserve, denn sonst wirst du zu dick!“
Ich zog einen Schmollmund und verschränkte die Arme vor der Brust. Selbst Alice und meine Eltern lachten und alle genossen den Augenblick sichtlich.
Dann kehrte wieder Ruhe ein und allen voran ging Carlisle aus der Tür. Alice drückte mir noch einen schnellen Kuss auf die Stirn, bevor sie verschwand und Rose zog Emmett hinter sich her. Nur Jacob, Bella und Edward blieben bei mir.
Bella hatte sich wieder zu mir ans Bett gesetzt und Edward stand, die Hand auf ihrer Schulter liegend, hinter ihr. Jacob grinste, legte den Kopf in den Nacken und atmete tief ein.
„Hach, ist das angenehm. Ich dachte schon, ich würde ersticken.“
Ich sah ihn böse an. Er wusste genau, wie sehr ich es hasste, wenn er solche Bemerkungen über meine Familie machte. Zwar wusste ich auch genau, dass er es wirklich nicht böse meinte, doch irgendwann musste er ja einmal aufhören diese blöden Scherze zu machen. Sie wurden jedenfalls nervig.
„Hör auf damit. Sonst erfülle ich Rose ihren Wunsch und stelle eine Hundehütte draußen mitten auf die Wiese. Dann musst du uns jedenfalls nicht mehr riechen.“
Tatsächlich schwärmte Rose schon seit einigen Jahren davon, Jacob eine winzig kleine Hundehütte zu bauen. Natürlich mit einer Kette zum Anleinen, einem Fressnapf und der riesengroßen Aufschrift: Fido.
Jacob wusste das und ich sah im an, dass er sich einen erneuten Witz verkneifen musste. Außerdem zog Edward die Augenbrauen zusammen und sah ihn warnend an.
„Es ist erstaunlich, wie schnell diese Symptome wieder verschwinden. Ich bin froh, dass Carlisle rechtzeitig aufgehört hat. Noch eine solche Nacht hätte ich nicht ertragen.“
Ich zog die Beine an und setzte mich in einen Schneidersitz. Das Kältegefühl war schon lange wieder verschwunden und auch von dem Nebel in meinem Kopf war nur noch ein geringer Dunst übrig.
„Da ich jetzt weiß, dass ich nicht versuchen darf meine Gabe einzusetzen, wird sich das sehr leicht vermeiden lassen. Auch, wenn es ein wenig ungewohnt ist, doch bei Zafrina und besonders bei Nahuel habe ich auch schon mehr geredet, als über meine Bilder kommuniziert.“
Jacob zog die Stirn kraus und ehe er etwas sagen konnte, sprach Edward dazwischen.
„Dann müssen wir jetzt nur noch herausfinden, wieso du deine Gabe momentan nicht benutzen kannst und wie wir das wieder ändern können. Wann hast du sie denn das letzte Mal erfolgreich benutzt?“
Ich musste nicht lange überlegen.
„Als Nahuel mich zum Flughafen gebracht hat. Ich habe mich von ihm verabschiedet und ihm gezeigt, wie schön es bei uns ist, denn er hat versprochen auch mal bei uns vorbei zu kommen.“
Jacob stieß ein leises Wimmern aus.
„Jake, was ist los?“
Angriff war bekanntlich die beste Verteidigung und ich kannte ihn. Wenn ich ihn nicht so direkt gefragt hätte, dann würde ich niemals erfahren, um was es ihm in diesem Moment ging.
„Du… du warst bei Nahuel?“
Überrascht sah ich ihn an.
„Ja, das habe ich dir doch gestern…“
Ich hielt inne und erinnerte mich. Er hatte meine Bilder ja gar nicht gesehen.
„Ich dachte, ich könnte es dir mit Bildern zeigen, doch jetzt muss es auch so gehen. Ja, ich war für einige Tage bei Nahuel. Schon seit einiger Zeit hatte ich… Probleme… mit einigen Dingen, die mir als Halb-Vampir auferlegt sind. Ich musste einfach mit jemandem reden, der dieselben Voraussetzungen hat, wie ich. Und da ich in der Nähe war, habe ich ihn gesucht und schließlich auch gefunden. Er war sehr nett und wir haben uns gut unterhalten. Tatsächlich konnte er mir bei einigen Dingen helfen. Stört dich das?“
Diese erneute direkte Frage schien ihn zu überrumpeln. Er sah zu Boden und knetete seine Hände.
„Stören nicht, es hat mich nur überrascht“, gestand er.
Ich konnte hören, wie sein Herz ein wenig schneller klopfte und sehen, wie das Blut in seine Wangen stieg.
„Jacob, ich finde es toll, wie sehr du uns vertraust und möchte, dass du weißt, dass du für Bella und mich schon zur Familie gehörst. Genau, wie Leah und Seth.“
Erstaunt sah ich Edward an. Diese Art Gefühlsausbruch passte nicht zu ihm und ich fragte mich, was während meines Schlafens vorgefallen war. Als wäre nicht Edward der Gedankenleser, sondern sie, erklärte mir Bella die Situation.
„Jacob hat uns erzählt, dass er dich nicht aufgeben möchte. Wir sind sehr glücklich darüber, dass ihr beide so ehrlich zueinander seid.“
Ihr Lächeln war aufrichtig und ihre Worte erfreuten mich sehr. Vor allem Edward hatte damals sehr lange gebraucht, um zu akzeptieren, dass Jacob unweigerlich zu uns, genauer gesagt zu Bella und vor allem zu mir, gehörte. Selbst, wenn wir kein Liebespaar werden würden, so waren wir trotzdem dicke Freunde und verbrachten viel Zeit miteinander.
„Danke, aber das habe ich euch zu verdanken. Ihr habt mir beigebracht, dass es wichtig ist ehrlich zu sein und in einer Familie bringen Geheimnisse sowieso nichts.“
„Es freut mich, dass unsere Erziehung gefruchtet hat.“
Auch Edward lächelte jetzt und die ganze Situation wirkte um einiges entspannter, als zu dem Zeitpunkt, wo ich erwacht war.
Ich erhob mich erneut und stand auf, denn ich fühlte mich wieder gänzlich fit und bereit für einen schönen Tag mit meiner Familie. Die Tatsache, dass ich meine Gabe vorerst nicht einsetzen konnte war gewöhnungsbedürftig, doch so war es nun einmal und ich musste mich dem fügen. Wir hatten genügend Zeit um uns Gedanken darüber zu machen.
„Geht ruhig schon mal runter. Ich ziehe mich um und komme dann hinterher. Ach, und sagt Carlisle Bescheid, dass ich mich schon sehr auf meine Konserve freue.“
Lachend gingen Bella und Edward aus dem Zimmer. Jacob allerdings stand auf, trat um das Bett herum und stellte sich vor mich. Gerade, als ich ihn scherzhaft herausschicken wollte, umarmte er mich.
„Nessie, bitte sei vorsichtig. Ich habe mir gestern unheimlich große Sorgen um dich gemacht.“
Ich erwiderte seine Umarmung, bevor ich mich langsam von ihm löste.
„Danke Jake. Ich werde vorsichtig sein. Darf ich mich jetzt umziehen?“
„Aber nur, wenn du dir das hübsche grüne Kleid anziehst, dass Alice dir diese Nacht in den Kleiderschrank gehangen hat.“
Lachend bugsierte ich ihn zur Tür und schloss sie hinter ihm. Schnell hatte ich das Kleid in meinem Schrank gefunden, denn er war sonst vollkommen leer. Einzig das Fach mit Unterwäsche und Socken war stets gefüllt, denn in dieser Hinsicht ließ ich mir von meiner Tante nichts aufzwingen.
Für mich war es ein Spiel, das ich sehr gerne spielte. Jeden Tag fand ich in meinem kleinen Schrank etwas Neues zum Anziehen. Alice hatte sehr schnell herausgefunden, dass mein Kleidungsstil mit ihrem vereinbar war und dann damit angefangen. Es freute mich, dass sie so viel Spaß dabei hatte und erst ein einziges Mal hatte ich mich geweigert ihr Outfit anzuziehen. Ein schwarzes, äußerst kurzes Lederkleid entsprach nun absolut gar nicht meinem Geschmack und ich wollte mir gar nicht erst vorstellen, wie mein Vater darauf reagiert hätte. Glücklicherweise hatte sie ihre Gedanken daran gut verbergen können, denn sonst hätte das Kleid gar nicht erst in meinem Schrank gehangen.
Ich erinnerte mich an Nahuels Worte und musste grinsen. Genau das hatte er gemeint. Ich sollte mich mehr auf die schönen Dinge konzentrieren, dann wäre alles einfacher. Und auf dieses Spiel von Alice hatte ich mich schon immer jeden Morgen gefreut. Dafür lohnte es sich sogar zu schlafen.
Fix hatte ich das Kleid angezogen und, wie immer, standen auch die passenden Schuhe parat und sogar ein Haarband lag dabei, das ich mir um den Kopf wickelte. Der Grün Ton passte gut zu meinem Haar, das ich schnell durchbürstete und ich wandte mich zum Fenster.
Es war ein typischer verregneter Sommer in Forks und die Temperaturen waren nicht sonderlich hoch. Wenn meine Krankheitssymptome nicht nur mit dem Einsetzen meiner Gabe zu tun gehabt hätten, dann müsste mir jetzt kalt sein. Aber ich spürte weder Kälte, deren Gefühl mir ja mittlerweile vertraut war, noch Wärme, wie ich sie mir vorstellte.
Glücklich schloss ich das Fenster und machte mich auf den Weg nach unten ins Wohnzimmer. Es war bereits Mittag und einige Diskussionen waren in vollem Gange. Als Esme mich kommen hörte, eilte sie in die Küche und noch bevor ich die letzte Treppenstufe erreicht hatte, war sie mit einer Blutkonserve in der Hand am Treppenanfang.
„Für dich. Als kleine Entschädigung, dass dein Großvater so gemein zu dir war.“
Im Hintergrund sah ich, wie Carlisle die Augen verdrehte und ich nahm den Beutel dankend an. Esme sah Carlisle noch einmal böse an und wir gesellten uns zu den Anderen.
„Habt ihr euch schon mögliche Ursachen überlegt?“
Ich schraubte die Öffnung der Konserve auf und schmiss mich schlürfend auf meinen Lieblingssessel, weit weg von Jasper. Es fiel ihm immer noch schwerer, als dem Rest der Familie, diesem Duft der Konserve zu widerstehen. Er behauptete zwar, dass er durch meinen ständigen Duft gelernt hätte sich wirklich zusammen zu reißen, doch ich wollte nicht, dass er litt und traf daher diese einfachen Vorsichtsmaßnahmen.
„Wenn es wirklich keine Krankheit ist, dann gibt es nicht viele Möglichkeiten“, sagte Rosalie und wandte sich an Carlisle.
„Was denkst du? Du hast eindeutig die meiste Erfahrung von uns.“
Carlisle zog die Augenbrauen hoch und dementierte dies.
„Solch ein Vorfall ist mir noch nie untergekommen. Ich habe auch noch nie davon gehört.“
Er zuckte die Achseln und ballte dann die Hände zu Fäusten.
„Ich weiß einfach nicht, was es sein kann. Du hast gesagt, dass es bei deinem Abschied von Nahuel noch funktioniert hat?“
Ich nickte und schlürfte weiter an meiner Konserve, bis mir eine Idee kam.
„Was wäre, wenn es nicht an äußeren Einflüssen liegt? Ich glaube ich bin der erste Halb-Vampir, der eine Gabe besitzt. Vielleicht ist es normal, dass irgendwann der menschliche Teil stärker hervortritt, als der vampirische und man so die Gabe, falls eine vorhanden ist, verliert.“
Keiner sagte ein Wort und einige Sekunden war es so still im Wohnzimmer, dass ich meinen eigenen Herzschlag hören konnte. Ich trank die Blutkonserve leer und genoss das angenehme Gefühl in Hals und Bauch. Schnell brachte ich die leere Packung in die Küche und setzte mich dann wieder auf meinen Sessel.
„Das könnte doch gut sein, oder?“, fragte ich nach, als immer noch niemand auf meine Idee reagierte.
Dann brach Edward als Erster die Stille.
„Das glaube ich nicht. Dein Körper und deine genetische Konstellation dürfte sich nicht mehr verändern. Außerdem riechst du so, wie immer.“
„Aber was sollte es sonst sein?“
Fragend sah ich ihn an und er wollte gerade etwas erwidern, als er herumdrehte und Alice ansah. Seine Augen weiteten sich.
„Nein“, zischte er und wir mussten nicht lange auf eine Erklärung warten.
„Die Volturi kommen. Alec, Jane und Demetri. Sie waren in Mexiko und haben gerade beschlossen uns einen Überraschungsbesuch abzustatten. Sie wollen spontan kontrollieren, ob Nessie wieder da ist.“
Alice´ Stimme war leise, doch sie sprach klar und deutlich, was bedeutete, dass ihre Vision zu Ende war. Auch ihr Blick wanderte wieder zwischen uns umher.
„Wann werden sie hier sein?“
Bella klang besorgt und ich verstand nicht ganz, warum. Wir hatten schon früher Besuche überstanden und es hatte nie ein Problem gegeben.
„Schon morgen früh bei Sonnenaufgang. Sie wollen schnell zurück nach Hause und beeilen sich deshalb.“
Auch Alice klang besorgter, als sonst und ich beschloss nachzufragen.
„Wir kennen ihre Kontrollen doch. Warum seid ihr alle so bekümmert?“
„Aber Nessie, das liegt doch auf der Hand. Wir müssen unheimlich vorsichtig sein. Sie dürfen nichts davon mitbekommen, dass deine Gabe nicht mehr funktioniert.“
Bella erklärte es mir ruhig und trotzdem verstand ich es nicht. Schon damals hatte ich mitbekommen, dass von den Volturi eine große Gefahr ausging, doch dieser Besuch würde ablaufen, wie alle bisherigen auch. Sie würden mich begutachten, nachfragen, ob alles in Ordnung sei und sich dann schnell wieder verziehen.
Wieder war es Edward, der antwortete und ich fing an, mich wieder an Nahuels Worte erinnernd, seine Fähigkeit positiv zu sehen. Ich musste nicht erneut nachfragen und bekam trotzdem meine Antwort.
„Wir wissen nicht, was sie mit dir machen würden, wenn sie es erfahren. Das stellt eine potentielle Gefahr für sie dar. Darum dürfen sie es unter keinen Umständen herausfinden.“
„Das wird sicher kein Problem. Außer bei meinem Ausrutscher mit Jane damals, bin ich nie mit einem von ihnen in Berührung gekommen. Das wird nicht schwer werden.“


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Zuletzt von Neferubty am Fr 10 Sep 2010, 14:25 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet

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Beitrag  Gast Fr 10 Sep 2010, 14:21

Kapitel 8:
Fatale Fehler


Gähnend schlürfte ich von meinem Bett in Richtung Kleiderschrank. Obwohl ich am Vorabend besonders früh ins Bett gegangen war, fühlte ich mich nicht sonderlich erholt. Als Bella mich geweckt hatte wollte ich eigentlich noch etwas liegen bleiben, doch dann erinnerte sie mich an den Besuch der Volturi und ich versuchte mich innerlich aufzuraffen.
Bella war mir schon vorausgeeilt und hielt mir einen weißen Sommerrock und eine hellblaue Bluse hin.
„Ich verstehe nicht, wieso du das mitmachst. Du bist alt genug, um dir deine Kleidung selbst auszusuchen.“
Sie schüttelte den Kopf, während ich den Rock anzog und lachte.
„Weil sie dir zuvor gekommen ist. Wenn du mich als Kind nicht in Sachen Kleidung in ihre Obhut gegeben hättest, dann würden mir diese hübschen Sachen, die sie mir immer bereit legt, heute wahrscheinlich nicht gefallen. Stattdessen würde ich Jeans und T-Shirt tragen.“
Nun lachte auch Bella und nahm die Bluse vom Bügel. Sie war am Kragen mit dunkelblauen Blumenstickereien verziert und sogar die Knöpfe stellten kleine Rosen dar. Alice schaffte es wirklich immer wieder meinen Geschmack zu treffen und Jasper hatte mir einmal verraten, dass es eine unheimliche Herausforderung für sie war. Bei allen Anderen konnte sie vorhersehen, ob ihnen die Kleidung gefallen würde, doch bei mir musste sie sich auf ihren Instinkt verlassen. Wenn sie dann richtig lag, machte es sie unheimlich glücklich. Das hatte natürlich zur Folge, dass Alice noch besser gelaunt war, als sonst und das spiegelte sich auch in ihrer Beziehung wieder.
Schnell war die Bluse angezogen und auch die blauen Ballerinas und der passende Haarreifen lagen parat. Während ich in die Schuhe schlüpfte, steckte mir Bella liebevoll den Reif in die Haare und lächelte mich an.
Dann kam Edward in Windeseile nach oben und lehnte sich gegen meinen Türrahmen. Er verschränkte die Arme lässig vor der Brust und sah mich an.
„Du wirst mit jedem Tag hübscher.“
„Danke.“
Eine leichte Röte stieg in meine Wangen und ich sah ihn fröhlich an. Es war ein schönes Gefühl Komplimente zu bekommen, doch von meinem Vater war es etwas ganz Besonderes. Er sagte so etwas nicht, wenn er es nicht wirklich meinte und ich war glücklich, wenn er stolz auf mich sein konnte.
Bella schloss den Kleiderschrank und schob mich sanft in Richtung Tür.
„Wir müssen los. Alice hat gesehen, dass sie kommen, sobald die Wolken aufziehen.“
Erst jetzt blickte ich zum Fenster und erhaschte einen Blick auf das Wetter. Es war tatsächlich richtiges Sommerwetter und die Sonne erhellte die Umgebung. Das Blätterdach des Waldes strahlte in einem saftigen Grün, Raubvögel zogen ihre Kreise und am Horizont konnte ich eine große, dunkle Wolke ausmachen. Mit ihr würden Jane, Alec und Demetri bei uns eintreffen.
Als wir uns auf der Treppe nach unten befanden, erklang aus dem Wohnzimmer ein lautes Poltern und Krachen. Wir beeilten uns, um zu sehen, was geschehen war und stimmten in das Lachen ein, dass mittlerweile ausgebrochen war.
Emmett hatte versucht noch ein wenig Schlagzeug zu spielen, bevor es ernst wurde und der Drehstuhl dieses Mal unter seinem Gewicht kapituliert. Es sah äußert lustig aus, wie er da halb im Schlagzeug hing. Ein Fell war von seinem Arm zerstört worden, ein anderes von seiner Faust zertrümmert, als er, wütend über sich selber, darauf geschlagen hatte.
Edward eilte zu ihm und hinderte ihn lachend daran in seiner Wut noch mehr zu zerschlagen. Emmett beruhigte sich, wie immer, schnell und sah sich den Schaden genauer an.
„Diese Felle sind aber auch immer viel zu schnell durch. Wir müssen unbedingt mal überlegen, ob es eine Vampir freundlichere Variante gibt.“
Sogar Emmett selber lachte jetzt mit uns und es herrschte eine angenehme, ausgelassene Stimmung. Niemand sah besorgt aus und ich war der festen Überzeugung, dass in ein paar Stunden alles wieder in Ordnung sein würde. Dann könnten wir uns in aller Ruhe darüber Gedanken machen, wie ich meine Gabe wiederbekommen würde.
Während Esme die Reste der Felle in die Küche brachte, um sie weg zu schmeißen, verdunkelte sich das Zimmer langsam. Ein kurzer Blick nach draußen genügte um zu erkennen, dass die dunkle Wolke uns erreicht hatte.
Jacob erhob sich vom Sofa und stellte sich hinter mich, bevor er die Arme um mich schlang, wie er es schon immer getan hatte, wenn ein Volturi zur Kontrolle vorbeikam. Dieses Mal jedoch drückte er sich besonders eng an mich und sah finster durch die großen Glaswände hinaus auf den Waldrand.
„Sie kommen. 10 Sekunden.“
Auf Alice war Verlass und so sahen wir sie pünktlich aus dem Wald auf die Wiese vor unserem Haus rennen. Mitten drauf bremsten sie dann abrupt ab und bewegten sich in menschlicher Geschwindigkeit auf uns zu.
Meine gesamte Familie war inzwischen aufgestanden und Bella hatte ihren Platz in unserer Mitte eingenommen. Schon vor vielen Jahren hatten wir uns diese Art der Formation angewöhnt, da sie so ihren Schild am besten über uns breiten konnte.
Und dann war der Moment gekommen. Schon an ihrer Formation konnte man die Rangordnung unter den dreien erkennen. Jane befand sich in der Mitte und war immer gut einen Schritt vor ihrem Bruder, der links von ihr ging, und dem deutlich größeren Demetri rechts von ihr.
Es war lange her, dass ich Jane und vor allem auch Demetri gesehen hatte, doch sie hatten sich mir so ins Gedächtnis eingebrannt, dass mir sofort einige Veränderungen auffielen. Bei unserem letzten Zusammentreffen war Demetri auffällig angriffslustig gewesen. Er hatte es kaum erwarten können zu kämpfen und war sichtlich enttäuscht, als Aro den Befehl zum Rückzug gegeben hatte. Dieses Mal jedoch sprach die Neugier aus seinem Gesicht und er sah sich interessiert um.
Jane hingegen blickte mit ihren blutroten Augen starr geradeaus und ihre Miene verriet ihre Anspannung. Die Lippen hatte sie fest aufeinander gepresst und ihre Hände waren zu Fäusten geballt. Sie war die Einzige, die ihre Kapuze hochgezogen hatte. Einige Strähnen ihrer blass braunen, schulterlangen Haare schauten darunter hervor und bewegten sich im sanften Wind, der zusammen mit der großen Wolke aufgezogen war.
Alec hingegen sah so aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Mit vollkommen gerader Haltung und mit beinahe lässig herabhängenden Armen, schritt er schnell hinter seiner Schwester her. Einzig sein Blick verriet seine Anspannung, denn er sah abwechselnd Jane und mich an. Für einen kurzen Augenblick fragte ich mich, ob sie ihm von unserer besonderen Begegnung damals erzählt hatte, doch dann waren sie vor unserer Glaswand, deren Tür Esme kurz vor ihrem Erscheinen geöffnet hatte, und ich konzentrierte mich darauf, möglichst gelassen zu wirken.
Sie blieben vor der Türe stehen und erst nachdem Carlisle ihnen zugenickt und sie freundlich hereingebeten hatte, traten sie vorsichtig ein. Demetri wirkte nun noch neugieriger und sah sich innerhalb von Sekunden im ganzen Raum um, während Jane sich direkt vor Edward platzierte.
Erstaunt stellte ich fest, dass sie wirklich noch kleiner war, als Alec und Edward nur knapp bis zur Schulter reichte. Doch trotz ihrer Größe stand sie angriffslustig, wie ein Terrier vor ihm und blickte ihn ernst an.
„Wir freuen uns über euren unerwarteten Besuch. Fühlt euch bitte wie zu Hause.“
Noch bevor Esme ganz zu Ende gesprochen hatte, fing Jane an zu Lachen. Ihre Stimme war von Natur aus sehr hell und hoch und passte zu ihrem jungen Aussehen. Ihr Lachen jedoch verstärkte diesen Effekt so weit, dass es mich an das Lachen von bösen Hexen in Kinderfilmen erinnerte, die gerade an einem teuflischen Plan arbeiteten.
Schnell schob ich den Gedanken aus meinem Kopf. Ich musste mich mehr darauf konzentrieren bei der Sache zu bleiben und aufzupassen. Meiner Meinung nach würden wir diese Situation schon bald hinter uns gebracht haben, doch ich hatte meiner Familie versprochen nicht unvorsichtig zu werden.
„Unerwartet? Wohl kaum. Auch, wenn ich es nicht gerne zugebe, aber dank eurer kleinen Kristallkugel hier, seid ihr sogar besser informiert, als wir.“
Wir alle, außer Edward, sahen bei dem Wort Kristallkugel automatisch zu Alice, die schelmisch grinste und die Arme vor der Brust verschränkte. Die Volturi wussten, dass Alice nichts sehen konnte, was mit den Wölfen oder uns Halbblütern in Verbindung stand, doch das musste man ja nicht extra noch einmal erwähnen.
Demetri grinste vor sich hin und Alecs Gesicht zeigte, wie immer, keine Regung, während Jane heute die Rolle unseres Kontrolleurs übernahm.
„Kommen wir direkt zum Punkt. Wir wollen zeitig wieder nach Hause und möchten das hier gerne schnell hinter uns bringen.“
„Und wir erst.“
Emmett hatte es zwar sehr leise vor sich hin gebrummelt, doch es war laut genug, dass wirklich alle es verstanden haben mussten. Alec reagierte sowieso nicht, doch sogar Jane ließ sich nichts anmerken. Einzig Demetri zog die Augenbrauen zusammen warf Emmett einen finsteren Blick zu. Sie schienen es wirklich eilig zu haben, wenn sie sich das gefallen ließen.
Jane wandte sich von Edward ab und kam einen Schritt auf mich zu. Ich lächelte sie an, als wäre alles normal und hoffte innerlich ein wenig, dass sie es vielleicht irgendwann einmal erwidern würde. Sie blieb mit einigem Abstand vor mir stehen und blickte mich ernst an.
„Es scheint alles in Ordnung zu sein. Glücklicherweise hatten wir einen Auftrag in Mexiko und konnten noch nach dir sehen. Aro wird hocherfreut sein, dass dir nichts zugestoßen ist.“
Ich bemerkte, dass Bella zu einer Antwort ansetzte, und ging schnell dazwischen, denn ich war nun wirklich alt genug, um mich selbst äußern zu können.
„Zafrina war schon sehr oft bei uns und ich hatte ihr vor langer Zeit schon versprochen sie auch einmal zu besuchen. Das habe ich nun getan und ein wenig Urlaub gemacht. Wir hatten viel Spaß.“
„Davon bin ich überzeugt.“
Sie drehte sich herum und war innerhalb einer halben Sekunde bei Alec und Demetri, die sich bereits herumgedreht hatten, um schnell zu verschwinden. Jane zog sich ihre Kapuze wieder über den Kopf und sah mich wieder an.
„Nächstes Mal habt ihr nicht die Ehre, dass mehrere von uns kommen. Alec wird diese Aufgabe wieder übernehmen.“
Mit diesen Worten drehte sie sich ebenfalls herum und wollte aus der Tür hinausgehen, als sie kurz stockte und noch einmal ins Wohnzimmer zurückkam. Eigentlich war ich in dem Moment, als sie fast aus der Tür hinaus war, dabei erleichtert aufzuatmen, doch stattdessen waren wir nun alle sprachlos. Nur Alice und Edward sahen sich kurz an. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, kam sie wieder auf mich zu und hielt mir ihre Hand hin. Erstaunt sah ich sie an.
„Mein Meister bittet dich deine Erinnerungen über mich an ihn zu senden. Zeige mir deine Bilder der Reise, damit er sie durch meine Gedanken empfangen kann.“
In diesem Moment hatte ich meinen Körper nicht mehr unter Kontrolle und sog scharf die Luft ein. Schnell sah ich zu Bella, die mir zunickte und dann ergriff ich langsam Janes Hand. Vielleicht würde ich Glück haben und meine Gabe würde wieder funktionieren. Ich musste es einfach versuchen, denn wir alle wussten, dass sie es niemals akzeptieren würden, wenn wir nur Ausreden erfinden würden. Deshalb hielt mich niemand auf.
Alles hing von mir ab und ich spürte, wie sich mein Magen ein wenig verkrampfte. Ich atmete tief durch, schloss meine Augen und konzentrierte mich sehr stark darauf, Jane einige Bilder aus Brasilien zu zeigen. Schon nach wenigen Sekunden öffnete ich die Augen wieder, um ihre Reaktion zu sehen. Sie zeigte tatsächlich eine Regung, doch es wirkte genervt. Ich konzentrierte mich erneut und strengte mich so sehr an, dass ich merkte, wie ich die Kiefer aneinander presste und leicht zu zittern begann.
Janes Züge wandelten sich langsam und sie blickte mich fragend an. Ich spürte, dass ich dabei war die Grenze zu überschreiten und der bekannte Nebel verwirrte meinen Kopf. Alec konnte es nicht sein, denn Bella schützte uns und ich hörte auf mich anzustrengen. Vorsichtig ließ ich Janes Hand los und spürte, wie Jacob mich an den Schultern festhielt, als ich zu schwanken begann.
„Was ist hier los?“
Janes Stimmt klang wieder sehr hoch und schrill und man sah ihr an, dass sie verwirrt war und die Situation absolut nicht einschätzen konnte. Schnell eilte Edward zu uns und führte mich in Richtung Sofa, wo ich mich ausruhen konnte. Wie schon am vorherigen Tag, schloss ich die Augen und tatsächlich verschwand das mulmige Gefühl schneller.
„Ich wiederhole mich nur ungerne: Was ist hier los?“
Jane schrie fast und hatte die Hände zu Fäusten geballt. Alec und Demetri waren inzwischen ebenfalls wieder ins Haus gekommen, um zu sehen, was sich dort abspielte. Ich sah, wie Demetri alle Muskeln anspannte. Selbst ohne Jaspers Gabe spürte man seine Lust zu Kämpfen und ich sammelte meine Kraft, um dem entgegen zu wirken.
„Das wissen wir leider auch nicht. Meine Gabe funktioniert nicht mehr.“
„Nessie, nicht.“
Jacob flüsterte und trotzdem hallten seine Worte durch das Zimmer, als hätte er gebrüllt. Ich wusste, dass es ein Fehler war ihnen die Wahrheit zu erzählen, doch das war der einzige Weg, um vielleicht sogar an eine Lösung zu kommen. Die Volturi hatten mehr erlebt, als jeder andere Clan der Welt. Vielleicht kannten sie einen ähnlichen Fall und konnten mir helfen. Ich wusste, dass es meiner Familie nicht gefiel, doch da ich eh aufgeflogen war, konnte ich genauso gut diese Chance nutzen.
„Seit ich aus Chile zurückgekehrt bin, funktioniert meine Gabe nicht mehr. Jedes Mal, wenn ich versuche sie einzusetzen, dann wird mir schwindlig.“
Janes Gesicht glich wieder einer Maske und sie sah kurz zu Alec, bevor sie sich mir zuwandte. Ihr Blick war eiskalt und das tiefe Rot ihrer Augen erzeugte einen Schauer auf meinem Rücken.
„Ihr wusstet davon und habt uns angelogen, es wäre alles in Ordnung.“
Emmett wollte etwas dazu sagen, doch Jane fuhr unbeeindruckt fort.
„Ein Glück für euch, dass wir bereit sind euch diesen Frevel zu vergeben. Allerdings müssen wir nun einschreiten. Ihr versteht doch sicher, dass wir über alles genauestens Bescheid wissen müssen, damit wir unserem Meister berichten können, was geschehen ist. Ich würde euch raten, nichts aus zu lassen.“
„Es reicht, wenn ihr im berichten könnt, was ihr momentan wisst. Wir können uns sehr gut alleine darum kümmern.“
Bellas Stimme klang ungewohnt hart und streng. Die Stimmung im Raum war innerhalb weniger Sekunden gekippt und meine Familie hatte sich in einem Kreis um mich herum versammelt. Schnell spürte ich, dass es mir besser ging und ich erhob mich langsam wieder von der Couch.
„Es geht ihr gut. Das ist alles, was Aro wissen muss. Wenn er mehr erfahren möchte, dann erzählen wir es ihm nur persönlich.“
Bella hatte sich während dieser Worte direkt neben mich gestellt und mir einen Arm um die Hüfte gelegt. Es war ein eindeutiges Zeichen an Jane uns in Ruhe zu lassen, denn sie wusste, dass meine Mutter unser einziger Schutz gegen ihre teuflische Gabe war. Ich streifte mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und erwiderte Bellas Umarmung.
Jane legte den Kopf leicht schief und zog die Augenbrauen zusammen. Erstaunlicherweise grinste sie dann selbstsicher und lachte kurz auf. Dabei fiel die schwarze Kapuze von ihrem Kopf herunter.
„Wenn dies euer Wunsch ist, dann werde ich ihn euch gerne erfüllen. Da ihr euch weigert uns die Situation zu erklären, muss ich darauf bestehen, dass Renesmee mit uns nach Volterra kommt.“
„Niemals. Aro kann seinen Hintern selber hierhin bewegen, wenn er wissen will, was los ist.“
Erstaunt sah ich Edward an. Ich hatte von ihm noch nie solche Ausdrücke gehört. Er musste wirklich wütend sein, wenn sich so vergaß, doch Jane ließ sich davon nicht im Geringsten beeindrucken. Ganz im Gegenteil, jetzt lachte sie laut auf. Dieses Mal jedoch klang sie wirklich erheitert und es hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit ihrem furchteinflößendem Hexenlachen.
„Mein Meister hat in Volterra einige Dinge zu erledigen und ist unabkömmlich. Ihr habt keine andere Wahl. Kommt mit uns und dann wird alles geklärt.“
Edward wollte auf Alecs Worte antworten, doch dieses Mal kam ihm Carlisle dazwischen. Er war ein geborener Diplomat und versuchte die Situation mit seiner ruhigen, rationalen Stimme etwas zu beschwichtigen.
„Wir würden uns gerne beraten. Wärt ihr so nett uns kurz alleine zu lassen?“
Er sprach leise, doch er sah besonders Jane eindringlich an. Sie hatte aufgehört zu lachen und zuckte mit den Schultern, bevor sie sich umdrehte und Alec und Demetri ein Zeichen gab hinaus zu gehen.
„Ihr habt 5 Minuten.“
Mit diesen Worten verschwand sie selbst hinaus in den Wald.

„Das kommt überhaupt nicht in Frage!“
Edwards Stimme donnerte durch den Raum und ein Knurren entfuhr ihm, wie ich es das letzte Mal vor etwas mehr, als 12 Jahren von ihm gehört hatte.
„Er hat Recht. Das bedarf keiner Diskussion.“
Jacob hatte sich neben mich gesetzt und funkelte Rosalie böse an. Diese verschränkte die Arme vor der Brust und sah Carlisle Hilfe suchend an. Ich fand ihre Idee sogar eigentlich ganz gut, doch momentan war meine Familie so in ihre Diskussion vertieft, dass niemand auf mich achtete. Carlisle sah erst zu Jacob, dann zu meinem Vater.
„Ihr wisst genau, dass Rosalie Recht hat. Wenn wir es strikt ablehnen, dann haben wir in wenigen Tagen fast die kompletten Volturi hier bei uns und wenn wir Pech haben, dann bleiben sie, bis wir das Problem mit Renesmees Gabe gelöst haben. Wenn man bedenkt, dass wir noch keinen Ansatz haben, dann kann das einige Zeit dauern.“
„Aber…“
„Lass mich ausreden!“, herrschte Carlisle Jacob an, der leise widersprechen wollte und dann betreten zu Boden blickte. Ich spürte, dass er wusste, dass Rosalie und Carlisle Recht hatten, doch er war zu stolz und würde das niemals zugeben. Das Einzige, was er wollte, war mich zu beschützen. Wie konnte ich ihm das übelnehmen?
„Renesmee muss ja nicht alleine mit ihnen gehen. Ich vermute, dass es ihnen auch Recht ist, wenn 2 oder 3 von uns mitkommen. Hauptsache sie haben das Gefühl, dass sie alles unter Kontrolle haben.“
Betreten trat ein kurzes Schweigen ein. Alle wussten, dass es unangenehm, aber unumgänglich war, dass ich mit nach Volterra ging. Diese bedrückte Stimmung hatte ich in den letzten Tagen allzu häufig aushalten müssen und war es satt. Während meiner Reise hatte ich gelernt, dass man manchmal Dinge tun musste, die einem nicht gefielen und man dem stellen musste. Man dürfte sich nur nicht unterkriegen lassen und dem Ganzen positiv gegenüber stehen.
„Vielleicht können sie mir sogar helfen. Sie haben jahrhundertelange Erfahrung wissen vielleicht, was mit mir los ist. Und wenn ihr mich begleitet“, ich sah erst Bella und dann Edward an, „dann kann gar nichts passieren.“
Noch ehe ich ausgesprochen hatte, stupste Jacob mich in die Seite und sah mich ernst an.
„Natürlich komme ich auch mit. Ich lasse dich nicht alleine mit diesen ganzen Menschenblutsaugern.“
„Du weißt genau, dass sie dich gar nicht ernst hinter die Stadtmauern lassen würden. Wir können auch sehr gut auf unsere Tochter aufpassen.“
Edward schien zu bemerken, dass er einen scharfen Ton eingeschlagen hatte und fügte beschwichtigend hinzu:
„Du kannst uns hier behilflich sein, indem du dem Rest der Familie bei der nötigen Recherche unterstützt. Wir müssen sämtliche Quellen anzapfen, um herauszufinden, was los ist. Vielleicht kannst du auch bei deinem Volk nachfragen.“
Jacob wollte etwas erwidern, doch Alice legte ihm eine Hand auf die Schulter und sah zur Balkontür.
„10 Sekunden“, flüstere sie und wir standen auf, um uns zu positionieren.
Exakt 10 Sekunden später traten Alec, Demetri und, ihnen voran, Jane aus dem Dickicht heraus. Sie hatten uns tatsächlich keine Sekunde mehr gelassen, um uns zu beraten, doch glücklicherweise waren wir uns schneller einig geworden, als gedacht.
Bevor Jane irgendetwas sagen konnte, kam ihr Bella zuvor.
„Wir werden mit euch nach Volterra kommen und ich sage bewusst wir. Renesmee, Edward und ich werden euch begleiten. Gebt uns eine halbe Stunde, dann haben wir gepackt. Alice sucht in dieser Zeit einen Flug heraus.“
Es missfiel ihnen sichtlich, dass Bella dies nicht als Frage formulierte, doch dann lächelte Jane so süß, wie Honig. Sie wusste, dass sie ihr Ziel erreicht hatte und säuselte:
„Mein Meister wird sicherlich hocherfreut sein euch wieder zu sehen. Hoffentlich wird diese Freude nicht durch dieses kleine… Problem… getrübt.“
Sie sah mich scharf an und ich lächelte ihr nur freundlich zu, bevor ich mit Rosalie nach oben ging. Sie wusste, wo Alice´ Kleidungsvorrat für mich war und wir packten schnell meinen kleinen, roten Koffer, während Bella und Edward in ihrem Häuschen waren, um zu packen. Vom Wohnzimmer hörten wir, wie Carlisle versuchte die Volturi-Vertreter in ein leichtes Gespräch zu verwickeln und vernahmen sogar das Klicken der Tasten, während Alice nach einer Flugverbindung suchte.
Nach wenigen Handgriffen waren wir fertig und am oberen Treppenabsatz hielt Rosalie mich kurz auf.
„Pass auf dich auf.“
Sie sah mich ernst an und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Ich umarmte sie fest und blickte ihr tief in die Augen.
„Sei du bitte lieb und ärgere Jacob nicht zu sehr.“
Das Gefühl eines Déjà-vu ergriff mich und ich erinnerte mich, warum. Noch vor wenigen Wochen hatten Bella und Edward das zu mir gesagt, als ich mit ihm für wenige Tage alleine bleiben sollte. Damals war noch alles in Ordnung gewesen und erst dann hatten sich die Ereignisse förmlich überschlagen.
Jacob hatte mir seine Liebe gestanden und ich nicht gewusst, wie ich damit umgehen sollte. Dann war ich bei Zafrina, die mir sehr geholfen hatte und direkt danach bei Nahuel. Alles Erlebte hatte mich verändert, doch erst zu Hause angekommen hatte ich erkannt, wie stark.
Nach Volterra zu fliegen war für mich eine Chance, um meine neu gewonnene Motivation zu testen. Ich hatte mir fest vorgenommen alles positiv zu sehen und das Beste aus allem zu machen. Und wenn meine einzige Chance darin bestand, dass ich zu den Volturi musste, so würde ich mich dem fügen.
Ich seufzte und straffte die Schultern, bereit meinem Schicksal entgegen zu treten. Rosalie trug meinen Koffer und wir konnten hören, wie Carlisle im Wohnzimmer versuchte Jane bei Laune zu halten. Anscheinend war sie es nicht gewohnt zu warten und ihre Stimme klang äußerst gereizt, als sie nachfragte, wie lange es denn noch dauern würde.
Wir kamen die Treppe herunter und sahen, dass Edward und Bella noch nicht wieder zurück waren. Jedoch betrat Alice den Raum, mehrere Ausdrucke in der Hand haltend.
„Einen Direktflug gab es nicht. In Washington habt ihr eine Stunde Aufenthalt und von dort aus geht es dann weiter bis nach Pisa.“
Sie ordnete die Papiere und sah die drei Volturi-Mitglieder eindringlich an.
„Seid ihr Flugbereit oder müssen wir euch erst noch Papiere besorgen?“
Jane beachtete sie gar nicht erst und Alec sah sie nur abwertend, aus dem Augenwinkel heraus, an. Demetri seufzte kurz, verdrehte die Augen und übernahm dann die Antwort.
„Natürlich haben wir Papiere. Wir müssen für alles gerüstet sein.“
Während er diese Worte sprach, kehrten Bella und Edward zurück und Esme erhob sich.
„Carlisle und ich fahren euch zum Bahnhof.“
Edward nickte und auch ohne die Fähigkeit des Gedanken Lesens, wusste ich, worauf sie hinauswollte. Wenn sie uns bis zum Flughafen begleiten würden, dann würden die Volturi es nicht wagen auf falsche Gedanken zu kommen. Erst am Flughafen, wenn sie Gefahr liefen als Vampire enttarnt zu werden, wollten Carlisle und Esme uns dann mit ihnen alleine lassen. Nur, weil wir auf ihren Vorschlag eingegangen waren, bedeutete es nicht, dass wir unvorsichtig wurden. Bis Volterra würden wenigstens nicht in der Unterzahl sein, wobei ich nicht wusste, ob sie mich als vollwertigen Kämpfer ansahen.

Esme gab den drei Volturi neue Kleidung, da sie in ihrem schwarzen Umhängen zu sehr aufgefallen wären und es missfiel ihnen sichtlich auf unsere Kleidung zurückgreifen zu müssen.
Wir ließen uns Zeit, um uns von Rosalie, Emmett, Jasper und Alice zu verabschieden und ignorierten Jane, die sich in immer kleiner werdenden Abständen laut räusperte. Uns blieben noch 4 Stunden, bis unser Flug ging und wir mussten Alice noch einige Male beteuern, dass wir auf uns aufpassen würden. Edwards Gabe würde uns rechtzeitig vor Gefahren warnen und Bellas Schutzschild psychische Angriffe vereiteln.
Wir mussten schwören, dass wir uns täglich mindestens zwei Mal melden würden, bevor wir dann mit Carlisles 3er BMW und Esmes neuem Lexus GS zum Flughafen von Seattle fuhren.
Der Abschied am Flughafen war für mich noch schlimmer, als der zu Hause, da wir von diesem Zeitpunkt an alleine, ohne den Rest unserer Familie, mit Jane, Alec und Demetri unterwegs waren. Zwar war ich durchaus glücklich, dass meine Eltern mich begleiteten, doch es war trotz allem ein anderes Gefühl, als wenigstens noch zwei oder drei andere Familienmitglieder uns begleitet hatten.
Während wir in der Abfertigungshalle darauf warteten an Bord zu gehen, saßen wir schweigend zusammen und beobachteten uns gegenseitig. Es war merkwürdig, vor allem die brutale und unnahbare Jane in solch normaler Kleidung zu sehen. Es verlieh ihr automatisch die Ausstrahlung eines normalen, amerikanischen Durchschnittsbürgers und es fehlte eigentlich nur noch ein Lächeln auf ihren Lippen. Alec hingegen sah in seiner Jeans und dem sandfarbenen Pullover fast aus, wie in dem schwarzen Mantel der Volturi und auch Demetri wirkte in den dunklen Sachen, die Esme ihm gegeben hatte, wie immer. Jane hingegen fiel total aus dem Bild. Sie trug einen langen, weißen Rock mit einem rosa Oberteil und ihre eigenen, schwarzen Ballerinas dazu.
Wenn ich ihr unter anderen Umständen begegnet wäre, so hätte ich sie direkt sympathisch gefunden und ihre Nähe gesucht. Auch die Augenfarbe, die Alice für ihre Kontaktlinsen ausgesucht hatte, passte sehr gut zu ihren hellbraunen Haaren, ein kräftiges Grün.
Alec war besonders überrascht gewesen, als Alice uns mehrere Mega-Packs Kontaktlinsen gegeben hatte und er hatte sogar zugegeben, dass selbst sie niemals auf diese Idee gekommen waren. In den seltenen Momenten, wo sie unter Menschen waren, ohne sie töten zu wollen, hatten sie einfach immer die Blicke und die natürliche Abneigung ertragen.
So saßen wir eine Weile schweigend in der Abfertigungshalle und dann wurden wir aufgerufen und konnten unsere Plätze im Flugzeug einnehmen.


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Zuletzt von Neferubty am Fr 10 Sep 2010, 14:24 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet

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Beitrag  Gast Fr 10 Sep 2010, 14:22

Kapitel 9:
Fremde Welt


Der Aufenthalt in Washington war nur von kurzer Dauer und wir waren schnell im nächsten Flieger nach Pisa. Niemand war sonderlich gesprächig, nur Edward erzählte mir einige Dinge über Italien und vermittelte mir einen Eindruck davon, was mich in Volterra erwarten würde. Bella sah währenddessen stur aus dem Fenster und ich wusste, dass sie ihren alten, menschlichen Erinnerungen nachhing.
Immer, wenn jemand über Volterra sprach, dann verfinsterte sich ihre Miene kurz und mittlerweile wusste ich auch, warum. Damals hatte sie Edward davor gerettet sich den Volturi auszuliefern und sie hatte mir gesagt, dass sie sich bewusst immer wieder an diese menschlichen Gedanken zu erinnern versuchte, damit sie sich auch in ihr Vampir Gedächtnis brannten.
Dank meines guten Erinnerungsvermögens konnte ich auch Jahre, nachdem ich mit Edward das letzte Mal italienisch geübt hatte, noch sämtliche Grammatik- und Vokabelkenntnisse ohne Verzögerung aus meinem Gedächtnis hervorholen. Alec warf uns anfangs im Flugzeug einen misstrauischen Blick zu, als wir anfingen uns nicht nur über Italien, sondern uns auch in ihrer Sprache zu unterhalten, während Demetri und Jane stur auf den Sitz vor ihnen blickten.
Wie sie da so saßen, sahen sie aus, wie Schaufensterpuppen und ich fragte mich, ob es daran lag, dass sie sich sehr konzentrieren mussten, um diesem ganzen Menschengeruch um uns herum zu wiederstehen. Ich wagte jedoch nicht diese Frage auszusprechen, denn Jane war während des zweiten Fluges anscheinend noch schlechter gelaunt. Alle paar Stunden hörte man sie besonders tief einatmen, als würde sie seufzen und für einen kurzen Moment änderte sich dann ihr Blick von uninteressiert zu finster.
Bella, Edward und ich versuchten uns so normal, wie möglich, zu verhalten und die drei Volturi in der Reihe neben uns weitestgehend zu ignorieren. Nur das Bordessen verwirrte die Stewardessen, denn ich war die Einzige von uns, die wirklich etwas aß. Alle anderen ließen ihre Portionen unbeeindruckt zurückgehen und ich fand, dass es tatsächlich so schlecht schmeckte, wie immer alle behaupteten. Selbst Jacobs Essen schmeckte dagegen richtig gut.
Jacob. Der Gedanke an ihn tat in diesem Moment sogar mehr weh, als bei Zafrina, während ich noch nicht wusste, wie ich für ihn fühlte. Meiner Gefühle war ich mir mittlerweile bewusst, doch trotzdem war es irgendwie nicht einfacher geworden. Ich hatte das merkwürdige Gefühl, dass ich Jacob nun einfach lieben musste, denn er kümmerte sich trotz allem so liebevoll um mich und war so besorgt, dass ich schon fast ein schlechtes Gewissen bekam. Ich schüttelte den Kopf und damit auch diese Gedanken von mir ab. Edward sah mich nur kurz an und streichelte mir liebevoll über die Wange, während er leicht grinste.
Eine angenehme Wärme breitete sich in mir aus und ich war sehr glücklich, dass er anscheinend nicht mehr versuchte jeden meiner Gedanken zu kommentieren. Wir befanden uns in einer äußerst merkwürdigen Situation und da konnten wir alle solche Dinge nicht gebrauchen. Es war zwar keine wirklich schlimme Sache, doch bei unseren gespannten Nerven konnten eben solche Kleinigkeiten der berühmte Tropfen sein, der das Fass zum überlaufen bringt.
Ein leicht klingelndes Geräusch ertönte und über uns gingen die Anschnall-Leuchten an, bevor sich das Flugzeug leicht, sogar fast unmerklich nach vorne zu senken begann.
„Sehr geehrte Fluggäste, wir befinden uns nun im Sinkflug auf Pisa. Die gesamte Crew wünscht ihnen einen angenehmen Aufenthalt und hofft, sie bald wieder bei uns begrüßen zu dürfen.“
Schon wenige Minuten später sahen wir das Festland und sanken immer tiefer, bis wir schließlich auf dem Rollfeld des Pisas Flughafens landeten. Schon beim Rückflug von Chile war mir aufgefallen, dass die Landung aus der Sicht eines Halb-Vampirs sehr interessant war. Man hatte das Gefühl, dass man sich mir normaler Geschwindigkeit über das Rollfeld bewegte, bevor das Flugzeug dann doch radikal abgebremst wurde und man wieder zur menschlichen Geschwindigkeit gezwungen war. Außerdem schienen die meisten Menschen irgendwie das Bedürfnis zu haben bei einer erfolgreichen Landung in die Hände zu klatschen, doch ich fand es absolut furchtbar. Der Pilot erledigte einfach nur seine Arbeit und falls dies einmal schief gehen sollte, so hätte zumindest der menschliche Teil dieses Flugzeuges sowieso kaum eine Chance das zu überleben.
Meine Befürchtungen erwiesen sich natürlich als berechtigt und es beruhigte mich, dass Bella neben mir ebenfalls die Augen verdrehte und die Hand vor den Kopf schlug.
„Das habe ich schon als Mensch nicht gemocht.“
Ihre Worte waren so leise, dass nur wir sie hören konnten und Edward grinste sie an.
„Deine Tochter hat das also von dir geerbt.“
„Ich glaube eher, dass unsere Tochter das von uns beiden hat. Ich erinnere dich nur an den Flug nach Jacksonville, als“
Sie wurde unterbrochen, als die Meldung kam, dass das Flugzeug seine endgültige Parkposition erreicht hätte und Jane daraufhin so schnell wie möglich, ohne aufzufallen, von ihrem Sitz aufsprang und uns zur Eile drängte.
Tatsächlich schafften wir es, als erste am Gepäckband zu stehen, doch wie es kommen musste, waren unsere Koffer mit die letzten, die auf dem langen Band auftauchten. Einige andere Koffer waren schon zum wiederholten Male an uns vorbei gekommen und mittlerweile standen Jane und vor allem auch Alec so genervt hinter uns, dass sie ihre Hände zu Fäusten geballt hatten.
Also schnappten wir unsere Koffer und verließen schnell das Flughafengebäude, um uns ein Taxi zu beschaffen. Mit den Koffern weigerten wir uns zu laufen und Jane wirkte alles andere als erfreut, dass wir auf dieses langsame Fortbewegungsmittel zurückgreifen mussten. Für einen kurzen Moment war sie außer sich vor Wut und verlor ihre Beherrschung. Sie sah Edward an und kniff ihre Augen so zusammen, wie sie es immer tat, wenn sie ihre Gabe einsetze. Obwohl Edward es sicherlich in ihren Gedanken gelesen hatte, gab er keinen Ton von sich und ich erwartete, dass er gleich auf dem Boden liegen und sich vor Schmerzen winden würde, doch Bella war schneller. Ich selbst spürte überhaupt nichts, doch ich wusste, dass sie ihren Schutzschild um uns gelegt hatte.
Die letzten Jahre bestand keine direkte Gefahr für uns, doch trotzdem hatte sie immer wieder mit ihrer Gabe geübt und beherrschte sie nun in allen Situationen. Ihr Ehrgeiz war geweckt worden und sie war unheimlich stolz darauf, dass sie einen wertvollen Beitrag zum Schutz der Familie leisten konnte.
„Versuch es gar nicht erst. Du hast sowieso keine Chance. Zügel endlich deine Wut und lass uns zusehen, dass wir nach Volterra kommen.“
Wie immer, zeigte sich Jane unbeeindruckt und starrte uns wieder gelangweilt an, während Demetri zwei Taxen für uns aufgetrieben hatte.
„Einen Versuch war es wert. Strapaziert unsere Geduld nicht.“
Ohne ein weiteres Wort stiegen die Volturi-Mitglieder in das erste Taxi, als wir die Koffer auf die beiden Autos verteilten und dann hastig einstiegen. Die Situation war immer noch etwas angespannt und das änderte sich auch nicht, als nach ungefähr anderthalb Stunden die Stadtmauern Volterras in Sicht kamen.
Merkwürdigerweise hielten wir direkt hinter der Stadtmauer und während Demetri einfach in die Hosentasche griff und den Fahrern dicke Bündel Geld in die Hände drückte, öffnete Alec die schwere Holztür eines kleinen Hauses direkt an der hohen Stadtmauer gelegen.
Wir schlüpften schnell in den großen, vollkommen mit Holz verkleideten Raum. Es gab keine Fenster und es befanden sich keinerlei Möbel darin. Nur eine Treppe, die ziemlich steil in die Tiefe führte, war mitten im Raum und wir wollten gerade hinter Jane hinunter steigen, als Demetri uns aufhielt.
„Wartet. Euer Gepäck könnt ihr hier lassen. Es wird im Laufe des Tages in eure Gemächer gebracht. Momentan hält es uns jedoch zu sehr auf. Wir wollen euch schnellstens zu unseren Meistern bringen.“
Ich sah Bella und Edward fragend an, doch als die beiden langsam nickten und begannen die Treppe herunter zu steigen, wusste ich, dass es in Ordnung war. Was waren schon einige Kleidungsstücke, wenn wir hier auf unsere Existenz Acht geben mussten?
Langsam folgte ich ihnen die klapprige Treppe hinunter und sah mich interessiert um. Von den Erzählungen meiner Familie wusste ich, dass die Volturi die Stadt beherrschten und schon vor Jahrhunderten die unterirdische Welt ausgebaut und vernetzt hatten. Wir gingen eine ziemlich weite Strecke durch enge Gänge und kamen immer wieder zu großen, tropfenden Höhlen, in denen mehrere solcher Gänge zusammen liefen. Einige Zeit lang dachte ich, dass wir uns in der Kanalisation befanden, doch in den Gängen verliefen keine Wasserwege und auch der typische, beißende Gestank von Fäkalien und Urin fehlte vollkommen. Allerdings begegneten uns ständig kleine Horden von Ratten und die Dunkelheit war für unsere Augen zwar kein Problem, doch zu Hause bevorzugten wir trotz allem immer Licht.
Nach ungefähr 10 Minuten führte uns, mitten in einer der größeren Höhlen, plötzlich eine breite, marmorne Treppe hinauf in einen großen Raum. Auch hier gab es keine Fenster, doch dafür war fast alles, was man anfassen konnte, vergoldet und an der Decke hing ein Kronleuchter mit funkelnden Steinen, bei dem Esme neidisch geworden wäre.
Mitten im Raum blieb Jane stehen und drehte sich zu uns um.
„Wartet hier. Unsere Meister werden euch gleich mit ihrer Anwesenheit beehren.“
Edward zischte kurz und starrte sie finster an, bevor er sich gerade aufrichtete und seine Miene sich zu einem fiesen Lächeln verwandelte.
„Mach dich nicht so wichtig. Natürlich werden sie uns gleich aufsuchen, da Alec eben eine Abzweigung genommen hat und uns bereits angekündigt hat. Die Frage ist nur, warum tun sie das nicht in ihrem geliebten Thronsaal?“
Sofern es möglich war, dass Janes Gesicht sich noch mehr verfinsterte, tat es dies.
„Die bevorzugte Räumlichkeit wird momentan renoviert. Ihr müsst euch mit diesem Saal begnügen.“
Mit diesen Worten gingen sie und Demetri zu einer Tür an der vorderen Seite des Raumes und stellten sich wie zwei Statuen vor die Wand, um auf die Ankunft ihrer Meister zu warten.
Glücklicherweise mussten wir nicht lange warten, denn Anscheinend waren die Volturi Herrscher zu neugierig, um ihre Gäste die gewöhnliche halbe Stunde warten zu lassen.
Erst kamen Marcus, Caius und dann Aro schnellen Schrittes in den Raum und blieben dicht vor uns stehen. Wie schon einen Tag zuvor, formatierten sie sich, wie ihre drei Abgesandten es bei uns in Forks getan hatten und natürlich bildete Aro die Spitze. An sein markantes Gesicht konnte ich mich noch sehr gut erinnern, doch mich erstaunte ihr Gesamtbild. Sie alle waren, nicht wie gewöhnlich in schwarz, sondern in ein helles beige gekleidet und wirkten tatsächlich ein wenig gehetzt, als hätten wir sie bei irgendetwas gestört. Sehr schnell setzte Aro jedoch wieder seine perfekte, freundliche Maske auf und hob die Hände, als wolle er uns alle auf einmal umarmen, bewegte sich jedoch keinen Schritt vorwärts.
„Ah, meine Freunde. Ein überraschender Besuch. Wir freuen uns sehr, euch hier begrüßen zu dürfen. Was können wir für euch tun?“
Er faltete die Hände vor der Brust und sah Edward erwartungsvoll an. Dieser jedoch sah mich an und überließ mir das Wort, was Bella anscheinend nicht so sonderlich gefiel, da sie sehr skeptisch drein blickte.
Mir sollte es nur Recht sein, schließlich war ich diejenige, die dafür gewesen war, mit nach Volterra zu kommen und hier um Hilfe zu fragen. Ich zuckte mit den Schultern und wandte mich an Aro.
„Alec hat euch bestimmt schon erzählt, warum wir hier sind. In unserer Familie wusste niemand, warum meine Gabe plötzlich versagte. Allerdings konnte Carlisle feststellen, dass ich Krankheitssymptome zeige, wenn ich zu angestrengt versuche meine Gabe anzuwenden. Wir hatten gehofft, dass bei euch schon einmal ein ähnlicher Fall vorgekommen ist und ihr uns helfen könntet.“
Edward knurrte bei den letzten Worten fast unhörbar und ich wusste, dass ihm diese Situation, trotz aller logischen Argumente, gegen den Strich ging. Er vergaß jedoch nicht, dass es letztendlich um mich ging und er riss sich zusammen. Bella hingegen blickte zwar etwas finster drein, doch sonst zeigte sie ihren Unmut nicht.
Aro hingegen wirkte entzückt darüber, dass wir uns tatsächlich in ihre Obhut übergaben und um Hilfe baten. Er lächelte und seine Augen leuchteten vor Aufregung.
„Alec hat mir tatsächlich erzählt, dass du deine faszinierende Gabe verloren hast, doch ich muss gestehen, dass es mich überrascht, dass ihr ausgerechnet bei uns Hilfe sucht.“
Bella setzte zu einer Antwort an, doch Aro fuhr direkt fort.
„Was natürlich nicht heißen soll, dass wir euch nicht helfen wollen. Allerdings muss ich euch darum bitten, euch noch ein paar Stunden zu gedulden. Unsere Aufzeichnungen werden gerade durchsucht. Da du ja auf Schlaf angewiesen bist, wird Jane euch nun euer Gemacht zeigen und morgen werden wir dann hoffentlich mehr wissen.“
Er machte eine Handbewegung in Richtung Jane und drehte sich dann um die eigene Achse.
„Seid willkommen und fühlt euch, wie zu Hause. Selbstverständlich dürft ihr euch hier frei bewegen und Jane wird dafür sorgen, dass es euch an nichts fehlt.“
Wieder lächelte er und dann verschwanden die drei Volturi Herrscher ohne ein weiteres Wort wieder aus der Türe hinaus, aus der sie gekommen waren. Für jeden, der Aro nicht kannte, klang dies, wie eine nette Einladung mit persönlicher Betreuung, doch in Wirklichkeit hatte er über Jane die Möglichkeit, uns ständig unter Beobachtung zu halten. Da wir uns dessen durchaus bewusst waren, konnten wir uns gut darauf einstellen und schließlich blieb uns nichts anderes übrig, als uns damit abzufinden.
Wir folgten Jane durch einige dunkle Gänge und Räume und da sie sich alle sehr ähnelten, hätte fast befürchten müssen die Orientierung zu verlieren. Glücklicherweise ließ mich mein vampirischer Teil nicht im Stich und schon nach wenigen Minuten kamen wir zu einer dicken, verzierten Eichentür, die zu unserem Zimmer führte. Wie auch schon in den Fluren gab es hier keine Fenster und alles wirkte sehr dunkel und ließ darauf schließen, dass wir uns immer noch unterirdisch aufhielten.
„Da nur das Kind schlafen muss, hat Aro befunden, dass ein Gemach für euch alle reicht. Ihr könnt eure Koffer auspacken und dann in unserer Bibliothek helfen nach einer Lösung zu suchen.“
Natürlich wartete sie wieder gar nicht erst die Antwort ab, sondern verschwand mit wehendem Umhang aus dem großen Raum und knallte laut die Tür hinter sich zu. Wahrscheinlich war sie froh sich endlich nicht mehr zurückhalten zu müssen und die Tür hatte ihren Ausbruch glücklicherweise überstanden. Sie wackelte zwar gewaltig und wurde halb aus den Angeln gerissen, doch sie gab nicht nach.
Nachdem sie weg war, atmete ich tief durch und zusammen mit Bella und Edward packten wir unsere Koffer aus. Die Sachen waren allerdings schnell in dem großen Schrank verstaut, der, wie anscheinend alles, was hier aus Holz bestand, mit feinen Schnitzereien verziert war. So auch das Himmelbett am anderen Ende des Raumes, von dem ganze Staubwolken aufflogen, als ich mich darauf schmiss.
„Anscheinend wird dieser Raum nicht sonderlich oft benutzt.“
Lachend schnappte ich mir die Bettdecke und Bella die beiden Kissen, um sie draußen auf dem Flur auszuschütteln. Edward hingegen ging währenddessen mit einem von Bellas alten T-Shirts über die restlichen Möbel um sie vom Staub zu befreien. Wir brauchten nicht lange und das Zimmer war endlich in einem bewohnbaren Zustand.
„Also ein 5 Sterne Hotel ist das hier aber definitiv nicht“, witzelte ich, doch weder Bella noch Edward gingen darauf ein.
„Eigentlich würde ich mich nur sehr ungerne von dir trennen, aber wir kriegen eine einmalige Chance geboten, wenn wir ihnen in der Bibliothek helfen.“
Edward lehnte an der Wand und hatte eine Hand so an sein Kinn gehoben, wie er es immer tat, wenn er angestrengt über etwas nachdachte.
Ich verdrehte die Augen. Natürlich, mich konnte man ja nicht ungeschützt lassen. Gerade, als ich meine Gedanken laut aussprechen wollte, mischte sich Bella ein.
„Jane würde Renesmee nichts tun. Selbst, wenn wir nicht hier mit in Volterra wären, wüsste sie, was das für Folgen hätte, wenn sie sich vergisst. Außerdem kann unsere Tochter sich gut alleine verteidigen.“
Bei den letzten Worten grinste sie mich an und streichelte mir über den Rücken. Es war einfach erstaunlich, wie sie mit ihren mütterlichen Gefühlen die Situation manchmal genauso schnell erfassen und auswerten konnte, wie mein gedankenlesender Vater, der nun ziemlich mürrisch dreinblickte.
„Das gefällt mir trotzdem nicht. Kannst nicht wenigstens du hier bleiben, Bella?“
Sie stand auf und umarmte ihn, bevor sie ihn küsste und ihm durchs Haar ging.
„Könnt ihr euch ein Zimmer nehmen?“
Wieder verdrehte ich die Augen und ließ mich auf das Bett fallen. Die beiden ignorierten mich jedoch geflissentlich und küssten sich noch einmal.
„Ich soll hierbleiben, damit du alleine in den Genuss ihrer Bibliothek kommen kannst? Das hättest du wohl gerne.“
Bella lachte und boxte ihm scherzhaft in die Seite.
„Vielleicht kann ich auch mitkommen.“
Erwartungsvoll sah ich meine Eltern an, obwohl ich wusste, dass es wenig Sinn hatte. Allerdings war es einen Versuch wert. Vielleicht würden sie ja wirklich nachgeben.
Außerdem war es, wie Edward schon festgestellt hatte, eine wirklich einmalige Chance. Carlisle hatte uns schon viel von der riesigen Bibliothek erzählt, auf die er selbst einmal Zugriff hatte, als er bei den Volturi gelebt hatte. Selbst einmal in dieser einzigartigen Wissensansammlung zu stöbern, war ein Privileg und meine Eltern hatten großes Glück. Auch, wenn sie sich bestimmt andere Umstände gewünscht hätten, so wussten sie diese Chance wohl zu nutzen.
„Kommt nicht in Frage. Selbst, wenn wir dabei sind, ist es wesentlich gefährlicher, wenn du mit zu dieser Ansammlung fremder Vampire kommst, als wenn du hier mit Jane alleine bleibst.“
Damit war für Edward das Thema beendet und Bella und ich wussten, dass es keinen Sinn hatte noch mehr zu diskutieren. Allerdings mussten wir uns auch eingestehen, dass er Recht hatte und seufzten beide.
Als hätte sie gewusst, dass wir fertig waren, klopfte es an der Tür und Jane trat ein. Sie war anscheinend kein Freund von Warten und Geduld war nicht ihre Stärke.
„Meine Meister erwarten euch in der Bibliothek. Den Weg dorthin findet ihr, wenn ihr meiner Spur folgt.“
Sie deutete auf die Tür und machte damit unmissverständlich klar, dass Bella und Edward sich unverzüglich auf den Weg machen sollten, was diese auch taten. Bella warf mir noch eine Kusshand zu und schloss dann die dicke Tür hinter sich.
Jane sah mich kurz abschätzend an und setzte sich auf einen Stuhl neben den Kleiderschrank. Dann schien sie mich gar nicht mehr zu beachten und sah starr auf die gegenüberliegende Wand. Ich war ziemlich irritiert und beobachtete sie einige Minuten, bevor ich das Schweigen nicht mehr aushielt.
„Warum hilfst du nicht beim Suchen in der Bibliothek?“
Ich drehte mich auf den Bauch und ließ die Beine in der Luft baumeln, während ich auf ihre Antwort wartete. Sie blickte weiterhin auf die Wand und rührte sich nicht, doch wenigstens kam nach einigen Sekunden eine Antwort.
„Weil ich hier auf dich aufpassen muss.“
Das war es. Kurz und knapp und ich bezweifelte, dass ich mehr aus ihr herauspressen konnte, selbst wenn ich ihr noch hunderte Fragen stellen würde. Stattdessen versuchte ich eine andere Taktik. Ich kramte meinen MP3-Player aus meiner Tasche und steckte mir die Kopfhörer in die Ohren. Der Player war noch nicht sonderlich alt, aber meine Playlist hatte sich schon seit Jahren nur wenig verändert. Einzig die neuen Lieder der Rockmonster kamen neu hinzu und auch ab und zu, wenn Edward ein neues Lied komponiert hatte.
Ich stellte mein derzeitiges Lieblingslied unserer Band ein, sprang vom Bett auf und fing an laut zu singen und dazu zu tanzen.
„Wir haben viel erlebt, wir haben viel gelacht. Das Dasein ist zu schön, um zu schlafen in der Nacht. Den ganzen Tag haben wir Zeit, die Nacht ist für uns bereit. Wir sind für uns da bis in die Ewigkeit…“
Die erste Minute zeigte Jane weiterhin keinerlei Regung, doch dann begann sie genervt zu seufzen und mich finster anzustarren. Den Rest des Liedes sah sie mich nur böse an, doch in der Mitte des nächsten Liedes sprang sie von ihrem Stuhl auf und ballte die Hände zu Fäusten.
„Verdammt, hör auf damit! Du bringst einen ja in den Wahnsinn. Was soll das?“
Ich lachte, wodurch ihr Blick noch wütender wurde und zog mir die Stöpsel aus den Ohren.
„Endlich zeigst du mal Emotionen. Ich dachte schon du spielst wieder Schaufensterpuppe, wie du es auch im Flugzeug getan hast.“
„Bloß, weil wir jetzt alleine sind, musst du nicht frech werden. Hüte deine Zunge und lass mich in Ruhe.“
Sie wollte sich wieder auf ihren Stuhl setzen, doch ich kam ihr zuvor und eilte wie ein Blitz zwischen sie und den Stuhl.
„Glaub mir, wenn ich frech wäre, dann würde das anders aussehen. Ich habe einfach nur die Befürchtung, dass wir hier noch eine ganze Weile zusammen aushalten müssen und ich persönlich würde diese Zeit nur ungerne komplett schweigend verbringen.“
Immerhin löste sie in diesem Moment ihre Fäuste und verdrehte die Augen, bevor sie mich wieder ernst ansah.
„Das ist mir egal. Ich will mich nicht unterhalten, sondern einfach meine Zeit hier absitzen.“
Ich seufzte und raffte die Schultern um etwas zu tun, was ich niemals getan hätte, wenn diese merkwürdige Situation nicht aufgetreten wäre.
„Hör zu, es tut mir leid. Damals, bei uns zu Hause, wollte ich dir keine Angst machen...“
„Pah!“, spie sie aus und drehte sich um, sichtlich um ihre Beherrschung ringend.
„Als ob du mir Angst machen könntest! Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ich sollte euch einfach nur kontrollieren und du machst das alles so schwer. Heute soll ich nur bei dir bleiben und du machst auch diesen Tag zur Hölle. Warum tust du das?“
Das waren die längsten Sätze, die ich je aus ihrem Munde vernommen hatte und erstaunt zog ich die Augenbrauen zusammen, als sie sich so vor mir offenbarte. Anscheinend hatte ich es wirklich geschafft sie zu berühren. Sie wirkte sehr verwirrt und das wiederum verwirrte mich. Warum verstand sie nicht, dass unsere Lebensweise so grundlegend anders war, dass ich ihr absolut nichts Böses wollte?
Ich machte einen Schritt auf sie zu und streckte die Hand nach ihr aus, doch ich traute mich nicht, sie zu berühren.
„Ich will es dir nicht schwer machen. Ganz im Gegenteil, ich verstehe nicht, wieso es dich so sehr stört, dass ich nett zu dir sein will.“
Ruckartig drehte sie sich herum und wollte mir gerade etwas entgegnen, als die Tür aufging und meine Eltern eintraten. Blitzschnell deuteten sie die Situation und machten sich kampfbereit. Ein Knurren kam aus Edwards Kehle und auch Jane ging in Abwehrhaltung. Ich hob beide Hände und versuchte mit einer beschwichtigenden Geste klar zu machen, dass hier ein Missverständnis vorlag.
„Edward, Bella, beruhigt euch. Das ist anders, als es aussieht. Alles ist in Ordnung.“
Glücklicherweise vertrauten mir meine Eltern und entspannten ihre Haltung umgehend. Jane löste ihre Anspannung nur langsam, sah mich noch einmal kurz an und verschwand dann ohne ein weiteres Wort aus der Tür.
„Was war hier los?“
Bella sah Jane hinterher und schloss dann langsam die Tür, bevor sie mich zum Bett schob, damit wir uns setzen konnten. Dann sah sie mich eindringlich an und auch Edwards Blicke spürte ich auf mir ruhen.
„Ich habe versucht sie aus der Reserve zu locken. Sie hatte tatsächlich vor die ganze Zeit hier schweigend abzusitzen, aber ich wollte die Chance nutzen und mich mit ihr unterhalten.“
„Unterhalten? So etwas kann Jane doch gar nicht. Was hast du getan, dass sie so gereizt war?“
Bella sah mich fassungslos an und Edward verschränkte die Arme vor der Brust, während er leicht den Kopf schüttelte, als er in meinen Gedanken sah, was passiert war.
„Ich hab Musik gehört, gesungen und getanzt, um sie dazu zu bringen eine Reaktion zu zeigen. Und das habe ich auch geschafft. Sie hat mich gefragt, warum ich ihr alles so schwer mache und als ich die Situation mit ihr klären wollte, kamt ihr zur Tür herein und habt das Ganze falsch gedeutet.“
Ich legte mich aufs Bett, breitete die Arme aus und schloss die Augen.
„Sie hat dich was gefragt? Wie kamt ihr darauf?“
Bellas Gesichtsausdruck wechselte innerhalb von wenigen Sekunden von fassungslos zu fragend und schließlich zu irritiert. Ich seufzte, wie ich es in den letzten Tagen irgendwie ständig tat, und öffnete die Augen wieder, um Bella anzusehen.
„Ich habe mich bei ihr entschuldigt, dass ich ihr anscheinend damals bei uns Angst gemacht und daraufhin meinte sie, dass sie keine Angst hätte, ich ihr aber ständig alles so schwer machen würde. Bitte“, fing ich an, bevor meine Eltern noch etwas dazu sagen konnten.
„Bitte mischt euch da nicht ein. Nächstes Mal, wenn wir alleine sind, dann kann ich bestimmt noch einmal mit mir reden. Lasst mich das machen.“
Ich sah die zweifelnden Blicke und war froh, als sowohl Edward, als auch Bella nickten. Langsam richtete ich mich wieder auf und sah sie dankbar an.
„Danke. Glaubt mir, ich brauche nur ein wenig Zeit. Warum seid ihr eigentlich schon zurück? Habt ihr etwas gefunden?“
Bisher war ich von den Gedanken an Jane abgelenkt gewesen, doch nun regte sich ein leichter Hoffnungsschimmer in mir. Konnte es wirklich sein, dass sie schon nach so kurzer Zeit eine Lösung gefunden hatten? Ich wusste nicht, wie groß die Bibliothek der Volturi war, doch anscheinend hatten sie schon alles durchsucht und waren zu einem Ergebnis gekommen.
Bella senkte jedoch den Kopf und sprach leise.
„Leider nicht. Die Bibliothek ist so gigantisch, dass selbst wir wohl mehrere Tage brauchen werden. Leider hat die gesamte Anhängerschaft der Volturi absolut keine Ahnung, wie es zu dem Verlust einer Gabe kommen kann. Außerdem kommt hinzu, dass nur Demetri, Felix, Alec und wir beide in die Bibliothek dürfen, um sie systematisch abzusuchen. Allerdings hat das auch Vorteile und wir bekommen möglichst viel mit. Das heißt allerdings auch, dass du in den nächsten Tagen noch einige Zeit mit Jane verbringen musst.“
„Kein Problem. Das kommt mir sogar gelegen. So kann ich versuchen mich noch einmal mit ihr zu unterhalten.“
Bella blickte wieder skeptisch, doch dann wandte sie sich an Edward.
„Edward, du wolltest dich bei Alice melden.“
Er nickte und holte sein Handy aus der Hosentasche.
„Hier unten habe ich kein Netz. Ich bin gleich wieder da.“
Bevor er aus der Tür herausschlüpfen konnte, rief ich nach ihm.
„Edward?“
„Was ist?“, fragte er und sah mich neugierig an.
„Tust du mir einen Gefallen?“
Gekonnt setzte ich meinen Dackelblick auf, den ich jahrelang an meiner Familie trainiert hatte. Dazu legte ich den Kopf schief und ließ mein Haar über die Schulter fallen. Die gewünschte Reaktion erfolgte prompt und Bella grinste.
„Was denn, mein Engel?“
Daraufhin grinste ich.
„Ich habe meine Tante schon lange nicht mehr geärgert. Kannst du ihr erzählen, dass mein Koffer verloren gegangen ist und ich keinerlei Kleidung hier habe?“
Edward lachte nur, ging aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
„Jetzt ist es aber genug. Es ist spät und du solltest schlafen. Nachts bleiben wir hier bei dir und wenn du morgen früh wach wirst, wird Jane uns ablösen, damit wir weitersuchen können.“
Sobald sie es ausgesprochen hatte, spürte ich, wie müde ich doch war und machte mich gähnend fertig zum Schlafen.


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